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Hubert Maurer war ein rheinisch-österreichischer Maler, der – aus ärmsten Verhältnissen kommend – es trotz seines Analphabetismus schaffte, bis zum Professor an der Wiener Kunstakademie aufzusteigen. Künstlerisch stand er am Übergang zwischen ausgehendem Barock und Klassizismus, der sich besonders in seinen Porträts den Weg bahnte. Beeinflusst wurde er dabei von Anton Raphael Mengs (1728–1779), dessen klassizistischem Stil Maurer nacheiferte. Sehr bald als Porträtmaler zu bedeutenden Erfolgen gelangt, fertigte er Bildnisse von Kaisern, Fürsten und Hofbeamten an, doch umfasst sein Werk auch eine große Anzahl großformatiger Altarbilder. Kraftvoll und harmonisch im Kolorit, strahlen vor allem die wohlüberlegten Kompositionen seiner religiösen Motive Andacht, Frömmigkeit und nicht selten innige Hingabe aus.
Geboren wurde der Maler am 10.6.1738 in Röttgen (heute Stadt Bonn) als einziges Kind des Tagelöhners Heinrich Maurer (gestorben wohl. 1739) und dessen Frau Veronica Esser (gestorben 1757). Er wuchs nach dem frühen Tod des Vaters in armen Verhältnissen auf, verrichtete von klein auf Feldarbeit und musste bereits im Alter von sechs Jahren täglich den weiten Fußweg nach Bonn auf sich nehmen, um dort Brennholz und Milch zu verkaufen. So blieb ihm schon aus Zeitgründen jede Schulbildung verwehrt, zumal es in Röttgen und der näheren Umgebung keine Schule gab. Nicht einmal Lesen und Schreiben erlernte er. Als 1753 Kurfürst Clemens August in unmittelbarer Nähe zu Maurers Wohnort mit dem Bau seines Jagdschlosses „Herzogsfreude“ – ein Werk des beim französischen Stararchitekten Jacques-François Blondel (1705–1774) geschulten kurfürstlichen Hofbaumeisters Johann Heinrich Roth (1729–1788) – begann, änderte sich Maurers Leben schlagartig. Da für die gewaltige, 100 Räume umfassende Dreiflügelanlage mit den Ausmaßen von etwa 170 Metern Länge und 53 Metern Tiefe, dessen zweieinhalbgeschossiges Hauptgebäude alleine 19 Fensterachsen aufwies, hunderte von Bauhelfern und Tagelöhnern gesucht wurden, konnte auch der 14-jährige Maurer beim Schlossbau eine feste Anstellung erlangen. Nachdem 1755 der Außenbau vollendet war, kamen Maler und Stuckateure zur Ausgestaltung der Räume auf die Baustelle, darunter auch der Fuldaer Stuckmeister Johann Georg Sturzenhöfer, der für die Dauer seiner Tätigkeit Wohnung bei Maurers Mutter nahm. Sturzenhöfer bemerkte schnell das Zeichentalent des jungen Maurers, machte ihn zu seinem Gehilfen und ließ ihn seine Entwürfe zu Stuckarbeiten kopieren. Dadurch wiederum wurde der Bildnis- und Historienmaler Johann Georg Winter (1701–1770), eine der herausragendsten am Schlossbau beteiligten Künstlerpersönlichkeiten, auf Maurer aufmerksam und gab ihm ersten Zeichen- und Malunterricht. Im Frühjahr 1756 nahm er den fast 18-Jährigen formal als Lehrling auf und erwirkte beim Kurfürsten die Freistellung Maurers vom Militärdienst. Während seiner Lehrzeit half Maurer bei der Ausmalung der Treppenhäuser und der Anfertigung mehrerer Deckenfresken. Zudem ließ Winter ihn zweimal ein Marienbild von Carlo Dolci (1616–1686) kopieren, eines für den Röttgener Pfarrer, das andere für den kurfürstlichen Oberforstmeister Stephan Ostler (1716–1782).
