Heribert

Erzbischof von Köln (999-1021)

Heribert Müller (Frankfurt am Main)

Stab des heiligen Heribert, enstanden um 1020, Original in der Domschatzkammer Köln. (Bildarchiv Foto Marburg)

He­ri­bert zählt zu den pro­fi­lier­ten Ver­tre­tern der Reichs­kir­che an der Jahr­tau­send­wen­de: Als Kanz­ler Ot­tos III. (Re­gie­rungs­zeit 983-1002) war er am Ver­such ei­ner Er­neue­rung des rö­mi­schen Reichs un­ter christ­lich-ka­ro­lin­gi­schen Vor­zei­chen be­tei­ligt, als Köl­ner Erz­bi­schof zeich­ne­te er sich auf vie­len Ge­bie­ten, ins­be­son­de­re bei der Be­wäl­ti­gung ka­ri­ta­tiv-so­zia­ler Auf­ga­ben, durch ad­mi­nis­tra­tiv-or­ga­ni­sa­to­ri­sches Ta­lent aus. Die von ihm in Er­in­ne­rung an Ot­to III. ge­grün­de­te Ab­tei in Deutz wur­de als Grab­stät­te zum Zen­trum sei­ner Ver­eh­rung als Hei­li­ger.

He­ri­bert dürf­te der im ost­frän­kisch-deut­schen Reich des 10. Jahr­hun­derts be­deu­ten­den Adels­fa­mi­lie der Kon­ra­di­ner ent­stam­men. In de­ren geb­har­di­nisch-wet­teraui­schem Zweig ist sein Na­me seit der Hei­rat von Graf Udo (ge­stor­ben 949) mit ei­ner Toch­ter der He­ri­ber­ti­ner von Ver­man­dois be­legt, die sich ih­rer­seits di­rekt von Karl dem Gro­ßen her­lei­te­ten. Un­ter­schied­li­che In­di­zi­en wie wei­te­res Na­men­ma­te­ri­al, Deut­zer Früh­be­sitz oder des spä­te­ren Erz­bi­schofs po­li­ti­sche Op­tio­nen in sei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit dem kon­ra­di­n­er­feind­li­chen Hein­rich II. (Re­gie­rungs­zeit 1002-1024) ver­lei­hen sol­cher, schon von Gott­fried Wil­helm Leib­niz im 17. Jahr­hun­dert ge­äu­ßer­ten An­nah­me Wahr­schein­lich­keit; sie er­laubt auch die Iden­ti­fi­zie­rung von He­ri­berts Va­ter Hu­go mit ei­nem 977 be­leg­ten gleich­na­mi­gen Gra­fen des in kon­ra­di­ni­schem Be­reich ge­le­ge­nen Ein­rich­gaus am Mit­tel­rhein.

An der Worm­ser Dom­schu­le er­fuhr der um 970 ge­bo­re­ne und für den geist­li­chen Stand be­stimm­te He­ri­bert – un­ter an­de­rem mit Brun von Kärn­ten, dem spä­te­ren Papst Gre­gor V. (Pon­ti­fi­kat 996-999) aus dem Ge­schlecht der mit den Kon­ra­di­nern ver­sipp­ten Sa­li­er – sei­ne Aus­bil­dung im zeit­üb­li­chen Rah­men der sie­ben frei­en Küns­te, ins­be­son­de­re der Gram­ma­tik, um dar­an ein „Auf­bau­stu­di­um“ in der loth­rin­gi­schen Ab­tei Gor­ze an­zu­schlie­ßen; von nun an dem Re­form­mönch­tum west­li­cher Prä­gung ver­bun­den, soll­te er dar­auf noch als Erz­bi­schof sei­ne Klos­ter­po­li­tik grün­den. Sei­nem För­de­rer Hil­di­bald, Bi­schof von Worms (Epis­ko­pat 979-998) und Vor­ste­her der deut­schen Kanz­lei am Kö­nigs­hof, ver­dank­te er die bal­di­ge Be­ru­fung zum Worm­ser Dom­propst wie auch zum Ka­plan des jun­gen Ot­to III.

