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Als Bergwerks- und dann Generaldirektor der Gewerkschaft Rheinpreußen trug Heinrich Pattberg wesentlich zum Aufschwung des Bergbaus und zur wirtschaftlichen Entwicklung am linken Niederrhein bei.
Heinrich Pattberg wurde am 8.8.1862 in Mülheim an der Ruhr geboren, wo sein Vater Wilhelm Pattberg (1840-1905) eine kleine Kohlenhandlung betrieb. Seit 1869 arbeitete er als Steiger (technischer Angestellter und Aufsichtsperson) auf der Zeche Bonifacius in Kray. Von der Mutter Helene, geborene Schildberg (1835-1902), sind nur die Lebensdaten bekannt. Heinrich war das älteste von insgesamt sechs Kindern, von denen sein jüngerer Bruder Wilhelm (1865-1937) ebenfalls im Bergbau tätig war.
Heinrich Pattberg besuchte zunächst die Volksschule in Kray und die Rektoratsschule in Steele (heute beide Stadt Essen). Da die finanziellen Verhältnisse der Familie den Besuch einer weiterführenden Schule offenbar nicht erlaubten, begann er nach einer kurzen Beschäftigung auf der Zeche Bonifacius im August 1876 eine kaufmännische Ausbildung bei der Firma Hermann Franken in Schalke (Stadt Gelsenkirchen). 1878 kehrte er allerdings auf seine alte Zeche zurück, wo man ihm seit 1884 die berufsbegleitende Weiterqualifizierung an der Bochumer Bergschule ermöglichte, die Pattberg am 18.10.1887 mit dem Prädikat „Gut“ abschloss. Offenbar hatte er damit auch den Direktor der Bergschule Hugo Schultz (1838-1904) beeindruckt. Dieser gehörte seit 1880 dem Grubenvorstand der Gewerkschaft Rheinpreußen in Homberg an und soll ihm dort eine Anstellung vermittelt haben. Bereits am 24.10.1887 trat Heinrich Pattberg als Hilfssteiger in die Dienste der Homberger Zeche – das war der Beginn einer steilen Karriere.
Damals förderte die Zeche Rheinpreußen erst wenige Jahre. Zwar war Franz Haniel aufgrund der speziellen Rechtslage – linksrheinisch galt seit der Napoleonischen Zeit das französische Bergrecht – bereits 1857 ein für damalige Verhältnisse riesiges Grubenfeld verliehen worden. Aber das Abteufen der Schächte hatte sich aufgrund der geologischen Verhältnisse schwierig gestaltet und bis in die zweite Hälfte der 1870er Jahre hinein hingezogen. Pattberg avancierte in rascher Folge zum Maschinensteiger (1888), zum Obersteiger und stellvertretenden Betriebsführer (1891) und schließlich im Juni 1892 zum Grubenverwalter und technischen Leiter. In diese Zeit des beruflichen Aufstiegs fällt auch seine Heirat mit Agnes Backhaus, der Tochter eines Homberger Landwirtes und Mühlenbesitzers, mit der er vier Kinder hatte. Im Herbst 1899 folgte die Ernennung zum Bergwerksdirektor und am 21.9.1920, nach dem Tod des kaufmännischen Direktors August Siedenberg, zum Generaldirektor der Gewerkschaft Rheinpreußen. Diese Position hatte Pattberg bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben zum 31.12.1931 inne.
In diesen mehr als 40 Jahren hatte Pattberg entscheidenden Anteil an dem Aufstieg Rheinpreußens von einem eher unbedeutenden zu einem der leistungsstärksten Bergwerke des Ruhrbergbaus. Basis des Erfolgs waren nicht zuletzt seine bergtechnischen Innovationsleistungen, die weit über die Grenzen des Unternehmens und des Ruhrgebietes hinaus Bedeutung erlangten. Das galt zunächst für ein von ihm entwickeltes Tiefbohrverfahren, das bei den fieberhaften Bohrtätigkeiten zur Erschließung und Mutung neuer Steinkohlenlagerstätten um die Wende zum 20. Jahrhundert vielfach Anwendung fand. Für Rheinpreußen unmittelbar vielleicht bedeutsamer waren seine Weiterentwicklung dieses Bohrverfahrens für das Schachtabteufen im lockeren Gebirge und die Verbesserung des Schachtausbaus durch das so genannte Compoundverfahren. Sie ermöglichten das vergleichsweise rasche Niederbringen der beiden Rheinpreußen-Schächte 4 und 5 in Moers in den Jahren von 1900 bis 1905 als Voraussetzung für den weiteren Ausbau des Bergwerks. Begünstigt durch die Lagerstättenverhältnisse nahm Rheinpreußen unter Pattbergs Leitung auch in den folgenden Jahrzehnten eine bergtechnische Vorreiterrolle ein. Hier ist seit 1906 erstmals im Ruhrbergbau die Schüttelrutsche als neues, bahnbrechendes Strebfördermittel flächendeckend eingesetzt worden. In der Mechanisierungsphase in den 1920er Jahren wurden schon sehr früh druckluftbetriebene Abbauhämmer (1922) und die Bandförderung in Abbaustrecken (1926) umfassend eingeführt und der untertägige Betrieb elektrifiziert (1926).
