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Anton Joseph Weidenbach wirkte als Lehrer, Historiker, Archivar, Publizist und Statistiker vor allem im mittelrheinischen Raum; nach dem Tode Christian von Strambergs setzte er dessen 34 Bände umfassenden „Rheinischen Antiquarius“ mit fünf weiteren Bänden fort.
Anton Joseph Weidenbach wurde am 9.4.1809 in Linz am Rhein geboren, wo sein Vater Christian als Stadtdiener wirkte. Der Übergang der Stadt an Preußen 1815 wirkte sich für Weidenbach vorteilhaft aus: Linz wurde vorübergehend Kreisstadt, das Gymnasium Martinianum blieb erhalten und erhielt durch die Schulreformen einen humanistischen Impetus, so dass Weidenbach, der die Schule seit 1817 besuchte, hier mit der lateinischen Sprache eine Schlüsselqualifikation für seine spätere Arbeit erlangte. Vermutlich 1825 beendete er den Schulbesuch ohne das Abitur zu erwerben, um sich der Ausbildung als Volksschullehrer im Lehrerseminar in Brühl zuzuwenden. Als er 18 Jahre alt und damit wehrfähig wurde, herrschte in Preußen Lehrermangel, weshalb ihm der Wehrdienst erspart blieb.
Weidenbach unterrichtete vermutlich zwei Jahre in seiner Heimatstadt, bevor er von 1829 bis 1835 in Bacharach als Volksschullehrer tätig war. Wahrscheinlich studierte er schon damals Urkundenwerke zur rheinischen Geschichte und sammelte verstreute geschichtliche Hinweise auf lokaler Ebene. In das letzte Jahr in Bacharach fiel die Hochzeit mit Emilie Karoline Diel (1816-1893), deren Vater Leopold (1772-1844) dort Notar und Bürgermeister war. Als weitere Station wirkte Weidenbach an der städtischen Schule in Ahrweiler, wo er rege Tätigkeiten entfaltete. Zunächst profitierte er erneut vom Lehrermangel, diesmal an den höheren Schulen: Die Universität Bonn bot ihm an, 1840 ein externes Examen „pro facultate docendi“ abzulegen, das ihn zum Unterricht an höheren Schulen berechtigte. Obwohl er damit ein dreijähriges Studium übersprang, konnte er mit Auszeichnung bestehen. Allerdings erhielt er nie das entsprechende Lehramt.
Neben der Lehrtätigkeit ordnete Weidenbach in Ahrweiler das Archiv der Stadt, schrieb sein erstes Buch, eine Genealogie der Grafen von Are, und stand in regem Briefwechsel mit Bonner Professoren wie Karl Simrock und Gottfried Kinkel, sowie mit dem Antiquar und Publizisten Christian von Stramberg. Ein Buch über Bacharach widmete er Simrock, während Gottfried Kinkel sein Buch über die „Ahr“ (1846) neben Jacob Burkhardt (1818-1897) auch Weidenbach widmete. Seit 1847 veröffentlichte Weidenbach regelmäßig historische Beiträge im „Kreisblatt für die Kreise Ahrweiler und Adenau“.
Sein Abschied aus Ahrweiler kam 1848 mit der Revolution: Weidenbach hatte in Heppingen und auf der Landskrone im Mai 1848 zwei Reden für die Revolution gehalten. Aus Furcht vor Repressionen nach der Niederschlagung des radikalen Hecker-Aufstands in Baden floh Weidenbach vorübergehend nach Belgien, wodurch er sich in Ahrweiler kompromittierte und sein Amt verlor. Wie scharf seine Reden und Forderungen waren, ob die Flucht notwendig war, liegt im Dunkeln. Jedoch konnte er sich schon im Frühjahr 1849 wieder in deutschen Landen blicken lassen, als er in dem zum Großherzogtum Nassau gehörenden Bingen die Leitung einer höheren Töchterschule übernahm. Im Gegensatz zu den höheren Schulen, die staatlich oder städtisch waren, blieben die Töchterschulen private Anstalten und lieferten auch keine qualifizierenden Abschlüsse, sondern „nur“ Erziehung und Bildung.
