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Maurus Münch war Benediktinerpater im Kloster St. Matthias in Trier. Aufgrund seiner Hilfe für französische Kriegsgefangene befand er sich während der NS-Zeit mehrere Jahre in Haft, davon 1941-1945 im Konzentrationslager Dachau. Münch wirkte in vielfältiger Weise als Seelsorger und leistete einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung nach dem Zweiten Weltkrieg wie auch zur Ökumene.
Maurus Münch wurde am 19.11.1900 als Sohn des Ehepaares Johann Münch und Walburga Kalt in Andernach geboren. Der Vater war Landwirt und kam aus einer alteingesessenen Familie vom Maifeld, die seit dem 17. Jahrhundert den Mattheiser Hof in Polch bewirtschaftete. Walburga Münch stammte aus dem heutigen Polcher Ortsteil Kaan. Die Familie war katholisch. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen zwei früh verstarben.
Am 25.11.1900 erhielt Maurus Münch in der Taufe den Namen Jakob. Er besuchte das Kurfürst-Salentin-Gymnasium in seiner Heimatstadt und legte dort am 27.7.1919 das Abitur ab, nachdem er den Schulbesuch von April bis November 1918 aufgrund seines Einsatzes im Ersten Weltkrieg hatte unterbrechen müssen. Schon während seiner Zeit als Oberschüler knüpfte er Kontakt zur nahe gelegenen Benediktinerabtei Maria Laach und deren Abt Ildefons Herwegen. Möglicherweise reifte schon in dieser Zeit sein Entschluss, in den Benediktinerorden einzutreten.
Nach dem Abitur ging Münch zum Studium der Katholischen Theologie an das Bischöfliche Priesterseminar nach Trier. Hier machte er die Bekanntschaft mit Laurentius Zeller (1873-1945). Dieser war führend an der Wiederbesiedlung der 1802 säkularisierten Abtei St. Eucharius/St. Matthias durch Mönche aus Seckau in der Steiermark und Maria Laach im Jahre 1922 beteiligt. Münch trat in die neubegründete Abtei St. Matthias ein und erhielt den Ordensnamen Maurus. Sein Noviziat verbrachte er in Maria Laach und kehrte im Anschluss daran nach Trier zurück, um sein Studium wiederaufzunehmen.
Am 25.1.1924 legte Maurus Münch die Profess in St. Matthias ab. 1924-1926 setzte er seine theologischen Studien in Rom fort und wurde am 8.8.1926 in Trier zum Priester geweiht. Bis 1932 wirkte Münch als Kaplan in der dortigen Pfarrei St. Matthias, wo er sich insbesondere in der Jugendseelsorge engagierte. Von 1931 bis 1933 war er zudem Bezirkspräses des Katholischen Jungmännerverbandes und organisierte in dieser Eigenschaft die 1932 in Trier stattfindende Reichstagung unter dem Motto „Feuer von Trier“.
Nach 1933 wirkte Maurus Münch als Pilgerpater in St. Matthias, das heißt, er war für die Betreuung der St.-Matthiasbruderschaften und ihrer traditionsreichen Fußwallfahrten zum Grab des Apostels St. Matthias zuständig, das sich der Legende nach in der Abtei St. Eucharius/St. Matthias befindet. Die Matthiasbruderschaften in der heute bekannten Form entstanden ab dem 17. Jahrhundert. Sie sind in der Region Trier, vor allem aber in der Kölner Bucht und auf dem westlichen Rheinufer am Niederrhein verbreitet und führen jährliche, mehrtägige Fußwallfahrten nach St. Matthias durch.
