Clément Moreau

Graphiker und Karikaturist (1903-1988)

Denise Steger (Linz am Rhein)

Clément Moreau, 1979, Foto: Erling Mandelmann. (Erling Mandelmann / photo©ErlingMandelmann.ch / CC BY-SA 3.0)

Clé­ment Mo­reau war ein po­li­tisch en­ga­gier­ter, dem So­zia­lis­mus na­he­ste­hen­der Gra­phi­ker und Ka­ri­ka­tu­rist, der in sei­nem Werk im­mer wie­der die Macht der Herr­schen­den kri­tisch the­ma­ti­sier­te.

Clé­ment Mo­reau, mit bür­ger­li­chem Na­men Carl Jo­sef Mef­fert (ge­nannt Jupp), wur­de am 26.3.1903 als äl­tes­tes von drei Kin­dern der La­den­ge­hil­fin Ger­tru­de Schmidt (ge­stor­ben bei der Ge­burt des drit­ten Kin­des 1919) und des ver­hei­ra­te­ten Post­be­am­ten Jo­seph Mef­fert (1873-nach 1950), ka­tho­li­scher Kon­fes­si­on, in Ko­blenz ge­bo­ren. Die au­ßer­ehe­li­che Ge­burt be­deu­te­te sei­ner­zeit ei­nen ge­sell­schaft­li­chen Ma­kel. Jo­seph Mef­fert ad­op­tier­te sei­nen Sohn 1905, ließ ihn aber mit elf Jah­ren, kurz vor Be­ginn des Ers­ten Welt­kriegs, in die Für­sor­ge­er­zie­hung ein­wei­sen, zu­erst bei den „Ehr­wür­di­gen Brü­dern der christ­li­chen Lie­be“ in der An­stalt War­burg und da­nach in Burg­stein­furt in West­fa­len. Die Zög­lin­ge er­hiel­ten nur we­ni­ge Stun­den Schul­un­ter­richt, die meis­te Zeit muss­ten sie auf dem Feld oder in um­lie­gen­den Rüs­tungs­fa­bri­ken ar­bei­ten. 14­mal ver­such­te Carl den un­mensch­li­chen Ver­hält­nis­sen dort zu ent­flie­hen und bei sei­ner Mut­ter Schutz zu su­chen, doch die­se Aus­reiss­ver­su­che schei­ter­ten und hat­ten har­te Stra­fen zur Kon­se­quenz. Sei­ne Er­leb­nis­se ver­ar­bei­te­te er aus­drucks­stark in dem zwan­zig­tei­li­gen Lin­ol­schnitt­zy­klus „Für­sor­ge­er­zie­hun­g“ 1928/1929.

Nach dem Ers­ten Welt­krieg floh Carl er­neut aus der An­stalt und zeig­te die ka­tho­li­sche Lei­tung we­gen ih­rer Miss­hand­lun­gen beim Lan­des­haupt­mann in Müns­ter an, was die Ver­haf­tung ei­ni­ger der christ­li­chen Brü­der zu Fol­ge hat. Zu­rück bei sei­nem Va­ter be­gann Carl 1919 ei­ne Leh­re als An­strei­cher, die er nach ei­nem hal­ben Jahr ab­brach. Von da an trieb er sich her­um und fand in Al­fons Gold­schmidt (1879-1940) ei­ne Be­zugs­per­son, von der er spä­ter sag­te „…die Be­kannt­schaft mit die­sem Man­ne war für mich der ers­te Schritt zu ei­ner mensch­li­chen Ent­wick­lun­g“[1]. Er schloss sich den Spar­ta­kis­ten an, in de­ren Dienst er Pla­ka­te mal­te und Aus­wei­se fälsch­te. Auf­grund der An­zei­ge sei­nes Va­ters, der mi­li­tä­ri­scher Lei­ter der so ge­nann­ten Ord­nungs­wehr war, ei­nem Or­gan der Kon­ter­re­vo­lu­ti­on, wur­de er 1920 im Haus sei­ner Stief­mut­ter ver­haf­tet und von ei­nem Stand­ge­richt zu sechs Jah­ren Haft ver­ur­teilt, von de­nen er drei Jah­re und vier Mo­na­te im Zucht­haus Wehrl in Ein­zel­haft ab­saß.