Die Ver­lei­hung des Kan­zel­la­ri­ats für Ita­li­en 994, der An­trag des Bis­tums Würz­burg 995 (das dann sein jün­ge­rer Bru­der Hein­rich er­hielt) oder sei­ne Mit­wir­kung bei der Be­wäl­ti­gung je­ner sich auf Ot­tos ers­tem Ita­li­en­zug stel­len­den Auf­ga­ben zei­gen, dass He­ri­bert rasch Ver­trau­en und Freund­schaft des Herr­schers ge­fun­den hat­te. Als es beim zwei­ten Ita­li­en­zug (997/998-999) dar­um ging, für die von kai­ser­li­chen Be­ra­tern wie Ger­bert von Au­ril­lac, dem spä­te­ren Papst Syl­ves­ter II. (Pon­ti­fi­kat 999-1003), oder Leo von Ver­cel­li (ge­stor­ben 1026) ent­wi­ckel­te Kon­zep­ti­on der „Re­no­va­tio Im­pe­rii Ro­man­o­rum“, ei­ner Er­neue­rung des rö­mi­schen Im­pe­ri­um aus christ­li­chem Geist und in An­knüp­fung an ka­ro­lin­gi­sche Tra­di­ti­on, durch Re­ku­pe­ra­ti­on ab­ge­gan­ge­ner Be­sit­zun­gen und Rech­te die hier­für un­ab­ding­ba­re ma­te­ri­el­le Ba­sis zu schaf­fen, wur­de He­ri­bert zum Prot­ago­nis­ten sol­cher „Re­sti­tu­tio rei pu­bli­cae“, vor al­lem im für die Reichs­ge­walt zwi­schen Al­pen und Rom zen­tra­len Ra­ven­na­ter Ge­biet. Oben­drein stand er mit sei­ner Per­son für die neue Ord­nung, da er nach Hil­di­balds Tod 998 auch an die Spit­ze der deut­schen Kanz­lei trat, sym­bo­li­sier­te sol­cher Zu­sam­men­schluss doch die Ver­ei­ni­gung der bei­den Kern­ge­bie­te der rö­misch-christ­li­chen Uni­ver­sal­mon­ar­chie, wo­ge­gen sich aber un­ter Erz­bi­schof Wil­li­gis von Mainz (Epis­ko­pat 975-1011) auch Wi­der­stand for­mier­te.

Ob He­ri­bert al­ler­dings, gleich an­de­ren füh­ren­den Per­sön­lich­kei­ten um Ot­to III., ei­gen­hän­dig Ur­kun­den ver­fass­te und dar­über auch pro­gram­ma­ti­sche Wirk­kraft ent­fal­te­te, wie von Wolf­gang Hu­sch­ner vor ei­ni­gen Jah­ren mit weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen dar­ge­legt, dürf­te nach Hart­mut Hoff­manns Über­prü­fung sei­ner Ana­ly­sen frag­lich sein; so sind auch an der Iden­ti­tät des No­tars He­ri­bert C mit He­ri­bert er­heb­li­che Zwei­fel an­ge­bracht.

In Nach­ah­mung des ost­rö­mi­schen Hof­ze­re­mo­ni­ells von Ot­to III. als „ar­chi­lo­go­the­ta“, obers­ter Be­ra­ter und Ver­trau­ter, er­neut aus­ge­zeich­net, wur­de He­ri­bert im Som­mer 999 ge­gen lo­ka­len Wi­der­stand zum Erz­bi­schof von Köln wohl auf­grund kai­ser­li­cher In­ter­ven­ti­on ge­wählt, der Ot­tos Schwa­ger, der um Köln be­gü­ter­te loth­rin­gi­sche Pfalz­graf Ez­zo, vor Ort Nach­druck ver­lie­hen ha­ben dürf­te.

