Beschreibung

Der staaten- und obdachslose Gelegenheitsarbeiter Siegmund Prus, geboren am 25.01.1901 in Stocki (Polen), äußerte sich sehr kritisch über die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV). Prus gelangte auf seinen Wanderungen durch das Rheinland und den Rheingau am 28.12.1936 nach Oberwiehl. Dort ging er in das Geschäft Karl Bauer, wo er dessen sechzehnjährige Tochter Hildegard Bauer antraf. Er fragte sie nach einer gebrauchten Hose, da er offenbar nur seine verschlissene am Körper trug. Das Mädchen, verunsichert durch Prus Auftreten, verneinte sein Ansinnen. Darauf begann Prus gegen die nationalsozialistische Gesellschaft und ihre Wohlfahrt zu schimpfen. Die Zeugin Bauer gab in der späteren Vernehmung seine Äußerungen an: "Nirgendwo könne er etwas kriegen. Drüben hätten ihn die verfluchten Völker auch vor der Türe stehen lassen. Alles würde an die NSV gegeben, von der kriege man aber nichts." Bauer versuchte zu beschwichtigen und die NSV als soziale Wohltat darzustellen, worauf Prus nun mehr nur fluchte. Er bezeichnete die NSV als "Saupack" und erklärte, sie sei etwas "ganz Ungerechtes". Er beklagte sich über Arbeitsmangel und niedrige Löhne, die für ihn nicht mehr zum leben reichen würden. Wohlhabende Bürger nannte er "Bonzen" und bezichtigte sie der Ausbeutung. Schließlich verabschiedete Prus sich mit einem "Heil Hitler!" und verschwand. Telefonisch über diesen Bettelversuch und die NS-kritischen Äußerungen benachrichtigt, nahm die Polizei Prus noch am Abend des gleichen Tages fest. Der Reichsjustizminister veranlasste ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz. In der Vernehmung bestritt Prus nur die Beleidigung "Saupack", bekräftigte jedoch seine scharfe Kritik an der NSV. Das Sondergericht Köln verurteilte am 10.05.1937 Siegmund Prus wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz und Beleidigung zu sechs Monaten und sechs Wochen Haftstrafe. Die Untersuchungshaft wurde auf die Gefängnisstrafe angerechnet.

Quellen

LAV NRW Abt. Rheinland Gerichte Rep. 112 Nr.17009

Sicherheit: belegt