Nachdem 1759 das Schloss vollendet war, nahm Winter seinen Schüler mit nach München, wo Maurer seine Ausbildung vorwiegend durch das Kopieren von Gemälden vervollkommnete. Bei einem Besuch des Kölner Kurfürsten Clemens Augusts, der sich nach Maurers Fortschritten erkundigte, versprach dieser, Maurer eine akademische Ausbildung zu finanzieren, was sich durch den plötzlichen Tod des Erzbischofs am 6.2.1761 jedoch zerschlug. Eine zunächst geplante Reise an die Kunstakademie nach Venedig musste ebenfalls abgesagt werden, da Maurer weder lesen noch schreiben konnte und kein Wort italienisch sprach. Stattdessen entschied Winter sich dazu, seinen Lehrling am 27.9.1762 mit einem Empfehlungsschreiben an den Direktor der k. k. Akademie, Martin von Meytens (1865–1770), nach Wien zu senden. Zu seinem Unterhalt erhielt Maurer 300 Gulden aus dem Verkauf des Hauses seiner mittlerweile verstorbenen Mutter ausgezahlt.
An der Kunstakademie lernte Maurer nach der damals vorherrschenden Lehrmethode zunächst durch das Abzeichnen von Vorlagen, dann durch das Antikenstudium und zuletzt durch das Zeichnen von Gipsmodellen. Zu seinen Lehrern gehörte auch der für seine grotesken Charakterköpfe bekannte Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783). Maurer machte so rasche Fortschritte, dass ihm bald erlaubt wurde, auch außerhalb des Unterrichts in den Akademieräumen zeichnen zu dürfen.
Nach zwei Jahren Studium war sein Können bereits groß genug, dass er 1764 durch Vermittlung von Professor Jakob Christoph Schletterer (1699–1774) Schüler und Gehilfe des berühmten Maler-Paters Norbert Baumgartner (1710–1773) wurde, dem er bis 1771 bei der Anfertigung der großen Altarbilder für die Wiener Kapuzinerkirche half. In dieser Zeit erlangte Maurer durch das Übertragen von Baumgartners Vorzeichnungen direkt auf die Leinwand enorme Fähigkeiten im Anfertigen großformatiger Bilder. Auch sein Können im akademischen Zeichnen schritt soweit voran, dass er mehrfach Akademie-Preise gewann: 1770 den zweiten Preis für seine Draperien, 1771 jeweils den ersten Preis für die Darstellung der Stoffe von Kleidung und für die „Gruppierung zweier Figuren“ sowie den zweiten Preis für das Bild eines „entzückten alten Mannes“. Außerdem erhielt er einen ersten Preis für das Zeichnen nach der Natur.
Als ausgezeichneter Schüler der Akademie begann er nun auf Anraten von Meytens mit Porträtstudien und erlangte bald einen so guten Ruf als Porträtist, dass selbst Akademiepräsident Joseph Freiherr von Sperges (1725–1791) drei Porträtbilder in Lebensgröße bei ihm bestellte. Der Protektor (Kurator) der Akademie, Reichsfürst Wenzel Anton Graf von Kaunitz (1711–1794), wurde Maurers Förderer, ließ regelmäßig Bilder von ihm anfertigen – so ein lebensgroßes Ölporträt als Ritter des Ordens vom goldenen Vlies – und vermittelte ihm den Auftrag für ein Porträt der Kaiserin Maria Theresia (Regierungszeit 1740/45-1780). Bei Hofe wurden Maurers Arbeiten mit so großer Begeisterung aufgenommen, dass sich Kaiser Joseph II. (Regierungszeit 1765-1790) dessen Werke vom Künstler persönlich zeigen und erklären ließ.
