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Der Jurist Hugo Rosendahl prägte in schwierigen Zeiten zwischen 1915 und 1950 – mit Unterbrechung während der NS-Zeit 1933-1945 – als kommunaler Spitzenbeamter die Entwicklung zunächst in der Stadt Andernach, danach in Hamborn, Koblenz und Essen entscheidend mit. Besondere Verdienste erwarb er sich 1945-1950 um den Wiederaufbau der stark zerstörten Stadt Essen.
Franz Hugo Rosendahl wurde am 28.12.1884 als Sohn des Theodor Rosendahl und seiner Ehefrau Franzika, geborene Wolters, in Sterkrade (heute Stadt Oberhausen) geboren. Der Vater war dort als Ingenieur beim „Gutehoffnungshütte Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb" beschäftigt. Nach dem Besuch des Gymasiums in Mülheim an der Ruhr studierte Hugo Rosendahl 1904 bis 1907 Rechts- und Staatswissenschaften in Marburg, München und Münster. 1910 wurde er in Heidelberg zum Dr.iur. promoviert. Die Ausbildung als Gerichtsreferendar wurde 1908/1909 durch den Militärdienst unterbrochen. Nach der Zweiten Juristischen Staatsprüfung und einjähriger Beschäftigung als Gerichtsassessor in Dinslaken trat Rosendahl 1913 als Stadtassessor in den Dienst seiner Heimatstadt Sterkrade. Dort heiratete er am 22.10.1913 Paula (1886-1936), Tochter des Gutsbesitzers Schulte-Ostrop zu Sterkrade-Buschhausen.
Bei Kriegsbeginn 1914 meldete sich Rosendahl zu den Fahnen und wurde als Ortskommandant einer Stadt in Flandern eingesetzt. Nachdem in Sterkrade, das noch keinen hauptamtlichen Beigeordneten hatte, der durch politische Querelen zermürbte Bürgermeister Dr. Eugen Arnold Carl Heinrich zur Nieden (1873-1937; Amtszeit 1906-1915) im Januar 1915 aus dem Amt geschieden war, wurde Rosendahl Ende Juli 1915 als Oberleutnant der Reserve aus dem Heer entlassen und zum Ersten Beigeordneten und Interimsbürgermeister von Sterkrade berufen. Seine Zeit als Bürgermeistereiverweser endete mit der Amtseinführung von Otto Most (1881-1971), dem Wunschkandidaten der mächtigen Gutehoffnungshütte, als neuem Bürgermeister am 3.1.1916.
Vom 19.6.1916 bis Ende Februar 1921 war Rosendahl Bürgermeister der Stadt Andernach, um die er sich unter anderem dadurch verdient machte, dass er östlich der Altstadt ein Gelände für die Ansiedlung von Industriebetrieben erschließen ließ, auf dem 1920/1921 die Vereinigte Stahlwerke van der Zypen und Wissener Eisenhütten-AG (Neuwied) ein Kaltwalzwerk errichtete. Rosendahl trat der Zentrumspartei bei und gehörte ihr bis zu der von der NS-Diktatur faktisch erzwungenen „Selbstauflösung" im Juli 1933 an.
Seine Tätigkeit in Andernach qualifizierte Rosendahl für das Bürgermeisteramt einer Großstadt, und er nutzte eine sich ihm 1920 bietende Gelegenheit zum Aufstieg. Am 1.3.1921 trat er als Nachfolger von Paul Mülhens, der zum ersten Präsidenten des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk berufen worden war, das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Hamborn an, die seit der Stadterhebung 1911 nach der Einwohnerzahl auf dem siebenten Platz der Revierstädte stand. In politisch-sozialer Hinsicht war Hamborn in den ersten drei Amtsjahren Rosendahls, wie schon seit November 1918, relativ unruhig (Arbeiterproteste gegen Lebensmittelteuerung, 1923 „Ruhrkampf").
