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Theophanu war eine byzantinische Prinzessin, die 972 mit dem späteren Kaiser Otto II. (Regierungszeit 973-983) verheiratet wurde und dessen Herrschaft tatkräftig unterstützte. Nach seinem Tod im Jahr 983 regierte sie de facto für ihren gemeinsamen Sohn, den 980 geborenen Otto III. (Regierungszeit 983-1002), bis zu ihrem Tod im Jahr 991. Als ebenso machtbewusste wie politisch umsichtig handelnde Regentin sicherte sie nicht nur die Herrschaftsansprüche ihres minderjährigen Sohnes und die Fortexistenz des ottonischen Kaiserhauses. Durch ihre Heirat gelangten auch zahlreiche kulturelle Einflüsse aus Byzanz in das deutsch-fränkische Reich, durch die es eine Bereicherung in Kunst, Architektur und Wissenschaft erfuhr.
Theophanu entstammte als Tochter des Feldherrn Theophanus Skleros (930-991) und der Sophia Phokaina (geboren 936) dem byzantinischen Hochadel. Das genaue Datum ihrer Geburt ist unbekannt. Ihre Bildung und Erziehung erhielt sie als Patentochter der Kaiserin Anastasio Theophano (Regentschaft 963-969) am byzantinischen Kaiserhof.
Um seine Macht auf diplomatischem Wege zu sichern und zu erweitern, hatte Kaiser Otto I. (Regierungszeit 936-973) für seinen gleichnamigen Sohn und designierten Nachfolger die Hochzeit mit einer „Porphyrogenneta", einer Tochter des byzantinischen Kaisers, angestrebt. Das junge Mädchen Theophanu, die Otto II. nach zähen Verhandlungen 970 als Ehefrau zugesprochen wurde, war zwar nicht die Tochter, wohl aber eine angeheiratete Nichte des seit Ende 969 regierenden Johannes I. Tzimiskes (Regierungszeit 969-976).
Am 14.4.972 wurde sie im Alter von etwa zwölf Jahren mit dem 18-jährigen Thronfolger und Mitkaiser Otto II. in Rom verheiratet und zugleich zu dessen (Mit-) Kaiserin gekrönt. Fortan wurde sie in Urkunden als consors imperii (Teilhaberin an der Kaiserherrschaft) oder auch coimperatrix (Mitkaiserin) angesprochen. In der berühmten Heiratsurkunde erhielt sie vom Ehemann und vom Schwiegervater zahlreiche Besitzungen im gesamten Reich, auch im Rhein-Main-Gebiet. Die Aufwertung und Hochachtung, die sie hier erfuhr, zeigen, dass Otto I. und sein Sohn mit dem durch Theophanu personifizierten Abkommen mit Byzanz durchaus zufrieden waren. Sie selbst brachte außerdem eine reiche Mitgift in die Ehe ein, wobei vor allem die aus der Heimat mitgeführten Schätze große Beachtung in den Annalenwerken der Zeit fanden.
Theophanu intervenierte oft in den Diplomen ihres Mannes, das heißt sie trat für die in den Urkunden Begünstigten als Fürsprecherin ein. In den Urkunden ist meistens ein Ausstellungsort genannt, so dass es möglich ist, das Itinerar der Kaiserin (die Folge ihrer Aufenthaltsorte) nachzuvollziehen. Dabei zeigt sich, dass Theophanu ihren Mann meistens auf seinen Reisen durch das Reich nördlich wie südlich der Alpen begleitete. Nur während der Schwangerschaften – sie brachte neben ihrem jüngsten Kind Otto III. vier weitere Kinder zur Welt (die späteren Äbtissinnen Sophia von Gandersheim und Essen (975-1039), Adelheid von Quedlinburg und Gernrode (977-1043), Mathilde (979-1025), die Gemahlin des Pfalzgrafen Ezzo von Lothringen (955-1034) und Mutter der polnischen Königin Richeza, sowie ein weiteres offenbar früh verstorbenes Kind) – scheinen sich ihre Wege von denen Ottos II. getrennt zu haben.