Nach sei­ner Ent­las­sung nahm er 1924 ein Vo­lon­ta­ri­at als Kir­chen- und De­ko­ra­ti­ons­ma­ler auf; hier konn­te er im Kreis ge­bil­de­ter Kol­le­gen viel Er­fah­rung sam­meln und ge­wann zwei Prei­se für die Aus­füh­rung ei­ner Fried­hofs­ka­pel­le und ei­ner Syn­ago­ge. An­schlie­ßend nahm er Un­ter­richt an der Kunst­ge­wer­be­schu­le Köln. Hier knüpf­te er im Kreis der „Köl­ner Pro­gres­si­ven“ ers­te Kon­tak­te zur Kunst­sze­ne und schaff­te Ka­ri­ka­tu­ren, un­ter an­de­rem von Kon­rad Ade­nau­er, für die kom­mu­nis­ti­sche Ta­ges­zei­tung. In Köln traf er auch mit dem Thea­ter­re­gis­seur Hans Ro­den­berg (1895-1978) zu­sam­men und wur­de Mit­glied sei­ner nächt­li­chen Agit­prop-Spiel­trupps.

1926 hei­ra­te­te Carl Mef­fert in Ko­blenz Au­gus­ta Bait­zel (1904-1930), Toch­ter des Gro­ß­kauf­manns Flo­ri­an Bait­zel (1871-1944) und der An­ge­li­ka Dott (1873-1933), die ge­mein­sa­me Toch­ter nann­ten sie Ka­ren. Ei­ne Zu­sam­men­füh­rung von Va­ter und Toch­ter in Ar­gen­ti­ni­en wur­de zur Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­hin­dert. 1953 wid­me­te er ihr ei­ne klei­ne Öl­stu­die, mit den Wor­ten: FRIE­DENS­RICH­TER AUS HU­MA­HU­A­CO, EI­NE STU­DIE FÜR DIE KA­REN VON DEI­NEM VA­TER LIE­BE KA­REN ES IST EI­NE KLEI­NE STU­DIE VON EI­NEM IN­DIO IN LIE­BE DEIN VA­TER.

1926 sie­del­te Carl Mef­fert nach Ber­lin über und schlug sich mit gra­phi­schen Ge­le­gen­heits­ar­bei­ten und dem Preis­schil­der­schrei­ben auf Wo­chen­märk­ten durch. Hier nahm er auch Kon­takt zu Kä­the Koll­witz (1867-1945) auf, bei der er sich mit sei­nen Il­lus­tra­tio­nen zu Fo­dor Glad­kovs Ro­man „Ze­men­t“ und sei­ner Map­pe „Ham­bur­g“, der den Ar­bei­ter­auf­stand von 1923 the­ma­ti­siert, als Schü­ler be­warb. Kä­the Koll­witz nahm ihn auf und emp­fahl ihn dann an Emil Or­lik (1870-1932) und Hein­rich Vo­ge­ler (1872-1942) wei­ter.

Der zu die­ser Zeit be­reits Mor­phi­um ab­hän­gi­ge Künst­ler, der we­gen ei­nes Dieb­stahls von der Po­li­zei ge­stellt wur­de, ver­such­te sich durch ei­nen Schuss in die Brust das Le­ben zu neh­men. Die Ver­let­zung war je­doch nicht le­bens­ge­fähr­lich. Es folg­te ei­ne In­haf­tie­rung. Hein­rich Vo­ge­ler und Kä­the Koll­witz be­auf­trag­ten auf Rat ei­nes An­walts ei­nen Psych­ia­ter, der die Un­zu­rech­nungs­fä­hig­keit von Carl fest­stell­te und ihn in ei­ne psych­ia­tri­sche An­stalt ein­wies, die er nach ei­ni­gen Wo­chen auf­grund der Für­spra­che nam­haf­ter Künst­ler und Mä­ze­ne wie­der ver­las­sen konn­te. Zwi­schen ihm und Vo­gelers jun­ger Frau Son­ja March­lew­s­ka (1898-1983) ent­wi­ckelt sich in der Fol­ge­zeit ei­ne lei­den­schaft­li­che Lie­bes­af­fä­re und Carl wohn­te ein Jahr bei den Vo­gelers in der Bru­no Taut Sied­lung in Britz (Ber­lin). Er knüpft in die­ser Zeit zahl­rei­che Kon­tak­te zur Ber­li­ner Kunst­sze­ne, un­ter an­de­rem zu dem an­ar­chis­ti­schen Dich­ter und Pu­bli­zis­ten Erich Müh­sam (1878-1931) und dem Ma­ler und Gra­phi­ker John Heart­field (1891-1968). 1928 wur­de er Mit­glied der „As­so“ (As­so­zia­ti­on Re­vo­lu­tio­nä­rer bil­den­der Künst­ler Deutsch­lands). In die­sen Ber­li­ner Jah­ren schaff­te er ne­ben „Führ­sor­ge­er­zie­hun­g“ die gro­ßen au­to­bio­gra­phi­schen Zy­klen „Er­werbs­lo­se Ju­gend“ (1928), „Dei­ne Schwes­ter“ (1928), und „Die Welt von Un­ten“ (1928/1929), die bis heu­te ih­re Aus­sa­ge­kraft nicht ver­lo­ren ha­ben.