Wenn He­ri­bert am Vor­abend des Weih­nachts­fests 999 und da­mit ei­nes neu­en Jahr­tau­sends bar­fuß an sei­nem Sitz ein­zog, war dies kaum mehr als ein ge­läu­fi­ger Be­schei­den­heits­to­pos, der al­ler­dings noch auf Jahr­hun­der­te sein Bild in der Nach­welt mit präg­te. Auch hat sol­cher Akt nichts mit je­ner an­geb­li­chen Angst vor ei­nem mit dem Jahr 1000 ein­tre­ten­den Welt­ende zu tun; ge­ne­rell bleibt je­doch ei­ne merk­li­che Zu­nah­me apo­ka­lyp­tisch-es­cha­to­lo­gi­scher Zeug­nis­se – dar­un­ter das He­ri­bert ge­wid­me­te Pla­gi­at des „An­ti­chris­t“ des Ad­so von Mon­tier-en-Der von ei­nem „Al­bui­nus ere­mita“ aus Gor­ze – in den Jahr­zehn­ten vor und nach 1000 zu kon­sta­tie­ren, oh­ne dass sie aber ein Un­ter­gangs­sze­na­rio kon­kret auf die­ses Jahr hin zeich­ne­ten.

An den gro­ßen pro­gram­ma­ti­schen „Re­no­va­ti­o“-Ak­ten Ot­tos III. von 1000/1001 („Gne­sen – Aa­chen – Rom“) war He­ri­bert bis auf sei­ne wahr­schein­li­che Prä­senz bei der – von jüngs­ter For­schung in­ten­siv auf ih­re In­ten­tio­nen hin dis­ku­tier­ten – Öff­nung des Karls­grabs im zu sei­ner Kir­chen­pro­vinz ge­hö­ren­den Aa­chen wohl nicht mehr be­tei­ligt; of­fen­sicht­lich ob­lag ihm die Über­wa­chung der Op­po­si­ti­on um Wil­li­gis, die sich vor al­lem im zu­neh­men­den Streit um das Stift Gan­ders­heim ma­ni­fes­tier­te. Doch be­reits an Os­tern 1002 muss­te He­ri­bert den aus Rom ver­trie­be­nen und am 24.(23.?)1.1002 in Pa­ter­no 22-jäh­rig an Ma­la­ria ver­stor­be­nen kai­ser­li­chen Freund an der Sei­te des Ka­ro­lin­gers bei­set­zen, nach­dem er ihm noch in Ita­li­en zu Hil­fe hat­te ei­len wol­len. Bei der Füh­rung des Trau­er­zugs über die Al­pen stieß er in Pol­ling an der Am­mer mit dem Bay­ern­her­zog Hein­rich IV. zu­sam­men, der ihn bis zur Her­aus­ga­be der wohl an Ez­zo zur Ver­wah­rung vor­aus­ge­schick­ten Hei­li­gen Lan­ze in Haft nahm. Der Her­zog be­durf­te die­ses In­ves­ti­tur­sym­bols für die von ihm er­streb­te Nach­fol­ge im Kö­nig­tum, die He­ri­bert wie­der­um dem kon­ra­di­ni­schen Her­zog Her­mann II. von Schwa­ben zu­ge­dacht hat­te. Der schlie­ß­li­che Sieg Hein­richs (als Kö­nig Hein­rich II.) be­deu­te­te He­ri­berts Sturz; Span­nun­gen zwi­schen dem fort­an von Hof- und Reichs­ge­schäf­ten weit­ge­hend Aus­ge­schlos­se­nen und dem Herr­scher währ­ten fast bis zu He­ri­berts Tod, als die­ser ihn we­gen un­ter­las­se­ner Hil­fe bei der Be­la­ge­rung der Burg des Kon­ra­di­ners Ot­to von Ham­mer­stein (975-1036) am Mit­tel­rhein zur Re­chen­schaft zie­hen woll­te.