Schon bald nach der Heirat zog sie mit ihrem Mann und den Schwiegereltern ins Reich nördlich der Alpen, wo Otto I. am 7.5.973 verstarb. Seit dem Frühsommer 974 trat Theophanu, die von ihrem Gemahl weitere bedeutende Besitzungen erhielt, in seinen Urkunden zunehmend als politische Fürsprecherin in Erscheinung und verdrängte in dieser Funktion ihre Schwiegermutter Adelheid von Burgund (931-999). Diese zog sich nach Italien zurück, wo sie die Interessen des Reiches weiterhin vertrat. Theophanu erhielt bei den Anhängern Adelheids wie dem Abt Odilo von Cluny (961/962-1049) eine schlechte Presse; so verunglimpfte er sie als „die Griechin". Doch trotz der ihr von einigen Seiten entgegengebrachten kritischen Einstellung gilt sie als maßgebliche Beraterin ihres Gemahls, die ihren Einfluss zum Beispiel bei der Gründung des Klosters Memleben 979, der Aufhebung des Bistums Merseburg 981 oder der Erhebung des Johannes Philagatos (gestorben 1001) zum Abt von Nonantola geltend machte.
Nach Jahren im Reich nördlich der Alpen begleitete sie Otto II. 980 nach Italien, wo dieser sich durchaus mit Zustimmung seiner Frau gegen die byzantinischen Gebiete und die Sarazenen in Süditalien wandte, dort aber im Juli 982 bei Crotone eine vernichtende Niederlage hinnehmen musste. In Italien starb der Kaiser im Dezember 983 an der Malaria, nachdem er seinen dreijährigen Sohn Otto zum König hatte wählen lassen. Dieser war gerade in Aachen gekrönt worden, als die Nachricht vom Tod des Vaters eintraf und der bayerische Herzog Heinrich II. (951-995), genannt der Zänker, als Großonkel und nächster Verwandter das Kind und mit ihm die tatsächliche Macht an sich zu ziehen versuchte. Gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Adelheid und ihrer Schwägerin Mathilde (955-999), Äbtissin von Quedlinburg, konnte sich Theophanu gegen Heinrich durchsetzen. Sie erhielt ihren Sohn zurück, für den sie, unterstützt durch einen Beraterkreis, die Regierung führte. Dennoch wurde konsequent die Fiktion einer selbständigen Herrschaftstätigkeit des Kindes, das beispielsweise allein als Aussteller der Herrscherurkunden in Erscheinung trat, aufrecht erhalten. Zu den Schwerpunkten von Theophanus politischem Wirken zählt der sächsisch-thüringische Raum, die eigentliche Königslandschaft der ottonischen Herrscherfamilie, wo sie sich oft aufhielt. Dessen Vorfeld war durch den Slawenaufstand von 983, der weite Teile der ostelbischen Gebiete der unmittelbaren Beherrschung durch das fränkisch-deutsche Reich entzog, zum Krisenherd geworden, in den sie mit fast jährlichen Kriegszügen eingriff. Auch Italien galt ihre Aufmerksamkeit, wohin sie sich 989/990 begab, um dort die Ansprüche des Reiches einzufordern und durch ihre Anwesenheit zu dokumentieren.
Das Rheinland zählte ebenfalls zu den Regionen, mit denen Theophanu immer wieder zu tun hatte. Mit den curtes Boppard und Tiel war sie bereits anlässlich ihrer Heirat auch am Mittel- und Niederrhein ausgestattet worden. Otto III. wurde vermutlich in Kessel am Niederrhein geboren. Wohl auch unabhängig von politischen Notwendigkeiten verbrachte sie zumindest Teile der Wintermonate gerne im recht milden Klima des Rheinlands. Als Teil Lotharingiens gehörte das Rheinland seit der Regierungszeit Heinrichs I. (Regierungszeit 919-936) zum fränkisch-deutschen Reich, wenngleich die westfränkischen Könige immer wieder versuchten, dort ihren Einfluss geltend zu machen. Die zunächst aufgrund verwandtschaftlicher Bindungen recht guten Beziehungen zwischen den Herrscherfamilien verschlechterten sich in der zweiten Hälfte der 970er Jahre zusehends.
Zu diesem Zeitpunkt hatte König Lothar von Westfranken (Regierungszeit 954-986), ein Vetter Ottos II., gegenüber den konkurrierenden Gewalten an Stärke gewonnen und erstrebte nun Gleichrangigkeit mit dem Kaiser. Nachdem dieser Lothars Bruder Karl 977 zum Herzog von Lothringen gemacht hatte, fiel Lothar 978 in Aachen ein und hätte dabei fast Otto II. und die hochschwangere Theophanu, die sich dort aufhielten, in seine Gewalt gebracht. Otto ging daraufhin gegen Lothar zunächst erfolgreich vor, musste aber bei seinem weiteren Vordringen im Westfrankenreich umkehren. 980 schloss er im Beisein seiner Gemahlin Frieden mit seinem Vetter. Nachdem Lothar in den Thronstreit 984/985 zunächst auf Seiten Heinrichs des Zänkers eingegriffen hatte, um Lotharingien erneut an sich ziehen zu können, ergriff er schließlich die Partei Ottos III. und Theophanus. Dennoch belagerte und eroberte er Verdun. 986 kam es nach dem Tod Lothars, dem seines Nachfolgers Ludwig V. (Regierungszeit 986-987) im Jahr 987 und dem Herrschaftsantritt Hugo Capets (Regierungszeit 987-996) erneut zu Konflikten.
