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Zum Zeitpunkt des Todes von Erzbischof Clemens August stand die bayrische Linie der Wittelsbacher vor dem Aussterben, sein Neffe Kurfürst Maximilian III. Joseph (1727-1777) war der letzte männliche Vertreter. Nach fast zwei Jahrhunderten musste also im Jahr 1761 erstmals ein Kölner Erzbischof gewählt werden, der nicht aus dem Umfeld des Münchener Hofes stammte. Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels war dabei ein Kompromisskandidat, der allen unterschiedlichen Interessen gerecht wurde, schon allein dadurch, dass er selbst keine Ambitionen für eine persönliche Regentschaft zeigte. Diese überließ er gänzlich seinem Kanzler Caspar Anton von Belderbusch.
Maximilian Friedrich brachte indes ideale Voraussetzungen für die Nachfolge der Wittelsbacher Erzbischöfe mit. Als Sohn des Reichsgrafen Albert Eusebius von Königsegg-Rothenfels (1669-1736) entstammte er einer alten und etablierten süddeutschen Familie, die bereits im 17. Jahrhundert an Gewicht im Domkapitel gewonnen hatte. Über seine Mutter, Maria Clara von Manderscheid-Blankenheim (1667-1751), war er verwandtschaftlich eng mit einer der führenden Familien im Erzstift und deren zahlreichen Vertretern im Domkapitel verbunden. Geboren wurde er am 13.5.1708 in Köln auf dem Königseggschen Hof in der Glockengasse und am Tag darauf in der Pfarrkirche St. Kolumba getauft; damit hatte er schon geographisch enge Bindung an seine spätere Landesherrschaft. Als fünfter Sohn blieb ihm nur die geistliche Laufbahn, denn die elterliche Herrschaft war klein und kaum begütert. 1722 wurde Maximilian Friedrich Domherr in Straßburg, 1725 auch in Köln. Durch seine zeitgleiche Ausbildung unter anderem an der Altöttinger Jesuitenschule stand er darüber hinaus gedanklich in einer gut katholischen und damit gewissermaßen bayrischen Tradition, so dass, als es später um seine kurkölnische Kandidatur ging, keine Seite Einwände gegen seine Person geltend machen konnten.
1756 empfing er die Priesterweihe und war damit seit mehreren hundert Jahren der erste Kölner Erzbischof, der bereits zum Zeitpunkt seiner Wahl über die höheren Weihen verfügte. Dahinter stand eine große persönliche Frömmigkeit; die Wahrnehmung seiner priesterlichen und bischöflichen Aufgaben sollten der einzige Bereich bleiben, in dem Maximilian Friedrich sich zumindest zeitweise persönlich engagierte. Im gleichen Jahr konnte er als Nachfolger seines älteren Bruders Joseph Maria Sigismund (1700-1756) die Kölner Domdechanei erwerben, so dass er sich in einer guten Ausgangsposition für die Nachfolge Clemens Augusts befand. Bei dessen Tod war Maximilian Friedrich außerdem immerhin bereits im vorgerückten Alter von 53 Jahren und damit kaum jünger als der verstorbene Kurfürst selbst. Ein jahrzehntelanges Episkopat, wie die fünf Wittelsbacher Erzbischöfe es jeweils inne gehabt hatten, stand damit nicht zu erwarten, und Maximilian Friedrich erscheint damit nach der langen bayrischen Herrschaft durchaus als eine Übergangslösung, mit der sich alle Beteiligten arrangieren konnten. Dies galt umso mehr vor dem Hintergrund des Siebenjährigen Krieges: nach der ehrgeizigen, aber für das Erzstift katastrophalen und von Bayern bestimmten Außenpolitik in der ersten Jahrhunderthälfte wollte das Domkapitel bewusst keinen Kandidaten wählen, der als klarer Parteigänger einer der Krieg führenden Mächte bekannt war. Insofern waren die Bemühungen des letzten möglichen Wittelsbacher Anwärters, Clemens Augusts‘ Bruder Johann Theodor (1703-1763), der stark von Frankreich protegiert wurde, kaum aussichtsreich. Als Papst Clemens XIII. (Pontifikat 1758-1769) ihm wenige Wochen vor dem angesetzten Wahltermin wegen seines unsittlichen Lebenswandels das notwendige Wählbarkeitsbreve verweigerte, blieb der Königsegger der einzige Kandidat.
Die Wahl Maximilian Friedrichs zum Erzbischof erfolgte dann am 6.4.1761 auch einstimmig. Ein gutes Jahr später wurde er dank niederländischer Unterstützung außerdem Bischof von Münster, 1765 folgte die Administration von Osnabrück. Dass er das Paderborner Episkopat nicht auch noch erhielt, war ein Zugeständnis an Frankreich und zeigt, wie sehr die Besetzung der geistlichen Fürstentümer zu einem Politikum zwischen den europäischen Mächten geworden war, deren außenpolitische Interessen die dynastischen Ambitionen der Adelsfamilien verdrängt hatte. Auch insofern ist das Ende der Wittelsbacher-Herrschaft in Kurköln als Zäsur zu sehen. Aus den Regierungsgeschäften hielt Maximilian Friedrich sich fast vollständig heraus. Er wird als liebenswürdiger, frommer und prinzipientreuer Mensch beschrieben. Wenige Wochen nach seiner Wahl ließ er sich vom apostolischen Nuntius Cesare Alberico Lucini (1730-1768) in der Bonner Hofkapelle zum Bischof weihen; den innerkirchlichen Reformbewegungen oder der Aufklärung öffnete er sich, anders als sein Nachfolger Maximilian Franz, nicht. Wenn es Impulse zur Modernisierung gab, so gingen sie von seinem ersten Minister Caspar Anton von Belderbusch aus. Belderbusch, der als Hofkammerpräsident schon unter Clemens August die Staatsfinanzen geleitet hatte, zog nach und nach alle verantwortlichen Regierungsfunktionen auf sich und avancierte zum alleinigen Premierminister. Der aufwändigen Hofhaltung Clemens Augusts setzte er eine straffe Neuordnung des Kameral- und Zollwesens entgegen, Kunstgegenstände wurden verkauft, der Hofstaat verkleinert und neue Steuern eingeführt. Dadurch verbesserte sich die Haushaltslage deutlich; der Wirtschaftsstandort Kurköln sollte durch die Ansiedlung von Manufakturen gestärkt und die Staatsverfassung durch eine systematische Sammlung von Gesetzen und Erlassen geordnet werden – ersteres gelang allerdings nicht in dem erwünschten Maß, so dass Kurköln ökonomisch unbedeutend blieb.