Die aus sol­cher Kon­stel­la­ti­on zwangs­läu­fig re­sul­tie­ren­de Be­schrän­kung auf das erz­bi­schöf­li­che Amt kam Köln und des­sen Kir­che zu­gu­te, die He­ri­bert – si­cher auch dank ita­lie­ni­scher Er­fah­run­gen – über zwei Jahr­zehn­te mit Er­folg lei­te­te. Da­bei be­leuch­tet die wich­tigs­te Quel­le, die um 1050 von Lant­bert, ei­nem Lüt­ti­cher Mönch und wohl Deut­zer Scho­las­ter, ver­fass­te „Vi­ta sanc­ti He­ri­ber­ti“ die geist­li­che Sei­te sei­ner Tä­tig­keit mehr als die welt­li­che der frü­hen Jah­re. Al­lein die In­ten­ti­on sol­chen Le­bens ist gen­re­be­dingt ei­ne an­de­re, da sie Hö­rern und Le­sern mit dem durch Tu­gend und Wun­der aus­ge­zeich­ne­ten Hei­li­gen ein Ex­em­pel zur „Imi­ta­ti­o“ bie­ten will, wor­über in­di­vi­du­el­le Zü­ge und Ta­ten hin­ter ha­gio­gra­phi­schen Kli­schees ver­schwin­den. Der die Vi­ta in zwölf „lec­tio­nes“ glie­dern­de Lit­ur­gi­ker Lant­bert fun­dier­te den Kult des Wei­te­ren mit Hym­nen und ei­ner Mi­ra­kel­samm­lung – dies auch als „Mar­ke­ting­maß­nah­me“ zum Nut­zen des Pil­ger­zen­trums Deutz. Ei­ne Über­ar­bei­tung des in ar­ti­fi­zi­el­ler Re­impro­sa ver­fass­ten Le­bens durch den eben­falls aus Lüt­tich stam­men­den spä­te­ren Abt Ru­pert er­folg­te 1119/1120 vor­nehm­lich aus sti­lis­ti­schen Grün­den; bi­bel­fun­diert und chris­to­zen­trisch ver­tief­te der Theo­lo­ge zu­dem den Stoff, bot in­halt­lich al­ler­dings kaum Neu­es. (Ab­zu­war­ten bleibt die Re­le­vanz der im Mai 2010 in der Sig­ma­rin­ger Hof­bi­blio­thek ent­deck­ten äl­tes­ten Hand­schrift der Vi­ta aus dem 12. Jahr­hun­dert).

