Beschreibung

Der erwerbslose Bergmann Nikolaus Keilhauer (geboren am 20.5.1913 in Aachen) soll Flugblätter regimekritischen Inhalts verteilt haben. Am Morgen des 27.3.1933 ging Keilhauer auf das Aachener Wohlfahrtsamt und traf dort auf eine Bekannte, welcher er zwei Flugblätter zeigte, von denen er ihr eins zur Lektüre überließ. Nach Zeugenaussagen soll er dabei angegeben haben, solche Flugblätter schon am Morgen verteilt zu haben. Bei den Flugblättern handelt es sich um einen mit "Aktiv revolutionärer Nationalsozialisten" überschriebenen Angriff auf die nationalsozialistische Regierung, der vorgehalten wird, die "nationale Revolution" verraten zu haben: "Revolution? Wir hatten uns die =anders= vorgestellt!!!! Einstmals hies es im Horst Wessel-Lied: Bald wehen Hitlerfahnen über "Barrikaden" und heute quaken im Rundfunk die Postenjäger." Drohend heißt es: "Wir wollen die Revolution machen, und jetzt wird mit uns Revolution gemacht!!" In den Reihen der Nationalsozialisten mache sich "ehemaliges Separatistengesindel breit", welches nun "wie damals in der Art der Vandalen in den Wohnungen deutscher Arbeitsbrüder und Volksgenossen" hausen würde. Zur aktuellen politischen Lage nach der Machtübernahme Hitlers erklärt das Flugblatt mehrdeutig: "Anstatt mit Brot und Arbeit werden wir mit 'Attentaten' und stets neuen 'Attentätern' beglückt. Um die Brandstiftung im Reichstag und den Brandstiftern , zu dem noch vor einigen Monaten die Kölner S.A. Kamerad sagte, ist es verdächtig still geworden." Was die vermutete Absicht hinter immer neuen Anschlagsmeldungen betrifft, wird der Reichsführer SS Heinrich Himmler zitiert, der gesagt haben soll, sobald "ein Schuss gefallen sei, könne niemand Progromme [Pogrome] verhindern!!" Am Ende der Flugschrift steht ein unmissverständlicher Aufruf zu Gewalt und Mord: "Wenn bestimmte Herren Progromme brauchen dann sollen sie die haben!! Aber =nicht= Progromme gegen deutsche Arbeitsbrüder und ein paar arme Handelsjuden!! Wenn schon Progromme, dann gegen die, die Elend und Not verschuldet haben!! Dann schon gegen die Gross-Unternehmer und Schwerverdiener, gegen die Börsen, Bank-Schacherer, gegen die feinen Leute […]." Unterschrieben ist das Flugblatt mit einem in der Art eines Stempels nachempfundenen und mit "NSDAP Aachen" umschriebenen Hakenkreuz. Ein in der Nähe befindlicher SA-Mann meldete den Vorgang auf dem Amt. Keilhauer wurde unverzüglich festgenommen und vernommen: Das ehemalige Mitglied des kommunistischen "Kampfbundes gegen den Faschismus" und zeitweise Zeitungsausträger der "Arbeiterzeitung" bestritt die Flugblätter verteilt zu haben. Er habe sie lediglich am Morgen vor seiner Wohnungstür aufgefunden und könne daher nichts zu den Hintergründen berichten. Diese Aussage wiederholte er. Am 8.4. erging Haftbefehl gegen den arbeitslosen Bergmann. Das Sondergericht Köln verurteilte Nikolaus Keilhauer am 13.4.1933 wegen Vergehens gegen die "Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung", dem Vorgänger des Heimtücke-Gesetzes, zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis, abzüglich Untersuchungshaft. Das Gericht sah es als unzweifelhaft an, dass Keilhauer die Flugblätter kannte und ihren Inhalt billigte, sei er doch nach wie vor zu den Anhängern der Kommunistischen Partei zu zählen, zu der sich die Flugschriften zuordnen lassen. Die Verteilung der Flugblätter konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Keilhauer saß bis zum 12.7.1934 in Köln, Siegburg und Wittlich seine Haftstrafe ab.

Quellen

LAV NRW Abt. Rheinland Gerichte Rep. 112, Nr. 16357

Sicherheit: belegt