Maximilian Friedrich von Königsegg

Erzbischof und Kurfürst von Köln (1761-1784)

Martin Bock (Frechen)

Maximilian Friedrich von Königsegg, Gemälde im Kapitelsaal des Kölner Domes, um 1718, Foto: Reinhard Matz und Axel Schenk. (Dombauarchiv Köln)

Zum Zeit­punkt des To­des von Erz­bi­schof Cle­mens Au­gust stand die bay­ri­sche Li­nie der Wit­tels­ba­cher vor dem Aus­ster­ben, sein Nef­fe Kur­fürst Ma­xi­mi­li­an III. Jo­seph (1727-1777) war der letz­te männ­li­che Ver­tre­ter. Nach fast zwei Jahr­hun­der­ten muss­te al­so im Jahr 1761 erst­mals ein Köl­ner Erz­bi­schof ge­wählt wer­den, der nicht aus dem Um­feld des Mün­che­ner Ho­fes stamm­te. Ma­xi­mi­li­an Fried­rich von Kö­nigs­egg-Ro­then­fels war da­bei ein Kom­pro­miss­kan­di­dat, der al­len un­ter­schied­li­chen In­ter­es­sen ge­recht wur­de, schon al­lein da­durch, dass er selbst kei­ne Am­bi­tio­nen für ei­ne per­sön­li­che Re­gent­schaft zeig­te. Die­se über­ließ er gänz­lich sei­nem Kanz­ler Cas­par An­ton von Bel­der­busch.

Ma­xi­mi­li­an Fried­rich brach­te in­des idea­le Vor­aus­set­zun­gen für die Nach­fol­ge der Wit­tels­ba­cher Erz­bi­schö­fe mit. Als Sohn des Reichs­gra­fen Al­bert Eu­se­bi­us von Kö­nigs­egg-Ro­then­fels (1669-1736) ent­stamm­te er ei­ner al­ten und eta­blier­ten süd­deut­schen Fa­mi­lie, die be­reits im 17. Jahr­hun­dert an Ge­wicht im Dom­ka­pi­tel ge­won­nen hat­te. Über sei­ne Mut­ter, Ma­ria Cla­ra von Man­der­scheid-Blan­ken­heim (1667-1751), war er ver­wandt­schaft­lich eng mit ei­ner der füh­ren­den Fa­mi­li­en im Erz­stift und de­ren zahl­rei­chen Ver­tre­tern im Dom­ka­pi­tel ver­bun­den. Ge­bo­ren wur­de er am 13.5.1708 in Köln auf dem Kö­nigs­egg­schen Hof in der Glo­cken­gas­se und am Tag dar­auf in der Pfarr­kir­che St. Ko­lum­ba ge­tauft; da­mit hat­te er schon geo­gra­phisch en­ge Bin­dung an sei­ne spä­te­re Lan­des­herr­schaft. Als fünf­ter Sohn blieb ihm nur die geist­li­che Lauf­bahn, denn die el­ter­li­che Herr­schaft war klein und kaum be­gü­tert. 1722 wur­de Ma­xi­mi­li­an Fried­rich Dom­herr in Straß­burg, 1725 auch in Köln. Durch sei­ne zeit­glei­che Aus­bil­dung un­ter an­de­rem an der Alt­öt­tin­ger Je­sui­ten­schu­le stand er dar­über hin­aus ge­dank­lich in ei­ner gut ka­tho­li­schen und da­mit ge­wis­ser­ma­ßen bay­ri­schen Tra­di­ti­on, so dass, als es spä­ter um sei­ne kur­k­öl­ni­sche Kan­di­da­tur ging, kei­ne Sei­te Ein­wän­de ge­gen sei­ne Per­son gel­tend ma­chen konn­ten.