Regelmäßige Besuche im Dreiländereck Hessen-Nassau-Preußen an der Nahe-Mündung sind in der Autobiographie von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), der von 1849 bis 1851 in Bingerbrück auf der preußischen Naheseite wohnte, bezeugt. So half Weidenbach etwa bei der Auswahl der „Spitzkugeln“ in der zweiten Ausgabe, womit er Ferdinand Freiligrath in einer Nebentätigkeit beerbte. An dieser Station entfaltete Weidenbach voll seine Schriftstellertätigkeit. Er begann mit zwei Schulbüchern über griechische und germanische Sagen sowie einem Reiseführer über Bingen und Kreuznach, bevor ihm sein opus magnum gelang: Die „Regesten der Stadt Bingen“ (1853) lehnen sich an Johann Friedrich Böhmers (1795-1863) Intention an, die Geschichte der deutschen Städte in ihren Quellen darzustellen, konzentrieren sich allerdings um der Lesbarkeit willen auf eine große Sammlung antiquarischer Fakten aus dem Raum Bingen.
Noch im gleichen Jahr verlieh Großherzog Ludwig III. von Hessen (Regierungszeit 1848-1877) dem Verfasser für seine Verdienste den Titel eines Hofrats. Drei Jahre später gelang Weidenbach sogar ein Novum im Großherzogtum, als er zum ersten Friedensrichter ohne Jurastudium ernannt wurde. Die Zahl der Schülerinnen an seiner Schule hatte sich indessen um etwa die Hälfte vermehrt, so dass ihm auch hier ein erheblicher Erfolg beschieden war.
Zuletzt trat er in Bingen als Autor hervor, erstellte einen historischen Kalender, der erst durch den „Grotefend“ ersetzt wurde, verfasste Kurzbiographien lokaler Persönlichkeiten, wie der Heiligen Rochus (um 1295-1327) und Rupert (um 650-wohl 718) oder des Visionärs Bartholomäus Holzhauser (1613-1658). Letzterer hatte in Bingen eine Priestergemeinschaft, die so genannten Bartholomiten, angesiedelt und an der Gründung der Lateinschule mitgewirkt. Weidenbach lieferte auch erste Beiträge für Strambergs „Rheinischen Antiquarius“, die dort sogar – und das ist ungewöhnlich – den Namen ihres Autors tragen und nicht von Stramberg einverleibt wurden.
1864 gab Weidenbach seine Tätigkeit als Lehrer auf und wechselte nach Wiesbaden, wo er zahlreiche Vorträge hielt und ein eigens eingerichtetes statistisches Büro leitete. Sein dort erstellter Überblick über die nassauischen Territorien ermöglichte es ihm 1868, nach dem Tode von Strambergs, auf dessen Wunsch den „Rheinischen Antiquarius“ fortzusetzen. Der preußischen Annexion Nassaus fiel auch das statistische Büro zum Opfer, doch lehnte Weidenbach eine Versetzung nach Berlin ab, um in der rheinischen Heimat bleiben und sich der Auswertung seiner Notizen zur rheinischen Geschichte widmen zu können. Die bereits erschienenen 34 Bände des „Antiquarius“ ergänzte Weidenbach in gut zwei Jahren um fünf weitere Bände zu je rund 800 Seiten, bevor ihn ein Leberleiden zur Aufgabe der Arbeit zwang. Er erlag der Krankheit am 21.11.1871.
Quellen
Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius welcher die wichtigsten und angenehmsten geographischen, historischen und politischen Merkwürdigkeiten des ganzen Rheinstromes von seinem Ausflusse in das Meer bis zu seinem Ursprunge darstellt, 34 Bände. Koblenz 1843-1871.
Regesten der Stadt Bingen, des Schlosses Klopp und des Klosters Ruppertsberg, Bingen 1853.
Literatur
Como, Jakob, Alt-Bingen, Mainz 1926.
Naujack, Erich, Adam [!] Joseph Weidenbach vor 200 Jahren geboren, in: Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen 53 (2009), S. 273-275.
Schmuck, Tobias S., „... dem Institute zur Förderung, den Kindern zum Segen ...“: 200 Jahre Anton Joseph Weidenbach (1809-1871), Heidesheim 2009.
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Schmuck, Tobias S., Anton Joseph Weidenbach, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/anton-joseph-weidenbach/DE-2086/lido/57c92b1329aac4.97117105 (abgerufen am 19.02.2025)
Veröffentlicht am 02.09.2016, zuletzt geändert am 27.04.2020