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Heinrich Lindenborn war einer der frühesten Vertreter der Aufklärung im Rheinland, der in seinen satirischen Schriften auf Missstände in der barocken Gesellschaft im Kurfürstentum Köln aufmerksam machte.
Heinrich Lindenborn entstammte einer angesehenen Kölner Wollweberfamilie und wurde am 27.7.1706 in der Pfarrkirche St. Paul getauft. Er war das neunte von insgesamt elf Kindern des Hermann Lindenborn und seiner Frau Katharina Pittlinger, die am 24.11.1689 ebenfalls in St. Paul geheiratet hatten.
Bereits als kleiner Junge zeigte sich sein Bildungsdrang, der vom Vater gefördert wurde. Angesehene und wohlhabende Freunde der Familie gestatteten dem wissbegierigen Jungen Zugang zu verschiedenen Bibliotheken, wo er mit großem Eifer las und die alten und neuen Sprachen lernte. 1713 trat er in das Kölner Jesuitengymnasium ein, das er bis 1723 besuchte. Im Anschluss an seine Schulzeit immatrikulierte er sich an der Philosophischen Fakultät der Universität Köln. Er galt als unterstützungswürdiger Student, dessen Armut ihm vermutlich einen Eintritt in den Jesuitenorden verwehrte. Statt Theologie studierte der junge Lindenborn Jura. Er übte einen juristischen Beruf jedoch nie aus.
In den nachfolgenden Jahren führte er ein unstetes und durch Armut gekennzeichnetes Leben. Zwar konnte er durch Gelegenheitspoesie – meist erhielt er Aufträge für Gedichte zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Taufen oder patriotischen Feierlichkeiten – seinen Lebensunterhalt verdienen, aber sein Einkommen verprasste er meist innerhalb kürzester Zeit in Gaststätten. Sein außergewöhnliches schriftstellerisches Talent verband sich mit dem eigenwilligen Charakter eines freiheitsliebenden Lebemannes.
Erst 1738 nahm er als „Concipist“ – heute würde man Redakteur sagen – eine Festanstellung bei der vom Verleger Balthasar Wilms neu begründeten Kölner Wochenzeitung „Eilfertiger Welt und Staats-Bothe“ an. Die Zeitung wurde ein voller Erfolg, nicht zuletzt durch die spitzfindigen und intelligenten Beiträge Lindenborns, die sich großer Beliebtheit unter den Lesern erfreuten.
Leider sind nur vier Ausgaben der Zeitung aus den Jahren 1738 bis 1742 überliefert. Die wenigen Ausgaben verraten jedoch, dass Lindenborn nicht nur Fakten wiedergab, sondern äußerst kritisch die Nachrichten aufbereitete. Er gilt daher als einer der ersten Journalisten, der seine Zeitung nach modernen Gesichtspunkten redigierte. Seine Offenheit und kritische Berichterstattung brachte ihn häufig in Konflikt mit der Obrigkeit. Mehrfach musste er aufgrund von Eingriffen der Zensurbehörden Artikel widerrufen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, auch weiterhin kritisch zu berichten.
Am 25.3.1742 heiratete Lindenborn in der Kölner Pfarrei St. Laurenz Maria Elisabeth Carmans. Das junge Paar bekam zwei Söhne: den am 27.7.1744 getauften Joseph Maria Heinrich und den am 24.8.1745 getauften Maria Franziskus. Wie aus Lindenborns eigenen Aufzeichnungen hervorgeht, scheint die Ehe wenig glücklich gewesen zu sein.
Im Winter 1742/1743 trat er überraschend als Redakteur der Zeitung zurück, blieb aber mit dem Verleger Wilms in den nachfolgenden Jahren geschäftlich verbunden. Ob die ständigen Eingriffe der Obrigkeit in seine journalistische Tätigkeit der Grund für den Rücktritt bildeten, muss allerdings offenbleiben.
