Zu den Kapiteln
Durch die Entdeckung ihres nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Tagebuchs wurde das Schicksal der jungen Neusser Stiftsdame Louise von Hompesch bekannt, die sich gegen die üblichen adligen Konventionen auflehnte und vom Geist der französischen Aufklärung beeinflusst war.
Wäre es nach dem Familienplan ihres Vaters Franz Karl gegangen, so hätte Louise von Hompesch nach einer Wartezeit im Kanonissenstift St. Quirin in Neuss einen Adligen aus dem rheinisch-westfälischen Heiratskreis oder der Bekanntschaft ihres Vaters geheiratet. Stattdessen verliebte sie sich in Dieudonné Louis Antoine Klein (1761-1845), einen General der französischen Revolutionsarmee. Eine Heirat mit ihm erwies sich als eine Illusion. Darunter sowie unter dem Dauerkonflikt mit ihrem Vater hat sie in ihrem kurzem Leben von 25 Jahren sehr gelitten und ihre Nöte einem erhalten gebliebenen vertraulichen Tagebuch anvertraut, das Einblick in ihr Innerstes gibt. Sie bewunderte die Französische Revolution und den jugendlichen General Napoleon Bonaparte, hielt mit Kritik am Adel nicht zurück und stellte die herrschende Doppelmoral bloß: Die Untreue des Mannes wurde bewundert, während die Untreue einer Frau als Schandtat galt.
Schon 1779 erhielt Louise, das jüngste von sieben Kindern, eine verbindliche Anwartschaft auf eine Präbende am Neusser Quirinusstift. Sie war am 3.5.1776 in Oberelvenich (heute Stadt Zülpich) getauft worden, also damals drei Jahre alt. Zunächst kam sie ab dem fünften Lebensjahr zur Erziehung zu den Englischen Fräulein in Lüttich, ehe sie ab 1786 in Neuss zur Kanonisse ausgebildet wurde. Für sie eine schreckliche Zeit. Die katholische Religion und ihre Riten blieben ihr fremd. Dem Antiklerikalismus mancher ihrer Zeitgenossen schloss sie sich an.
Von 1790 bis 1792 erhielt Louise in Brüssel im Haus des Herzogs Ludwig Engelbert von Arenberg (1750-1820) „eine zweite Ausbildung“, wie sie selber meinte. Daran erinnerte sie sich gerne und erzählte, wie sie in der Hauptstadt der Österreichischen Niederlande geritten, gefeiert, getanzt und Gedichte geschrieben habe. Louise war zu einer musisch hoch begabten, geistreichen und politisch interessierten jungen Frau geworden. Sie spielte mehrere Instrumente, hatte Gesangsunterricht erhalten, Latein und Englisch gelernt, kannte sich in der deutschen und französischen Literatur und Philosophie ihrer Epoche aus und schrieb ein Französisch, das es mit den Schriftstellern ihrer Epoche aufnehmen konnte.
Nach ihrer Brüsseler Zeit musste sie ihrem Vater als eine Art Sekretärin dienen und sich zur Verfügung ihrer Stiefmutter Maria Theresia, geborene Gräfin von Hoensbroech (1728-1805) halten, zu der ein mehr oder minder gespanntes Verhältnis bestand. Ihre leibliche Mutter Antoinette von Hacke (1736-1778) hatte Louise bereits als Zweijährige verloren und vermochte sich nicht mehr an sie zu erinnern. Im Quirinusstift war Louise nicht ständig präsent und lässt sich dort nur bis vor dem Einmarsch der Franzosen im Oktober 1794 nachweisen.
Die Versuche ihres Vaters, sie der Familientradition nach zu verheiraten, scheiterten. Sie wies alle Bewerber spöttisch zurück, und einer von ihnen nahm sich darauf 1794 das Leben, was sie erkennbar belastete. Besonders ein Ereignis verfolgte sie ihr Leben lang: Sie ist wohl von ihrem ältesten Bruder Karl (1760-1812), einem Abenteurer und Söldnerführer, missbraucht worden. Der Vater enterbete ihn 1798.
