Clemens August von Merle

Kölner Weihbischof (1732-1810)

Barbara Hillen (Bonn)

Der Kölner Weihbischof Clemens August von Merle, undatiert. (Geschichte des Erzbistums Köln, Band 4)

Cle­mens Au­gust von Mer­le war ein bei Zeit­ge­nos­sen um­strit­te­ner Weih­bi­schof in der Zeit des An­ci­en Re­gimes. 1797 mit 65 Jah­ren zum Bi­schof ge­weiht, blick­te er auf ei­ne so­li­de Kar­rie­re am Kur­k­öl­ni­schen Hof: Zu­nächst war er Ka­no­ni­ker in Köln und Trier, dann Mit­glied des Köl­ner Dom­ka­pi­tels, Prä­si­dent des Welt­li­chen Hof­ge­richts in Köln und seit 1776 erz­bi­schöf­li­cher Se­mi­nar­kom­mis­sar.

Die Fa­mi­lie Mer­le (Merll), in die Cle­mens Au­gust Ma­ria von Mer­le am 4.7.1732 in Bonn hin­ein­ge­bo­ren wur­de, war seit Be­ginn des 15. Jahr­hun­derts im Rhein­land an­säs­sig. Ih­re Mit­glie­der hat­ten in der Ver­gan­gen­heit öf­ters das Amt ei­nes Hof­ra­tes an den kur­fürst­li­chen Hö­fen von Köln un­d Trier be­klei­det. In Diens­ten des Köl­ner Kur­fürs­ten stand auch der Va­ter, der kur­k­öl­ni­sche Ge­hei­men Rat Ga­bri­el Ignaz Jo­seph von Mer­le (ge­stor­ben 1759), für den wie für die Mut­ter, Ma­ria An­na Sa­lo­me von Lap­pe (ge­stor­ben 1769), es si­cher­lich ei­ne gro­ße Eh­re war, dass Kur­fürst Cle­mens Au­gust von Bay­ern Pa­te des Soh­nes wur­de.

Über Mer­les Ju­gend ist we­nig be­kannt. En­de Fe­bru­ar 1752 er­warb er an der Uni­ver­si­tät Lö­wen den Grad ei­nes bac­ca­lau­reus ut­ri­us­que iuris. Au­ßer zu dem Köl­ner Jo­han­nes An­to­ni­us Hen­ken­roth, der beim sel­ben Leh­rer stu­dier­te, hat­te Mer­le mit Si­cher­heit auch zu dem Bon­ner Theo­lo­gen Cle­mens Au­gus­tin Bel­lan­ger Kon­takt, der ein Jahr vor ihm, bis zum Fe­bru­ar 1751, bei Jo­seph Le­li­v­elt stu­diert hat­te. Wann und wo Mer­le pro­mo­viert wur­de, ist nicht be­kannt.

Mit 21 Jah­ren, am 6.1.1754, er­hielt Mer­le die Mi­no­res und die Sub­dia­ko­nats­wei­he. Als da­für not­wen­di­ger Wei­he­ti­tel dien­te ihm ein Ka­no­ni­kat am Bon­ner Cas­si­us­stift, auf das Jo­han­nes Ar­nold Jo­seph von Schön­heim (1715-1789), 1753 Of­fi­zi­al so­wie Prä­si­dent des geist­li­chen Hof­ge­richts, zu Mer­les Guns­ten ver­zich­tet hat­te. Nur zwei Mo­na­te spä­ter, am 3. März, wur­de er zum Dia­kon und wahr­schein­lich am 1.9.1755 zum Pries­ter ge­weiht. Schön­heims Ver­zicht auf das Amt liegt wohl ein­mal dar­in be­grün­det, dass er selbst kurz zu­vor zum Köl­ner Of­fi­zi­al er­nannt wor­den war, fer­ner dar­in, dass sei­ne bei­den ein­zi­gen Brü­der 1740 oh­ne zu ver­sor­gen­de Nach­kom­men ver­stor­ben wa­ren. So konn­te Cle­mens Au­gust in der fa­mi­liä­ren Rang­fol­ge nach­rü­cken, da er Schön­heims Vet­ter ers­ten Gra­des war; ih­re Müt­ter wa­ren Schwes­tern.

