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Mit Johannes Rethius fasste der Jesuitenorden in der Reichsstadt Köln Fuß, obwohl diese genau das hatte verhindern wollen. Als akademischer Lehrer und Prediger verankerte er den Orden und sein Kölner Kolleg jedoch fest am Rhein. Dabei half ihm seine Zugehörigkeit zur Kölner Oberschicht ebenso wie seine Entschiedenheit in der Sache. Zumindest teilweise gelang ihm eine Reform der Kölner Schul- und Universitätslandschaft.
Rethius wurde 1532 in Köln geboren. Humanistisch erzogen verwendete er zeitlebens die latinisierte Form seines Familiennamens von Reidt, der ihn als Abkömmling der bekannten Kölner Patrizierfamilie zu erkennen gibt. Sowohl sein Vater Johannes wie auch der gleichnamige Großvater (um 1470-1535) bekleideten mehrfach das Bürgermeisteramt. Über seine Mutter Katharina Kannengießer und deren Mutter Katharina Rinck war Rethius noch mit zwei weiteren mächtigen Geschlechtern verwandt. Er gehörte damit der stadtkölnischen Elite an, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von einer Form des christlichen Humanismus geprägt war.
In diesem Sinn besuchte Rethius die Kuckanerburse, eins der drei großen städtischen Gymnasien, an dem die humanistische Lehre zwar in besonderer Weise verwurzelt war, das jedoch insgesamt hinsichtlich seiner Akzeptanz und Stellung im Niedergang begriffen war. Nachdem Rethius 1550 den Magistergrad erworben hatte, setzte er seine Studien in Paris fort, wo er allerdings nur kurz blieb. Schon 1552 kehrte er nach Köln zurück und wurde Ordensmitglied der Jesuiten, mit denen er bereits seit 1546 in Verbindung gestanden hatte. Rethius hielt diese Mitgliedschaft jedoch vorläufig geheim, da er sich Karrierechancen am „Tricoronatum“ ausrechnete, wie die Kuckanerburse aufgrund der drei Kronen aus dem Kölner Stadtwappen über dem Eingangsportal auch genannt wurde. Deren Regens, der Humanist Johannes Leichius (gestorben 1584), hatte ihn als seinen Nachfolger ausersehen. Rethius entschied sich jedoch schließlich auf Anraten seines Ordensbruders Leonhard Kessel (1518-1574) dafür, sich öffentlich zum Jesuitenorden zu bekennen und das Tricoronatum vorläufig zu verlassen.
Er ging nach Rom, wo er am Collegium Romanum studierte. Dort lernte er unter anderem Ignatius von Loyola (1491-1556), den Gründer des Jesuitenordens, kennen und empfing aus seinen Händen die Priesterweihe. Kurz vor seinem Tod entsandte Loyola Rethius und andere rheinische Jesuiten, die sich in Rom aufhielten, nach Köln, um dort für die katholische Reform zu arbeiten und den Jesuitenorden gegen die Vorbehalte und Anfeindungen des Rates und des Klerus zu verteidigen. Die Errichtung eines Kollegs, wie es der jesuitischen Missionsarbeit entsprochen hätte, war dabei ausdrücklich nicht Auftrag der kleinen Gesandtschaft, zu der neben Rethius auch Franz Coster (1532-1619) und Heinrich Dionysius gehörten.
Entgegen der ursprünglichen Planung beantragten die Ordensbrüder beim Rat der Stadt Köln, ihnen die Leitung der Kuckanerburse zu übertragen. Hier konnte Rethius an seine Tätigkeit unter Leichius anknüpfen und gleichzeitig den Rat wegen des dringenden Reformbedarfs des Gymnasiums in Zugzwang bringen. Die Stadtoberen willigten schließlich ein, Rethius die Leitung zu übertragen, jedoch ausdrücklich „ad personam“, das heißt als Privatperson und nicht als Vertreter des Jesuitenordens. Außerdem wurde er zunächst nur für zwei Jahre zum Regens bestellt und musste dafür eine Gebühr von 25 Reichstalern entrichten. Allerdings begann Rethius sofort nach der Übernahme des Rektorats entgegen jeder Selbstverpflichtung mit der Umgestaltung der Burse im jesuitischen Sinn; die Einrichtung wurde fortan nur noch als „Kolleg“ bezeichnet. Der Rat duldete diese Entwicklung, einerseits wegen des großen Erfolgs, den Rethius und vor allem auch Dionysius als Prediger in der Stadt hatten und mit dem sie dem Gymnasium wieder Aufwind gaben. Andererseits konnte Rethius sich auf sein dichtes familiäres Netzwerk stützen, das nicht nur ins Patriziat reichte, sondern auch die führenden kirchlichen Intellektuellen umfasste. Besonders eng war seine Bindung an die Familie Gropper: mit Patroklus (1512-1558), dem Bruder des großen Johannes Gropper war er verschwägert, mit Johannes selbst verband Rethius eine enge Freundschaft. Der Rat, der juristisch noch der Träger des Tricoronatums war, nahm dann auch die positive Entwicklung und vor allem die deutlich steigenden Schülerzahlen zufrieden zur Kenntnis, so dass das Jahr 1556/1557 mit aller Berechtigung als Gründungsjahr des Kölner Jesuitenkollegs gelten darf. Der Erfolg Rethius‘ und der Jesuiten überhaupt gründete darauf, der breiten Masse der Bevölkerung die kirchliche Lehre verständlich zu machen. Katechismus und Evangelium wurden den Gläubigen in einfacher Sprache erläutert, religiöse Schriften ins Deutsche übersetzt und verlegt. So trug Rethius wesentlich zur Verbreitung der Schriften des Petrus Canisius im Rheinland bei und bemühte sich stets um geeignete Lektoren, Übersetzer und Autoren. Damit diese sich alleine auf ihre Aufgaben in Lehre und Seelsorge konzentrieren konnten, versuchte Rethius wann immer möglich Mäzene zu gewinnen, die ihnen den Lebensunterhalt finanzierten, oder ihnen Stiftspfründen zu verschaffen, aus deren Erträgen sie leben konnten. Zu den auf diese Weise Geförderten gehörten unter anderem Heinrich Fabritius (um 1540-1600) und auch Jakob Middendorp (1538-1611/1613); insbesondere letzteren umwarb Rethius heftig und verschaffte ihm, wiederum unter Ausnutzung seiner vielfältigen Kontakte, über Gottfried Gropper (1507-1571) eine Pfründe an St. Maria ad gradus, der einzigen heute nicht mehr existierenden romanischen Stiftskirche Kölns.