1930 nahm sich sei­ne Frau Au­gus­te, von der er ge­trennt leb­te, das Le­ben. Die klei­ne Toch­ter wuchs in der Fa­mi­lie der Mut­ter auf. Carl Mef­fert reis­te nach ei­nem Auf­ent­halt 1929 er­neut nach Pa­ris, um für die Wo­chen­zeit­schrift „Mon­de“ zu zeich­nen. 1931 zog Mef­fert zu­sam­men mit sei­ner Freun­din, der kom­mu­nis­ti­schen Zeich­ne­rin He­len Ernst (1904-1948), Hein­rich Vo­gel, dem Gra­phi­ker Heinz Loh­mar (1900-1976) und des­sen Frau, der Ma­le­rin Er­na Yo­shi­da Blenk (1913-1996) und de­ren Mann, dem Ma­ler Eu­gen Früh (1914-1975) so­wie dem Ma­ler Heinz Ot­to und des­sen Freun­din Gu­drun En­gels, in die Schweiz. Über Hein­rich Vo­ge­ler hat­te Carl von der al­ter­na­ti­ven Wohn- und Künst­ler­ko­ope­ra­ti­ve „Fon­ta­na Mar­ti­na“ (ei­ne Fort­set­zung des von Vo­ge­ler ge­rün­de­ten „Bar­ken­hof­s“ in Worps­we­de) des Ber­ner Buch­dru­ckers und So­zi­aluto­pis­ten Fritz Jor­di (1885-1938), er­fah­ren und sich ent­schlos­sen, am Auf­bau mit­zu­wir­ken. Jor­di hat­te 1923 das ver­las­se­ne Dorf Fon­ta­na Mar­ti­na ober­halb von Ron­co im Tes­sin ge­kauft und 1928 mit dem Sied­lungs­pro­jekt be­gon­nen. Im Ok­to­ber 1931 er­schien die ers­te Num­mer der Halb­mo­nats-Zeit­schrift „Fon­ta­na Mar­ti­na“, zu dem Mef­fert das Ti­tel­blatt schnitt, im Vor­der­grund er selbst mit ent­blö­ß­tem Ober­kör­per und ei­ner Kis­te Zwie­beln in Hän­den, im Hin­ter­grund, mit­ten im Ge­mü­se­gar­ten, Fritz Jor­di. Die Zeit­schrift, die ne­ben Sied­lungs­fra­gen po­li­ti­sche und an­ti­fa­schis­ti­sche Ar­ti­kel pu­bli­zier­te, wur­de von Mef­fert zwi­schen Ok­to­ber 1931 und No­vem­ber 1932 mit zahl­rei­chen Holz- und Lin­ol­schnit­ten il­lus­triert. In Fon­ta­na-Mar­ti­na lern­te er auch den ita­lie­ni­schen Dich­ter und Emi­gran­ten Igna­zio Si­lo­ne (1900-1978) ken­nen, des­sen Ro­ma­ne er spä­ter be­bil­der­te.

Carl Mef­fert ver­ließ die Schweiz aber wie­der, um „nä­her bei den Ar­bei­ter­zei­tun­gen zu sein“, das Sied­lungs­pro­jekt er­schien ihm zu idea­lis­tisch. Im März 1933 war er in Ber­lin an­zu­tref­fen, muss­te aber vor den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten flie­hen. Am Ba­di­schen Bahn­hof in Ba­sel ent­ging er nur knapp ei­ner Ver­haf­tung durch die Ge­sta­po we­gen an­ti­fa­schis­ti­scher Tä­tig­keit; sein Ge­päck mit sei­nem Werk aus der Ber­li­ner Zeit, Zeich­nun­gen und Erst­dru­cke, muss­te er zu­rück­las­sen. Oh­ne Aus­weis­pa­pie­re wur­de Mef­fert auch von den Schwei­zer Be­hör­den ge­sucht, schaff­te als il­le­ga­ler po­li­ti­scher Emi­grant aber auch wei­ter­hin Ge­brauchs­gra­phi­ken für die Schwei­zer Ar­bei­ter­schaft und ge­gen den Fa­schis­mus. Im „Zelt-Haus“ am Stauf­fa­cher in Zü­rich kam er un­ter und lern­te hier sei­ne zwei­te Frau, die en­ga­gier­te An­ti­fa­schis­tin und Be­grün­de­rin ei­ner Hilfs­zen­tra­le für Deut­sche Emi­gran­ten, Nel­ly Gug­gen­bühl (1904-1999), Toch­ter des Ver­si­che­rungs­ge­ne­ral­agen­ten Carl Gug­gen­bühl-Gi­ger (1872-1964) und He­len Gi­ger (1878-1964) ken­nen. Als Pseud­onym wähl­te er den Ge­burts­na­men sei­ner Gro­ß­mut­ter und nann­te sich fort­an Clé­ment Mo­reau (In­itia­len CM). In den bei­den Schwei­zer Exil­jah­ren ar­bei­te­te er für den Bas­ler „Vor­wärts“ und für die Ge­werk­schafts­pres­se. Er ent­warf Buch­il­lus­tra­tio­nen und Um­schlä­ge für den Zü­ri­cher Ver­lag Oprecht und Hel­big.

