Christine Teusch

Kultusministerin (1888-1968)

Helmut Rönz (Bonn)

Christine Teusch, um 1947. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland, RWB 1264/3, Fotograf: Carl August Stachelscheid)

Chris­ti­ne Teusch ist ei­ne ka­tho­li­sche So­zi­al­po­li­ti­ke­rin, die bis 1933 in der Zen­trums­par­tei und nach 1945 in der CDU en­ga­giert war. Seit 1918 be­tä­tig­te sie sich zu­dem in der ka­tho­li­schen Frau­en- und Ge­werk­schafts­ar­beit. Nach 1933 stand sie dem christ­li­chen Wi­der­stand ge­gen Hit­ler na­he. 1947 wur­de sie Kul­tus­mi­nis­te­rin von Nord­rhein-West­fa­len.

Chris­ti­ne Teusch wur­de am 11.10.1888 im von In­dus­trie ge­präg­ten Köl­ner Stadt­teil Eh­ren­feld als Zwil­ling ge­bo­ren. Sie stamm­te aus ei­ner be­kann­ten ka­tho­li­schen Kauf­manns­fa­mi­lie. Nach ih­rem Ab­itur in Köln wur­de sie zur Ober­leh­re­rin aus­ge­bil­det und un­ter­rich­te­te von 1910 bis 1913 in Neuss, an­schlie­ßend in Köln. 1913 be­stand sie die Rek­to­ren­prü­fung.

Schon früh en­ga­gier­te sie sich po­li­tisch, zu­nächst vor al­lem im be­rufs­spe­zi­fi­schen Ver­bands- und Ver­eins­ka­tho­li­zis­mus. So wur­de sie mit­ten im Krieg 1915 Vor­sit­zen­de des „Ka­tho­li­schen Leh­re­rin­nen­ver­eins" des Be­zirks­ver­ban­des Köln. Die­ses Amt soll­te sie bis 1917 aus­üben, als sie dienst­ver­pflich­tet wur­de und die Lei­tung ei­ner Ne­ben­stel­le für Frau­en­ar­beit bei der Mi­li­tär­ver­wal­tung in Es­sen über­tra­gen be­kam. Eben­falls noch wäh­rend des Krie­ges wur­de sie am 1.4.1918 Ver­bands­se­kre­tä­rin ei­nes neu ge­grün­de­ten Frau­en­de­zer­nats in der Köl­ner Zen­tra­le des „Ge­samt­ver­ban­des der christ­li­chen Ge­werk­schaf­ten". Als sol­che bau­te sie das Re­fe­rat auf und lei­te­te es. Von 1923 bis 1965 stand sie zu­dem dem Deut­schen Na­tio­nal­ver­band der Ka­tho­li­schen Mäd­chen­schutz­ver­ei­ne mit Sitz in Frei­burg im Breis­gau vor.

1919 wur­de sie in die ver­fas­sungs­ge­ben­de Wei­ma­rer Na­tio­nal­ver­samm­lung ge­wählt. Dort war sie mit 31 Jah­ren nicht nur das jüngs­te Mit­glied, son­dern ei­ne von nur we­ni­gen weib­li­chen Ab­ge­ord­ne­ten. Chris­ti­ne Teusch ge­hör­te als Zen­trums­ab­ge­ord­ne­te von 1920 bis 1933 dem Reichs­tag an. 1925 wur­de sie als Schrift­füh­re­rin in das Prä­si­di­um des Reichs­tags be­ru­fen. Im so­zi­al­po­li­ti­schen Aus­schuss der Zen­trums­par­tei hat­te die in der Tra­di­ti­on der so­zia­len Ka­tho­li­zis­mus ste­hen­de Po­li­ti­ke­rin das Amt ei­ner stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den in­ne ge­habt.

Chris­ti­ne Teusch blieb ihr Le­ben lang, wie es für vie­le Ober­leh­re­rin­nen, aber auch für Po­li­ti­ke­rin­nen der ers­ten Stun­de üb­lich war, un­ver­hei­ra­tet. Sie leb­te mit ih­rer Zwil­lings­schwes­ter Kä­the zu­sam­men, die den Haus­halt führ­te. Mit der Macht­er­grei­fung der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten 1933 kam auch für Frau Teusch das vor­läu­fi­ge En­de ih­rer po­li­ti­schen Ar­beit. Nach­dem sie zu­nächst als Volks­schul­leh­re­rin nach Köln zu­rück­ge­kehrt war, wur­de sie 1936 aus vor­geb­lich ge­sund­heit­li­chen Grün­den in den vor­zei­ti­gen Ru­he­stand ver­setzt. Wäh­rend der NS-Herr­schaft hielt sie wei­ter­hin Kon­takt zu ih­ren Freun­den aus der christ­li­chen Ge­werk­schafts­be­we­gung und war im Um­feld ei­nes ka­tho­li­schen Wi­der­stand­krei­ses, des so ge­nann­ten „Köl­ner Krei­ses", dem auch der un­längst se­lig ge­spro­che­ne und von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten er­mor­de­te Ge­werk­schafts­se­kre­tär Ni­ko­laus Groß an­ge­hör­te. Eben­falls zum en­ge­ren Köl­ner Kreis ge­hör­ten u.a. Wil­helm El­fes f­rü­he­rer WAZ-Chef­re­dak­teur und Kre­fel­der Po­li­zei­prä­si­dent, An­dre­as Her­mes (1878-1964), ehe­ma­li­ger Reichs­land­wirt­schafts­mi­nis­ter des Zen­trums, Jo­han­nes Al­bers (1890-1963), Jo­han­nes Gro­now­ski (1874-1958), Hein­rich Kör­ner und die Do­mi­ni­ka­ner Lau­ren­ti­us Sie­mer un­d Eber­hard Welty (Wal­ber­berg).