 

1756 emp­fing er die Pries­ter­wei­he und war da­mit seit meh­re­ren hun­dert Jah­ren der ers­te Köl­ner Erz­bi­schof, der be­reits zum Zeit­punkt sei­ner Wahl über die hö­he­ren Wei­hen ver­füg­te. Da­hin­ter stand ei­ne gro­ße per­sön­li­che Fröm­mig­keit; die Wahr­neh­mung sei­ner pries­ter­li­chen und bi­schöf­li­chen Auf­ga­ben soll­ten der ein­zi­ge Be­reich blei­ben, in dem Ma­xi­mi­li­an Fried­rich sich zu­min­dest zeit­wei­se per­sön­lich en­ga­gier­te. Im glei­chen Jahr konn­te er als Nach­fol­ger sei­nes äl­te­ren Bru­ders Jo­seph Ma­ria Si­gis­mund (1700-1756) die Köl­ner Dom­de­chanei er­wer­ben, so dass er sich in ei­ner gu­ten Aus­gangs­po­si­ti­on für die Nach­fol­ge Cle­mens Au­gusts be­fand. Bei des­sen Tod war Ma­xi­mi­li­an Fried­rich au­ßer­dem im­mer­hin be­reits im vor­ge­rück­ten Al­ter von 53 Jah­ren und da­mit kaum jün­ger als der ver­stor­be­ne Kur­fürst selbst. Ein jahr­zehn­te­lan­ges Epis­ko­pat, wie die fünf Wit­tels­ba­cher Erz­bi­schö­fe es je­weils in­ne ge­habt hat­ten, stand da­mit nicht zu er­war­ten, und Ma­xi­mi­li­an Fried­rich er­scheint da­mit nach der lan­gen bay­ri­schen Herr­schaft durch­aus als ei­ne Über­gangs­lö­sung, mit der sich al­le Be­tei­lig­ten ar­ran­gie­ren konn­ten. Dies galt um­so mehr vor dem Hin­ter­grund des Sie­ben­jäh­ri­gen Krie­ges: nach der ehr­gei­zi­gen, aber für das Erz­stift ka­ta­stro­pha­len und von Bay­ern be­stimm­ten Au­ßen­po­li­tik in der ers­ten Jahr­hun­dert­hälf­te woll­te das Dom­ka­pi­tel be­wusst kei­nen Kan­di­da­ten wäh­len, der als kla­rer Par­tei­gän­ger ei­ner der Krieg füh­ren­den Mäch­te be­kannt war. In­so­fern wa­ren die Be­mü­hun­gen des letz­ten mög­li­chen Wit­tels­ba­cher An­wär­ters, Cle­mens Au­gusts‘ Bru­der Jo­hann Theo­dor (1703-1763), der stark von Frank­reich pro­te­giert wur­de, kaum aus­sichts­reich. Als Papst Cle­mens XIII. (Pon­ti­fi­kat 1758-1769) ihm we­ni­ge Wo­chen vor dem an­ge­setz­ten Wahl­ter­min we­gen sei­nes un­sitt­li­chen Le­bens­wan­dels das not­wen­di­ge Wähl­bar­keits­bre­ve ver­wei­ger­te, blieb der Kö­nigs­eg­ger der ein­zi­ge Kan­di­dat.

Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels, Wilhelm Christian Rücke (1720-1774), Original im Kölnischen Stadtmuseum, Graphische Sammlung. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

 

