Oskar Hammelsbeck

Pädagoge (1899-1975)

Folkert Rickers (Duisburg)

Oskar Hammelsbeck, Porträtfoto. (Privatbesitz)

Ham­mels­beck ar­bei­te­te zu­nächst als Päd­ago­ge im Rah­men der Volks­hoch­schul­ar­beit in Saar­brü­cken in der Volks- be­zie­hungs­wei­se. Er­wach­se­nen­bil­dung. Ab 1936 war er in füh­ren­der Po­si­ti­on Ka­te­chet der Be­ken­nen­den Kir­che in Ber­lin. Sei­ne Be­deu­tung für das Rhein­land er­gibt sich vor al­lem aus sei­ner Tä­tig­keit als Di­rek­tor der Päd­ago­gi­schen Aka­de­mie Wup­per­tal, mit de­ren Auf­bau er 1946 be­auf­tragt wur­de und die er bis 1959 lei­te­te.

Ham­mels­beck wur­de am 22.5.1899 in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) ge­bo­ren, wuchs aber nach dem Tod der El­tern bei sei­nem On­kel in Saar­brü­cken auf. Dort be­stand er 1916 das Ab­itur und mel­de­te sich an­schlie­ßend als Kriegs­frei­wil­li­ger (1916-1918). Ab 1919 stu­dier­te er in Hei­del­berg Phi­lo­so­phie, Na­tio­nal­öko­no­mie, So­zio­lo­gie, Ge­schich­te und Kunst­ge­schich­te und schloss das Stu­di­um 1923 mit ei­ner volks­wirt­schaft­li­chen Dis­ser­ta­ti­on ab. Im glei­chen Jahr hei­ra­te­te er Wal­traut Dittrich. Aus der Ehe gin­gen vier Kin­der her­vor. Um den Fa­mi­li­en­un­ter­halt zu si­chern, ar­bei­te­te Ham­mels­beck vor­über­ge­hend als Ge­schäfts­füh­rer ei­ner Kla­vier­fa­brik. 1926 grün­de­te er die Volks­hoch­schu­le Saar­brü­cken, die er von 1927 bis 1933 haupt­amt­lich lei­te­te. 1933 wur­de auf An­trag der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten im Saar­brü­cker Stadt­rat die Volks­hoch­schu­le auf­ge­löst, Ham­mels­beck zum 31.12.1933 ent­las­sen. An­schlie­ßend ar­bei­te­te er als Mit­tel­schul­leh­rer für Deutsch und Evan­ge­li­sche Re­li­gi­on, wur­de aber am 2.11.1936 auch aus die­ser Tä­tig­keit ent­las­sen.

En­de 1936 wech­sel­te Ham­mels­beck in ein neu­es päd­ago­gi­sches Me­tier und wur­de in lei­ten­der Funk­ti­on als Ka­te­chet be­zie­hungs­wei­se Re­li­gi­ons­päd­ago­ge für die Be­ken­nen­de Kir­che in Ber­lin tä­tig. 1939 er­schien sein Buch „Der kirch­li­che Un­ter­richt" (2. Auf­la­ge 1947), mit dem er sich als ei­ner der ma­ß­ge­ben­den Theo­re­ti­ker der sich auch in der Be­ken­nen­den Kir­che durch­set­zen­den re­li­gi­ons­päd­ago­gi­schen Kon­zep­ti­on der „Evan­ge­li­schen Un­ter­wei­sung" pro­fi­lier­te. 1946 lehn­te er ei­ne Ruf auf ei­nen Lehr­stuhl für Prak­ti­sche Theo­lo­gie in Göt­tin­gen ab und über­nahm statt­des­sen den Auf­bau der Päd­ago­gi­sche Aka­de­mie Wup­per­tal, die er 13 Jah­re lang als Di­rek­tor be­zie­hungs­wei­se Rek­tor lei­te­te. Seit 1951 en­ga­gier­te sich Ham­mels­beck in dem von ihm mit­be­grün­de­ten Ar­beits­kreis Päd­ago­gi­scher Hoch­schu­len, Von 1958 bis 1961 war er Vor­sit­zen­der und Prä­si­dent des Päd­ago­gi­schen Hoch­schul­tags.