Fast ein halbes Jahrhundert lang blieb Rheinpreußen die einzige aktive Zeche am linken Niederrhein. Es war wohl nicht zuletzt ihr erfolgreiches Beispiel, das nach der Wende zum 20. Jahrhundert die Errichtung weiterer Bergwerke motivierte und dadurch die wirtschaftliche Entwicklung der Region beförderte. Ähnlich bedeutsam war in dieser Hinsicht die Lösung der Entwässerungsfrage. Die bergbaubedingten Absenkungen an der Tagesoberfläche steigerten das in Rheinnähe ohnehin bestehende Überschwemmungsrisiko und drohten insbesondere die Landwirtschaft zu beeinträchtigen. Pattberg erkannte das Problem früh und veranlasste 1905 eine eingehende Untersuchung, in deren Folge am 3.2.1908 der Verein zur Aufstellung eines Entwässerungsplanes für das linksniederrheinische Industriegebiet entstand, aus dem durch Gesetz vom 29.4.1913 die Linksniederrheinische Entwässerungs-Genossenschaft hervorging.
Neben dem Vorsitz in diesen beiden Organisationen bekleidete Pattberg eine Vielzahl weiterer Ämter in Wirtschaft und Politik. Er engagierte sich in der evangelischen Kirchengemeinde in Homberg und, wie so viele seiner Berufskollegen, in der Kommunal- und Provinzialpolitik, der Schwerpunkt lag aber auf der Mitwirkung in den wirtschaftlichen Verbänden und Gemeinschaftsorganisationen. Pattberg gehörte den Führungsgremien des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Bergbau-Verein) und des Zechenverbandes als den mächtigen Interessenverbänden des Ruhrbergbaus ebenso an, wie denen der Reichsknappschaft und der Knappschaftsberufsgenossenschaft. Ferner war er Mitglied in den Industrie- und Handelskammern in Krefeld und Duisburg-Wesel. Lange Jahre saß er dem Verein der Bergwerke am linken Niederrhein e. V. vor, der unter seiner maßgeblichen Beteiligung am 4.5.1921 als regionaler Interessenverband gegründet worden ist und Ausdruck eines gewissen Eigenbewusstseins im linksrheinischen Bergbau war.
Als Mitglied der Aufsichtsräte von Ruhrgas AG und Deutscher Ammoniak-Verkaufs-Vereinigung sowie des Kuratoriums der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft für Kohlenforschung und als Aufsichtsratsvorsitzender der zugehörigen Gesellschaft für die Verwertung der Patentrechte richtete Pattberg in den 1920er Jahren ein besonderes Augenmerk auf den zukunftsträchtigen Bereich der chemischen Kohleveredlung. Damit legte er den Grundstein für den besonders engen Verbund zwischen Kohle und Chemie bei Rheinpreußen. Dieser ist dann in den 1930er Jahren von Heinrich Kost (1890-1978) vorangetrieben worden, der am 20.6.1925 Pattbergs Tochter Martha geheiratet hatte und seinem Schwiegervater 1932 an der Spitze der Gewerkschaft Rheinpreußen nachgefolgt war.
Pattberg erfreute sich zahlreicher Auszeichnungen und Ehrungen. Unter anderem verlieh ihm die Technische Hochschule Aachen am 29.5.1922 den Grad eines Dr. Ing. eh. und die Technische Hochschule Berlin ernannte ihn im Oktober 1927 zum Ehrenbürger und 1931 zum Ehrensenator. Zu seinem 40-jährigen Dienstjubiläum 1927 wurde die neue Doppelschachtanlage der Gewerkschaft Rheinpreußen nach ihm benannt. Noch heute trägt eine Realschule in Moers seinen Namen.
Heinrich Pattberg ist am Morgen des 11.5.1934 auf seinem Ruhesitz Agnetenhof bei Kapellen (heute Stadt Moers) im Alter von 71 Jahren gestorben.
Literatur
Heinrich Pattberg, in: Jahrbuch für den Ruhrkohlenbezirk 30 (1932), S. VIII-XII.
Heinrich Pattberg. Ein Lebens- und Schaffensbild, in: Die Schüttelrutsche. Werkszeitung für den linksniederrheinischen Bergbau, Sondernummer, 24.10.1927, S. 3-10.
Janus, F., Heinrich Pattberg +, in: Glückauf 70 (1934), S. 564.
Pattberg, Heinrich, in: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Band 2, Berlin 1931, S. 1382.
Schwoerbel, Erich, Heinrich Pattberg, in: Heimatkalender für den Kreis Moers 17 (1960), S. 44-47.
Serlo, Walter: Männer des Bergbaus, Berlin 1937, S. 112-113.
Wiesenkämper, Willi: Heinrich Pattberg, in: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 6, Münster 1954, S. 108-124.
Wenzel, Georg, Deutsche Wirtschaftsführer. Lebensgänge deutscher Wirtschaftspersönlichkeiten, Hamburg/Berlin/Leipzig 1929, Sp. 1670-1671.
Online
Przigoda, Stefan, Heinrich Pattberg, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 20, 2001, S. 102-103. [Online]
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Przigoda, Stefan, Heinrich Pattberg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-pattberg/DE-2086/lido/57c95859e65157.28041993 (abgerufen am 08.09.2024)