Allerdings erwartete Rethius von den so abgesicherten Gelehrten, dass sie nicht nur, wie es vielfach üblich gewesen war, die Einnahmen aus ihren Pfründen einstrichen, sondern mit derselben Arbeitskraft und Beharrlichkeit zu Werke gingen wie er selbst. In vielen Auseinandersetzungen mit den Stiftskapiteln und der Universität setzte er sich dafür ein, dass die Professoren ihre Vorlesungen selbst hielten und nicht von schlecht ausgebildeten Helfern vortragen ließen. Dadurch hoffte er die Qualität der Lehre zu heben, wie schon sein Vater es mit dem Entwurf einer Universitätsreform angestrebt hatte. Allerdings konnte Rethius sich hier nicht dauerhaft durchsetzen, vielleicht auch, weil die beiden Gropper-Brüder Johannes und Patroklus schon früh verstarben und Rethius mit ihnen wichtige Fürsprecher seines Anliegens verlor. Lediglich die Universitäten in Mainz und Trier konnte er von Köln aus mit jesuitischem Personal besetzen und neu ausrichten.
Vermutlich war Rethius‘ Haltung für den in dieser Zeit in konfessioneller Hinsicht noch moderaten Kölner Rat zu restriktiv. Stets hatte er sich für ein hartes Vorgehen gegen Neugläubige ausgesprochen; bereits während seiner frühen Lehrjahre zur Zeit des Reformationsversuchs des Erzbischofs Hermann von Wied notierte er ironisch, es sei nun schon etwas Besonders, wenn ein neuer Domkapitular einmal kein Häretiker sei. Als 1571 der junge bayrische Herzog Ernst in Köln vorstellig wurde, um die Chancen für seine Wahl zum Erzbischof auszuloten, wurde Rethius mit der theologischen Ausbildung des Aspiranten beauftragt. Er verzweifelte allerdings an Ernsts sehr weltlichem Charakter, den er trotz jesuitischer Ausbildung behalten hatte, und nutzte die Gelegenheit, um alle Kölner Erzbischöfe seiner Zeit seit Adolf von Schaumburg für ungeeignet zu erklären. An den Ordensprovinzial Hermann Thyräus schrieb er: Wenn Gott in seinem Erbarmen nicht gewacht hätte, wären die Wölfe eingedrungen und hätten die Schafe zerstreut. Ähnliche Äußerungen finden sich in seinem Tagebuch, das sich als einzigartiges Selbstzeugnis eines frühneuzeitlichen deutschen Jesuiten erhalten hat.
Im Jahr 1573 reiste Rethius als Deputierter der niederrheinischen Ordensprovinz zur Wahl der Ordensoberen noch einmal nach Rom. Bald nach seiner Rückkehr wurde er von dem offenbar geistig verwirrten Jesuiten Gerhard Pesch gemeinsam mit seinen Lehrerkollegen am Tricoronatum, Nicolas Faber und Leonhard Kassel, der ihn einst überzeugt hatte, sich zu seiner Ordensmitgliedschaft zu bekennen, auf dem Schulhof des Gymnasiums ermordet. Er starb am 26.10.1574.
Literatur (Auswahl)
Finger, Heinz (Hg.), Die Anfänge der Gesellschaft Jesu und das erste Jesuitenkolleg in Köln. Eine Ausstellung der Diözesan- und Dombibliothek Köln in Zusammenarbeit mit der Deutschen Provinz der Jesuiten zum Ignatianischen Jahr 2006, Köln 2006.
Holt, Paul, Aus dem Tagebuch des Johann Rethius 1571-74. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte und zur stadtkölnischen Politik, Teil I in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 20 (1938), S. 77-138; Teil II in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 21 (1939), S. 47-110.
Kuckhoff, Josef, Johannes Rethius, der Organisator des katholischen Schulwesens in Deutschland im 16. Jahrhundert, Düsseldorf 1929.
Meuthen, Erich, Kölner Universitätsgeschichte, Band 1: Die alte Universität, Köln 1988.
Schilling, Lothar, Johannes Rethius, in: Rheinische Lebensbilder 12 (1991), S. 111-140.
Tewes, Götz-R., Die Bursen der Kölner Artisten-Fakultät bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Köln 1993.
Online
Meuthen, Erich, Kleine Kölner Universitätsgeschichte. [Online]
Schilling, Lothar, Rethius, Johannes, in: NDB 21 (2003), S. 446-447. [Online]
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Bock, Martin, Johannes Rethius, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-rethius/DE-2086/lido/57cd1d9f55ba08.78869109 (abgerufen am 09.12.2024)