In seiner Eigenschaft als Pilgerpater war Maurus Münch für die pastorale Betreuung der Pilger anlässlich der Wallfahrt in der Abtei verantwortlich, aber auch für ihre Betreuung in den Heimatpfarreien. Im Laufe der 1930er Jahre intensivierte Münch den Kontakt mit den Bruderschaften und ihre geistliche Betreuung aufgrund der immer restriktiver werdenden Maßnahmen der Nationalsozialisten gegenüber den Wallfahrten. So organisierte er Einkehrtage, sorgte für die Schulung der Brudermeister, denen unter anderem die Organisierung und Durchführung der Fußwallfahrt oblag, hielt Vorträge bei den Bruderschaften, verfasste Rundschreiben und redigierte den seit 1927 herausgegebenen „Matthiasboten“. Abgesehen davon betreute er den Trierer Jungmännerverband und den Bund Neudeutschland auch nach deren Verbot seelsorgerisch, publizierte „kleinere Schriften und war im Übrigen als Prediger geschätzt.“[1]
Anlässlich eines Einkehrtages für Brudermeister, die im Winter 1937/1938 auf der Drachenburg bei Königswinter stattfand, wurde Münch zum ersten Mal von der Gestapo verhaftet, die Veranstaltung aufgelöst. Als Konsequenz aus der Verhaftung und der Überwachung durch die Gestapo ersetzte Münch im Folgenden seine Korrespondenz mit den Bruderschaften durch persönliche Besuche in deren Heimatpfarreien.
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Rahmenbedingungen für die Fußwallfahrten nach Trier immer problematischer. Am 15.5.1940 schrieb Münch deshalb an die Bruderschaft in Waldorf bei Bonn: Wie würde ich mich freuen, wenn die Waldorfer kämen. Aber ich habe doch meine Bedenken. An sich wäre wohl das eine oder andere Quartier zu haben. Aber die Verpflegungsschwierigkeiten? Die Überfüllung der Bahnen, Verspätungen? Die tägliche Mahnung, das Reisen zu unterlassen. Ob man uns nicht von irgendeiner Seite Vorwürfe und Schwierigkeiten machen würde? Ich glaube, es ist wohl besser, in diesem Jahr auf eine eigentliche Wallfahrt zu verzichten. Anstelle der traditionellen Fußwallfahrt schlug er vor, nur einen oder zwei Pilger zu schicken und eine feierliche Messe in der Pfarrei zu halten. Am 18.11.1940 wurde Münch wegen des Vorwurfs der Beförderung von Post französischer Kriegsgefangener an der militärischen Zensur vorbei verhaftet. Diese waren im Kriegsgefangenenlager Stalag XII D auf dem Trierer Petrisberg interniert. Der Kontakt ergab sich durch Gefangene, die auf dem Mattheiser Klostergut arbeiteten. Unter ihnen befand sich ein baskischer Abbé namens Etchegoyen. Über Maurus Münch verbreitete sich die Information im Petrisberger „Priesterblock“, er sei nicht nur Gegner der Nazis und glaube nicht an den Endsieg, sondern tue darüber hinaus sein Möglichstes, um den Kriegsgefangenen das Leben zu erleichtern: Le moine qui les commande est très anti-nazi. Il fait tout ce qu’il peut pour adoucir leur sort et remonter le moral. Il ne croit pas à la victoire d’Hitler![2]
Aus diesem Grund erwies sich Münch auch behilflich, als die ungewöhnliche Bitte an ihn herangetragen wurde, ein Exemplar von Martin Heideggers (1889-1976) „Sein und Zeit“ (1927) zu beschaffen. Etchegoyen a fait la commission au bénédictin qui, bien qu’étonné par le titre le l’auteur, a fait le nécessaire.[3] So gelangte das Buch in die Hände des zeitgleich – August 1940 bis März 1941 – im Lager Petrisberg inhaftierten Philosophen und Schriftstellers Jean-Paul Sartre (1905-1980), der das Werk Heideggers zusammen mit Geistlichen aus dem „Priesterblock“ studieren wollte.
