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David Roentgen gehört zu den bedeutendsten Ebenisten (Kunstschreiner) des 18. Jahrhunderts. Er führte die Möbelmanufaktur seines Vaters Abraham Roentgen in Neuwied europaweit zu größten Erfolgen und konnte die führenden Königshöfe für seine Luxusmöbel begeistern. Seine rund 600 erhaltenen Werkstücke befinden sich heute weltweit in bedeutenden Sammlungen und großen Museen.
David Roentgen wurde am 11.8.1743 als erster von fünf Söhnen des Kunsttischlers Abraham Roentgen und seiner Ehefrau Susanna Maria Bausch (1717-1776) in Herrnhaag (bei Büdingen) geboren. Ab dem sechsten Lebensjahr besuchte er die Herrnhuter Bildungsanstalten in Marienborn, Lindheim und Niesky/Oberlausitz und kehrte 1753 zu seinen Eltern nach Neuwied zurück. Durch die hohe Qualität dieser Schuleinrichtungen, in der auch die der Brüdergemeine nahestehenden Adelsfamilien ihre Kinder einschulen ließen, erhielt David eine Ausbildung, die für einen Tischlersohn, ja selbst im gehobenen Bürgerstand, nicht üblich war. Der frühe Kontakt zum Adel und entsprechendes Benehmen, sicheres Auftreten sowie das Erlernen der französischen Sprache sollten David bei seinen späteren Verkaufsverhandlungen bei Hof von großem Vorteil sein.
Ab 1757 ging David bei seinem Vater Abraham in die Lehre. Er reifte bald zu einem herausragenden Ebenisten, der die Modelle seines Vaters erfindungsreich weiterentwickelte und mit neuen Ideen ergänzte, heran. Jedoch, bedingt durch die große Rezession nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763), Außenstände und Kaufzurückhaltung höfischer Kreise und die großen Vorleistungen in der Lagerung edler Hölzer und wertvoller Materialien, kam das Unternehmen Mitte der 1760er Jahre in größte finanzielle Bedrängnis. David Roentgen gelang dennoch in einer am 29.5.1769 in Hamburg durchgeführten Möbellotterie ein Befreiungsschlag und somit die Rettung des Unternehmens. Durch sein auf wirtschaftlichen Erfolg konzentriertes Handeln mit Luxusmöbeln fiel David aber bei der Brüdergemeine in Ungnade und wurde von ihr ausgeschlossen.
1772 beabsichtigte Abraham Roentgen das Unternehmen gegen eine jährliche Leibrente seinem Sohn David zu übertragen. Dieser heiratete am 19.4.1773 Katharina Dorothea Scheurer (1749-1825), Tochter des Pfarrers Emmanuel Scheurer aus Sundhofen im Elsass und dessen Ehefrau Maria Salome Faudel. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, von denen jedoch nur drei Söhne das Erwachsenenalter erreichten: Philipp Jakob, Prediger und Lehrer (1777-1855), Gottfried Leonhard August von Roentgen (1781-1865), Diplomat, Gesandter, Minister und Georg Heinrich (1787-1811), Biologe und Afrikaforscher.
David Roentgen betrieb in der Folgezeit den konsequenten Ausbau des Unternehmens: 1774 wurde ihm das Fürstlich Wiedische Fabriken-Privilegium zuerkannt: Kein Zunftzwang, freie Anzahl von Angestellten, Steuerbefreiung, auch für seine Mitarbeiter, kostenloser Bauplatz für neue Gebäude und zehnjährige Grundzinsbefreiung. Bald darauf ließ David ein neues Wohn-, Werk- und Geschäftshaus in der Neuwieder Pfarrstraße 30 errichten, schräg gegenüber seinem Elternhaus, außerhalb des Herrnhuter Bezirks gelegen.
Für die Perfektionierung seiner Möbel suchte er die Zusammenarbeit mit wichtigen Künstlern: dem in Paris lebenden Vergolder François Rémond (um 1747-1812), dem kurtrierischen Hofmaler Januarius Zick und dem Neuwieder Uhrmacher Peter Kinzing (1745-1816), neben seinem Vater Christian Kinzing (1707-1804) ein herausragender Spezialist für den Bau von Pendel- und astronomischen Uhren, Flöten-, Harfen-, Glockenspielen und Klavieren. Innerhalb der Manufaktur konnte sich David auf die Fertigkeiten des Malers Johannes Juncker (1751-1817) und die des Intarsienschneiders Johann Michael Rummer (1747-1812) verlassen.
Ende August 1774 reiste David erstmals nach Paris, zum einen, um die neuen Stilrichtungen vor Ort zu studieren, zum anderen um Absatzmöglichkeiten seiner Erzeugnisse zu erforschen. Der einflussreiche Kupferstecher Johann Georg Wille (1715-1808) führte auf Empfehlung von Januarius Zick David Roentgen in die Pariser Gesellschaft ein.