Während dieser Zeit lernte Maurer Eleonora Arand (gestorben 1808), die Tochter eines Schneiders kennen und heiratete sie am 24.9.1772 in der Wiener St. Michaelskirche; die Ehe blieb kinderlos. Nur kurze Zeit später, am 21.10.1772 reiste Maurer – ausgestattet mit einem Stipendium – zu Studienzwecken nach Rom, wo er zum Mitglied der dortigen Akademie ernannt wurde. Der deutschstämmige Maler Christoph Unterberger (1732–1798) führte Maurer bei dem in Rom weilenden bedeutenden Porträtisten Anton Raphael Mengs (1728–1779) ein, dessen neuer, klassizistischer Stil Maurer nachhaltig beeindruckte und ihn zu seinem Vorbild werden ließ. Erst in Rom, im Alter von 34 Jahren, sah Maurer sich gezwungen, lesen und schreiben zu erlernen, um seinem Gönner, Fürst von Kaunitz, regelmäßig Bericht erstatten zu können.
Im Oktober 1776 kehrte er zurück nach Wien und erhielt in den Folgejahren bedeutende Aufträge für Porträts vom Hochadel und Kaiserhaus, bevorzugte selbst jedoch großformatige Kirchenarbeiten. Sein Porträt des kaiserlich österreichischen Gesandten in der Schweiz (vermutlich handelte es sich um Clemens August Theodor Josef von Nagel zur Loburg, 1748–1828) sorgte in Basel für so viel Furore, dass Maurer die kommenden zwei Jahre als Porträtist in der Schweiz beschäftigt war.
Noch 1783 wurde Maurer in der „Beschreibung der k. k. Akademie der Bildenden Künste“ in Wien als Schutzverwandter aufgeführt, doch wurde er 1785 zum kaiserlich königlichen Rat, ordentlichen Mitglied und Professor für Elementarzeichnen an der Zeichenschule der Akademie der bildenden Künste ernannt, eine Stellung, die er 32 Jahre lang inne hatte. Zu seinen zahlreichen Schülern gehörten so bedeutende Maler wie Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865), der spätere Schubert-Porträtist Wilhelm August Rieder (1796–1880), der Beethoven-Porträtist Blasius Höfel (1792–1863), Porzellanmaler Anton Auer (1778–1814) oder Karl Aloys Agricola (1779–1852), Karl Ruß (1779–1843), Matthäus Loder (1781–1828), Peter Fendi (1796–1842) und Johann Michael Sattler (1786–1847), der 1816 Maria, die Pflegetochter seines Lehrers heiratete.
1815, mit 77 Jahren, vollendete Maurer sein letztes großes Bild nach dem Bibelspruch: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn ihnen ist das Himmelreich.“ Von Krankheit geschwächt, musste er seine letzte Arbeit, ein Bild der Heiligen Familie, nach weniger als der Hälfte abbrechen. Am 10.12.1818 starb Hubert Maurer in geistiger Umnachtung in Wien. Im Bonner Stadtteil Lengsdorf wurde mit Beschluss vom 19.12.1972 eine Straße in „Hubert-Maurer-Straße“ umbenannt.
Werke (Auswahl)
1770 - Kaiser Franz I., Ganzfigurenporträt, Öl auf Leinwand (Mantua, Accademia Nazionale Virgiliana)
1770 – Kaiserin Maria Theresia, Ganzfigurenporträt, Öl auf Leinwand (Mantua, Accademia Nazionale Virgiliana)
1770 - Kaiser Joseph II., Ganzfigurenporträt, Öl auf Leinwand (Mantua, Accademia Nazionale Virgiliana)
1771 - Graf von Kaunitz als Ritter des Ordens vom goldenen Vlies, Ganzfigurenporträt, Öl auf Leinwand
1771/72 - Kaiserin Maria Theresia, Ganzfigurenporträt, Öl auf Leinwand (St. Petersburg)
1772 - Pater Norbert Baumgartner, Porträt, Öl auf Leinwand
nach 1776 - Porträt des kaiserlich österreichischen Gesandten in der Schweiz, Basel