Die Wahl Ma­xi­mi­li­an Fried­richs zum Erz­bi­schof er­folg­te dann am 6.4.1761 auch ein­stim­mig. Ein gu­tes Jahr spä­ter wur­de er dank nie­der­län­di­scher Un­ter­stüt­zung au­ßer­dem Bi­schof von Müns­ter, 1765 folg­te die Ad­mi­nis­tra­ti­on von Os­na­brück. Dass er das Pa­der­bor­ner Epis­ko­pat nicht auch noch er­hielt, war ein Zu­ge­ständ­nis an Frank­reich und zeigt, wie sehr die Be­set­zung der geist­li­chen Fürs­ten­tü­mer zu ei­nem Po­li­ti­kum zwi­schen den eu­ro­päi­schen Mäch­ten ge­wor­den war, de­ren au­ßen­po­li­ti­sche In­ter­es­sen die dy­nas­ti­schen Am­bi­tio­nen der Adels­fa­mi­li­en ver­drängt hat­te. Auch in­so­fern ist das En­de der Wit­tels­ba­cher-Herr­schaft in Kur­k­öln als Zä­sur zu se­hen. Aus den Re­gie­rungs­ge­schäf­ten hielt Ma­xi­mi­li­an Fried­rich sich fast voll­stän­dig her­aus. Er wird als lie­bens­wür­di­ger, from­mer und prin­zi­pi­en­treu­er Mensch be­schrie­ben. We­ni­ge Wo­chen nach sei­ner Wahl ließ er sich vom apos­to­li­schen Nun­ti­us Cesa­re Al­be­ri­co Lu­ci­ni (1730-1768) in der Bon­ner Hof­ka­pel­le zum Bi­schof wei­hen; den in­ner­kirch­li­chen Re­form­be­we­gun­gen oder der Auf­klä­rung öff­ne­te er sich, an­ders als sein Nach­fol­ger Ma­xi­mi­li­an Franz, nicht. Wenn es Im­pul­se zur Mo­der­ni­sie­rung gab, so gin­gen sie von sei­nem ers­ten Mi­nis­ter Cas­par An­ton von Bel­der­busch aus. Bel­der­busch, der als Hof­kam­mer­prä­si­dent schon un­ter Cle­mens Au­gust die Staats­fi­nan­zen ge­lei­tet hat­te, zog nach und nach al­le ver­ant­wort­li­chen Re­gie­rungs­funk­tio­nen auf sich und avan­cier­te zum al­lei­ni­gen Pre­mier­mi­nis­ter. Der auf­wän­di­gen Hof­hal­tung Cle­mens Au­gusts setz­te er ei­ne straf­fe Neu­ord­nung des Ka­me­ral- und Zoll­we­sens ent­ge­gen, Kunst­ge­gen­stän­de wur­den ver­kauft, der Hof­staat ver­klei­nert und neue Steu­ern ein­ge­führt. Da­durch ver­bes­ser­te sich die Haus­halts­la­ge deut­lich; der Wirt­schafts­stand­ort Kur­k­öln soll­te durch die An­sied­lung von Ma­nu­fak­tu­ren ge­stärkt und die Staats­ver­fas­sung durch ei­ne sys­te­ma­ti­sche Samm­lung von Ge­set­zen und Er­las­sen ge­ord­net wer­den – ers­te­res ge­lang al­ler­dings nicht in dem er­wünsch­ten Maß, so dass Kur­k­öln öko­no­misch un­be­deu­tend blieb.

Bel­der­buschs Re­gie­rungs­wei­se ist dem auf­ge­klär­ten Ab­so­lu­tis­mus ver­wandt; von Staa­ten wie Preu­ßen un­ter­schied das mit­tel­gro­ße und in­ter­na­tio­nal we­nig be­deu­ten­de Kur­k­öln die ex­pan­si­ve Au­ßen­po­li­tik, so dass die Früch­te der Kon­so­li­die­rungs­po­li­tik nicht in den Mi­li­tär­haus­halt flos­sen, son­dern dem Ge­mein­we­sen ins­ge­samt zu­gu­te ka­men und den Satz vom Krumm­stab, un­ter dem gut le­ben ist, be­grün­de­ten. Die von der kon­se­quen­ten Spar­po­li­tik un­mit­tel­bar Be­trof­fe­nen, et­wa die Hof­be­am­ten, dich­te­ten je­doch un­ter An­spie­lung auf die je­wei­li­gen Wap­pen­far­ben: „Un­ter Cle­mens Au­gust, blau und weiß, da leb­te man wie im Pa­ra­deis. Bei Max Fried­rich trug man sich in schwarz und rot, da litt man Hun­ger, wie die schwe­re Not.“

In der Tra­di­ti­on der auf­ge­klär­ten Geis­tes­hal­tung stan­den auch die Grün­dun­gen der Aka­de­mi­en in Bonn (1777/1784) und Müns­ter (1773/1780), aus de­nen im 19. Jahr­hun­dert die je­wei­li­gen Uni­ver­si­tä­ten her­vor­gin­gen. Wie­der­um wa­ren es sei­ne Be­ra­ter und Mi­nis­ter, die der Auf­klä­rung in Kur­k­öln den Weg be­rei­te­ten, Ma­xi­mi­li­an Fried­rich selbst war nach dem Ur­teil des Nun­ti­us Lu­ci­ni „ein Feind von Dis­pu­ten und Kon­tro­ver­sen“ und war we­nig ge­neigt, sich mit an­de­ren ge­dank­lich aus­ein­an­der zu set­zen. Im Be­reich der Theo­lo­gie fehl­te im da­zu auch die nö­ti­ge Aus­bil­dung. Selbst am Hof ließ er an­de­re ge­wäh­ren und sah In­tri­gen und Skan­da­len, in die et­wa sei­ne Groß­nich­te Fran­zis­ka von Ta­xis ver­wi­ckelt war, ta­ten­los zu. Auch hier scheu­te er, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und sich durch­zu­set­zen und über­ließ das Feld Bel­der­busch, der als der ei­gent­li­che Kopf nicht nur der Re­gie­rung, son­dern des gan­zen Kur­staa­tes gel­ten muss. So­gar die Suk­zes­si­on re­gel­te der Kanz­ler selbst: die habs­bur­gi­sche Nach­fol­ge fä­del­te er ge­gen preu­ßi­schen Wi­der­stand ein und si­cher­te sich da­mit nicht nur ei­ne Zu­wen­dung von 100.000 Gul­den, son­dern auch die Er­he­bung zum Reichs­gra­fen durch den Kai­ser.