 

Nach­dem Mer­le auch am Trie­rer Si­me­on­stift ein Ka­no­ni­kat er­langt hat­te, wur­de er nach dem Tod des bis­he­ri­gen Pfrün­den­in­ha­bers Her­mann Wer­ner von Boss­art (1695-1762) in das Köl­ner Dom­ka­pi­tel ge­wählt. Dort war er ab dem 16.4.1762 Pries­ter­ka­no­ni­ker. Das Ka­no­ni­kat in Trier tausch­te er 1764 mit Jo­han­nes Na­mur  ge­gen das Per­so­nat St. Ni­co­lai in Hem­mers­bach (heu­te Stadt Ker­pen). Nach sei­ner Er­nen­nung zum Prä­si­den­ten des Welt­li­chen Hof­ge­rich­tes in Köln wur­de Mer­le 1776 zu­dem erz­bi­schöf­li­cher Se­mi­nar­kom­mis­sar.

Der Köl­ner Erz­bi­schof Ma­xi­mi­li­an Franz bot Mer­le 1796 das Amt des ver­stor­be­nen Weih­bi­schof­s Karl Aloys von Kö­nigs­egg-Au­len­dorf an. An­ge­sichts sei­nes Al­ters und sei­ner an­ge­grif­fe­nen Ge­sund­heit war Mer­le erst nach lan­gem Zö­gern be­reit, es an­zu­neh­men. Die Ver­hand­lun­gen zo­gen sich mehr als ein Jahr hin, erst am 24.7.1797 er­nann­te ihn Papst Pi­us VI. (Pon­ti­fi­kat 1775-1799) zum Epi­sco­pus Beth­sai­den­sis, zum Ti­tu­lar­bi­schof von Beth­sai­da.

Der Köl­ner Erz­bi­schof, der nach der Ver­trei­bung aus sei­nem Erz­bis­tum durch die Fran­zo­sen zu die­sem Zeit­punkt im Exil in Mer­gen­t­heim leb­te, er­teil­te Mer­le dort am 8.9.1797 die Bi­schofs­wei­he. Vor sei­ner Kon­se­kra­ti­on zum Weih­bi­schof muss Mer­le den Erz­bi­schof im Hin­blick auf die Aus­übung sei­nes Am­tes um Rat ge­be­ten ha­ben. Die­ser ging in ei­ner sechs­sei­ti­gen Dienst­an­wei­sung au­ßer auf Fra­gen zum ge­nau­en Ordo der Fir­mung auch auf die Er­tei­lung der Pries­ter­wei­hen ein: „Die Zeit zur Aus­spen­dung der min­de­ren Wei­hen und der Ert­hei­lung der Ton­sur über­las­sen Wir ganz eu­rer ei­ge­nen Aus­wahl und Be­stim­mun­g“, hieß es dar­in bei­spiels­wei­se. Grund­la­ge für al­le wei­te­ren Hand­lun­gen soll­ten trotz der neu­en Dienst­an­wei­sung die der Erz­bi­schö­fe Cle­mens Au­gust un­d Ma­xi­mi­li­an Fried­rich sein.

Mer­le war si­cher kein Freund län­ge­rer Firm­rei­sen durch die Erz­diö­ze­se, denn sie wa­ren – ins­be­son­de­re für ei­nen 69-Jäh­ri­gen – mit er­heb­li­chen Mü­hen ver­bun­den. Am 24.7.1801 rich­te­te sich die Pfarr­ge­mein­de Lin­nich mit der Bit­te an ihn, auf sei­nem Weg nach Dü­ren ih­re Pfarr­kir­che zu be­su­chen und das Sa­kra­ment der Fir­mung zu spen­den. Lin­nich sei seit fast 60 Jah­ren von kei­nem Weih­bi­schof mehr be­sucht wor­den und vie­le sei­en be­reits ver­stor­ben „oh­ne mit die­sem hei­li­gen Sa­kra­ment, das die Stär­kung im Glau­ben bei Chris­ten her­vor­bringt, ver­se­hen wor­den zu seyn“. Die Pfarr­ge­mein­de bat den Bi­schof ein­dring­lich zu kom­men, da es bis Dü­ren sechs Weg­stun­den sei­en. Für die Ge­mein­de war es wäh­rend der Ern­te­zei­ten un­mög­lich, ei­nen sol­chen Weg auf sich zu neh­men. An­ders als in der Stadt Köln gab es auf dem Land kei­ne fes­ten Firm­ter­mi­ne, die sich in ei­nem be­stimm­ten Tur­nus wie­der­holt hät­ten, so dass sol­che An­fra­gen üb­lich wa­ren. Es war kei­ne Sel­ten­heit, wenn in man­chen Or­ten nur al­le 30 Jah­re ge­firmt wur­de.