In Trier befand sich Maurus Münch als Konsequenz aus seinem Wirken für die Kriegsgefangenen ein Jahr lang in Haft. Seine Freilassung erfolgte zwar im Herbst 1941, doch war die Abtei St. Matthias am 6.5.1941 wegen angeblicher Staatsfeindlichkeit aufgelöst worden. Die Abteigebäude wurden beschlagnahmt und Münchs Mitbrüder, bis auf einen verbleibenden Mönch, ausgewiesen. Am 11.10.1941 wurde Münch als „Schutzhäftling“ ins Konzentrationslager Dachau überführt. Die Gestapo beschuldigte ihn, Informationen über die Situation der Kriegsgefangenen im Lager Petrisberg an den Vatikan weitergegeben zu haben. Der von Heydrich unterzeichnete Schutzhaftbefehl lautete: ‚Er gefährdet nach dem Ergebnis der staatspolizeilichen Feststellungen durch sein Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates, indem er nach Verbüßung einer 9 monatigen Gefängnisstrafe [Münch selbst spricht von einem Jahr] wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen unter Berücksichtigung seines sonstigen Verhaltens und seiner fanatischen Einstellung gegen den Nationalsozialismus zu der Befürchtung Veranlassung gibt, er werde sich in Freiheit weiterhin staatsabträglich verhalten und dadurch erneut Unruhe in die Bevölkerung tragen.‘ (P. Athanasius Polag)
In Dachau blieb Münch bis zu seiner Entlassung am Gründonnerstag, dem 29.3.1945. Anschließend kehrte Maurus Münch nach Trier zurück, wo im Oktober 1945 der Konvent von St. Matthias wiederbegründet wurde. Er half beim Wiederaufbau, kümmerte sich um die Verwaltung der Abtei und die Restaurierung der Gebäude und knüpfte an seine Arbeit als Pilgerpater an. Die Matthiasbruderschaften hatten die NS-Zeit größtenteils unbeschadet überstanden, ihre Wallfahrten setzten bereits 1946 in reduziertem Umfang wieder ein. Allerdings waren sie durch die allgemeine Not der Zeit, infrastrukturelle Probleme und die Passpflicht beim Überschreiten der französisch-britischen Zonengrenze in ihrem traditionellen Brauchtum behindert.
Von 1950 bis 1963 leitete Pater Maurus das Jugendwohnheim in St. Matthias, das Schülern und Lehrlingen aus der Eifel und dem Hunsrück eine Bleibe bot, die außerhalb des Pendelbereichs von Trier zu Hause waren und dorthin zur Ausbildung kamen. Von 1963 bis 1972 wirkte er wiederum als Pilgerpater und betreute die Matthiasbruderschaften und die Mattheiser Wallfahrt.
Wie Laurentius Klein (1928-2002), 1963-1969 Abt von St. Matthias, engagierte sich Pater Maurus in den 1960er Jahren für die Ökumene. So leitete er während des Zweiten Vatikanischen Konzils in Rom ein Ökumenisches Kontaktzentrum, das von den Abteien St. Matthias sowie Niederaltaich in einer Wohnung in der Nähe des Vatikans am Piazzale Gregorio VII eingerichtet worden war. Hier wurden sowohl Geistliche als auch Laien verschiedener Konfessionen und Nationalitäten von den Patres betreut. Münchs Einsatz für die Ökumene wurde nicht zuletzt durch die gemeinsame Leidenszeit, beispielsweise mit evangelischen und orthodoxen Geistlichen, inspiriert, die er im Dachauer „Priesterblock“ kennengelernt hatte. Hierzu äußerte Münch: Nie in der Geschichte des Gottesreiches waren so viele Priester und Ordensleute aller christlichen Teilkirchen in einer Not- und Leidensgemeinschaft verbunden als in den Jahren des großen Zeugnisses in Dachau. Hier erlebten wir uns als orthodoxe, evangelische, anglikanische und katholische Christen als Brüder im Gottesreich.[4]
So genannte „Dachautreffen“ fanden nach dem Krieg in Frankreich, Belgien, Österreich, Luxemburg, Holland, Italien und Frankreich statt. Die ehemaligen „Dachau-Priester“ verstanden diese Zusammenkünfte nicht zuletzt als ein Zeichen der gelebten Völkerverständigung. Anlässlich eines Besuches bei dem ehemaligen KZ-Häftling, dem Metropoliten Damaskinos Chatziopolos von Volos, predigte Münch vor 50.000 orthodoxen Gläubigen über die Einheit aller Christen. Am 15.5.1966 erhielt Maurus Münch das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und am 3.5.1967 den „Ordre National du Mérite“, den nationalen französischen Verdienstorden, der nur in Ausnahmefällen an ausländische Staatsbürger verliehen wird.
