Beschreibung

Wilhelm ("Willi") Bollinger (10.6.1919 - 7.1.1975) stand im engen Kontakt mit Willi Graf und den Aktionen der "Weißen Rose" in München. Seine Tätigkeit als Sanitätsgefreiter hatte er zuvor genutzt, um diese Kreise mit Waffen zu beliefern. Am 22. Januar traf sich Bollinger mit Willi Graf in Saarbrücken. Letzterer brachte aus München das vorformulierte fünfte Flugblatt der "Weißen Rose" - "An alle Deutsche" - mit und plante, mit Bollinger den Verteilungsmodus in der Saarregion zu besprechen. Der Aufruf ging davon aus, dass der Krieg bereits verloren sei und man nun daran gehen müsse, nationalsozialistisches Gedankengut unschädlich zu machen. An das Gespräch mit Graf erinnerte sich Bollinger später: "Wir kamen schon nach wenigen Worten auf die Sinnlosigkeit von Stalingrad - in deren Bann wir gerade standen - und fragten uns, wie lange man alles noch treiben lassen könne. Wie lange noch sollte ungestraft die Menschenwürde in den Schmutz getreten werden dürfen [...]". Am darauffolgenden Tag deponierte er das aus München erhaltene Abzugsgerät im Geschäftszimmer des Lazaretts, in welchem er seinen Dienst als Sanitäter verrichtete. Auf seiner Schreibmaschine schrieb er den Text des Aufrufes auf eine Matritze, woraufhin er das Flugblatt in einer Auflage von ca. 20 Exemplaren an Saarbrücker Akademiker verschickte. Diesbezüglich äußerte er später: "Durch die Flugblätter, die ja neutral mit der Post versandt wurden, sollte den Leuten, von denen wir glaubten, daß sie zur geistigen Elite gehörten, primär der Mut gestärkt werden, damit sie es wieder wagten, gegen die Übergriffe des Nationalsozialismus Stellung zu nehmen [...]. Es sollte ihnen auch das Gefühl gegeben werden, daß sie nicht alleine dastanden mit ihrer Meinung, sondern daß es in Deutschland noch genügend Menschen gab, die ihren Charakter und ihre moralische Haltung bewahrt hatten." Im Februar 1943 nahm man die Münchener Gruppe um Hans Scholl gefangen. Wilhelm Bollingers Bruder Heinz organisierte eine oppositionelle Gruppe in Freiburg und hatte über Freunde, welche regelmäßig "Feindsender" hörten, von den Ereignissen in München erfahren. Vor seiner eigenen Verhaftung gelang es ihm, seinen Bruder zu warnen, woraufhin sich dieser jeglicher Beweise entledigte. Die unklare Beweislage führte dazu, dass Bollinger am 28.2.1944 nur angeklagt wurde, ein "hochverräterisches Unternehmen" nicht angezeigt zu haben. Verteidigt wurde Bollinger vom ehemaligen Zentrumspolitiker und späteren Ministerpräsidenten Hubert Ney. Der Prozess ging relativ glimpflich aus; Wilhelm Bollinger wurde vom Saarbrücker Landgericht zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Darüber hinaus deckten nicht nur Willi Grafs Aussagen Willi Bollinger, sondern auch die mehrheitlich wohl katholischen Briefempfänger. "Es war bezeichnend für die Haltung des von mir angesprochenen Personenkreises, daß kein einziges dieser Flugblätter die Gestapo erreichte."

Literatur

Mallmann, Klaus-Michael/Paul, Gerhard, Das zersplitterte Nein. Saarländer gegen Hitler, Bonn 1989, S. 32-42. Goergen, Peter, Willi Graf. Ein Weg in den Widerstand, St. Ingbert 2009, S. 165 f.

Sicherheit: nicht belegt