Paul Richard Thomann

Stadtbaumeister (1827-1873)

Franz Josef Talbot (Bonn)

Paul Richard Thomann, Porträtfoto. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

Paul Tho­mann war der ers­te haupt­amt­li­che Stadt­bau­meis­ter und gleich­zei­tig der ers­te fest an­ge­stell­te kom­mu­na­le Be­am­te der Stadt Bonn im 19. Jahr­hun­dert. Sei­ne Pla­nun­gen zur süd­li­chen Stadt­er­wei­te­rung ver­lei­hen dem Bon­ner Sü­den, ei­nem der am bes­ten er­hal­te­nen grün­der­zeit­li­chen Stadt­vier­tel in Deutsch­land, bis heu­te sein cha­rak­te­ris­ti­sches Ge­prä­ge.

Paul Ri­chard Tho­mann wur­de am 31.1.1827 auf ei­nem Gut in der Nä­he von Sprottau (Nie­der­schle­si­en) ge­bo­ren. Nach dem Be­such des Gym­na­si­ums in Gör­litz und der städ­ti­schen Ge­wer­be­schu­le in Ber­lin ab­sol­vier­te er zu­nächst ei­ne Aus­bil­dung als Feld­mes­ser bei der Ber­lin-Ham­bur­ger-Ei­sen­bahn. 1846 wur­de er vor der kö­nig­li­chen Mi­nis­te­ri­al-Bau-Kom­mis­si­on in Ber­lin ver­ei­digt und be­such­te, nach kur­zer Tä­tig­keit als Ver­mes­ser in Schle­si­en, drei Jah­re lang die kö­nig­li­che Bau­schu­le in Ber­lin. Hier leg­te er 1854 die Bau­meis­ter­prü­fung ab. Im glei­chen Jahr be­warb er sich in Bonn um die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ei­nes Stadt­bau­meis­ters.

Der Ge­mein­de­rat und der Ma­gis­trat der Stadt be­schlos­sen im April 1854 Paul Tho­mann als Kom­mu­nal- und Stadt­bau­meis­ter ein­zu­stel­len. Im Rah­men sei­ner neu­en Tä­tig­keit be­ar­bei­te­te er zwei ver­schie­de­ne Auf­ga­ben­be­rei­che: Als Stadt­bau­meis­ter war er für die Pla­nung und Rea­li­sie­rung kom­mu­na­ler und kirch­li­cher Bau­auf­ga­ben in der Stadt Bonn so­wie für die Prü­fung der ein­ge­hen­den Bau­an­trä­ge zu­stän­dig. Als „Com­mu­nal­bau­meis­ter" des Land­krei­ses Bonn war er für die kom­mu­na­len und kirch­li­chen Bau­pro­jek­te in den acht kreis­an­ge­hö­ri­gen Ge­mein­den ver­ant­wort­lich. Ne­ben die­sen zahl­rei­chen Auf­ga­ben fand er noch Zeit, als Ar­chi­tekt für ver­schie­de­ne pri­va­te und öf­fent­li­che Bau­her­ren tä­tig zu wer­den.

Tho­mann kam in ei­ner Um­bruch­si­tua­ti­on nach Bonn. So­wohl die städ­te­bau­li­che Ent­wick­lung als auch die Über­nah­me neu­er ad­mi­nis­tra­ti­ver Auf­ga­ben hat­te den Stadt­rat da­zu ver­an­lasst, ei­nen ge­eig­ne­ten Mann zu su­chen, der die „un­ver­hält­nis­mä­ßig ver­mehr­ten Ar­bei­ten nicht mehr wie in frü­he­ren Jah­ren, ne­ben de­nen ei­ner mit Dienst­ge­schäf­ten reich­lich be­schäf­tig­ten Dienst­stel­le" be­wäl­ti­gen konn­te.

Zu die­sen „ver­mehr­ten" Ar­bei­ten ge­hör­te zu­nächst die Be­ar­bei­tung der Bau­ge­su­che, die seit 1846 von der Stadt be­ar­bei­tet wer­den muss­ten. Die­se Bau­ge­su­che wur­den bis zum Jahr 1854 von den Uni­ver­si­täts­bau­meis­tern be­zie­hungs­wei­se zu­letzt von dem We­ge­bau­meis­ter Wer­ner ne­ben­amt­lich für ein ge­rin­ges Ent­gelt be­ar­bei­tet. Das ste­tig stei­gen­de Ar­beits­pen­sum ver­an­lass­te Wer­ner schlie­ß­lich sei­ne Ne­ben­tä­tig­keit zum 1.1.1855 zu kün­di­gen.