In dieser Zeit hielt sich Theophanu häufig und lange im Westen auf, um näher am Geschehen zu sein. Weihnachten 987 verbrachte sie in Dortmund und Köln, das Frühjahr 988 unter anderem in Nimwegen und wiederum in Köln. Nachrichten und Rat mit Blick auf die Lage im Westen des Reiches erhielt sie vor allem durch so bedeutende Persönlichkeiten wie Erzbischof Adalbero von Reims (Episkopat 969-989), Gerbert von Aurillac, den späteren Papst Silvester II. (Pontifikat 999-1003) sowie Beatrix von Lothringen (938-987). Mit Verstärkung von Truppen aus Sachsen gelang es Theophanu, von König Hugo Capet die Rückgabe des noch von Lothar besetzten Verdun zu erreichen. Auch den Winter 988 verbrachte sie in Köln, von wo aus sie Einfluss auf die Geschicke des letzten westfränkischen Karolingers Karl von Niederlothringen (953- nach 991) nahm, der Hugo Capet nicht akzeptieren wollte, ihm aber 991 endgültig unterlag. Von Köln aus reiste sie zum Osterfest nach Quedlinburg und weiter nach Italien. Nach ihrer Rückkehr im Frühjahr 990 und der Reichsversammlung in Frankfurt ist sie bis zur Reise nach Nimwegen im Frühsommer 991 nicht mehr im Rhein-Main-Gebiet oder am Niederrhein bezeugt.
Am 15.6.991 verstarb Theophanu, auf dem Gipfel ihrer Macht stehend, in Nimwegen. Auf ihren Wunsch wurde ihr Leichnam nach Köln überführt und im Westwerk der Abteikirche Sankt Pantaleon beigesetzt. Schon zu Lebzeiten hatte sie die Gründung Erzbischofs Bruns durch großzügige Schenkungen – neben Geld übergab sie dem Kloster auch die Gebeine des Heiligen Albinus – gefördert und umfangreiche Baumaßnahmen eingeleitet. Dabei spielte vermutlich eine Rolle, dass Erzbischof Gero von Köln, als er Theophanu von Byzanz ins Reich begleitet hatte, Reliquien dieses Heiligen nach Köln mitgebracht hatte.
Das Grab Theophanus befindet sich bis heute in Sankt Pantaleon. Letztmalig wurden ihre sterblichen Überreste 1962 in einen aus griechischem Marmor gefertigten Sarkophag umgebettet.
Quellen
Die Urkunden Otto des II. (MGH, Diplomata 2,1), bearb. von Theodor Sickel, Hannover 1888.
Die Urkunden Otto des III. (MGH, Diplomata 2,2), bearb. von Theodor Sickel, Hannover 1893.
Literatur
Brandt, Leonore, Theophanu. Kaiserin aus Byzanz 960-991, Berlin 2004.
Eickhoff, Ekkehard, Theophanu und der König. Otto III. und seine Welt, Stuttgart 1997.
Engels, Odilo, Theophanu, Kaiserin, in: Rheinische Lebensbilder 13 (1993), S. 7-27.
Euw, Anton von/Schreiner, Peter (Hg.), Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtausends. Gedenkschrift des Kölner Schnütgen-Museums zum 1000. Todesjahr der Kaiserin, 2 Bände, Köln 1991.
Sauser, Ekkart, "Theophanu", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 21 (2003), Sp. 1484-1486.
Schulze, Hans K., Die Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu: die griechische Kaiserin und das römisch-deutsche Reich 972-991, Hannover 2007.
Online
Chronicon Thietmari Merseburgensis (MGH-Bibliothek, Projekt Merseburger Schriftlichkeit), Digitale Edition der Chronik des Thietmar von Merseburg, bearbeitet von Arno-Mentzel Reuters und Gerhard Schmitz, München 2005. [Online]
Urkunden zur Eheschließung zwischen Otto und Theophanu in der Digitalen Monumenta Germaniae Historica (dmgh). [Online]
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Stieldorf, Andrea, Theophanu, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/theophanu/DE-2086/lido/57c93d944a2b77.09558048 (abgerufen am 14.11.2024)