„À la mode“- auf der Höhe seiner Zeit, vollzog David, unter vorläufiger Beibehaltung der kunstvollen Intarsien und Inneneinrichtungen seiner Möbel, Schritt für Schritt die Hinwendung zum klassizistischen Stil.
1775 wandte sich David ohne Empfehlung nach Brüssel, an den Statthalter der österreichischen Niederlande, Prinz Karl Alexander von Lothringen (1712-1780), und erhielt auf Anhieb Einfuhrprivilegien für seine Möbel, hierzu gehörten unter anderem 1776 ein über drei Meter hoher, reich geschmückter Schreibschrank für den Prinzen sowie 1778 zwei 3,60 mal 3,73 Meter große Marketerie-Tafeln für dessen Audienz-Kabinett, zu dem Januarius Zick die Vorlagen, Szenen aus der römischen Geschichte, schuf. Für seine Verdienste erhielt David den Ehrentitel „Artiste-ebeniste et machiniste du prince“.
Der Anspruch, sich mit seiner „eingelegten Arbeit“ der „vollkommenen Malerey“ anzunähern und sich „ohne Scheu in Ansehung der guten Zeichnung, Schattierung und Couleuren der Critique eines Kunst-Mahlers frey unterwerfen“ zu können (zuerst geäußert im Vertrag des Prinzen Karl von Lothringen mit David Roentgen vom 21.2.1778, abgedruckt in Huth, 1974, Nr. 33, S. 98), war nicht zu hoch gegriffen. Mit seiner bis zur Perfektion verfeinerten Herstellung der „peinture en bois“, jener figürlichen und ornamentalen Marketerien, in denen ein Bild ohne Binnenzeichnung oder Gravur ausschließlich mit verschiedenfarbigen oder farbig gebeizten Furnierhölzern „à la mosaique“ umgesetzt wird, um dann die Ansichtsflächen der Möbel oder auch ganzer Wände zu zieren, machte David Roentgen unübertroffen.
Die feudale Gesellschaft pflegte rege zu korrespondieren, Schreibtische und Schreibschränke gehörten dementsprechend zu den wichtigsten Möbeltypen. Mit zahllosen Schubladen, spiegelndem Innenleben, raffiniert zu öffnenden Geheimfächern, mit aufklappbaren oder aufrollbaren Schreib- und Zeichenflächen sowie eingebauten Uhren, musikalischen Spielwerken und figürlichen Aufsätzen, waren sie einer komplexen, wandelbaren Architektur vergleichbar, der nicht zuletzt Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) nach einem Besuch in der Roentgen-Werkstatt am 19.7.1774 in seiner Novelle „Die schöne Melusine“ (Wilhelm Meisters Wanderjahre, 1807) und den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“ (1795) Bewunderung zollte.
1779 reiste David, auf Empfehlung des österreichischen Botschafters in Paris, Reichsgraf Florimond Mercy d´Argenteau (1727-1794), mit einem Kontingent seiner Luxusmöbel an den französischen Hof und konnte sich mit seiner Ware der Gunst von Marie Antoinette (1755-1793) und Ludwigs XVI. (1743-1793, Regierungszeit 1774-1792) sicher sein. Zu den angekauften Prunkstücken gehörten ein hoher, kostbar ausgestatteter Kabinettschrank, vergleichbar dem in Brüssel, sowie Kommoden und Rollschreibtische. Die Zufriedenheit des Königspaares drückte sich auch in dem Ehrentitel „Ebéniste mécanicien du Roi et de la Reine“ aus, der David verliehen wurde.
Zugleich richtete David eine Zweigniederlassung in Paris ein, deren Ausstellung, neben seinem Erfolg bei Hofe, viel Aufmerksamkeit in der Presse fand und ihm zahlreiche Kunden aus dem französischen Hochadel brachte. Seine bis dato marktbeherrschenden Pariser Konkurrenten konnte er mit dem Erwerb des französischen Meistertitels 1780 und als Zunftmitglied der „Menusiers-Ebenistes“ in Schach halten.
David Roentgens nächstes Ziel war der russische Zarenhof. Auf Empfehlung des Barons Friedrich Melchior von Grimm (1723-1807) lud Zarin Katharina II. (1729-1796, Regierungszeit 1762-1796) David Roentgen nach St. Petersburg ein. David lieferte auf insgesamt fünf Fahrten (Herbst 1783, Frühjahr 1784, Frühjahr 1786, Herbst-Frühjahr 1787-1788 und Herbst-Winter 1788-1790) Hunderte seiner feudalen Möbel an den Zarenhof und an den russischen Hochadel, zum Beispiel an Großfürstin Maria Feodorowna (1759-1828), Fürst Dimitri Golizyn (1721-1793) und Graf Iwan Schuwalow (1727-1797).
