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Franz Haniel war das jüngste Kind von Aletta und Jacob Wilhelm Haniel. Aletta Haniel, geborene Noot (1742-1815) stammt aus Orsoy am Niederrhein (heute Stadt Rheinberg). Ihr Vater war Jan Willem Noot (1708-1770), der Mitte der 1740er Jahre das Amt des Zoll- und Lizentbesehers in Ruhrort (heute Stadt Duisburg) übernahm. Vor den Toren Ruhrorts baute er 1756 ein so genanntes Packhaus (Wohn- und Kontorhaus). In dem stattlichen Neubau betrieb er ein Lagerhaltungsgeschäft für die Kolonialwarenhändler der Region. Die Erlaubnis zum Bau dieses Hauses erhielt er vom preußischen König Friedrich II. (Regierungszeit 1740-1786), der am 10.2.1756 ein entsprechendes Dokument unterzeichnete. Dieses Datum gilt als Gründungsjahr der heutigen Firma Franz Haniel & Cie. GmbH, die damit auf eine über 250-jährige Tradition zurück blicken kann.
Jacob Wilhelm Haniel (1734-1782) stammte aus Elberfeld (heute Stadt Wuppertal). 1757 zog er nach Duisburg und eröffnete eine Weinhandlung, die er später mit seinem jüngeren Bruder Peter Friedrich zusammen betrieb und auf allgemeinen Speditions- und Kommissionshandel ausdehnte. 1761 heiratete er Aletta und übernahm nach dem Tod des Schwiegervaters das Ruhrorter Packhaus. Zusammen hatten sie elf Kinder, von denen nur vier das Erwachsenenalter erreichten. Das jüngste war Franz, der am 20.11.1779 im Packhaus geboren wurde.
Da sein Vater früh starb – Franz war noch keine drei Jahre alt –, kamen die maßgeblichen Impulse seiner Kindheit von seiner Mutter Aletta. Sie legte Wert auf umfassende Bildung, und so wurde Franz – wie er später selbst in seiner Autobiographie notierte – in dem Knabenalter von 5-10 Jahren […] in Ruhrort im Lesen, Schreiben, Orthografie, Geografie, französisch, Tanz, Flöte, Geige unterrichtet. Das Rechnen erwähnte er nicht, möglicherweise lernte er dies eher im Kontor seiner Mutter als in der Schule.
Während der Französischen Revolution, die dem Haus Haniel massenhaft Aufträge bescherte, musste der 15-jährige auf die Schule verzichten und im Kontor aushelfen. Ab 1796 war Franz Haniel dort ebenso wie sein älterer Bruder Gerhard (1774-1834) angestellt. Sein schon in Ruhrort gewecktes Interesse an der Spedition vertiefte Franz Haniel während einer Weiterbildung im Mainzer Handelshaus J. Hr. Weingärtner Sohn. Diese begann er als 18-jähriger im Januar 1798. Im März 1799 beendete er die Ausbildung auf Wunsch seiner Mutter vorzeitig und kehrte nach Ruhrort zurück.
Vermutlich 1802, vielleicht auch schon früher, gründete Franz Haniel eine eigene Kohlenhandlung und Reederei, die Firma Franz Haniel. Ein Großteil seines Geschäftsinteresses galt von da an der Kohle. Ein anderes Interesse wurde 1803 geweckt: Franz Haniel rechnete aus, dass sich der Besitz der beiden Eisenhütten St. Antony und Neu-Essen, mit denen die Haniels schon seit zehn Jahren Geschäfte machten, lohnen müsste.
Der Kauf der im heutigen Oberhausen gelegenen Hütten kam 1805 zu Stande. Mit dem Erwerb einer dritten Hütte, Gute Hoffnung, entstand 1808 die Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen (JHH), Vorgängerin der Gutehoffnungshütte, Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb. Beteiligt waren außer Franz Haniel dessen Bruder Gerhard und zwei Schwäger: Heinrich Huyssen (1779-1870) und Gottlob Jacobi (1770-1823). Mit dem Bau von Dampfmaschinen und -schiffen, Lokomotiven, Schienen und Brücken leistete die JHH einen wichtigen Beitrag zur Industrialisierung des Ruhrgebiets: Die erste Dampfmaschine wurde 1814 gebaut.
1829 errichtete die JHH eine Werft in Ruhrort. Hier wurde ein Jahr später der Bau des ersten Dampfers, der nach seinem Bestimmungsort „Stadt Mainz" hieß, fertig gestellt. Zehn Jahre später stellte die JHH die erste Dampflokomotive, die „Ruhr", her, die bei der Main-Taunus-Eisenbahn zwischen Frankfurt und Wiesbaden eingesetzt wurde. Seit dieser Zeit lieferte die JHH einzelne Bauteile für Brücken. Ab Ende der 1840er Jahre verhandelte JHH über Bauaufträge für komplette Brücken. Es waren überwiegend Eisenbahnbrücken, die auch ins Ausland geliefert wurden, zunächst in die benachbarten Niederlande, dann 1875/1876 nach Russland und 1883/1884 ins südamerikanische Kolumbien.
1809 erweiterten sich die Geschäftsfelder der Firma Franz Haniel. Aletta Haniel löste ihre Firma auf und übergab sie ihren Söhnen Gerhard und Franz, die bereits seit 1802 Teilhaber waren. Von nun an handelte auch Franz Haniel mit Kolonialwaren und betrieb allgemeinen Kommissions- und Speditionshandel; später produzierte und verkaufte er Pflanzenöl und Holz, vor allem eichene Lohrinde für Gerbzwecke. Als sich 1830 das Königreich der Vereinigten Niederlande in die beiden Länder Belgien und Niederlande teilte, konzentrierte sich Franz Haniel auf das Kohlengeschäft, denn die Niederlande führten nun preußische Kohle ein.