1935 reis­te er mit ei­nem Nan­sen­pass, ei­nem Aus­weis für Staa­ten­lo­se, in das Ar­gen­ti­ni­sche Exil. Kur­ze Zeit spä­ter folgt ihm Nel­ly, die er noch im glei­chen Jahr in Bue­nos Ai­res hei­ra­te­te. 1936 kam Toch­ter Ar­gen­ti­na (Ti­na) zur Welt, sechs Jah­re spä­ter Sohn Clau­dio. Nel­ly ar­bei­te­te an der Uni­kli­nik als As­sis­ten­tin ei­ner Kin­der­psy­cho­lo­gin, wäh­rend Carl bis 1937 an der Pes­ta­loz­zi-Schu­le un­ter­rich­te­te; hier be­geg­ne­te er dem so­zia­lis­ti­schen Ex-Po­li­ti­ker, Päd­ago­gen, Jour­na­lis­ten und Pu­bli­zis­ten Au­gust Siem­sen (1848-1958) und ver­leg­te mit ihm zu­sam­men ein von ihm il­lus­trier­tes Le­se­buch: „Deut­sche Ge­dich­te von Goe­the bis Brech­t“. Für das ar­gen­ti­ni­sche Tag­blatt und an­de­re nam­haf­te Zei­tun­gen schaff­te er wäh­rend der Kriegs­jah­re zahl­rei­che po­li­ti­sche, scharf poin­tier­te Ka­ri­ka­tu­ren. 1937 de­mas­kier­ten sei­ne an­ti­fa­schis­ti­schen Zeich­nun­gen Adolf Hit­lers (1889-1945) „Mein Kampf“. Im glei­chen Jahr be­gann er sei­ne über 200-tei­li­ge Lin­ol­schnitt­fol­ge „La co­me­dia hu­ma­na“ („Nacht über Deutsch­lan­d“), die zu den wich­tigs­ten Wer­ken der Exil­kunst ge­hört. Hier ver­ar­bei­te­te er ne­ben all­ge­mein­gül­ti­gen Sze­nen die durch das NS-Re­gime ge­prägt wur­den, wie Furcht, De­nun­zia­ti­on, Ver­hör und Haft, die po­li­ti­sche Er­mor­dung sei­nes Freun­des Erich Müh­sam und sei­ne ei­ge­nen Ängs­te, die er auf der Flucht aus Deutsch­land und als staa­ten­lo­ser Emi­grant in der Schweiz emp­fun­den hat­te.

Mit den Macht­ha­bern in Ar­gen­ti­ni­en ge­riet Mo­reau nach dem Zwei­ten Welt­krieg im­mer wie­der an­ein­an­der, da er sich in sei­nen Gra­phi­ken zu­neh­mend ar­gen­ti­ni­schen Miss­stän­den zu­wand­te. Stän­dig hat­te er mit Zen­sur zu kämp­fen und muss­te Schi­ka­nen ge­gen sei­ne Fa­mi­lie er­dul­den.1947/1948 zwang man ihn un­ter dem Vor­wand, als Wer­be­fach­mann die Re­gi­on für den Tou­ris­mus zu er­schlie­ßen, zu ei­nem mehr­mo­na­ti­gen Auf­ent­halt Ju­juy in den An­den. Hier ent­stan­den vie­le Zeich­nun­gen und Lin­ol­schnit­te, die das Le­ben der In­di­os zum The­ma ha­ben. 1949 wur­de er we­gen der Un­ter­stüt­zung an­ti­pe­ro­nis­ti­scher Or­ga­ni­sa­tio­nen nach Pa­ta­go­ni­en ver­bannt und flohn ins Exil nach Uru­gu­ay. Er leb­te ein Jahr in Mon­te­vi­deo, be­vor er nach Bue­nos Ai­res zu­rück­kehr­te.