Belderbuschs Regierungsweise ist dem aufgeklärten Absolutismus verwandt; von Staaten wie Preußen unterschied das mittelgroße und international wenig bedeutende Kurköln die expansive Außenpolitik, so dass die Früchte der Konsolidierungspolitik nicht in den Militärhaushalt flossen, sondern dem Gemeinwesen insgesamt zugute kamen und den Satz vom Krummstab, unter dem gut leben ist, begründeten. Die von der konsequenten Sparpolitik unmittelbar Betroffenen, etwa die Hofbeamten, dichteten jedoch unter Anspielung auf die jeweiligen Wappenfarben: „Unter Clemens August, blau und weiß, da lebte man wie im Paradeis. Bei Max Friedrich trug man sich in schwarz und rot, da litt man Hunger, wie die schwere Not.“
In der Tradition der aufgeklärten Geisteshaltung standen auch die Gründungen der Akademien in Bonn (1777/1784) und Münster (1773/1780), aus denen im 19. Jahrhundert die jeweiligen Universitäten hervorgingen. Wiederum waren es seine Berater und Minister, die der Aufklärung in Kurköln den Weg bereiteten, Maximilian Friedrich selbst war nach dem Urteil des Nuntius Lucini „ein Feind von Disputen und Kontroversen“ und war wenig geneigt, sich mit anderen gedanklich auseinander zu setzen. Im Bereich der Theologie fehlte im dazu auch die nötige Ausbildung. Selbst am Hof ließ er andere gewähren und sah Intrigen und Skandalen, in die etwa seine Großnichte Franziska von Taxis verwickelt war, tatenlos zu. Auch hier scheute er, Verantwortung zu übernehmen und sich durchzusetzen und überließ das Feld Belderbusch, der als der eigentliche Kopf nicht nur der Regierung, sondern des ganzen Kurstaates gelten muss. Sogar die Sukzession regelte der Kanzler selbst: die habsburgische Nachfolge fädelte er gegen preußischen Widerstand ein und sicherte sich damit nicht nur eine Zuwendung von 100.000 Gulden, sondern auch die Erhebung zum Reichsgrafen durch den Kaiser.
Fast scheint es, als sei mit Belderbuschs Tod Anfang 1784 auch die Kraft erloschen, die Erzbischof Maximilian Friedrich am Leben erhielt. Bereits seit 1771 ernsthaft erkrankt, starb er am 15.4.1784 nur wenige Wochen nach seinem ersten Minister. Als letzter Erzbischof wurde er vor der Dreikönigenkapelle im Chorumgang des Kölner Domes beigesetzt. Wenn auch von ihm selbst wenig blieb: die Regierung Belderbuschs hatte Kurköln nach über 170 Jahren Wittelsbachischer Herrschaft zukunftsfähig gemacht und der Aufklärung den Weg bereitet.
Literatur (Auswahl)
Braubach, Max, Die Außenpolitik Maximilians von Königseck-Rotenfels, Kurfürst von Köln und Fürstbischof von Münster (1761–84), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederhein 115 (1929), S. 330-353.
Gatz, Erwin, Max Friedrich Reichsgraf von Königsegg und Rothenfels (1708-1784), in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1803, Berlin 1990, S. 231-233.
Hegel, Eduard, Das Erzbistum Köln zwischen Barock und Aufklärung. Vom Pfälzischen Krieg bis zum Ende der französischen Zeit 1688–1814 (Geschichte des Erzbistums Köln 4), Köln 1979, S. 59-65.
Penning, Wolf D., Caspar Anton Belderbusch (1722-1784). Persönlichkeit und Politik im Umkreis dreier Kurfürsten. Ein Beitrag zur Geschichte des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Kurköln, in: Zehnder, Frank G., Im Wechselspiel der Kräfte. Politische Entwicklungen des 17. und 18. Jahrhunderts in Kurköln, Köln 1999, S. 96-159.
Siebert, Susanne, Artikel „Max Friedrich v. Königsegg-Rotenfels“, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon IV (1992), Sp. 289.
Stoecker, Wilhelm, Die Wahl Maximilians von Königsegg-Rothenfels zum Erzbischof von Köln und Bischof von Münster 1761/82, o. O. 1910.
Online
Erzbischof Maximilian Friedrich v. Königsegg-Rothenfels(Information auf der Website des Kölner Doms). [Online]
Christ, Günter, Artikel „Maximilian Friedrich Graf von Königsegg-Rothenfels“, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 356. [Online]
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Bock, Martin, Maximilian Friedrich von Königsegg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/maximilian-friedrich-von-koenigsegg/DE-2086/lido/57c949e3c96ef0.50295102 (abgerufen am 06.12.2024)