Die weih­bi­schöf­li­chen Auf­ga­ben im Seel­sor­ge­be­reich mach­ten den Haupt­teil des Am­tes aus. Doch trotz des um­fang­rei­chen Pen­sums in Köln und in­ner­halb der Erz­diö­ze­se über­nahm Mer­le zu­sätz­lich als Kom­mis­sar die Lei­tung des Köl­ner Pries­ter­se­mi­nars – be­reits rund 20 Jah­re vor sei­ner Wei­he. In der End­pha­se des Al­ten Reichs nahm zwar die Zahl der zu wei­hen­den Pries­ter und Äb­te ab, doch hat­te Mer­le, der auf dem lin­ken Rhein­ufer aus­harr­te, die ver­ant­wor­tungs­vol­le Auf­ga­be, den Be­trieb des Pries­ter­se­mi­nars zu si­chern und zwi­schen dem Erz­bi­schof-Kur­fürs­ten und der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­macht zu ver­mit­teln.

Die Mei­nun­gen über Weih­bi­schof Cle­mens Au­gust von Mer­le fal­len im All­ge­mei­nen nicht be­son­ders wohl­wol­lend aus. Zeit­ge­nos­sen wie Kir­chen­his­to­ri­ker schreck­ten nicht da­vor zu­rück, die „Stu­pi­di­tät des Kir­chen­prä­la­ten“ her­aus­zu­stel­len oder Mer­le als „Geg­ner der Auf­klä­run­g“ zu be­zeich­nen. Edu­ard He­gel be­schreibt ihn als ei­nen „aus dem An­ci­en Ré­gime her­vor­ge­gan­ge­nen Geg­ner der Auf­klä­rung, der für Küns­te und Wis­sen­schaf­ten auf­ge­schlos­sen war“. Zur Be­kräf­ti­gung die­ser The­se feh­len nä­he­re An­ga­ben, um wel­che Wis­sen­schaf­ten es sich im Ein­zel­nen han­del­te. 

Clemens August von Merle, um 1765. (Gemeinfrei)

 

Ei­nen auf­schluss­rei­chen Hin­weis auf Mer­les Of­fen­heit ge­gen­über neu­en Ent­wick­lun­gen in Kunst und Ar­chi­tek­tur lie­fert ein Por­trät von 1794, das ihn als Dom­herrn mit ei­nem aus­ge­roll­ten Gar­ten­plan zeigt. Der Plan zeigt den An­bau ei­nes Eng­li­schen Gar­tens an die im Fa­mi­li­en­be­sitz be­find­li­che Burg Met­ter­nich (heu­te Ge­mein­de Wei­ler­s­wist). Ost re­sü­miert die Ein­stel­lung Mer­les mit fol­gen­den Wor­ten: „Hier­mit zeigt un­ser Ge­lehr­ter, Samm­ler und Kunst­freund, wel­chen Wert er auf Teil­nah­me an den Be­stre­bun­gen der da­mals mo­der­nen Kunst und Kul­tur leg­te. Be­cken­kamps Por­trät […] zeigt uns ei­nen be­deu­ten­den Mann der ge­lehr­ten Welt und der Kunst­sze­ne Kölns in der Zeit der Auf­klä­rung.“

Die An­sicht, Mer­le ha­be der Auf­klä­rung ab­leh­nend ge­gen­über ge­stan­den, stützt sich vor al­lem auf Kas­par An­ton von Mas­ti­aux, der Mer­le vor­warf, der neu­ge­grün­de­ten Kur­fürst­li­chen Uni­ver­si­tät in Bonn zu kon­ser­va­tiv zu be­geg­nen. Das Dom­ka­pi­tel hat­te zu­vor ei­ne Be­schwer­de beim Kur­fürs­ten ge­gen die Bon­ner Pro­fes­so­ren ein­ge­reicht. Mas­ti­aux, ab 1789 Uni­ver­si­täts­ku­ra­tor, setz­te sich mit gro­ßem En­ga­ge­ment für die Zie­le der Auf­klä­rung und ih­re Um­set­zung ein. Er ver­öf­fent­lich­te 1790 un­ter ei­nem Pseud­onym die Schrift „Kla­ge des Dom­ka­pi­tels zu Köln“, nach dem Ur­teil des Kur­fürs­ten ei­ne wah­re „Schmäh- und Schand­schrif­t“. Auch Mer­le wur­de in die­ser Schrift be­lei­digt, als dumm und un­wis­send be­zeich­net.