Rosendahls Machtbasis in der Stadtverordnetenversammlung war eine Koalition von Zentrum, Polenpartei, SPD und DVP; dagegen stand als stärkste Oppositionspartei die KPD. Zu den Herausforderungen im Hamborn der 1920 er Jahre gehörten die Koordination des gegenüber den Leistungen der Vorkriegszeit kaum reduzierten Wohnungsbaues, die städtebauliche Abrundung des „Behörden-Forums" am Rathaus und der Ausbau der 1920 noch wenig substantiellen kulturellen Infrastruktur. In Rosendahls Amtszeit fallen die Gründungen der Stadtbibliothek (1922) und des städtischen Museums (1925) sowie die Kommunalisierung des Stadttheaters, das seit 1922 über zwei Spielstätten verfügte. Mit der größten Berufsschule in Preußen, einer großen Realschule, einem neuen Polizeigebäude und einem Hallenbad entstanden in dem noch wenig bebauten Bereich zwischen den zentralen Stadtteilen Alt-Hamborn und Marxloh vorbildliche Großbauten. Im westlichen Stadtgebiet baute die Stadt ein Stadion und legte den dritten Hamborner Stadtpark (Volkspark Schwelgern) an. 1923 schuf sich Hamborn ein großes Kindersanatorium in dem Luftkurort Ahlhorn in Oldenburg; auch der Ausbau des schulzahnärztlichen Dienstes und der Alkoholikerfürsorge galten als beispielhafte Leistungen der Hamborner Verwaltung. Rosendahl vertrat die Interessen der Gesamtheit der Einwohnerschaft auch in Auseinandersetzungen mit den größten lokalen Unternehmen, der August Thyssen-Hütte, der Gewerkschaft Friedrich Thyssen, der Thyssensche Gas- und Wasserwerke GmbH und der Gewerkschaft Neumühl, die als Gewerbesteuerzahler und Arbeitgeber die stärksten politischen Mächte in der Industriestadt waren; sein persönliches Verhältnis zu den Industriellen war von verbindlich-freundlicher Art.
Der Oberbürgermeister kämpfte erbittert gegen die seit Herbst 1927 drohende Eingemeindung der Stadt Hamborn nach Duisburg, die von einer großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wurde, konnte sich aber gegen den großen Einfluss seines Duisburger Amtskollegen Karl Jarres in der preußischen Politik und die Ministerialbürokratie in Berlin nicht durchsetzen. Nach der Bildung des neuen Stadtkreises „Duisburg-Hamborn" (seit 1935 nur noch „Duisburg") blieb Rosendahl noch sieben Monate im Hamborner Rathaus, wo er als stellvertretender Oberbürgermeister der Gesamtstadt die Verwaltungsgeschäfte auf die Duisburger Ämter überleitete.
Am 8.7.1931 wählten die Stadtverordneten von Koblenz Rosendahl zum Oberbürgermeister ihrer Stadt. Rosendahl erreichte eine erhebliche Verbesserung der hochproblematischen Verkehrsverhältnisse in Koblenz, vor allem durch den Bau einer neuen Moselbrücke. Die „Machtergreifung" der Nationalsozialisten am 30.1.1933 brachte Rosendahl in Schwierigkeiten. Nachdem er sich am 8.3.1933 unter Berufung auf den „Flaggenerlass" der preußischen Staatsregierung geweigert hatte, neben den Flaggen von Preußen und der Stadt Koblenz auch die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus hissen zu lassen, wurde er von den Koblenzer Nationalsozialisten physisch bedroht und für abgesetzt erklärt. Eine Beschwerde beim preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring (1893-1946) führte nicht zum erhofften Erfolg; Rosendahl wurde mit Wirkung vom 15. März zwangsbeurlaubt und am 1.8.1933 offiziell in den Ruhestand versetzt.