nach 1777 - Maria Himmelfahrt, Altarbild, Öl auf Leinwand, circa 480 x 270 cm, (Gyula, Ungarn, Kirche Belvárosi plébánia templom)
1779 – Kaiserin Maria Theresia, Ganzfigurenporträt, Öl auf Leinwand (Universität Pavia)
1779 - Kaiser Joseph II. in Rüstung, Ganzfigurenporträt, Öl auf Leinwand (Universität Pavia)
1785 - Steinigung des Heiligen Stephanus, Altarbild, St. Stephan (Pápa, Ungarn)
1785 - Odysseus und Circe, Allegorie, Öl auf Leinwand, 107 x 54 cm (Wien, Akademie der Bildenden Künste)
um 1790 - Beurlaubung des Petrus und Paulus, Altarbild, circa 360 x 180 cm (Kalocsa, Ungarn, Kathedrale)
um 1790, Gott Vater in den Wolken, Altarbild (Wien, Stiftskirche Zum heiligen Kreuz)
1795 - Maria Heimsuchung, Altarbild, Öl auf Leinwand, circa 480 x 270 cm (Svitavy/Zwittau, St. Mariä Heimsuchung)
vor 1796 - Christi Himmelfahrt, Altarbild, Öl auf Leinwand, circa 360 x 210 cm (Balmazújváros, Ungarn, Katholische Pfarrkirche)
1796 - Christus am Ölberg, Altarbild, Öl auf Holz, kleinformatig
vor 1798 - Ungläubiger Thomas, Altarbild für Johann Thomas von Trattner (1717–1798), Öl auf Leinwand (Wien, Basilika Unserer Lieben Frau zu den Schotten)
vor 1805 - Selbstporträt, Öl auf Leinwand, 65 x 52 cm (Wien, eine 1805 von Joseph Binder [1805–1863] angefertigte Kopie hängt in der Bonner Lesegesellschaft)
um 1806 - Akademiedirektor Johann Martin Fischer, Porträt, Öl auf Leinwand
1808 - Die heilige Familie, Altarbild, Öl auf Leinwand, circa 285 x 250 cm
vor 1812 - Johann von Nepomuk, Heiligenbild, Öl auf Leinwand, 102 x 50 cm (Ljubljana, Nationalgalerie Slovenien)
1815 – Lasset die Kindlein zu mir kommen, Öl auf Leinwand, großformatig
1815 - Jesus, Maria, Joseph und Johannes, Öl auf Leinwand, 180 x 90 cm, unvollendet
Weitere Bilder ohne genaue Angaben:
_ Allegorische Gemälde_
Venus und Mars
Amor und Psyche
Paris Ulysses
Judith
_ Sakrale Bilder_
Die Kreuzabnahme Christi
Die Seligsprechung
Kapuzinermönch
Der sterbende hl. Joseph, circa 480 x 540 cm (Ungarn)
Erzengel Michael, circa. 360 x 180 cm
Hl. Bruno
Hl. Cajetan, Altarbild
Christus am Kreuz (Gruft Fürst Karl Lichtenstein)
Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis, Altarbild (Wien, St. Peter-in-Ketten)
Ambrosius, Augustinus und Hieronymus, Lamm Gottes, Hl. Theresia mit Petrus und Paulus, drei Altarbilder (Wien, Pfarrkirche Maria Schnee)
Hl. Katharina als Braut Christi, circa 270 x 150 cm, Altarbild (Wien, Burgkapelle Hofburg).
Quellen
Kaiserlich königliche allergnädigst privilegierte Realzeitung der Wissenschaften, Künste und der Kommerzien, Wien 1771.
Weinkopf, Anton, Beschreibung der k. k. Akademie der Bildenden Künste, Wien 1783.
Literatur
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011, S. 305-306.
Sattler, Johann Michael, Lebensgeschichte des Hubert Maurer weiland kaiserl. königl. akademischen Rathes, Professor, und Mitglied der vereinigten bildenden Künste in Wien, Wien 1819.
Thieme/Becker, Band 24 (1930), S. 279.
Nekrolog des k. k. Professors und Historienmahlers Hubert Maurer vom 6. Jänner 1819, in: Erneuerte vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat auf das Jahr 1819, Wien o. J.
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Niesen, Josef, Hubert Maurer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hubert-maurer-/DE-2086/lido/5df212c2460710.93800944 (abgerufen am 13.11.2024)