1796 verliebte sich Louise in den französischen General der Sambre-Maas-Armee Klein, der verheiratet war, andere Affairen hatte und sie hinhielt. Ihn hatte sie im väterlichen Schloss Bollheim (heute Stadt Zülpich), wo er einquartiert war, kennen und lieben gelernt. Mit ihm hoffte sie, nach dem Missbrauch durch ihren Bruder nun eine tugendhafte Beziehung beginnen zu können. Sie hegte eine ganz romantische Vorstellung von der Aufgabe der Frau, die darin bestand, ihren Ehemann zu lieben und ihm zu gefallen. Nachdem ihr Vater von ihrem intimen Verhältnis zu dem französischen General erfahren hatte, war er entsetzt, fühlte sich hintergangen und sah adlige Konventionen verletzt. Bei Louise stieß er auf taube Ohren. Sie dachte nicht daran, von ihrem Geliebten zu lassen, rang sich aber auch nicht durch, mit ihrem Vater endgültig zu brechen. Nach mehr als einem Jahr Dauerstreit schien er einlenken zu wollen, fragte sich aber nicht zu Unrecht, ob man Klein vertrauen könne. Schließlich verschob er die Entscheidung, ob er seine Tochter ziehen lassen solle, auf die Zeit nach einem Frieden mit Frankreich. Louise musste sich eingestehen, dass eine normale Ehe mit Klein nicht möglich sein würde. Umsomehr fürchtete sie, nach dem Tod ihres Vaters auf das Wohlwollen ihrer Brüder angewiesen sein zu müssen, da sie keine Versorgung nach der Einstellung der Zahlungen aus dem Quirinusstift mehr besaß. Sie resignierte und zog mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter im September 1798 nach München, wo ihr Vater das Finanzministerium übernahm. Bis Ende 1799 hat sie noch an Klein geschrieben, dem sie vermutlich lästig geworden war. Nach dem Tod ihres Vaters kehrte sie 1800 mit ihrer Stiefmutter nach Düsseldorf zurück, wo sie am 4.7.1801, gerade einmal 25 Jahre alt, an einem Gehirnschlag verstarb. Ihre letzte Ruhestätte fand Louise von Hompesch in der Düsseldorfer Lambertuskirche.
Literatur
Ebersold, Günther, Louise von Hompesch (1775/77-1801) und ihre Familie. Eine Frau zwischen Tradition und Revolution, Ubstadt-Weiher [u. a.] 2009; dazu Rezension von Wolfgang Löhr in: Neue Beiträge zur Jülicher Geschichte 23 (2011), S. 231-235.
Engelbrecht, Jörg, Adlige Familienkonflikte am Ende des 18. Jahrhundert, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 53, 1989, S. 152-177.
Lacretelle, Jacques de, Journal d’amour d’une jeune allemande Louise de Hompesch. 1797-1798, Paris 1936.
Löhr, Wolfgang, Ein trauriger Zufluchtsort. Die Familie von Hompesch, Schloss Mickeln und der Friedhof in Himmelgeist, in: Düsseldorfer Jahrbuch 81 (2011), S. 67-92.
Löhr, Wolfgang, Franz Karl von Hompesch (1735-1800). Karriere und geistige Welt eines rheinischen Adligen am Ende des alten Reichs, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 102 (1999/2000), S. 241-271.
Löhr, Wolfgang, Franz Karl von Hompesch (1735-1800) und seine wilden Kinder. Kontinuitäten und Brüche in adliger Erziehung und Lebensentwürfen, in: Neue Beiträge zur Jülicher Geschichte 23 (2011), S. 37-56.
Löhr, Wolfgang, Louise von Hompesch (1775-1801). Kanonikerin im Quirinustift zu Neuss, in: Neusser Jahrbuch 1998, S. 5-10.
Löhr, Wolfgang, Vom Rhein an die Themse. Das abenteuerliche Leben des Freiherrn Karl von Hompesch, in: Düsseldorfer Jahrbuch 80 (2010), S. 31-52.

General Dieudonné Louis Antoine Klein, aus: Journal d'amour d'une Jeune Allemande Louise de Hompesch 1797-1798, 1936.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Löhr, Wolfgang, Louise von Hompesch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/louise-von-hompesch/DE-2086/lido/57c8331b52ecd7.17682963 (abgerufen am 19.02.2025)
Veröffentlicht am 01.09.2016, zuletzt geändert am 06.05.2021