Sol­che Ver­tie­fung zeigt auch Ru­perts Dar­stel­lung von He­ri­berts Maß­nah­men ge­gen die Mit­tel­eu­ro­pa 1005/1006 und 1009 heim­su­chen­den Hun­gers­nö­te und de­ren Fol­gen: In sei­ner Theo­lo­gie der Ar­mut wird sol­che Not zum Zei­chen ei­ner gro­ßen Kri­se, die dank Chris­ti „pie­t­as“ und He­ri­berts tä­ti­ger „com­pas­si­o“ Hei­lung er­fährt. Da­bei fällt aber auf, dass He­ri­bert über so mo­ti­vier­te ers­te Hil­fe hin­aus an sei­nem Sitz ka­ri­ta­ti­ve Struk­tu­ren schuf („Ma­tri­cu­la“, Al­mo­se­ni­er), dass er über mit Geld aus­ge­stat­te­te Kle­ri­ker dies auch an an­de­ren Or­ten des Erz­bis­tums ver­an­lass­te, um so ei­ne Kon­zen­tra­ti­on des Elends auf Köln zu ver­mei­den, und dass er nach Ab­klin­gen der Not un­ter Zu­sa­ge von „Wie­der­ein­glie­de­rungs­maß­nah­men“ da­zu noch Fä­hi­ge zur Rück­kehr in die Hei­mat be­weg­te. Christ­li­che Nächs­ten­lie­be mit Sys­tem in Form von In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung, De­zen­tra­li­sie­rung, Re­so­zia­li­sie­rung und so­mit auch Prä­ven­ti­on – hier stand der welt­klu­ge Prak­ti­ker am rech­ten Platz. Denn ge­ra­de der Platz Köln bot ihm bis hin eben zur Geld­wirt­schaft hier­für gu­te Vor­aus­set­zun­gen: Nicht um­sonst rich­te­ten sich die Zü­ge der Not auf ei­ne Stadt, die, im Schnitt­punkt gro­ßer Ver­kehrs­we­ge ge­le­gen, als Han­dels- und Ge­wer­be­zen­trum mit drei Märk­ten jähr­lich so­wie den Land­wirt­schaf­ten ih­rer Stif­te und Klös­ter über ei­nen ge­wis­sen Wohl­stand und da­mit auch Vor­rä­te ver­füg­te. Aus­gra­bun­gen auf dem Heu­markt 1996/1998 er­ga­ben, dass man hier schon im 10. Jahr­hun­dert ei­ne Markt­flä­che ein­rich­te­te und die Par­zel­lie­rung der Rhein­vor­stadt spä­tes­tens auf das frü­he 11. Jahr­hun­dert an­zu­set­zen ist. Dies und die kurz dar­auf er­folg­te An­la­ge ei­nes Neu(stadt)markts im Wes­ten – sie wird mit der Grün­dung des Apos­teln­stifts durch He­ri­berts Nach­fol­ger Pil­grim im Zu­sam­men­hang ste­hen – so­wie ein bei Lant­bert erst­mals be­leg­ter Vor­ste­her der Kauf­mann­schaft und schlie­ß­lich der wohl auf 1012 zu da­tie­ren­de Syn­ago­gen­bau sind ers­te In­di­zi­en ei­nes für die Zeit­ge­nos­sen selbst noch kaum er­kenn­ba­ren lang­sa­men, aber lang wäh­ren­den wirt­schaft­li­chen Auf­schwungs.

Sol­che Ent­wick­lung voll­zog sich un­ter He­ri­berts „sum­ma po­testa­tis“, denn er üb­te ei­ne im Kern wahr­schein­lich auf dem Epis­ko­pat von Ot­tos I. Bru­der Brun grün­den­de Stadt­herr­schaft mit gräf­li­chen Rech­ten in Ci­vi­tas und Bann­mei­le samt Fi­nanz- und Markt­ho­heit aus; erst­mals ist un­ter ihm auch ein für die Hoch­ge­richts­bar­keit zu­stän­di­ger Burg­graf nach­weis­bar. Ob sich mit He­ri­berts Griff nach den Stif­ten Oedin­gen und Ge­se­ke auch schon An­sät­ze köl­ni­scher Ter­ri­to­ri­al­po­li­tik im west­fä­lisch-sau­er­län­di­schen Raum ab­zeich­nen, muss an­ge­sichts nur punk­tu­el­ler Be­le­ge of­fen­blei­ben. Ge­riet er dar­über in Kon­flikt mit den Gra­fen von Werl, so war er mit an­de­ren Adels­fa­mi­li­en – al­len vor­an den gleich ihm ge­gen Hein­rich II. op­po­nie­ren­den Ez­zo­nen – in gu­tem Ein­ver­neh­men, was eben­so für die mör­de­ri­sche Wohl­tä­te­rin von Deutz, Ade­la von El­ten, und de­ren Ge­mahl Bal­de­rich von Dren­t­he­gau gilt, mit dem sich in­des auch ein Hein­rich II. aus­söhn­te – al­le (auch ver­wandt­schafts­be­ding­te ?) Hin­ter­grün­de die­ser merk­wür­di­gen Al­li­anz dürf­ten sich kaum mehr auf­klä­ren las­sen.