In der Zeit des Nationalsozialismus lebte Rosendahl in Essen-Bredeney und arbeitete als Rechtsanwalt. Von 1936 bis 1942 war er außerdem als Kaufmännischer Geschäftsführer des Duisburger Konstruktionsbüros L. Winkel & Co. tätig, das die von Leo Winkel (1895-1981), dem Leiter des Bauwesens der Thyssensche Gas- und Wasserwerke GmbH, erfundenen, zerstörungssicheren Bunkertürme (Spitzbunker) konstruierte.
Nach der schrittweisen Besetzung Essens durch US-amerikanische Truppen (31.3.-17.4.1945) wurde Rosendahl am 20.5.1945 von der Stadtkommandantur, die einem gemeinsamen Vorschlag der größten Parteien CDP (später CDU), SPD und KPD folgte, zum Oberbürgermeister ernannt. Nach der Ablösung der Amerikaner als Besatzungsmacht durch die Briten führten diese in ihrer Besatzungszone im Frühjahr 1946 eine neue Kommunalverfassung ein, in der die Funktionen der „alten" Oberbürgermeister auf zwei Personen verteilt wurden, den ehrenamtlichen „neuen" Oberbürgermeister als Ratsvorsitzenden und den hauptamtlichen, aber „unpolitischen" Oberstadtdirektor als Leiter der Stadtverwaltung. Rosendahl, dem die Wahl zwischen diesen Ämtern freigestellt wurde, entschied sich wie fast alle Kollegen im Rhein–Ruhr–Gebiet für den Chefsessel der Verwaltung.
Die vordringlichsten Aufgaben in Essen, der neben Dortmund am stärksten zerstörten Stadt im Ruhrgebiet, waren der Wiederaufbau der stark beschädigten Versorgungsnetze für Wasser und Energie und der Kanalisation, die Räumung von enormen Trümmermassen, die Beschaffung von Lebensmitteln für die Einwohnerschaft, die Bewirtschaftung des Wohnraums, von Hausbrandkohle und Textilien und die Instandsetzung der Schulen. Erst nach einiger Zeit konnten sich Rosendahl und der Baudezernent Sturm Kegel (1892-1979) mit der konkreten Planung für den Wiederaufbau der Stadtmitte beschäftigen. Die große Nachfrage nach Kohle beschleunigte die Wiederbelebung der Wirtschaft in Essen. Das Problem des Verlustes von rund 40.000 Arbeitsplätzen in den kriegszerstörten oder von 1947 bis 1951 demontierten Krupp-Betrieben („Krupp-Lücke") konnte nach der Gründung der „Industrieförderungsgesellschaft" durch die Stadt Essen und das Land Nordrhein-Westfalen am 17.12.1949 rascher als befürchtet gelöst werden.
Nachdem Differenzen zwischen ihm und dem im Dezember 1949 gewählten Oberbürgermeister Hans Toussaint (1902-1977) entstanden waren, legte Rosendahl zum 31.8.1950 sein Amt nieder und trat in den Vorstand der Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG (Essen) ein; sein Ressort bildete die Koordination der Unternehmenspolitik mit den Interessen der mehr als 60 kommunalen Anteilseigner des RWE (Städte, Kreise und Gemeinden). Im Alter von 71 Jahren schied Rosendahl 1955 aus dem Vorstand des Unternehmens aus. Als letzte Aufgabe verblieb ihm die Leitung der Öffentlichkeitsarbeit und die Koordinierung der Sammlung von Geldmitteln für den Wiederaufbau der im Luftkrieg zerstörten Essener Münsterkirche. 1955 wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Rosendahl starb am 23.4.1964 in Essen und wurde auf dem Abteifriedhof in Duisburg-Hamborn beigesetzt.
Literatur
Kanther, Michael A., Hugo Rosendahl (1884–1964). Ein Porträt, in: Das Münster am Hellweg, Jg. 1989, S. 82–119.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, Düsseldorf 1994, S. 701.
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Kanther, Michael A., Hugo Rosendahl, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hugo-rosendahl/DE-2086/lido/57cd2337e97790.72345189 (abgerufen am 07.12.2024)