Zu den Kapiteln
Johann Gebhard von Mansfeld gehört zu den skandalträchtigeren Kölner Erzbischöfen. Obwohl er persönlich fest im katholischen Glauben verankert war, litt sein Ruf an seinem nicht immer tugendhaften und ungeistlichen Lebenswandel sowie seiner notorischen Finanzknappheit. Beinahe erleichtert schienen daher das Domkapitel und die römische Kurie, als er nach nur vierjährigem Episkopat starb.
Welche Gründe das Domkapitel zur Wahl Johann Gebhards bewogen haben mögen, ist unklar und für den überwiegenden Teil der Forschung auch unverständlich. Er wurde zwischen 1522 und 1525 als Sohn des Grafen Ernst II. von Mansfeld (1479-1531) und seiner zweiten Ehefrau Dorothea von Solms (1493-1578) geboren. Insgesamt hatte er 21 Geschwister, eine auch für den frühneuzeitlichen Adel ungewöhnlich hohe Zahl von Kindern, die alle versorgt sein wollten. Durch zahlreiche Erbteilungen war das Mansfelder Land bereits erheblich geschwächt – alleine sechs von Johann Gebhards Brüdern begründeten neue Seitenlinien. Schon seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr reichsunmittelbar, galt die Familie gemeinhin als verarmt und mittellos. Einige Linien hatten sich schon früh der Reformation angeschlossen, andere, vor allem die in kaiserlichem Militärdienst stehenden, blieben katholisch. Insofern hatte es Johann Gebhard noch gut getroffen, wenn er 1538 ein recht einkömmliches Kanonikat am Kölner Dom erwerben konnte und daneben noch die Propsteien des Kölner Georgstifts sowie des Maastrichter Servatiusstift. 1541 kam er in das Kölner Domkapitel. Er profitierte von den personellen Umwälzungen infolge der Ablösung Erzbischof Hermanns V. von Wied und erlangte im Jahr 1547 die Chorbischofsstelle und ein Jahr später das Subdekanat des Kölner Domkapitels.
Trotz dieser Pfründen blieb seine finanzielle Lage angespannt, zumal er viel Geld beim Glücksspiel verlor und gerne üppige Trinkgelage veranstaltete. Außerdem unterhielt er eine in der Kölner Öffentlichkeit bekannte Liebesbeziehung zur bürgerlichen Tringin Jasbach, die er auch nach seiner Wahl zum Erzbischof am 26.7.1558 nicht beendete. Ob die Mehrheitsverhältnisse im Domkapitel zu seinen Gunsten tatsächlich sehr knapp waren, wie der für manche Übertreibung bekannte kaiserliche Abgesandte Johann Ulrich Zasius (1521-1570) behauptete, oder doch deutlicher ausfielen, wie Johann Gebhard selbst an Kaiser Ferdinand I. (Regierungszeit 1531-1564) schrieb, ist unklar. Allerdings brach der ehemalige Domherr, langjährige erzbischöfliche Berater und designierte Kardinal Johannes Gropper bald nach der Wahl nach Rom auf. Offiziell um seinen Kardinalshut in Empfang zu nehmen, wogegen er sich lange gesträubt hatte, nutzte Gropper in Wahrheit die Gelegenheit, um, erbost über die unwürdige Entscheidung des Domkapitels, Johann Gebhards apostolische Bestätigung zu vereiteln. Diese erfolgte tatsächlich erst am 31.1.1560, nachdem sowohl Gropper als auch Papst Paul IV. (Pontifikat 1555-1559) verstorben waren und mit Pius IV. (Pontifikat 1559-1565) ein weniger rigoroser Pontifex den Papstthron bestiegen hatte. Erst danach konnte Johann Gebhard endlich auch die weltlichen Regalien seiner Kurwürde erhalten, auf die er mehr als zwei Jahre hatte warten müssen.
Die sich daraus ergebenden Einkünfte brauchte er dringend. Obwohl er nach seiner Wahl dem in der Frage seiner finanziellen Spielräume doch skeptischen Domkapitel in einer besonderen Vereinbarung zusichern musste, die Schulden seiner Vorgänger zu begleichen, hatte er nur noch mehr Kredite und diese bei teilweise wenig gut beleumundeten Gläubigern aufgenommen. Mit den Landständen verhandelte er deshalb ausnahmslos über Steuern und Abgaben. An eine nur mittelfristig geordnete Finanzplanung war nicht zu denken, die erzbischöfliche Verwaltung beschränkte sich auf das Stopfen akuter Haushaltslöcher von Fall zu Fall. Bezeichnend dafür, wie sehr diese pekuniären Engpässe seinem Ansehen schadeten, ist die Ablehnung des Domkapitels eines Sofortkredites in Höhe von 8.000 Gulden. Diese Summe hatten Johann Gebhards Räte beim Frankfurter Kurfürstentag 1562 schlichtweg aus der Reichskasse entwendet, um damit eine kurzfristig fällig werdende Zahlung vornehmen zu können. Dem Argument, die Reputation des eigenen Erzbischofs und Landesherrn mit einem Darlehen retten zu können, entgegnete das Domkapitel, dass dieselbe doch wohl zu sehr beschädigt sei, um sie mit 8.000 Gulden wiederherstellen zu können.