Die ers­te gro­ße Auf­ga­be in sei­nem neu­en Amt be­stand für Tho­mann in der Er­stel­lung des Be­bau­ungs­pla­nes für ei­ne süd­li­che Stadt­er­wei­te­rung. Die Stadt Bonn hat­te in ih­rem mit­tel­al­ter­li­chen Mau­er­ring zwar bis in die zwei­te Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts ge­nü­gend Raum, um der wach­sen­den Ein­woh­ner­zahl Bau­land zur Ver­fü­gung zu stel­len, die Bau­tä­tig­keit ver­la­ger­te sich je­doch zu­neh­mend auf die land­schaft­lich reiz­vol­le­ren Grund­stü­cke ent­lang des Rhein­ufers und in das süd­li­che Vor­feld der Stadt. Durch die zu­neh­men­de Sied­lungs­tä­tig­keit in die­sen Be­rei­chen sah sich schlie­ß­lich auch die Stadt Bonn ge­zwun­gen, ei­nen Be­bau­ungs­plan auf­zu­stel­len, um den Ex­pan­si­ons­be­stre­bun­gen ei­nen ge­ord­ne­ten städ­te­bau­li­chen Rah­men zu ge­ben. Der 1856 in ei­ner ers­ten Fas­sung vor­ge­leg­te „Ent­wurf zu ei­nem süd­lich von Bonn neu an­zu­le­gen­den Stadtt­hei­le" ging als so ge­nann­ter „Tho­mann-Plan" in die Li­te­ra­tur ein. Tho­mann ließ sich bei die­ser und ei­ner zwei­ten Fas­sung des Plans von städ­te­bau­li­chen Leit­bil­dern der Zeit um 1840 lei­ten. Ziel der Pla­nung war ein weit­ge­hend or­tho­go­na­les Stra­ßen­ras­ter un­ter Ein­be­zie­hung der vor­han­de­nen Haupt­we­ge­ver­bin­dun­gen. Platz­an­la­gen, die den Städ­te­bau in spä­te­ren Jahr­zehn­ten ma­ß­ge­bend präg­ten und be­leb­ten, fan­den zwar auch Ein­gang in den Plan, ent­fal­te­ten je­doch nicht die zen­tra­le städ­te­bau­li­che Strahl­kraft wie zum Bei­spiel bei spä­te­ren Pla­nun­gen in Köln o­der Aa­chen.

Der Plan wur­de am 5.5.1859 von der kö­nig­li­chen Re­gie­rung in Ber­lin ge­neh­migt, spä­ter von der Stadt je­doch nicht öf­fent­lich aus­ge­legt. Hier­durch er­lang­te er zwar kei­ne of­fi­zi­el­le Gül­tig­keit, galt je­doch bis in die 1860er Jah­ren hin­ein als städ­te­bau­li­che Leit­li­nie. Ju­ris­ti­sche und fi­nan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten bei der Um­set­zung so­wie das lang­sa­me Ab­rü­cken von den skiz­zier­ten städ­te­bau­li­chen Vor­stel­lun­gen ver­an­lass­ten die Stadt schlie­ß­lich im Jahr 1873, we­ni­ge Mo­na­te nach dem Aus­schei­den Tho­manns aus dem ak­ti­ven Dienst, da­zu die Pla­nungs­zie­le auch of­fi­zi­ell auf­zu­ge­ben.

In sei­ner Tä­tig­keit als Stadt­bau­meis­ter fer­tig­te Tho­mann zahl­rei­che Ent­wür­fe für klei­ne­re Bau­maß­nah­men. So be­schäf­tig­te er sich mit dem Bau von Lei­chen­häu­sern (1860), mit dem Um­bau am Ja­ko­bus­hos­pi­tal (ab 1867) und ei­nem klei­ne­ren An­bau an das Ägi­di­us­hos­pi­tal am Müns­ter­platz (1860). Zu­dem war er an der Vor­be­rei­tung der Müns­ter­re­stau­rie­rung und an dem Bau des Land­ge­rich­tes be­tei­ligt. Mit der Pla­nung von Tor­wärter­häus­chen am Aus­gang der Vogts­gas­se und am nörd­li­chen En­de der Rhein­werft, be­schäf­tig­te er sich ab 1862. 1869 leg­te er dann auch Pla­nun­gen für ein neu­es Tor­wärter­haus am Neu­tor vor. Im Ge­gen­satz zu den bei­den an­de­ren Tor­häus­chen plan­te er hier ein sehr re­prä­sen­ta­ti­ves Ge­bäu­de, das den jüngs­ten Stadt­zu­gang be­ton­ten soll­te. Zur Aus­füh­rung ge­lang­te die Pla­nung für ein neu­es Pfarr­haus der Stifts­pfar­re. Die­ses, nach 1858 er­bau­te Ge­bäu­de prägt mit sei­ner de­tail­rei­chen neo­go­ti­schen Ar­chi­tek­tur heu­te noch den Kreu­zungs­be­reich von Stifts- und Ka­ser­nen­stra­ße.