Zunächst als Rohstoffbasis für seinen Kohlenhandel, später auch zur Versorgung seiner Eisenschmelzen mit Hochofenkoks, beteiligte sich Franz Haniel seit 1803 am Stollenbergbau im Ruhrtal. Rund 30 Jahre später wurde er durch die Gründung von Zechen mit einem neuartigen Tiefbauverfahren (Mergelschächte) zum Pionier des modernen Ruhrbergbaus.
1832 begann Franz Haniel im heutigen Essen mit dem Abteufen eines Schachtes. Dieser sollte der erste Tiefschacht des Ruhrgebiets werden, der die Mergeldecke vertikal durchbrach. Das Ziel eines solchen Schachtes war die Erschließung von Fettkohleflözen, deren Kohle zu Hochofenkoks verarbeitet werden kann. Im März 1834 gelang es den Bergleuten, das Deckgebirge aus Mergel zu durchdringen. In der Folgezeit gründete er weitere bedeutende Zechen wie die Zeche Zollverein (1847) und die erste linksrheinische Zeche mit Namen Rheinpreußen (1851). Er schuf ein vertikal und horizontal ausgebautes Konglomerat, das von der Rohstoffgewinnung bis zum Transport und Verkauf der Produkte alle Glieder der Wertschöpfungskette abdeckte.
Franz Haniel kümmerte sich auch um das Wohlergehen der Beschäftigten. Bei JHH gab es bereits in den 1830er-Jahren Unterstützungskassen, die später auf andere Haniel-Unternehmen ausgeweitet wurden. Er fühlte sich dem Gemeinwohl verpflichtet und unterstützte seine Heimatgemeinde Ruhrort in vielfältiger Weise. Besonders hervorzuheben sind Haniels Krankenstiftung und das Realgymnasium. Für seine Verdienste erhielt er zahlreiche Ehrungen: 1845 ernannte ihn das preußische Königshaus zum Kommerzienrat, 1856 zum Geheimen Kommerzienrat, 1842 wurde ihm der Rote Adlerorden IV. Klasse verliehen,1864 erhielt er den Roten Adlerorden III. Klasse.
Seit 1806 war Franz Haniel mit Friederike Huyssen (1785-1867) verheiratet, einer Tochter des Essener Ratsherrn Dr. Karl Isaac Arnold Huyssen (1751-1834). Das Paar feierte 1866 das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Franz und Friederike Haniel hatten zehn Söhne und eine Tochter. Allerdings überlebten nur fünf Söhne und die Tochter ihre Eltern. Franz Haniel starb wenige Monate nach dem Tod seiner Frau am 24.4.1868 in seinem Geburtshaus in Ruhrort.
Kurz nach Haniels Tod, im Dezember 1870, gründeten die Erben die offene Handelsgesellschaft (OHG) Franz Haniel & Co., die die Geschäfte der alten Firma Franz Haniel weiterführte. Dabei handelte es sich hauptsächlich um den Verkauf von Produkten aus den eigenen Bergwerken, den Handel mit fremder Kohle und die Reederei. Diese Firma existierte bis zum 1.7.1929. Parallel dazu wurde am 22.6.1917 die Franz Haniel & Cie. GmbH (FHC) gegründet. Gesellschafter waren die im Besitz der Familie Haniel befindlichen Zechen Neumühl (12%), Rheinpreussen (25%) und Zollverein (20,5%), die Gutehoffnungshütte, Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb (42%) sowie Franz Haniel (1883-1965) (0,5%). Letzterer war Gründungsgesellschafter, damit die neue Firma den Namen Franz Haniel führen durfte. Seinen Anteil trat er kurz nach Gründung an die Gewerkschaft Neumühl ab.
Im Zuge der Entflechtung und Neuordnung nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die Gesellschaftsstruktur entscheidend. Die direkten Nachkommen von Franz und seinem Bruder Gerhard wurden Gesellschafter der Firma. Heute befindet sich das Unternehmen zu 100% im Familienbesitz. Das Haus, in dem Franz Haniel 1779 geboren wurde und in dem er 88 Jahre später starb, dient heute als Firmenmuseum.
Quelle
Haniel, Franz: Biographie – Nekrolog [Manuskript der Autobiographie 1858-1862] (ediert bei Herzog / Mattheier).
Literatur
Franz Haniel & Cie. GmbH (Hg.), Haniel 1756-2006. Eine Chronik in Daten und Fakten, Duisburg-Ruhrort 2006.
Herzog, Bodo / Klaus J. Mattheier (Hg.), Franz Haniel 1779-1868. Materialien, Dokumente und Untersuchungen zu Leben und Werk des Industriepioniers Franz Haniel, Bonn 1979.
James, Harold, Familienunternehmen in Europa. Haniel, Wendel und Falck, München 2005.
Spethmann, Hans, Franz Haniel. Sein Leben und seine Werke, Duisburg-Ruhrort, 1956.
Online
Die Haniel Geschichte 1756-200 (Konzern-Chronik auf der Homepage des Haniel-Konzerns).
Herzog, Bodo, Artikel "Haniel, Johannes Franciscus (Franz)", in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 616-617.
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Kirchner, Ulrich, Franz Haniel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-haniel/DE-2086/lido/57c826aa117ed4.70672613 (abgerufen am 06.12.2024)