Be­reits 1945 trat Chris­ti­ne Teusch der neu ge­grün­de­ten über­kon­fes­sio­nel­len Christ­lich-De­mo­kra­ti­schen Uni­on (CDU) bei. 1946 wur­de sie in den Vor­stand der CDU in der bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne ge­wählt, nach­dem sie be­reits von der bri­ti­schen Be­sat­zungs­macht in den Köl­ner Stadt­rat so­wie in den be­ra­ten­den Pro­vin­zi­al­rat der Nord­rhein-Pro­vinz be­ru­fen wor­den war. Seit 1947 saß sie für den Wahl­kreis Köln-Stadt III im Nord­rhein-West­fä­li­schen Land­tag. Am 19.12.1947 wur­de Chris­ti­ne Teusch von Mi­nis­ter­prä­si­den­t Karl Ar­nold zur Kul­tus­mi­nis­te­rin er­nannt – nicht oh­ne mas­si­ve Pro­tes­te aus Kir­chen und Par­tei. Sie war nach der So­zi­al­de­mo­kra­tin und nie­der­säch­si­schen Mi­nis­te­rin Mar­tha Fuchs (1892-1966) erst die zwei­te Frau im de­mo­kra­ti­schen Deutsch­land, die ein Mi­nis­ter­amt in­ne hat­te.

Bei ih­rer po­li­ti­schen Ar­beit, die auf der Grund­la­ge christ­li­cher Wer­te und Tra­di­tio­nen ba­sier­te, stan­den El­tern­recht und Ge­wis­sens­frei­heit im Mit­tel­punkt al­ler Über­le­gun­gen. Ih­re Päd­ago­gik soll­te die jun­ge De­mo­kra­tie auch im Geis­ti­gen fes­ti­gen. Eben­so lag ein Haupt­au­ge­merk in der Schaf­fung von Bil­dungs­mög­lich­kei­ten für al­le Be­völ­ke­rungs­schich­ten. Chris­ti­ne Teusch war au­ßer­dem Fe­der füh­rend bei der For­mu­lie­rung der kul­tur- und kir­chen­po­li­ti­schen Grund­sät­ze Nord­rhein-West­fa­lens.

Auch ih­re Hoch­schul­po­li­tik galt als vor­bild­lich. Von 1953 an lei­te­te sie die Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz, das wich­tigs­te kul­tur­po­li­ti­sche Or­gan der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Sie war un­ter an­de­rem Mit­be­grün­de­rin der „Stu­di­en­stif­tung des Deut­schen Vol­kes", des „Deut­schen Aka­de­mi­schen Aus­tausch­diens­tes" so­wie der „For­schungs­ge­mein­schaft der deut­schen Wis­sen­schaft". Be­reits 1954 muss­te Chris­ti­ne Teusch aus ih­rem Amt schei­den – ei­ne Ent­las­sung, die sie nur schwer ver­win­den konn­te.

Für ih­re Ver­diens­te wur­de Frau Teusch, die bis 1966 Ab­ge­ord­ne­te im Nord­rhein-West­fä­li­schen Land­tag blieb, am 7.9.1956 als ers­te Frau mit dem höchs­ten Or­den der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­lands, dem Gro­ßen Ver­dienst­kreuz mit Stern und Schul­ter­band, aus­ge­zeich­net. Chris­ti­ne Teusch starb am 24.10.1968 in Köln.

Literatur

Der­tin­ger, Ant­je, Frau­en der ers­ten Stun­de. Aus den Grün­der­jah­ren der Bun­des­re­pu­blik, Bonn 1989, S. 216-226.
Eich, Klaus-Pe­ter, Schul­po­li­tik in Nord­rhein-West­fa­len. 1945-1954, Düs­sel­dorf 1987.
Lau­ten­schlä­ger, Ga­brie­le, „Teusch, Chris­ti­ne", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 11 (1996), Spal­ten 726-728.
Mor­sey, Ru­dolf, Chris­ti­ne Teusch, in: Wal­ter Först (Hg.), Aus drei­ßig Jah­ren. Rhei­nisch-West­fä­li­sche Po­li­ti­ker-Por­träts, Köln 1979, S. 200-209.
Teusch, Chris­ti­ne, Das christ­li­che Bil­dungs­ide­al, in: Po­li­ti­sches Jahr­buch der CDU/CSU, hg. vom Ge­ne­ral­se­kre­ta­ri­at der Ar­beits­ge­mein­schaft der CDU/CSU für Deutsch­land, 1. Jahr­gang, Frank­furt a.M. 1950. 

Online

De­tails­an­sicht der Ab­ge­ord­ne­ten Dr.h.c. Chris­ti­ne Teusch (In­for­ma­ti­on auf der Web­site des Land­ta­ges NRW). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Rönz, Helmut, Christine Teusch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/christine-teusch/DE-2086/lido/57c93bbadbb9c7.04518956 (abgerufen am 19.03.2024)