Den weit grö­ße­ren Raum sei­ner Bau- und Ent­wurfs­tä­tig­keit nahm sei­ne Auf­ga­be als Kom­mu­nal­bau­meis­ter für die Ge­mein­den des Krei­ses Bonn ein. Ins­be­son­de­re in dem Ent­wurf neu­er Schul­ge­bäu­de kann man ei­ne Haupt­auf­ga­be sei­ner Tä­tig­keit se­hen. Für die Zeit zwi­schen 1856 und 1872 sind 18 Ent­wür­fe für Schul­ge­bäu­de, teils mit, teils oh­ne Leh­rer­woh­nun­gen, be­kannt. Bei den Ge­bäu­den han­del­te es sich in der Re­gel um „Zwerg­schu­len" mit ei­nem oder zwei Klas­sen­räu­men. Ar­chi­tek­to­nisch und funk­tio­nal ori­en­tier­te Tho­mann sich bei sei­nen Ent­wür­fen an Mus­ter­vor­la­gen, die als so ge­nann­te „Bau­aus­füh­run­gen" von der Ber­li­ner Bau­aka­de­mie für „nie­de­re", das hei­ßt ein­fa­che Bau­auf­ga­ben ver­öf­fent­licht wur­den. Weit­ge­hend über­nom­men wur­den von ihm auch die dort ver­öf­fent­lich­ten Ent­wür­fe für Pfarr­häu­ser, die er un­ter an­de­rem auch für die evan­ge­li­sche Ge­mein­de Bonn und Go­des­berg vor­leg­te.

Ei­gen­stän­di­ge Ent­wür­fe leg­te er für neue ka­tho­li­sche Pfarr­kir­chen in den da­mals noch selbst­stän­di­gen Ge­mein­den Plit­ters­dorf (1871), Meh­lem (1861-1862) und Du­is­dorf (1860-1862) vor. Für die Ge­mein­de in Wacht­berg-Pech kon­zi­pier­te er ei­ne Ka­pel­le. Ein Ent­wurf für ei­nen Neu­bau der Pfarr­kir­che in Born­heim-Mer­ten aus dem Jah­re 1865 kam nicht zur Aus­füh­rung.

Die ne­ben dem Kir­chen­bau an­spruchs­volls­ten Auf­ga­ben fand Tho­mann im Rah­men sei­ner pri­va­ten Ar­chi­tek­ten­tä­tig­keit. An­fang der 1860er Jah­re be­gann er mit der Pla­nung und Aus­füh­rung ver­schie­de­ner Wohn­häu­ser im Be­reich der heu­ti­gen Tho­mas-Mann-Stra­ße und an der Pop­pels­dor­fer Al­lee. Hier er­bau­te er ein re­prä­sen­ta­ti­ves Dop­pel­wohn­haus (Nr. 26/28), für sich und den da­ma­li­gen Bür­ger­meis­ter Leo­pold Kauf­mann (1821-1898, Amts­zeit 1850-1875). Mit­te der 1860er Jah­re fol­gen Vil­len­bau­ten an der We­ber­stra­ße und am Rhein­ufer, von de­nen die Vil­la Prie­ger (1865) wohl die be­kann­tes­te ist. Die Vil­len oder wie er sie be­zeich­net, die „Land­häu­ser", ent­warf er als stren­ge, block­haf­te Bau­kör­per mit klas­si­zis­ti­scher Bau­zier. Die in­ner­städ­ti­schen Wohn­häu­ser zei­gen bei ei­ner klas­si­zis­ti­schen Grund­hal­tung durch Vor­sprün­ge und Er­ker so­wie der Ver­wen­dung von go­ti­schen Bau­for­men auf­ge­lo­cker­te Fas­sa­den.

Paul Ri­chard Tho­mann schied am 14.11.1872 aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den aus dem Amt aus. Er starb im Jah­re 1873 und wur­de auf dem Al­ten Fried­hof in Bonn bei­ge­setzt.

Literatur

Gru­ber-Corr, Bri­git­ta, Stadt­er­wei­te­rung im Rhein­land. Kom­mu­ne, Bür­ger und Staat als Ak­teu­re im Ent­ste­hungs­pro­zess der Bon­ner Süd­stadt 1855-1890, Bonn 2001.
Nie­sen, Jo­sef, Ar­ti­kel „Tho­mann, Paul Ri­chard", in: Bon­ner Per­so­nen­le­xi­kon, Bonn 2007, S. 309.
Petsch-Bahr, Wil­trud, Der Stadt­er­wei­te­rungs­plan für Bonn von 1855/56, in: Stadt­er­wei­te­run­gen 1800–1875, Ham­burg 1983, S. 253–283.
Von der Dol­len, Bus­so, Der Tho­mann-Plan, in: Bon­ner Ge­schichts­blät­ter 34 (1982), S. 141-172.

 
Zitationshinweis

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Talbot, Franz Josef, Paul Richard Thomann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-richard-thomann/DE-2086/lido/57c93e3a1ecf31.91851413 (abgerufen am 07.12.2024)