Als Me­tro­po­lit hat­te He­ri­bert oh­ne das erst spä­ter üb­li­che In­sti­tut der Pro­vin­zi­al­syn­oden kaum Ein­fluss auf sei­ne Suf­fra­ga­ne; die Aus­wahl der Bi­schö­fe er­folg­te oh­ne­hin durch den Kö­nig. Mit Hein­richs II. Par­tei­gän­ger Adal­bold von Ut­recht (Epis­ko­pat 1010-1026) wird er schwer­lich zu gu­tem Ver­hält­nis ge­fun­den ha­ben; ei­ne ver­such­te Ein­glie­de­rung von Cam­brai in die Kir­chen­pro­vinz Köln scheint frag­lich. Her­aus­ra­gend war seit dem Epis­ko­pat Not­kers (972-1008) Lüt­tichs Po­si­ti­on im Me­tro­po­li­tan­ver­band vor al­lem we­gen des­sen hoch an­ge­se­he­ner Ka­the­dral­schu­le – be­zeich­nen­der­wei­se kor­re­spon­dier­te der Ma­the­ma­ti­ker Ra­gim­bald, be­kann­tes­ter Köl­ner Leh­rer sei­ner Zeit, mit ei­nem Lüt­ti­cher Kol­le­gen.

Bil­dung und Kunst stand He­ri­bert zwar auf­ge­schlos­sen ge­gen­über, oh­ne dass er aber gleich ei­nem Bern­ward von Hil­des­heim (Epis­ko­pat 993-1022) ei­ge­ne Ak­zen­te ge­setzt hät­te. Die seit Brun eher prak­tisch-ad­mi­nis­tra­ti­ve Aus­rich­tung der Köl­ner Dom­schu­le dürf­te sei­nen In­ten­tio­nen ent­spro­chen ha­ben, an­de­rer­seits warnt ei­ne Hand­schrift mit Sa­ti­ren von Per­si­us (34-62) und Ju­ve­nal (um 60-140) aus sei­nem Be­sitz, sie all­zu eng fas­sen zu wol­len. Gold­schmie­de­kunst, El­fen­bein­schnit­ze­rei und vor al­lem Buch­ma­le­rei – mög­li­cher­wei­se an St. Pan­ta­le­on an­ge­sie­delt – nah­men un­ter ihm ih­ren ins­be­son­de­re durch sei­nen Vor­gän­ger Ever­ger in­spi­rier­ten Fort­gang. Be­kann­te Hand­schrif­ten aus da­ma­li­ger Zeit, so et­wa das Evan­ge­li­ar und Sa­kra­men­tar von St. Ge­re­on, wer­den meist um 1000 da­tiert, was ei­ne ge­naue Pon­ti­fi­kats­zu­ord­nung un­mög­lich macht. In­des deu­ten neu­es­te, im Zu­sam­men­hang mit dem Hit­da-Evan­ge­li­ar un­ter­nom­me­ne Da­tie­rungs­ver­su­che des Sa­kra­men­tars so­wie an­de­re Ma­nu­skrip­te und das frü­her Erz­bi­schof Ge­ro zu­ge­schrie­be­ne Mo­nu­men­tal­kreuz im Dom oder die Groß­skulp­tu­ren an der West­fas­sa­de von St. Pan­ta­le­on eher ein künst­le­ri­sches En­ga­ge­ment des durch sei­ne an­geb­li­chen Un­ta­ten in der Nach­welt dis­kre­di­tier­ten Ever­ger.