Seit 1958, wäh­rend der Re­gie­rungs­zeit von Ar­turo Fron­di­zi (1908-1995), lei­te­te Clé­ment Mo­reau das Amt für Öf­fent­lich­keits­ar­beit bei ei­nem staat­li­chen Ent­wick­lungs­pro­jekt in der Pro­vinz Cha­co, klär­te die In­dia­ner über Ge­sund­heits­fra­gen auf und be­tei­lig­te sich am Auf­bau der Uni­ver­si­tät Re­sis­ten­cia, wo er ei­ne Stel­le als Pro­fes­sor für Bil­den­de Kunst über­nahm.

1961 be­such­te Clé­ment Mo­reau, ge­sund­heit­lich stark, zum ers­ten Mal nach 26 Jah­ren wie­der die Schweiz, zum ei­nen, um dort we­gen sei­ner Mor­phi­um­sucht in ei­ne Ent­zugs­kli­nik zu ge­hen, zum an­dern, um Leh­rer zu su­chen, die be­reit wa­ren, in Ar­gen­ti­ni­en zu un­ter­rich­ten.

Am 28.3.1962 über­nahm in Ar­gen­ti­ni­en das Mi­li­tär die Macht und mach­te es ihm un­mög­lich, zu­rück­zu­keh­ren. Er muss­te er­neut ein Exil ak­zep­tie­ren, dies­mal die Schweiz. Nel­ly ver­kauf­te das Haus in Ar­gen­ti­ni­en und or­ga­ni­sier­te die Aus­rei­se, die sie zu­sam­men mit Toch­ter Ti­na und der erst we­ni­ge Wo­chen al­ten En­ke­lin 1964 an­trat. Das ge­sam­te Werk von Clé­ment Mo­reau nahm sie mit und ret­te­te es so vor Zer­stö­rung und dem Ver­ges­sen. Der Künst­ler leb­te in­zwi­schen bei sei­ner neu­en Le­bens­ge­fähr­tin Mar­ghe­ri­ta Bren­ner, die er be­reits 1931 ken­nen ge­lernt hat­te, in Zü­rich. Er ar­bei­te­te als Zei­chen­leh­rer an der Schu­le für Ge­stal­tung in St. Gal­len (1967-1981), als Thea­ter­zeich­ner am Schau­spiel­haus Zü­rich, lie­fer­te Gra­phi­ken für Deut­sche und Schwei­zer Zei­tun­gen; au­ßer­dem be­tä­tig­te er sich als Ar­beits­the­ra­peut in psych­ia­tri­schen Kli­ni­ken. Nel­ly bau­te in­des­sen zu­sam­men mit ei­nem Psych­ia­ter den Kin­der- und Ju­gend­psych­ia­tri­schen Dienst in St. Gal­len auf. 

En­de der 1960er, An­fang der 70er Jah­re wur­den die Wer­ke von Clé­ment Mo­reau in der Öf­fent­lich­keit ver­stärkt wahr­ge­nom­men und ge­ach­tet. Er selbst ver­stand sich we­ni­ger als Künst­ler, denn als Ge­brauchs­gra­phi­ker, der die kla­re li­nea­re Spra­che in sei­nen Zeich­nun­gen und Lin­ol­schnit­ten im­mer wie­der da­zu ein­setz­te, ei­ner­seits das Mensch­li­che und Schick­sal­haf­te, an­de­rer­seits so­zia­le Not und po­li­ti­sche Un­ter­drü­ckung dar­zu­stel­len und ei­ner brei­ten Öf­fent­lich­keit, in Ar­gen­ti­ni­en auch der des Le­sens nicht mäch­ti­gen Ein­woh­ner, nä­her zu brin­gen.

1978, zu sei­nem 75-jäh­ri­gen Ge­burts­tag, wur­de sein Werk in gro­ßen Re­tro­spek­ti­ven in Ber­lin (Kunst­amt Kreuz­berg, 17.3.-30.4.1978), Zü­rich und St. Gal­len ge­wür­digt; von der Stadt St. Gal­len er­hielt er auch ei­ne Aus­zeich­nung. 

1984 grün­de­te Clé­ment Mo­reau zu­sam­men mit sei­ner Frau Nel­ly Gug­gen­bühl, sei­ner Toch­ter Ar­gen­ti­na Mef­fert, sei­nem Sohn Clau­dio Mef­fert und sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin Mar­ghe­ri­ta Bren­ner in Zü­rich die Stif­tung Clé­ment Mo­reau „im Sin­ne der Ar­beit von Clé­ment Mo­reau und je­ner Ma­ler und Gra­fi­ker, die mit ih­rem Werk ei­nen Bei­trag zum Kampf ge­gen Un­ter­drü­ckung und zur Be­frei­ung des Men­schen er­brin­gen“.