Fast scheint es, als sei mit Bel­der­buschs Tod An­fang 1784 auch die Kraft er­lo­schen, die Erz­bi­schof Ma­xi­mi­li­an Fried­rich am Le­ben er­hielt. Be­reits seit 1771 ernst­haft er­krankt, starb er am 15.4.1784 nur we­ni­ge Wo­chen nach sei­nem ers­ten Mi­nis­ter. Als letz­ter Erz­bi­schof wur­de er vor der Drei­kö­ni­gen­ka­pel­le im Cho­r­um­gang des Köl­ner Do­mes bei­ge­setzt. Wenn auch von ihm selbst we­nig blieb: die Re­gie­rung Bel­der­buschs hat­te Kur­k­öln nach über 170 Jah­ren Wit­tels­ba­chi­scher Herr­schaft zu­kunfts­fä­hig ge­macht und der Auf­klä­rung den Weg be­rei­tet.

Literatur (Auswahl)

Brau­bach, Max, Die Au­ßen­po­li­tik Ma­xi­mi­li­ans von Kö­nigs­eck-Ro­ten­fels, Kur­fürs­t von Köln un­d Fürst­bi­schof von Müns­ter (1761–84), in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­hein 115 (1929), S. 330-353.
Gatz, Er­win, Max Fried­rich Reichs­graf von Kö­nigs­egg und Ro­then­fels (1708-1784), in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe des Hei­li­gen Rö­mi­schen Rei­ches 1648 bis 1803, Ber­lin 1990, S. 231-233.
He­gel, Edu­ard, Das Erz­bis­tum Köln zwi­schen Ba­rock und Auf­klä­rung. Vom Pfäl­zi­schen Krieg bis zum En­de der fran­zö­si­schen Zeit 1688–1814 (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 4), Köln 1979, S. 59-65.
Pen­ning, Wolf D., Cas­par An­ton Bel­der­busch (1722-1784). Per­sön­lich­keit und Po­li­tik im Um­kreis drei­er Kur­fürs­ten. Ein Bei­trag zur Ge­schich­te des „Auf­ge­klär­ten­ ­Ab­so­lu­tis­mus“ in Kur­k­öln, in: Zehn­der, Frank G., Im Wech­sel­spiel der Kräf­te. Po­li­ti­sche Ent­wick­lun­gen des 17. und 18. Jahr­hun­derts in Kur­k­öln, Köln 1999, S. 96-159.
Sie­bert, Su­san­ne, Ar­ti­kel „Max Fried­rich v. Kö­nigs­egg-Ro­ten­fel­s“, in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon IV (1992), Sp. 289.
Stoecker, Wil­helm, Die Wahl Ma­xi­mi­li­ans von Kö­nigs­egg-Ro­then­fels zum Erz­bi­schof von Köln und Bi­schof von Müns­ter 1761/82, o. O. 1910.

Online

Erz­bi­schof Ma­xi­mi­li­an Fried­rich v. Kö­nigs­egg-Ro­then­fels(In­for­ma­ti­on auf der Web­site des Köl­ner Doms). [On­line]
Christ, Gün­ter, Ar­ti­kel „Ma­xi­mi­li­an Fried­rich Graf von Kö­nigs­egg-Ro­then­fel­s“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 12 (1979), S. 356. [On­line]

Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels, Gemälde von Joseph Anton Stratmann (1732-1807), 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. (StadtMuseum Bonn)

 
Zitationshinweis

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Bock, Martin, Maximilian Friedrich von Königsegg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/maximilian-friedrich-von-koenigsegg/DE-2086/lido/57c949e3c96ef0.50295102 (abgerufen am 12.10.2024)