Hinter dieser pauschalen Verurteilung verblasst allerdings eine durchaus vorhandene Zielstrebigkeit und Standhaftigkeit in Johann Gebhards Handeln und Überzeugungen. Immerhin konnte er zwar das Schuldenproblem seines Erzstiftes nicht in den Griff bekommen, weil ihm die Mittel fehlten, die hohen Lasten rührten jedoch vor allem aus den Zeiten seiner Vorgänger. Und so versuchte er wenigstens im Ordnungspolitischen etwas zu bewegen, ohne sich von einer eindeutig katholischen Position zu entfernen. Dafür sprechen sowohl sein starkes Engagement für die weitere Zugehörigkeit des Bistums Utrecht zur Kölner Kirchenprovinz, das allerdings im Zuge der Neuordnung der Bistumsorganisation in den Spanischen Niederlanden dennoch 1559 dort herausgelöst und zum Erzbistum erhoben wurde, als auch sein differenziertes Abwägen bei der Wahl Maximilians II. (Regierungszeit 1562-1576) zum römischen König, dessen Katholizität vielen Reichsfürsten fragwürdig erschien. Johann Gebhard entschied sich für eine realpolitische Haltung, wohl wissend, dass eine Ablehnung des habsburgischen Kandidaten einzig den protestantischen Kräften im Reich genutzt hätte.
Bereits vor seiner Wahl zum Erzbischof hatte er sich für ein massives Vorgehen gegen die Protestanten in der Stadt Köln ausgesprochen. Eine seiner ersten Amtshandlungen war der Erlass einer neuen Hofordnung im Jahr 1558, die unter anderem dem gesamten Hofstaat die tägliche Teilnahme an Messen und Predigten vorschrieb. Zusammen mit der aus dem Jahr 1559 stammenden Bergordnung und einer Bestandsaufnahme des Gerichtswesens bildet Johann Gebhards Hofordnung einen tieferen Vorstoß in Richtung moderner Staatlichkeit, als die meisten seiner Nachfolger zu wagen bereit waren.
Früchte trugen diese politischen Impulse allerdings nicht. Gerade das Domkapitel, das ohnehin wenig von ihm hielt, sah sich in der Hofordnung mit einer Beschneidung seiner Mitspracherechte bei wichtigen Personalentscheidungen wie dem Offizialat oder dem Generalvikariat konfrontiert und kämpfte deswegen vehement dagegen. Obwohl er Erzbischof Adolfs III. Vorbild aufgriff und zu einigen Zusammenkünften des Diözesanklerus einlud, stellten seine Geldforderungen auch dort jedes inhaltliche Bemühen in den Schatten. In der Stadt Köln agitierten vor allem Jesuitenpatres gegen die Beziehung zu seiner Konkubine, und mit dem Argument, die Dame drohe durch ihre luxuriösen Kleider und ihr Vorfahren im eigenen Wagen die Gattinnen der Ratsherren zu übertrumpfen, zogen sie auch die Stadtväter auf ihre Seite.
Am Ende war Johann Gebhard nach allen Richtungen isoliert. Einzig der Kaiserhof zeigte noch mäßiges Interesse, als die Königswahl Maximilians II. im Herbst 1562 anstand, während sich der Gesundheitszustand des Kölner Erzbischofs erheblich verschlechterte. Ein kaiserlicher Arzt wurde nach Brühl geschickt, konnte jedoch nicht mehr helfen, woraufhin die in Frankfurt versammelten Kurfürsten ihre Wahl verschoben, bis mit Friedrich IV. von Wied ein neuer Erzbischof gewählt war. Johann Gebhard starb am 2.11.1562. Die Ärzte, die sich um das Leben des Kranken bemüht hatten, konnten ebenso wenig bezahlt werden wie die Unterkunft für seine ans Sterbelager gereiste Mutter. Er wurde ohne jeden Aufwand und ohne ein Grabmal zu erhalten im Kölner Dom zwischen seinen beiden Vorgängern beigesetzt und geriet bald in Vergessenheit.
Literatur (Auswahl)
Bosbach, Franz, Mansfeld, Johann Gebhard Graf von (+ 1562), in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648, Berlin 1996, S. 456-457.
Jankowski, Günter, Mansfeld: Gebiet, Geschlecht, Geschichte. Zur Familiengeschichte der Grafen von Mansfeld, Trier 2005.
Krumhaar, Karl, Die Grafen von Mansfeld und ihre Besitzungen, Eisleben 1872.
Molitor, Hansgeorg, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe 1515-1688 (Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008, S. 177-186.
Wolf, Gustav, Aus Kurköln im 16. Jahrhundert, Berlin 1905.
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Bock, Martin, Johann Gebhard von Mansfeld, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-gebhard-von-mansfeld/DE-2086/lido/57c92e28020d95.15751217 (abgerufen am 05.12.2024)