In sei­nem letz­ten Le­bens­jahr­zehnt wur­de das Werk von Clé­ment Mo­reau mit zahl­rei­chen Prei­sen be­dacht: 1983 Kul­tur­preis der Stadt Ko­blenz, 1987 Kul­tur­preis des Schwei­ze­ri­schen Ge­werk­schafts­bun­des, 1988 Kul­tur­preis des Deut­schen Ge­werk­schafts­bun­des. 

Das be­weg­te Le­ben von Clé­ment Mo­reau, im­mer wie­der ge­prägt von Pha­sen der Un­si­cher­heit und exis­ten­zi­el­len Be­dro­hung, ge­tra­gen von nim­mer­mü­den so­zi­al­po­li­ti­schem En­ga­ge­ment, en­de­te am 27.12.1988 im Al­ter von 85 Jah­ren in Sir­nach. Er selbst hat sich bei der Fra­ge nach sei­nem Be­ruf als „Emi­gran­t“ be­zeich­net.

Werke (Auswahl)

1927 – Ham­burg, 6 be­zeich­ne­te und si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Ver­lag Jun­ge Gar­de Ber­lin.
1927/28 – Ze­ment, 9 be­zeich­ne­te und si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Ga­le­rie Neu­mann-Nie­ren­dorf, Ber­lin.
1928 – Dei­ne Schwes­ter, 7 be­zeich­ne­te und si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, im Auf­trag des Ge­lehr­ten und Kunst­samm­lers Edu­ard Fuchs (1870-1940), Ga­le­rie Neu­mann-Nie­ren­dorf, Ber­lin.
1928 – Er­werbs­lo­se Ju­gend, 6 be­zeich­ne­te und si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, mit ei­nem Vor­wort von Kä­the Koll­witz, Ga­le­rie Neu­mann-Nie­ren­dorf, Ber­lin. [Neu­aus­ga­be: Clé­ment Mo­reau/Carl Mef­fert, Frü­he Ar­bei­ten, 5 Gra­fik­fol­gen von C.M. Lim­mat Ver­lag Ge­nos­sen­schaft 1983]. 
1928/1929 – Die Welt von Un­ten, 3 Lin­ol­schnitt­fol­gen [Neu­aus­ga­be: „die welt von un­ten“, drei Lin­ol­schnitt­fol­gen aus den Jah­ren 1928/29, Lit­Pol Ver­lags­ge­sell­schaft mbh Ber­lin 1978.
1928/1929 – Für­sor­ge­er­zie­hung, 19 be­zeich­ne­te und si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Ga­le­rie Neu­mann-Nie­ren­dorf, Ber­lin. [Neu­aus­ga­be on­line: www.kin­der­hei­me-schweiz.ch/de/pdf/cle­ment_mo­reau_lin­ol­schnitt­zy­klus_fu­er­sor­ge­er­zie­hung_1929.pdf].
1932 – Pro­le­ta­ri­sche Kunst, 15 be­zeich­ne­te und si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Ver­lag der Ge­nos­sen­schafts-Buch­dru­cke­rei, Ba­sel. [Neu­aus­ga­be: Pro­le­ta­ri­sche Kunst, Karl Mef­fert, Map­pe, er­wei­ter­te Neu­aus­ga­be mit ei­ner Ein­lei­tung von Diet­ger Pfor­te, Lit­Pol Ver­lags­ge­sell­schaft mbh Ber­lin 1979].
1931 – Ei­ne Lie­bes­ge­schich­te, 5 Lin­ol­schnit­te, Mar­git Heu­ber­ger-Bren­ner ge­wid­met in Adel­bo­den am 22. Mai 1931. [Neu­aus­ga­be in ei­ner Map­pe, fak­si­mi­liert, Druck auf hand­ge­schöpf­tem Zum­a­ka-Ja­pan­pa­pier, Auf­la­ge 50 Ex­em­pla­re, hg. v. Tho­mas Mil­ler 1991].
1931/1932 - Fon­ta­na Mar­ti­na, 13 si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Dru­cke­rei des „Vor­wärts“, der Schwei­zer KP [Aus­ga­be: Fon­ta­na Mar­ti­na, voll­stän­di­ger Fak­si­mi­le-Druck der von Fritz Jor­di und Hein­rich Vo­ge­ler 1931/32 in Ron­co S/As­co­na her­aus­ge­ge­be­nen Halb­mo­nats­schrift. Ana­bas-Ver­lag, Gie­ßen/Lahn 1976, 2. Auf­la­ge 1981].
Um 1932 – Il­lus­tra­tio­nen zu Fo­dor Glad­kows Ro­man „Neue Er­de“, 5 Lin­ol­schnit­te, ge­druckt in Fon­ta­na Mar­ti­na, Erst­ver­öf­fent­li­chung in der Zeit­schrift „Mon­de“ in Pa­ris.
1932/1933 Blei­schnit­te für den Ba­se­ler „Vor­wärts“, un­ter an­derm sein viel­dis­ku­tier­tes Bild „Der zwei­te Man­n“.