Die­se Be­schrei­bun­gen dür­fen nicht über­be­wer­tet wer­den, ent­stan­den sie doch zu ei­nem Zeit­punkt, als sich der Streit zwi­schen Uni­ver­si­tät und Dom­ka­pi­tel schon län­ger hin­zog und bei­de Sei­ten nicht mehr ob­jek­tiv wer­ten konn­ten. Mer­le ge­hör­te zwar zu den kon­ser­va­ti­ven Kräf­ten des Ka­pi­tels, hat­te sich je­doch als Prä­si­dent des kur­fürst­li­chen welt­li­chen Hof­ge­richts ver­dient ge­macht und stand auf­grund sei­ner ju­ris­ti­schen Fä­hig­kei­ten in der Gunst des auf­ge­klär­ten Erz­bi­schofs. Zwar teil­te er nicht die Auf­fas­sun­gen der neu­en Uni­ver­si­tät, er­kann­te aber trotz­dem den Nach­teil der en­gen Ver­bin­dung von Erz­bis­tum und Kur­fürs­ten­tum. Die be­schrie­be­nen Er­eig­nis­se las­sen nicht oh­ne wei­te­res auf ei­ne Geg­ner­schaft des Weih­bi­schofs zur Auf­klä­rung schlie­ßen.

Cle­mens Au­gust von Mer­le starb am 4.1.1810 in Deutz (heu­te Stadt Köln) und wur­de auf der Burg Met­ter­nich bei­ge­setzt.

Literatur

Haas, Bar­ba­ra, Drei Köl­ner Weih­bi­schö­fe im Zeit­al­ter der Auf­klä­rung, in: Zehn­der, Frank Gün­ter (Hg.), Hirt und Her­de. Re­li­gio­si­tät und Fröm­mig­keit im Rhein­land des 18. Jahr­hun­derts, Köln 2000, S. 175-196, hier S. 183-187.
He­gel, Edu­ard, Cle­mens Au­gust von Mer­le, in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe der deutsch­spra­chi­gen Län­der 1785/1803-1945. Ein bio­gra­phi­sches Le­xi­kon, Ber­lin 1983, S. 501.
He­gel, Edu­ard, Das Erz­bis­tum Köln zwi­schen Ba­rock und Auf­klä­rung vom Pfäl­zi­schen Krieg bis zum En­de der fran­zö­si­schen Zeit 1688-1814 (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 4), Köln 1979.
Ost, Hans, Bild­nis­se des Cas­par Be­cken­kamp – Mit ei­nem Ex­kurs zur Ge­mäl­de­samm­lung des Cle­mens Au­gust von Mer­le, in: Kier, Hil­trud/Zehn­der, Frank Gün­ter (Hg.), Lust und Ver­lust. Köl­ner Samm­ler zwi­schen Tri­ko­lo­re und Preu­ße­n­ad­ler. Aus­stel­lungs­ka­ta­log des For­schungs­re­fe­ra­tes der Köl­ner Mu­se­en und des Wall­raf-Ri­ch­artz-Mu­se­ums Köln, Köln 1995, S. 263-282.
Tor­sy, Ja­kob, Die Wei­he­hand­lun­gen der Köl­ner Weih­bi­schö­fe 1661-1840, Düs­sel­dorf 1966. 

Onlilne

Mer­lo, J. J.,  Mer­le, Cle­mens Au­gust Ma­ria von, in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 21 (1885), S. 446-447. [on­line

Clemens August von Merle mit dem ausgerollten Gartenplan, 1794. (Gemeinfrei)

 
Zitationshinweis

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Hillen, Barbara, Clemens August von Merle, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/clemens-august-von-merle/DE-2086/lido/5e42715d33ddf6.28628021 (abgerufen am 09.10.2024)