Zwischenzeitlich pflegte David Roentgen auch seine Beziehungen zum deutschen Adel, an der Spitze Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen (1744-1797, ab 1786 König), dem er 1779 einen dritten monumentalen Kabinettschrank verkaufte und dem er nach der Thronbesteigung als Friedrich Wilhelm II. 1786 weitere Bestellungen verdankte. Daneben belieferte er unter anderem die Markgräfin Caroline Louise von Baden-Durlach (1723-1783) in Karlsruhe, den Herzog Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1724-1800), Herzogin Anna Amalia (1739-1807) und Herzog Karl August (1757-1828) in Weimar, den Fürsten Friedrich Alexander zu Wied-Neuwied (1706-1791) und Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (1720-1785).
Die Nachricht von der französischen Revolution 1789 bedeutete das Ende der hervorragenden Geschäftsbeziehungen zu Paris, die David durch bedeutende Lieferungen 1784 und 1787 aufrechterhalten hatte. Auch der russische Markt war 1790 erschöpft.
Nachdem David Roentgen bereits 1782 zum Fürstlich-Wiedischen Kommerzienrat ernannt wurde, erhob ihn von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen am 23.2.1791 zum „Geheimen Kommerzienrat“ und am 24.11.1791 zum „königlichen Agenten am Niederrhein“. Der Besuch des Königs am 7.11.1792 bedeutete eine weitere hohe Auszeichnung. Im März 1794 ging das letzte bedeutende Möbelstück an den König nach Berlin (Flachschreibtisch aus Mahagoni).
Aufgrund der Zuspitzung der militärischen Lage in Neuwied schloss David Roentgen seine Manufaktur im Sommer 1794 und suchte mit seiner Familie Asyl in Herrnhuter Gemeinen, hielt sich über Jahre vor allem in Neudietendorf in Thüringen auf. David nutzte die Zeit, den Restbestand an Möbeln zu verkaufen und Außenstände einzutreiben.
Der Sonderfrieden zwischen Frankreich und dem Fürstentum Wied 1799 ebnete die Rückkehr David Roentgens 1801 nach Neuwied, nachdem er die Fabrikgründung seines Meisters Christian Härder (1760-1828) in Braunschweig in die Wege geleitet hatte. Neben Härder konnten sich Nachfolge-Werkstätten durch Johann David Hacker (1748-1801) in Berlin und Johann Wilhelm Kronrath (1750-1890) in Weimar etablieren.
David Roentgen selbst, der sich letztlich vor allem aus religiösen Gründen von seinem zeitweise über 100 Mitarbeiter zählenden Unternehmen getrennt hatte, widmete sich, 1791 wieder in die Herrnhuter Brüdergemeine aufgenommen, ehrenamtlich deren Belangen und starb auf einer Vermittlungsreise in Wiesbaden in der Nacht vom 12.2.1807 an einem Lungenleiden.
David Roentgen wurde in Wiesbaden auf dem Friedhof „An der Heidenmauer“ beigesetzt. Nach Auflassung des Friedhofs 1937 wurde der Grabstein nach Neuwied transferiert und am Nordeingang des Neuen Friedhofs aufgestellt. Die lateinische Inschrift lautet:
D. RÖNTGEN/ NATUS XI. AUG. AO MDCCXLIII IN WETTERAVIAE/ PAGO/ PER SUMMAS EUROPAE URBES ARTE ET/ INGENIO CELEBER OBIIT/ XII. FEB MDCCCVII
(David Roentgen / geboren am 11.August 1743 in der Wetterau / in allen Städten Europas berühmt durch sein überragendes Talent / starb am 12. Februar 1807).
Literatur
Doderer-Winkler, Melanie, Abraham und David Roentgen (1711-1793; 1743-1807), in: Rheinische Lebensbilder 17, Köln 1997, S. 57-78.
Fabian, Dietrich, Abraham und David Roentgen. Das noch aufgefundene Gesamtwerk ihrer Möbel- und Uhrenkunst in Verbindung mit der Uhrmacherfamilie Kinzing in Neuwied, Bad Neustadt/Saale 1996.
Greber, Josef Maria, Abraham und David Roentgen. Möbel für Europa, Werdegang, Kunst und Technik einer deutschen Kabinett-Manufaktur, Text- und Tafelband, Starnberg 1980.
Huth, Hans, Abraham und David Roentgen und ihre Neuwieder Möbelwerkstatt, München 1974.
Thillmann, Wolfgand/Willscheid, Bernd (Hg.), Möbel Design – Roentgen, Thonet und die Moderne, Ausstellungskatalog Roentgen-Museum Neuwied, 2011.
Online
Adam, Cornelius, Tischlermeister D. Roentgen. [Online]
Prange, Peter, „Roentgen, Abraham“, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 730-731. [Online]
Roentgen-Museum Neuwied. [Online]
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Steger, Denise, David Roentgen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/david-roentgen/DE-2086/lido/57cd22a4bcdbd6.57820956 (abgerufen am 14.12.2024)