Rudolf von Auerswald

Regierungspräsident in Trier, Staatsminister, preußischer Ministerpräsident, Oberpräsident der Provinz Preußen und Oberpräsident der Rheinprovinz (1795-1866)

Joachim Lilla (Krefeld)

Rudolf von Auerswald, Porträtfoto 1862, Foto: L. Haase. (Bibliothèque nationale de France)

Der An­hän­ger „des von Kant und Adam Smith ge­präg­ten ost­preu­ßi­schen Li­be­ra­lis­mus“ (Goll­wit­zer) war ein preu­ßi­scher Spit­zen­be­am­ter, der ho­he Ver­wal­tungs­äm­ter vom Land­rat und Re­gie­rungs­prä­si­den­ten bis hin zum und Ober­prä­si­den­ten in­ne hat­te und da­zwi­schen im po­li­tisch be­weg­ten Jahr 1848 kurz­zei­tig Mi­nis­ter be­zie­hungs­wei­se preu­ßi­scher Mi­nis­ter­prä­si­dent war.

Ru­dolf Lud­wig Cä­sar von Au­ers­wald wur­de am 1.9.1795 in Fau­len/Kreis Ro­sen­berg als Sohn des Herrn auf Fau­len und Plau­then/Kreis Ma­ri­en­wer­der, nach­ma­lig Land­hof­meis­ter des Kö­nig­rei­ches Preu­ßen (1811), preu­ßi­scher Staats­rat und Ober­prä­si­dent in Ost­preu­ßen, West­preu­ßen und Li­tau­en Hans Ja­kob von Au­ers­wald (1757–1830) und der Al­ber­ti­ne ge­bo­re­ne Burg­grä­fin und Grä­fin zu Doh­na-Lauck (1760–1831) ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie war evan­ge­li­scher Kon­fes­si­on. Ru­dolf von Au­ers­wald hei­ra­te­te am 31.7.1817 in Lauck sei­ne Cou­si­ne Adel­heid Burg­grä­fin und Grä­fin zu Doh­na-Lauck (1795–1859). Aus der Ehe gin­gen meh­re­re Kin­der her­vor.

Au­ers­wald wur­de ge­mein­sam mit Prinz Wil­helm von Preu­ßen, dem nach­ma­li­gen Kö­nig und Kai­ser Wil­helm I. (ge­bo­ren 1797, Re­gent­schaft 1858/1861-1888, ab 1871 Kai­ser) er­zo­gen, mut­ma­ß­lich im Pri­vat­un­ter­richt. Ob er dar­über hin­aus ei­ne öf­fent­li­che Schu­le in Kö­nigs­berg be­sucht hat, ist frag­lich. Ab 1811 stu­dier­te er in Kö­nigs­berg Öko­no­mie und Rechts­wis­sen­schaf­ten, im Mai 1812 trat er in das 1. Leib­hu­sa­ren-Re­gi­ment ein, nahm im Ar­mee­korps des Ge­ne­rals von Yorck zu­nächst am Feld­zug ge­gen Russ­land teil, wur­de am 21.10.1812 zum Se­kon­de­lieu­ten­ant er­nannt und nahm spä­ter an den Be­frei­ungs­krie­gen 1813-1815 teil. Am 13.8.1816 zum Pre­mier­lieu­ten­ant er­nannt, fun­gier­te er ab Ju­ni 1817 als Ad­junkt der 13. Ka­val­le­rie-Bri­ga­de, am 9.4.1820 zum Ritt­meis­ter be­för­dert. Auf An­trag wur­de er am 21.1.1821 aus dem Hee­res­dienst ent­las­sen.