Hier­zu zählt auch des­sen Ein­griff ins Stift Groß St. Mar­tin, das er mit Hil­fe Glad­ba­cher (heu­te Mön­chen­glad­bach) Be­ne­dik­ti­ner in ein Klos­ter um­wan­del­te, um es dann der Re­form von Gor­ze ver­pflich­te­ten iroschot­ti­schen Mön­chen an­zu­ver­trau­en. Ihr Abt He­li­as zähl­te zu He­ri­berts engs­ten Freun­den, er stand zu­gleich St. Pan­ta­le­on in Nach­fol­ge ei­nes Fol­pert vor, den He­ri­bert zum Abt sei­ner Grün­dung Deutz be­stell­te. Fol­pert – da­mit schlie­ßt sich der Re­form­kreis – kam wie­der­um aus Glad­bach, das sei­ner­seits über St. Ma­xi­min/Trier in gor­zi­scher Tra­di­ti­on stand. Mit der Fun­da­ti­on der Ab­tei Deutz ver­bin­det sich bis heu­te He­ri­berts Na­me – sons­ti­ge Bau­tä­tig­keit ist nicht ge­si­chert; bei der erz­bi­schöf­li­chen Pfalz­ka­pel­le St. Jo­hann Evan­ge­list am Dom scheint sie durch­aus mög­lich, bei St. Apos­teln dürf­te sie aus­zu­schlie­ßen sein.

Deutz be­deu­te­te die Ein­lö­sung ei­nes von ihm und Ot­to III. ge­leis­te­ten Ge­lüb­des, dass nach dem Tod des ers­ten von ih­nen der Über­le­ben­de ein Ma­ri­en­klos­ter grün­den wer­de. Bei der Orts­wahl mag ne­ben Ver­füg­bar­keit des Ter­rains und wirt­schaft­li­chen Grün­den viel­leicht der Um­stand ei­ne Rol­le ge­spielt ha­ben, dass so das Kreuz und der Kranz Köl­ner Kir­chen – bei­de in der For­schung in­des nicht un­um­strit­ten – ih­ren Ab­schluss im Os­ten fan­den. Sym­bol­träch­tig aber war in je­dem Fall die ar­chi­tek­to­nisch über­aus an­spruchs­vol­le Zen­tral­an­la­ge, die nach ers­tem Ein­sturz bis 1020 wohl ita­lie­ni­sche oder by­zan­ti­ni­sche Bau­meis­ter er­rich­te­ten. Mit ih­rem ok­to­go­na­len In­nen­raum von un­ge­fähr 19 Me­tern Durch­mes­ser, der Vor­bil­der in St. Ge­re­on und Ra­ven­na, He­ri­berts Wirk­stät­te, vor al­lem aber im „ideo­lo­gi­sch“ be­deut­sa­men Aa­chen, viel­leicht so­gar im rö­mi­schen Pan­the­on hat­te, er­in­ner­te das Kup­pel­wun­der an die Welt der „Re­no­va­ti­o“ aus dem Geist des gro­ßen Karl. Im Ok­to­gon ver­band sich das Vier­eck als Zei­chen des Ir­di­schen mit dem Kreis als Sym­bol des Himm­li­schen: stei­ner­ne Ge­stalt der Hoff­nung von Kai­ser und Stif­ter, aus dem Er­den­da­sein in die ewi­ge Hei­mat zu fin­den.