Im Jahre 1970 erschien in Trier Münchs Dokumentation „Unter 2579 Priestern in Dachau“ mit den Kurzviten der in Dachau inhaftierten Welt- und Ordenspriester aus der Diözese Trier. In fortgeschrittenem Alter reiste Maurus Münch nach 1971 noch mehrere Male zur Dormitio-Abtei auf dem Berg Zion in Jerusalem, wo Laurentius Klein von 1969-1979 als Abt-Administrator wirkte. Im Februar 1974 erlitt Pater Maurus einen Herzinfarkt, an dessen Folgen er am 16.5.1974 starb. Er wurde auf dem Mönchsfriedhof der Abtei St. Matthias in Trier beigesetzt.
Werke
Mysterium Christi. Ein Aufbau aus der Liturgie, Mainz 1926.
Das große Sakrament: Gebete und Zeremonien der kirchlichen Trauung und der Brautmesse, Trier 1933.
Braut und Mutter im Lichtglanze der Kirche: Ein liturgisches Andachtsbuch. Mit einer Belehrung über den Braut- und Ehestand, Kevelaer 1934.
[Übersetzer], Die ersten Christusboten der deutschen Lande: Das Leben der heiligen Bischöfe Eucharius, Valerius und Maternus von Trier nach der Legende des Mönches Eberhard von St. Matthias (850-909), Trier 1935.
[zusammen mit] Hau, Johannes, Die Erzbruderschaft des Hl. Matthias in Geschichte und Gegenwart. Ein Beitrag zur Wegbereitung der Katholischen Aktion, Trier 1936.
Die Basilika des hl. Apostels Matthias zu Trier, Trier 1940.
St. Matthias 1148-1948: Juwel der trierischen Kirche, Trier 1948.
Unter 2579 Priestern in Dachau, 2., erweiterte Auflage, Trier 1972.
Prêtres allemands à Dachau, Amiens 1977.
Literatur
Becker, Petrus, Die Benediktinerabtei St. Eucharius–St. Matthias vor Trier, Berlin/New York 1996.
Bernard, Birgit, Die Wallfahrten der St.-Matthias-Bruderschaften zur Abtei St. Matthias in Trier. Vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Heidelberg 1995.
Perrin, Marius, Avec Sartre au Stalag 12 D, Paris 1980.
Persch, Martin, „Meine Zeit hier ist reich…“. Die Trierer Märtyrerpriester im Konzentrationslager Dachau 1940–1945, in: Kurtrierisches Jahrbuch 37 (1997), S. 157–182.
Polag, Athanasius OSB, Ansprache anläßlich der Beisetzung von Pater Maurus, in: Mattheiser Brief, September 1974.
Wachendorf, Hubert OSB, Die Abtei St. Matthias und das 2. Vatikanische Konzil, in: Mattheiser Brief, Juli 2012.
Zenz, Emil, Der Philosoph Sartre als Kriegsgefangener im Lager Trier-Petrisberg, in: Kurtrierisches Jahrbuch 28 (1988), S. 195-206.
Online
Maurus Münch, Mahnmal. Zur Erinnerung an Personen der Region Trier, die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft wurden. [Online]
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Bernard, Birgit, P. Maurus Münch OSB, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/p.-maurus-muench-osb/DE-2086/lido/5e84982e5a8a98.18834365 (abgerufen am 15.10.2024)