Am 1.9.1824 trat er als Land­rat des Krei­ses Hei­li­gen­beil in den Staat­dienst, von dort wech­sel­te er am 1.7.1835 als Rat in die ost­preu­ßi­sche Land­schafts­di­rek­ti­on. 1838 trat er vor­über­ge­hend in den Dienst der Stadt Kö­nigs­berg, als de­ren Ober­bür­ger­meis­ter er ab 21. Au­gust am­tier­te, ab 10.9.1840 mit dem Ti­tel Ge­hei­mer Re­gie­rungs­rat. Durch Al­ler­höchs­te Ka­bi­netts­ord­re vom 1.7.1842 wur­de er zum Re­gie­rungs­prä­si­dent in Trier er­nannt und trat die­se Stel­le am 22. Au­gust an. Nach der März­re­vo­lu­ti­on wur­de er am 25.3.1848 als Ver­tre­ter des loya­len ost­preu­ßi­schen Li­be­ra­lis­mus zum Ober­prä­si­den­ten der Pro­vinz Preu­ßen er­nannt, wech­sel­te we­nig spä­ter je­doch vor­über­ge­hend in das po­li­tisch un­ru­hi­ge Ber­lin, als er durch Ka­bi­netts­ord­re vom 25.6.1848 zum Prä­si­den­ten des preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums  un­ter gleich­zei­ti­ger Über­nah­me des Mi­nis­te­ri­ums des Äu­ßern er­nannt wur­de. Es wur­de zeit­ge­nös­sisch von ei­nem „Mi­nis­te­ri­um der Ta­t“ ge­spro­chen (1), in dem Da­vid Han­se­mann (1790-1864) wei­ter­hin als Fi­nanz­mi­nis­ter wirk­te. Der Re­gie­rung Au­ers­wald war je­doch nur ei­ne kur­ze Le­bens­dau­er be­schie­den. Ein be­waff­ne­ter Kon­flikt zwi­schen Mi­li­tär und Bür­ger­wehr En­de Ju­li im schle­si­schen Schweid­nitz führ­te zu meh­re­ren Op­fern auf Sei­ten der Bür­ger­wehr. Po­li­tisch wur­de die­ser Vor­fall hoch­ge­spielt, und trotz be­schwich­ti­gen­der Ver­su­che des Mi­nis­te­ri­ums kam es am 7. Sep­tem­ber zu ei­ner De­bat­te in der preu­ßi­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung, in der die Fron­ten nicht ge­klärt wer­den konn­ten. Au­ers­wald er­klär­te dar­auf­hin am 8. Sep­tem­ber den Rück­tritt sei­nes Ka­bi­netts, den der Kö­nig am 21. Sep­tem­ber ak­zep­tier­te. Au­ers­wald kehr­te in der Fol­ge nach Ost­preu­ßen zu­rück und über­nahm wie­der die Amts­ge­schäf­te des Ober­prä­si­den­ten in Kö­nigs­berg.

 

Im zeit­li­chen Um­feld des Jah­res 1848 be­tä­tig­te sich von Au­ers­wald auch re­ge po­li­tisch-par­la­men­ta­risch: Vor 1842 ge­hör­te er dem Pro­vin­zi­al­land­tag der Pro­vinz Preu­ßen an und war zeit­wei­se des­sen stell­ver­tre­ten­der Land­tags­mar­schall. 1842 wur­de er Mit­glied der Ver­ei­nig­ten stän­di­schen Aus­schüs­se (für die Rit­ter­schaft der Pro­vinz Preu­ßen). 1847 nahm er am Ver­ei­nig­ten Land­tag in Ber­lin teil. 1848 war er Mit­glied der preu­ßi­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung (Wahl­kreis Frank­furt an der Oder). 1849 bis 1850 ge­hör­te er der preu­ßi­schen Ers­ten Kam­mer in der I. Wahl­pe­ri­ode an (Wahl­kreis Kart­haus, Dan­zig, Neu­stadt, Amt Tie­gen­hof) und war vom 27.2./1.3.1849-25.2.1850 de­ren Prä­si­dent. Von der Ers­ten Kam­mer wur­de er 1850 in das Staa­ten­haus des Deut­schen Par­la­ments (Er­fur­ter Uni­ons­par­la­ment) ge­wählt. Als (bis 21.3.1850 pro­vi­so­ri­scher) Prä­si­dent stand er dem Staa­ten­haus vom 20.3.-29.4.1850 vor. Als er be­reits kein öf­fent­li­ches Amt mehr be­klei­de­te, ließ er sich ab 1852 im Wahl­kreis Düs­sel­dorf 2 re­gel­mä­ßig in die preu­ßi­sche II. Kam­mer be­zie­hungs­wei­se das Ab­ge­ord­ne­ten­haus wäh­len (bis 1862); bis 1855 ge­hör­te er der Lin­ken Frak­ti­on an, da­nach war er frak­ti­ons­los. Im Ab­ge­ord­ne­ten­haus spiel­te er ei­ne nicht un­we­sent­li­che Rol­le als Ver­tre­ter der li­be­ra­len Op­po­si­ti­on.

