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Karl von Bock und Polach hat sich in einer dynamischen Epoche der Geschichte Mülheims um deren Entwicklung hin zur modernen Industriestadt verdient gemacht.
Der aus alter preußischer Offiziersfamilie stammende Karl von Bock und Polach wurde am 28.10.1840 in Mainz als Sohn des preußischen Artillerie-Hauptmanns Ernst Friedrich Wilhelm von Bock und Polach (1799 –1849) und dessen Frau Luise Karoline Maria von Nordeck (1815–1892) geboren. Seine Schulbildung erhielt er auf der Bürgerschule zu Münster und in der preußischen Kadettenanstalt Bensberg. Als Offizier nahm er 1864 am Deutsch-Dänischen und 1866 am Preußisch-Österreichischen Krieg teil, bevor er 1868 aus dem aktiven Militärdienst ausschied und eine zivile Laufbahn in der Kommunalverwaltung einschlug.
Nach beruflichen Stationen in Hüsten, Soest, Laasphe, Arnsberg, Langerfeld und Herne kam er im Jahre 1879 nach Mülheim an der Ruhr. Dort hatte im Vorjahr Bürgermeister Heinrich Bang (1838 – 1896, Amtszeit 1873–1878) sein Amt vorzeitig niedergelegt, so dass die Stelle vakant war. Karl von Bock erkannte eine Karrierechance, bot doch seine Stellung als Amtmann in Herne weitaus weniger Gestaltungsmöglichkeiten und Prestige als die eines Mülheimer Bürgermeisters. Seine Bewerbung hatte Erfolg und so wurde er 1879 von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig gewählt. Für mehr als 20 Jahre bestimmte er von da an die Mülheimer Kommunalpolitik und die Entwicklung der aufstrebenden Stadt.
Aus der Ehe mit Maria Theresia von Bernuth (1850–1928) gingen vier Söhne und zwei Töchter hervor.
Von Bock hat sich in besonderem Maße um die bauliche Weiterentwicklung der stetig wachsenden Industriestadt an der Ruhr bemüht. Sein besonderes Augenmerk galt der Verbesserung der Wege und Plätze, aber auch der Schaffung neuer, zeitgemäßer Einrichtungen der kommunalen Infrastruktur und Daseinsvorsorge. So sorgte er 1886 für die Übernahme der bereits seit 1855 bestehenden Gasanstalt in städtische Regie und deren administrativer Vereinigung mit den städtischen Wasserwerken. Am 1.1.1889 nahm die erste kommunale Müllabfuhr Mülheims ihren Dienst auf. Auch im Sparkassenwesen machte sich von Bock einen Namen, indem er als einer der Gründerväter des heutigen “Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes” 1881 die Idee vom Zusammenschluss kommunaler Sparkassen umsetzte, und zwar als Zusammenschluss der Sparkassen Mülheim an der Ruhr, Essen, Steele (heute Stadt Essen) und Bochum.
Welche Bedeutung von Bock der Weiterentwicklung der kommunalen Infrastruktur auf technisch höchstem und modernstem zeitgenössischen Niveau beimaß, zeigen die Anfänge der Mülheimer Straßenbahn und deren Umstellung auf elektrischen Betrieb; beide Maßnahmen fallen in seine Amtszeit. 1888 wurde die erste Dampfstraßenbahn zwischen dem Mülheimer Stadtteil Broich und der benachbarten Stadt Duisburg eröffnet. Eine Weiterführung der Strecke über die Kettenbrücke auf das Mülheimer Ruhrufer scheiterte zunächst an der zu geringen Tragfähigkeit der alten Brücke. Mit dem Aufkommen der elektrischen Straßenbahnen wurde deren Einrichtung auch in Mülheim an der Ruhr aktuell: im Juli 1896 begann die Firma “AG. Elektrizitätswerke (vorm. O. Kummer & Cie.)” mit dem Bau einer elektrischen Straßenbahnstrecke. Am 9.7.1897 wurde die erste elektrische Straßenbahn Mülheims, die die Strecke Kahlenberg – Rathausmarkt – Styrum – Oberhausen sowie die Strecke Rathausmarkt – Körnerstraße befuhr, eröffnet. Die Gesamtlänge des zumeist eingleisigen Streckennetzes betrug zu diesem Zeitpunkt 12,5 Kilometer, die von sieben Motorwagen in einem 15-Minuten-Takt befahren wurden. Diese erste Linie war so erfolgreich, dass noch im Eröffnungsjahr die Taktzeit halbiert und sechs weitere Motorwagen angeschafft werden konnten. In den darauf folgenden Jahren wurde das Streckennetz stetig erweitert und noch heute prägt die “Elektrische” den Personennahverkehr in der Stadt an der Ruhr.
Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877, das 1879 in Kraft trat, wurde Mülheim an der Ruhr Sitz eines Amtsgerichts. für das nach provisorischen Unterbringungen der Bau eines eigenen Gebäudes notwendig wurde. Unter Führung von Bocks machte die Stadt der Justizverwaltung ein Angebot, das 1898 angenommen wurde: Die Stadt stellte kostenlosen Baugrund zur Verfügung und errichtete auf eigene Kosten das Gerichtsgebäude, das an die Justizverwaltung vermietet wurde, so dass der Forderung der Stadt, durch das Projekt dürften ihr keine “Geldopfer” auferlegt werden, erfüllt war. Von Bock erlebte die Fertigstellung des Bauwerks, an dessen Realisierung er erheblichen Anteil gehabt hatte, nicht mehr.
Ein ähnlich stadtbildprägendes Gebäude war das Kaiserliche Postamt, das zwischen 1894 und 1897 auf dem “Schollenfeld” errichtet wurde; der Bau gab einen wichtigen Impuls für die bauliche Entwicklung eines der markantesten Innenstadtplätze Mülheims und war bei seiner Errichtung eines der größten öffentlichen Gebäude der Stadt (heute Nutzung als “Kunstmuseum in der Alten Post”).
Ein besonderer Erfolg gelang von Bock mit der Errichtung einer Militärgarnison in der Stadt. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung seit Mitte der 1890er Jahre mehrmals über die Verlegung einer Militärgarnison nach Mülheim beraten hatte, wurde von Bock beauftragt, beim preußischen Kriegsminister die Stationierung eines der neuen Regimenter in Mülheim zu beantragen. Obwohl sich Kaiser Wilhelm II. (Regentschaft 1888-1918) stets dagegen ausgesprochen hatte, Kasernen und Universitäten im Ruhrgebiet zu errichten – Soldaten und Studenten brächten zu viel Unruhe in die ohnehin suspekte Arbeiterbevölkerung – wurde im März 1897 durch Kabinettsordre die Verlegung des 8. Lothringischen Infanterieregiments Nr. 159 nach Mülheim beschlossen. Als einzige Ruhrgebietsstadt wurde Mülheim damit zur Garnison. Angesichts seiner gesellschaftlichen Bedeutung und des hohen Prestiges des Militärs im wilhelminischen Deutschland, war dies ein bedeutender Erfolg, der allerdings auch seinen Preis hatte: die Stadt musste die Errichtung der immerhin 16 Kasernengebäude selbst finanzieren. Für die zunächst vereinbarte Nutzungsdauer von 25 Jahren sollte der Militärfiskus die Gebäude dann mieten. Während eine Frankfurter Baufirma die Bauten errichtete, wurde die Innenausstattung bei einheimischen Handwerksbetrieben in Auftrag gegeben. Die Kaserne konnte am 29.3.1899 bezogen werden. Die Gebäude wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr als Kaserne genutzt und dienten bis zum Abriss 1975 als Wohn-, Schul- und Verwaltungsbauten.
Die hohe Wertschätzung, die Karl von Bock bei seinen Zeitgenossen wie der Obrigkeit genoss, drückte sich auch darin aus, dass er für seine Verdienste um die Stadt Mülheim an der Ruhr nach seiner erneut einstimmigen Wiederwahl im Jahre 1895 per Kabinettsordre zum Oberbürgermeister ernannt wurde. Dieser Titel war eigentlich nur in Großstädten üblich, was Mülheim erst im Jahre 1908 mit Erreichen des 100.000. Einwohners wurde. Von Bock war es nicht vergönnt, sich lange an dieser Auszeichnung zu erfreuen. Schwer krank war er seit 1899 nicht mehr in der Lage, sein Amt auszufüllen, so dass bis zu seinem Tode am 29.1.1902 der städtische Beigeordnete Erich von Wedelstädt (1858–1915) die Amtsgeschäfte kommissarisch führte.
Karl von Bock wurden hohe Auszeichnungen zuteil, unter anderem der Rote Adlerorden mit Schwertern und der Kronenorden mit Schwertern. In Anerkennung seiner Verdienste wurde 1914 in der Stadt eine Straße nach ihm benannt.
Literatur
Güllenstern, Elleonore, Alle meine Vorgänger, in: Mülheimer Jahrbuch 1983, S. 42– 2.
Op ten Höfel, Rudolf, Sie lenkten und lenken die Geschicke der Stadt Mülheim seit 150 Jahren. Mülheimer Bürgermeister 1808 – 1958, in: Mülheimer Jahrbuch 1958. S. 33–40.
Zeugen der Stadtgeschichte. Baudenkmäler und historische Orte in Mülheim an der Ruhr, hg. v. Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr, Essen 2008.
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Rawe, Kai, Karl von Bock und Polach, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-von-bock-und-polach/DE-2086/lido/57c5847600fd33.33805148 (abgerufen am 05.11.2024)