Bereits 1740/1741 hat er selbst eine satirische Wochenschrift, „Der die Welt beleuchtende Cöllnische Diogenes“, herausgegeben, die bis 1743 regelmäßig erschien. In dieser Schrift konnte er weit mutiger noch als im „Staats-Bothen“ gesellschaftliche und politische Geschehnisse satirisch verarbeiten. Dabei verfasste er seine Texte durch die Maske des antiken Philosophen Diogenes (um 400-324/323 v. Chr.) in der Ich-Form. In seinen Beiträgen wies er auf Missstände nicht nur in Kirche und Politik hin, sondern auch in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen. Es finden sich zudem zahlreiche Anspielungen auf einzelne Personen aus seinem Kölner Umfeld, die heute jedoch in der Regel nicht mehr identifiziert werden können. Die Form der Satire fungierte dabei als Schutzmantel für die aufgeklärten, moralisch-belehrenden und kritischen Inhalte seiner Beiträge.
1741 gab er das Kirchenliedbuch „Tochter Sion“ heraus, eines der ersten katholischen Gesangbücher, das der Aufklärung zuzuordnen ist. Daher stieß es auch auf Ablehnung unter den Jesuiten, die ihr bis dahin im Rheinland dominierendes Gesangbuch, das „Psälterlein“, gefährdet sahen. Dennoch konnte sich das Gesangbuch Lindenborns in der Kölner Diözese schnell durchsetzen. Noch heute finden sich in deutschen und sogar englischen Kirchenliedbüchern Texte, die aus seiner Feder stammen.
Während seiner Tätigkeit als Journalist verfasste er weiterhin Gelegenheitsdichtungen. 1746 reiste Lindenborn nach Düsseldorf, wo er die Inschriften für die Ausschmückung der Stadt anlässlich des festlichen Einzuges des pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor am 15.10.1746 entwarf. Der Kurfürst war begeistert von der Kreativität Lindenborns, sodass er ihm eine Stelle als kurfürstlicher Sekretär anbot. Diese und weitere lukrative Stellenangebote lehnte Lindenborn jedoch ab. Offensichtlich war ihm die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit wichtiger als eine gut bezahlte Festanstellung.
Während seiner Tätigkeit als Journalist verfasste er weiterhin Gelegenheitsdichtungen. 1746 reiste Lindenborn nach Düsseldorf, wo er die Inschriften für die Ausschmückung der Stadt anlässlich des festlichen Einzuges des pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor am 15.10.1746 entwarf. Der Kurfürst war begeistert von der Kreativität Lindenborns, sodass er ihm eine Stelle als kurfürstlicher Sekretär anbot. Diese und weitere lukrative Stellenangebote lehnte Lindenborn jedoch ab. Offensichtlich war ihm die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit wichtiger als eine gut bezahlte Festanstellung.
1748 siedelte Lindenborn mit seiner Familie nach Bonn über. Die Gründe für seinen Umzug sind unklar; möglicherweise hatte er sich in Köln durch seine personenbezogene Satire zu viele Feinde gemacht. Kurz nach seiner Ankunft in der Residenzstadt Bonn wurde er von Kurfürst Clemens August mit der Übersetzung des italienischen Opernlibretto „Artaxerxes“ betraut. Lindenborn nutzte die Nähe zum glanzvollen Kölner Kurfürsten, um ihn und seinen pompösen Hof in seinen Satiren zu beleuchten.
Der Kritik am barocken Lebensstil der Hofgesellschaft sowie an der Jagdleidenschaft, dem Umgang mit Frauen und den zahlreichen Maskenbällen des Kurfürsten hatte er bereits im „Diogenes“ breiten Raum gegeben. Dass seine satirischen Anspielungen sich auch tatsächlich auf den Kurfürsten bezogen, dürfte den Zeitgenossen nicht verborgen geblieben sein. Jedoch verstand es Lindenborn geschickt, sachliche Kritik am Verhalten des Kurfürsten und am üppigen Hofleben mit Lob an seinem Charakter zu verbinden.