Der Re­li­gi­ons­päd­ago­gik blieb Ham­mels­beck zwi­schen 1949 und 1965 als Her­aus­ge­ber der Zeit­schrift „Der Evan­ge­li­sche Er­zie­her" ver­pflich­tet so­wie von 1946 bis 1971 durch ei­nen Lehr­auf­trag für Päd­ago­gik und Ka­te­che­tik an der Kirch­li­chen Hoch­schu­le Wup­per­tal. 1950 war er Mit­be­grün­der der „Ge­mein­schaft Evan­ge­li­scher Er­zie­her" im Rhein­land (GEE).

Der Zu­gang zu sei­nen päd­ago­gi­schen Vor­stel­lun­gen in Er­wach­se­nen­bil­dung, Re­li­gi­ons­päd­ago­gik und Leh­rer­bil­dung er­schlie­ßt sich am bes­ten über den Be­griff der „Frei­heit", wel­cher der Schlüs­sel zu sei­nem Le­bens­ver­ständ­nis war. Frei­heit ver­stand Ham­mels­beck als ei­ne Form geis­ti­ger Un­ab­hän­gig­keit. So be­zeich­ne­te er die Saar­brü­cker Volks­hoch­schu­le als „Hort geis­ti­ger Frei­heit". Nach ih­rer Schlie­ßung fand er in der Be­ken­nen­den Kir­che ei­nen neu­en Weg geis­ti­ger Frei­heit in­mit­ten ideo­lo­gi­scher An­sprü­che. Er ver­stand sie nun theo­lo­gisch, als von Gott ge­schenk­te Frei­heit und be­rief sich da­bei auf das Lu­ther­wort von der „Frei­heit ei­nes Chris­ten­men­schen" und auf die zwei­te The­se der Bar­mer Theo­lo­gi­schen Er­klä­rung von 1934, die er als „Ma­gna Char­ta" von Bil­dung und Er­zie­hung be­zeich­ne­te. Die­se Po­si­ti­on be­hielt Ham­mels­beck zeit­le­bens bei. Sie wur­de ma­ß­ge­bend für das Schul­wort der Evan­ge­li­schen Kir­che von 1958: Die Pro­kla­ma­ti­on, dass die Kir­che zu ei­nem frei­en Dienst in ei­ner frei­en Schu­le be­reit sei, geht vor al­lem auf ihn zu­rück.

1950 gab Ham­mels­beck ei­ne „Evan­ge­li­sche Leh­re von der Er­zie­hung" (2. Auf­la­ge 1958) her­aus. Dar­in sind die Leit­li­ni­en for­mu­liert, an de­nen sich die Aus­bil­dung der Volks­schul­leh­re­rin­nen und -leh­rer in Wup­per­tal ori­en­tie­ren soll­te. Ham­mels­beck trat für ei­ne kon­fes­sio­nel­le Aus­bil­dung der Volks­schul­leh­rer ein. Nicht die Schu­le woll­te er an christ­li­chen Nor­men ori­en­tie­ren, son­dern die Er­zie­hungs­per­so­nen, um mit de­ren Hil­fe das Evan­ge­li­um im welt­li­chen Be­reich päd­ago­gisch zur Gel­tung zu brin­gen.

Ham­mel­becks Aus­bil­dungs­kon­zept für Volks­schul­leh­rer in Wup­per­tal war al­ler­dings nicht nur christ­lich, son­dern auch völ­kisch ori­en­tiert, Er­zie­hungs­vor­stel­lun­gen fort­schrei­bend, de­nen er sich be­reits in Saar­brü­cken und wäh­rend des „Drit­ten Reichs" ver­pflich­tet ge­fühlt hat­te. Er plä­dier­te für die Aus­bil­dung von so ge­nann­ten „Volks­leh­rern", Volks­schul­leh­rern, die die Wert- und Kul­tur­ge­mein­schaft des deut­schen Vol­kes re­prä­sen­tier­ten und be­fä­higt sei­en, jun­ge Men­schen auf ko­gni­ti­vem wie auf emo­tio­na­lem We­ge in sie ein­zu­be­zie­hen: „Je wur­zelech­ter der Leh­rer durch die Bil­dung in der Kul­tur sei­nes Vol­kes steht, je bes­ser er sie durch sei­ne per­sön­lich-mensch­li­che Ei­gen­art dar­stellt, um­so le­ben­di­ger und ver­ständ­nis­vol­ler wächst das nach­fol­gen­de Ge­schlecht in sie hin­ein" (Ham­mels­beck, Evan­ge­li­sche Leh­re).