1932/1933 - Ta­ge­buch des Spi­ons Ed­ward Kent, 8 si­gnier­te Blei­schnit­te, Il­lus­tra­tio­nen zu dem gleich­na­mi­gen Buch von Ni­ko­laj G. Smir­nov, in Fort­set­zun­gen vom 31.10.1932-31.1.1933 im Ba­se­ler „Vor­wärts“ er­schie­nen. [Erst­aus­ga­be: In­ter­na­tio­na­le Ar­bei­ter­hil­fe Ber­lin].
1933 – Groß­stadt­bil­der, 10 si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Bü­cher­gil­de Gu­ten­berg, Zü­rich-Wien-Prag.
1934 – Erich Müh­sam zum Ge­dächt­nis, Lin­ol­schnitt auf Ja­pan­pa­pier, er­schie­nen in „Der öf­fent­li­che Diens­t“ (VPOD),10.8.1934, Nr. 32.
1933/1934 - Il­lus­tra­tio­nen zu Igna­zio Si­lo­ne „Fon­ta­ma­re“, ital. 1933, franz. 1935, dt. 1944 und 1947 und „Die Rei­se nach Pa­ris“, dt. 1934, ar­gent. 1935, engl. 1935. Lin­ol­schnit­te [Neu­aus­ga­be: Clé­ment Mo­reau, Lin­ol­schnit­te zu Igna­zio Si­lo­ne, in ei­ner Map­pe mit ei­nem Vor­wort von Gui­do Ma­gna­gua­g­no, Lit­Pol Ver­lags­ge­sell­schaft mbh Ber­lin 1980].
1935/1937 – „Wer Wind sät, wird Sturm ern­ten“, 31 Zeich­nun­gen und Lin­ol­schnit­te zum spa­ni­schen Bür­ger­krieg.
Um 1936 – 20 gra­ba­dos de Clé­ment Mo­reau, 20 si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Bue­nos Ai­res, Edi­cio­nes Iman.
1937-1938 -La co­me­dia hu­ma­na / Nacht über Deutsch­land, 107 Lin­ol­schnit­te auf Ja­pan­pa­pier, Erst­ver­öf­fent­li­chung im „Ar­gen­ti­ni­schen Ta­ge­blat­t“ und AR­GEN­TI­NA LIB­RE 1940 [Neu­aus­ga­be: Clé­ment Mo­reau, Nacht über Deutsch­land, 107 Lin­ol­schnit­te aus den Jah­ren 1937-1938, Vor­wort von Hein­rich Böll, Ver­lag Neue Münch­ner Ga­le­rie 1976. Neu­auf­la­ge: Clé­ment Mo­reau, Nacht über Deutsch­land, 107 Lin­ol­schnit­te aus den Jah­ren 1937-1938, Lü­beck 2009, on­line un­ter: www.cle­ment-mo­reau.ch/werk­schau.htm ].
Um 1937 – Mein Kampf, Tex­to de Adol­fo Hit­ler, Zy­klus von über 100 Zeich­nun­gen in Ar­gen­ti­ni­schen Zei­tun­gen ver­öf­fent­licht. [Neu­aus­ga­be: „Mein Kampf“, Text von Adolf Hit­ler, Vor­wort von Max Frisch, Zeich­nun­gen von Clé­ment Mo­reau, Ver­lag Neue Münch­ner Ga­le­rie 1975. Tür­ki­sche Aus­ga­be, HA­VASS Yay­in­la­ri, Bi­rin­ci Ba­ski, Ara­lik 1977. Fran­zö­si­sche Aus­ga­be, Collec­tion Com­bat Cul­tu­rel 2, Sy­ros, Pa­ris 1976]. 
1938 – Con­tra el na­zis­mo y el fa­scis­mo, 26 Zeich­nun­gen so­wie 4 Linol/ Blei­schnit­te, Bue­nos Ai­res, Ar­gen­ti­ni­sches Ta­ge­blatt.
1935–1945 Mit dem Zei­chen­stift ge­gen den Fa­schis­mus [Neu­aus­ga­be: Mit dem Zei­chen­stift ge­gen den Fa­schis­mus, 99 aus­ge­wähl­te po­li­ti­sche Ka­ri­ka­tu­ren aus den Jah­ren 1935-1945, Aus­wahl und Vor­wort von Gui­do Ma­gna­gua­g­no, Lit­Pol Ver­lags­ge­sell­schaft mbh Ber­lin 1979].
Um 1941 – El que siem­bra vi­en­to re­co­ge tem­pe­sta­des, 31 si­gnier­te Zeich­nun­gen und 18 Text­sei­ten.
1943 – „Der Ritt nach Os­ten“, „Sic tran­sit glo­ria mun­di“, „Das Lied des Wol­ga­schif­fer­s“, „Ascher­mitt­wo­ch“, „Os­tern in Tu­nis“, Pin­sel­zeich­nun­gen, ver­öf­fent­licht in La Re­vue Ar­gen­ti­ne: „Clé­ment Mo­reau, ca­ri­ca­tu­ris­te de gu­er­re“ von Edu­ar­do Mal­lea.
1960 – Ar­gen­ti­na, 12 si­gnier­te Lin­ol­schnit­te über das Le­ben der In­di­os, 1973 in Zü­rich pu­bli­ziert.
1963 – El cha­co, 12 si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Zü­rich.
1979 – Die Brü­cke im Dschun­gel, 21 si­gnier­te Lin­ol­schnit­te, Bü­cher­gil­de Gu­ten­berg, Zü­rich/Frank­furt/Wien.
1983 – Il­lus­tra­tio­nen zu Al­fred Hut­chin­son, An­nie – die Wä­sche­rin, An­ti-Apart­heid Be­we­gung der Schweiz, Zü­rich 1983, Nach­druck 1986. 