1748 gab Lindenborn die erste Bonner Zeitung, „Auszug europäischer Geschichten“, heraus, die anfänglich dreimal wöchentlich erschien, aber schon sehr bald eingestellt wurde. Außerdem erschien bei Bernhard Hilbertz in Bonn eine satirische Wochenschrift von Lindenborn mit dem Namen „Morpheana“, die ganz im Stile des „Diogenes“ verfasst war.
Im November 1749 erkrankte Lindenborn an Tuberkulose, zeitgenössisch Schwindsucht genannt. Bis zu seinem Tod am 21.5.1750 schrieb er noch zahlreiche Texte – trotz starker gesundheitlicher und auch finanzieller Einschränkungen.
In seiner kurzen Schaffenszeit von 1738-1750 war er äußerst produktiv und vielseitig, wie eine Übersicht seiner Schriften zeigt.
Heinrich Lindenborn wurde von den rheinischen Aufklärern im letzten Drittel des Jahrhunderts als Verfechter aufgeklärter Ideale gewürdigt, als „vernünftigster Mensch der Welt bis auf einen Punkt, den Punkt des einmal gefassten Cinicismus“ (Gnädigst privilegirtes Bönnisches Intelligenzblatt, 10.3.1791, S. 78.). Es bestand sogar die Absicht, eine Fortsetzung des „Diogenes“ zu veröffentlichen. Seine literarischen Werke – mit Ausnahme des Kirchenliedbuches – konnten sich aber über das Rheinland hinaus kaum verbreiten.
In Köln sind eine Straße und eine Gemeinschaftsgrundschule nach ihm benannt.
Werke (Auswahl)
Die überlieferten Schriften Lindenborns sind bei Beckmann, Heinrich Lindenborn, der kölnische Diogenes, Bonn 1908, S. 259-267, aufgeführt.
Der Die Welt Beleuchtende Cöllnische Diogenes, 3 Bände, Cölln 1740-1743.
Neues Gott und dem Lamm geheiligtes Kirchen- und Hauß-Gesang (Kirchen- und Haus-Gesang) der auf dem dreyfachen Wege der Vollkommenheit nach dem himmlischen Jerusalem wandernden Tochter Sion, Cölln 1741 [es erschienen sechs weitere Auflagen bis 1790].
Morpheana Oder Traum-Gesichter In dem Reiche der Thieren Nach der Ordnung Aesopi, Worin Die lächerliche Eigenschaften und Thorheiten der Welt gleichsam abgespiegelt werden, Aufdaß ein jeder an seiner hier und da vielleicht erblickten Copey Das Original Erkennen, betrachten und besseren könne, Bonn 1748.
Literatur
Beckmann, Karl, Heinrich Lindenborn, der kölnische Diogenes. Sein Leben und seine Werke. Ein Beitrag zur Literatur und Kulturgeschichte des Rheinlandes, Bonn 1908.
Boge, Birgit, Clemens August und seine Zeit im Spiegel der Zeitschriften des Kölner Satirikers Heinrich Lindenborn, in: Mölich, Georg/ Schwerhoff, Gerd (Hg.), Köln als Kommunikationszentrum. Studien zur frühneuzeitlichen Stadtgeschichte, Köln 1999, S. 211-226.
Braubach, Max, Die erste Bonner Zeitung, in: Alt-Bonn 2 (1948), S. 25-27.
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, 3., verbesserte und erweiterte Auflage, Bonn 2011, S. 280-281.
Zeim, Charlotte E., Die rheinische Literatur der Aufklärung. Köln und Bonn, Jena 1932.
Online
„Zur vaterländischen Litteraturgeschichte“, in: Gnädigst Privilegirtes Bönnisches Intelligenzblatt vom 10. März 1791, S. 75-78. [Online]
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Schlöder, Christian, Heinrich Lindenborn, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-lindenborn/DE-2086/lido/57c941b21771b1.81099619 (abgerufen am 06.12.2024)