Am 1.9.1850 wech­sel­te er als Ober­prä­si­dent der Rhein­pro­vin­z ­nach Ko­blenz, blieb dort aber nur kur­ze Zeit, denn be­reits am 30. 6.1851 stell­te ihn das Mi­nis­te­ri­um un­ter dem hoch­kon­ser­va­ti­ven Ot­to Frei­herrn von Man­teu­f­fel (1805-1882, preu­ßi­scher Mi­nis­ter­prä­si­dent 1850-1858), zu dem er in Op­po­si­ti­on stand, zur Dis­po­si­ti­on. Im Ru­he­stand un­ter­nahm Au­ers­wald ei­ne zwei­jäh­ri­ge Rei­se durch die Län­der des west­li­chen Mit­tel­mee­res. Nach­dem Prinz Wil­helm von Preu­ßen, sein Freund aus Kin­der­ta­gen, am 7.10.1858 zum Prinz­re­gen­ten für sei­nen er­krank­ten Bru­der Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gent­schaft 1840-1858, ge­stor­ben 1861) be­stellt wor­den war, er­nann­te er am 5.11.1858 Karl An­ton Fürst von Ho­hen­zol­lern-Sig­ma­rin­gen (1811-1885, preu­ßi­scher Mi­nis­ter­prä­si­dent 1858-1862) zum neu­en Prä­si­den­ten des Staats­mi­nis­te­ri­ums als Auf­takt zur „Neu­en Är­a“. Die­sem Ka­bi­nett wur­de Au­ers­wald am 6.11.1858 als preu­ßi­scher Staats­mi­nis­ter oh­ne Res­sort bei­ge­ge­ben, und (laut Ka­bi­netts­ord­re) mit Funk­ti­on und Be­sol­dung ei­nes Mi­nis­ter­prä­si­den­ten aus­ge­stat­tet; hier­bei han­del­te es sich er­kenn­bar eher um ei­ne pro­to­kol­la­ri­sche als um ei­ne tat­säch­li­che po­li­ti­sche Funk­ti­ons­be­zeich­nung. Im Mi­nis­te­ri­um war Au­ers­wald zu­stän­dig für den Staats­schatz, das Münz­we­sen und die seit 1850 zu Preu­ßen ge­hö­ri­gen Ho­hen­zol­lern­schen Lan­de. Am 18.3.1862 schied er aus dem preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­um aus, al­ler­dings wur­de die Ur­kun­de auf den 17. März da­tiert we­gen der un­gu­ten As­so­zia­tio­nen, die das re­vo­lu­tio­nä­re Da­tum 18. März (1848) her­vor­ru­fen könn­te. An­läss­lich sei­nes Aus­schei­dens er­nann­te ihn Kö­nig Wil­helm I. zum Ober­burg­gra­fen der west­preu­ßi­schen Ma­ri­en­burg. An Aus­zeich­nun­gen wur­den ihm der Ro­te Ad­ler-Or­den 2. Klas­se mit Ei­chen­laub, das Ei­ser­ne Kreuz 2. Klas­se, das Mi­li­tä­reh­ren­zei­chen 2. Klas­se so­wie der Kai­ser­lich-Rus­si­sche St. An­nen­or­den 2. Klas­se zu­teil.

Au­ers­wald starb am 15.1.1866 in Ber­lin.

Quellen

Die Pro­to­kol­le des Preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums 1817–1934/38, Band 4/I und Band 4/II: 30. März 1848 bis 27. Ok­to­ber 1858, be­arb. von Bär­bel Holtz, Hil­des­heim [u.a.] 2003 (Ac­ta Bo­rus­si­ca NF 1. Rei­he: Die Pro­to­kol­le des Preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums 1817-1934/38).
Die Pro­to­kol­le des Preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums 1817–1934/38, Band 5: 10. No­vem­ber 1858 bis 28. De­zem­ber 1866, be­arb. von Rai­ner Pae­tau, Hil­des­heim [u.a.] 2001 (Ac­ta Bo­rus­si­ca Neue Fol­ge, 1. Rei­he: Die Pro­to­kol­le des Preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums 1817-1934/38).

Literatur

Bär, Max, Die Be­hör­den­ver­fas­sung der Rhein­pro­vinz seit 1815, Bonn 1919, Nach­druck Düs­sel­dorf 1998.
Bu­ß­mann, Wal­ter, Zwi­schen Preu­ßen und Deutsch­land. Fried­rich Wil­helm IV. Ei­ne Bio­gra­phie, Ber­lin 1990, Ta­schen­buch­aus­ga­be Mün­chen 1992.
Haun­fel­der, Bernd, Bio­gra­phi­sches Hand­buch für das Preu­ßi­sche Ab­ge­ord­ne­ten­haus 1849-1867, Düs­sel­dorf 1994, S. 50.
Len­ge­mann, Jo­chen, Das Deut­sche Par­la­ment (Er­fur­ter Uni­ons­par­la­ment) von 1850, Mün­chen/Je­na 2000, S. 67-68.
Ro­meyk, Horst, Die lei­ten­den staat­li­chen und kom­mu­na­len Ver­wal­tungs­be­am­ten der Rhein­pro­vinz 1816–1945, Düs­sel­dorf 1994, S. 334-335.

Online

Bar­de­le­ben, R. von, Au­ers­wald, Ru­dolf von, in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 1 (1875), S. 651-654 [On­line]
Goll­wit­zer, Heinz, Au­ers­wald, Ru­dolf von, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 1 (1953), S. 439-440 [On­line]

Aufruhr vor dem Sitz des Ministerpräsidenten von Auerswald im August 1848, zeitgenössische Darstellung.

 
Zitationshinweis

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Lilla, Joachim, Rudolf von Auerswald, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/rudolf-von-auerswald/DE-2086/lido/5c66bec89df966.24073115 (abgerufen am 19.03.2024)