Denn als He­ri­bert am 16.3.1021 starb, ließ er sich in sei­ner Grün­dung bei­set­zen. An sei­nem Grab ent­stand so­gleich ein Spon­tan­kult, be­reits sein Nach­fol­ger Pil­grim be­zeich­ne­te ihn 1032 als „sanc­tus“. Um die Ver­eh­rung in der ge­sam­ten Kir­che zu er­rei­chen, wur­de in Deutz Mit­te des 12. Jahr­hun­derts we­gen der hier­für in­zwi­schen not­wen­di­gen päpst­li­chen Ka­no­ni­sa­ti­on kur­zer­hand ei­ne ent­spre­chen­de Bul­le ge­fälscht. Sie steht wie­der­um im Kon­text ei­ner nach ers­ter Kri­se mit Ru­perts Ab­ba­ti­at (1120/1121-1129) be­gin­nen­den klös­ter­li­chen Re­sti­tu­ti­ons­pha­se, die auch durch die Er­he­bung von He­ri­berts Ge­bei­nen am 30.8.1147 (heu­ti­ger Fest­tag), sei­ne Be­för­de­rung zum Haupt­pa­tron der Ab­tei und den Auf­trag zur Fer­ti­gung des He­ri­bert­schreins, ei­nes Meis­ter­werks rheno­mo­sa­ner Gold­schmie­de­kunst, mar­kiert wird. Doch brei­ter und kon­ti­nu­ier­li­cher Ver­eh­rung He­ri­berts war die La­ge des Klos­ters ge­gen­über der Stadt ab­träg­lich: Ob sich dort Erz­bi­schof oder Bür­ger von Köln, Gra­fen von Berg oder rö­misch-deut­sche Kö­ni­ge fest­setz­ten, ob es 1583 im Truch­ses­si­schen oder 1632 im Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg zer­stört wur­de – im­mer wie­der ge­riet ihm die­se La­ge zum Ver­häng­nis. Schon vor der Sä­ku­la­ri­sa­ti­on hat­te die über­dies von Pe­ri­oden in­ne­ren Nie­der­gangs ge­zeich­ne­te Ab­tei ih­re Strahl­kraft ver­lo­ren. Heu­te birgt die im Zu­ge des Wachs­tums des In­dus­trie- und Mi­li­tär­stand­orts Deutz 1892-1896 er­rich­te­te neu­ro­ma­ni­sche Pfarr­kir­che (Neu-)St. He­ri­bert den (1989-1993 re­stau­rier­ten) Schrein samt den seit 1996 in ei­nem Sa­cra­ri­um auf­be­wahr­ten sons­ti­gen, mit He­ri­bert ver­bun­de­nen Heil­tü­mern und bil­det so die Mit­te ei­nes – auch zeit­be­dingt – er­heb­lich zu­rück­ge­gan­ge­nen Kults.

Quellen

Lant­bert von Deutz, Vi­ta He­ri­ber­ti. Mi­ra­cu­la He­ri­ber­ti. Ge­dich­te. Lit­ur­gi­sche Tex­te, hg. von Bern­hard Vo­gel (MGH SS rer­um Ger­ma­ni­car­um in us. scho­lar­um 73), Han­no­ver 2001.
Ru­pert von Deutz, Vi­ta He­ri­ber­ti. Kri­ti­sche Edi­ti­on mit Kom­men­tar und Un­ter­su­chun­gen von Pe­ter Din­ter, Bonn 1976.
Die Re­ges­ten der Erz­bi­schö­fe von Köln, Band 1, be­arb. von Fried­rich Wil­helm Oedi­ger, Bonn 1954–1961, Nach­druck Düs­sel­dorf 1978, S. 170-205.

Literatur

Mül­ler, He­ri­bert, He­ri­bert Kanz­ler Ot­tos III. und Erz­bi­schof von Köln, Köln 1977.
Mül­ler, He­ri­bert, He­ri­bert, Kanz­ler Ot­tos III. und Erz­bi­schof von Köln,  in: Rhei­ni­sche Vier­tel­jahrs­blät­ter 60 (1996), S. 16-64.
Mül­ler, He­ri­bert, He­ri­bert, Kanz­ler Ot­tos III. Erz­bi­schof von Köln (999-1021) in: Co­lo­nia Ro­ma­ni­ca 13 (1998), S. 22-37.
Oedi­ger, Fried­rich Wil­helm, Das Erz­bis­tum Köln von den An­fän­gen bis zum En­de des 12. Jahr­hun­derts (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 1), Köln 1964, un­ver­än­der­ter Nach­druck 1971, S. 108-111.
Wein­fur­ter, Ste­fan, Ot­to III. (983-1002) – Hein­rich II. (1002-1024), in: Die deut­schen Herr­scher des Mit­tel­al­ters, hg. von Schneid­mül­ler, Bernd/Wein­fur­ter, Ste­fan, Mün­chen 2003, S. 73-96, S. 97-118, S. 567-571.

 
Zitationshinweis

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Müller, Heribert, Heribert, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heribert/DE-2086/lido/57c82be268d269.00934822 (abgerufen am 19.03.2024)