Die Päd­ago­gi­sche Aka­de­mie hat­te nach Ham­mels­beck ge­gen­über der wis­sen­schaft­li­chen Aus­bil­dung an der Uni­ver­si­tät in al­len Fä­chern ih­re ei­ge­ne und blei­ben­de Auf­ga­be. Kon­se­quen­ter­wei­se lehn­te er des­halb in der 1960er Jah­ren ei­ne Über­tra­gung der Volks­schul­leh­rer­aus­bil­dung auf die Uni­ver­si­tät ab und be­harr­te auf der Ei­gen­stän­dig­keit der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le. Nach der Be­las­tung des Be­griffs „Volk" im „Drit­ten Reich" ist al­ler­dings Ham­mels­becks For­de­rung nach ei­ner Aus­bil­dung von „Volks­leh­rern" schwer nach­zu­voll­zie­hen, zu­mal ein gleich­zei­ti­ges und gleich­ge­wich­ti­ges Vo­tum für ei­ne Er­zie­hung zur De­mo­kra­tie fehl­te. Ham­mels­beck starb am 14.5.1975 in Det­mold.

Werke (Auswahl)

Brief­wech­sel Karl Jas­pers – Os­kar Ham­mels­beck 1919-1969, hg. und er­läu­tert von Her­mann Horn, Frank­furt am Main 1986
Evan­ge­li­sche Leh­re von der Er­zie­hung, Mün­chen 1950, 2. Auf­la­ge Mün­chen 1958
Der kirch­li­che Un­ter­richt. Auf­ga­be – Um­fang – Ein­heit, Mün­chen 1939, 2. Auf­la­ge 1947
Päd­ago­gi­sche Au­to­bio­gra­phie (Ju­li 1959), in: Horn, Her­mann (Hg.), Kir­che, Schu­le und Staat im 20. Jahr­hun­dert. Os­kar Ham­mels­becks Bi­lanz aus dem Nach­laß, [Ha­gen 1979], S. 9-96
Der Zoll­an­schluss des deut­schen Saar­ge­bie­tes an Frank­reich, Dis­ser­ta­ti­on Hei­del­berg 1923

Festschrift

Heu­ser, In­ge/Horn, Her­mann (Hg.), Frei­heit und Ver­ant­wor­tung in Schu­le und Hoch­schu­le. Os­kar Ham­mels­beck zum 70. Ge­burts­tag, Wup­per­tal 1969

Literatur

Beeck, Karl-Her­mann, Die evan­ge­li­sche Päd­ago­gi­sche Aka­de­mie Wup­per­tal 1946-1959. Die Ae­ra Ham­mels­beck, [Wup­per­tal 2000].
Crim­mann, Ralph P., Erich We­ni­ger und Os­kar Ham­mels­beck. Ei­ne Un­ter­su­chung ih­rer päd­ago­gi­schen und theo­lo­gi­schen An­schau­un­gen un­ter be­son­de­rer Be­rück­sich­ti­gung des Nor­men­pro­blems, Wein­heim/Ba­sel 1986.
Ri­ckers, Fol­kert, Ar­ti­kel „Ham­mels­beck, Os­kar", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 24 (2008), Sp. 541-568.
Ri­ckers, Fol­kert, „Wi­der­stand im Ver­bor­ge­nen"? Der kirch­li­che Un­ter­richt bei Os­kar Ham­mels­beck im zeit­ge­schicht­li­chen Kon­text des Drit­ten Rei­ches, in: Mo­nats­hef­te für Evan­ge­li­sche Kir­chen­ge­schich­te des Rhein­lan­des 55 (2006), S. 31-50.
Stu­ben­rauch, Ru­dolf, Zum Ver­hält­nis von Er­zie­hungs­leh­re und Er­zie­hungs­wirk­lich­keit im Wer­ke Os­kar Ham­mels­becks. Kon­fes­sio­nel­le Päd­ago­gik im Wi­der­spruch, Dis­ser­ta­ti­onWup­per­tal 1990.

 
Zitationshinweis

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Rickers, Folkert, Oskar Hammelsbeck, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/oskar-hammelsbeck/DE-2086/lido/57c825d5c9e9b9.06893853 (abgerufen am 19.03.2024)