Gemälde

1947 – Stra­ße in Hu­ma­huaca, Öl auf Holz, 42 x 32 cm, Pri­vat­be­sitz.
1949 – Kar­ne­val in Hu­ma­huaca, Misch­tech­nik auf Pa­pier, 35,5 x 52,5 cm, Dau­er­leih­ga­be aus Pri­vat­be­sitz, Mit­tel­rhein Mu­se­um Ko­blenz, Inv. Nr. LG019_001.
1953 – Der Frie­dens­rich­ter aus Hu­ma­huaca, Öl auf Lein­wand, 27 x 20 cm, mit ei­ner Wid­mung des Künst­lers an sei­ne Toch­ter Ka­ren, Pri­vat­be­sitz.
1957 – In­dia­ni­sche Fa­mi­lie, Tem­pe­ra, 52 x 35cm, Pri­vat­be­sitz.
1960 – Mu­si­kan­ten, Aqua­rell, 34 x 33 cm, Pri­vat­be­sitz. 

Literatur

Brack-Zah­ner, Bern­hard, Nichts Mensch­li­ches ist mir fremd – Das Le­ben von Nel­ly Mef­fert-Gug­gen­bühl, St. Gal­len 2004. Aus­zug un­ter: www.ila-web.de/le­bens­we­ge/schick­sal­mef­fert.htm
Clé­ment Mo­reau/Carl Mef­fert, Gra­fik für den Mit­men­schen, mit ei­nem un­voll­stän­di­gen Werk­ver­zeich­nis. Neue Ge­sell­schaft für bil­den­de Kunst und Kunst­amt Kreuz­berg, Ber­lin 1978.
Kä­the Koll­witz/Clé­ment Mo­reau, Ka­ta­log der Aus­stel­lung Künst­ler­haus Met­ter­nich, Ko­blenz 1989, Kä­the-Koll­witz-Mu­se­um Ber­lin 1990, Mit­tel­rhein-Mu­se­um Ko­blenz 1989.
Mit­ten­zwei, Wer­ner, Cle­ment Mo­reau – Ein Le­ben auf der Su­che nach der Brü­der­lich­keit des Men­schen, Ber­lin 1977.
Mül­ler-Strunk, Ma­ri­on, Le­ben mit Clé­ment Mo­reau, Äs­the­ti­sches Han­deln als Pro­zess der So­li­da­ri­tät, Diss. Ber­lin 1981.
Mül­ler-Strunk, Ma­ri­on, Clé­ment Mo­reau, Im Auf­trag mei­ner Neu­gier, Zü­rich 1987. 

Online

Web­site der Stif­tung Clé­ments Mo­reau. [on­line]
Mo­reau, Clé­ment, Lin­ol­schnitt­fol­ge Für­sor­ge­er­zie­hung. [on­line]  
Pe­ters, Do­ro­thea, Mo­reau, Clé­ment, Neue Deut­sche Bio­gra­phie (NDB) 18, Ber­lin 1997, S. 94-96. [on­line]

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Steger, Denise, Clément Moreau, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/cl%25C3%25A9ment-moreau/DE-2086/lido/5d889b548e5127.69466159 (abgerufen am 06.12.2024)