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Peter Günther war ein Radrennfahrer aus Köln und der letzte große deutsche Steher-Star der ersten Generation. Der mehrmalige Deutsche Meister wurde 1911 in Dresden inoffizieller Weltmeister und 1914 Europameister. Im Oktober 1918 stürzte er tödlich bei einem Rennen auf der Radrennbahn in Düsseldorf -Oberkassel.
Peter Günther wurde am 29.8.1882 in Betzdorf an der Sieg als Sohn eines Eisenbahnbeamten geboren. Er erlernte den Beruf eines Mechanikers, zog nach Köln und fand Arbeit bei den Allright-Fahrradwerken. Gründer dieser Werke war Georg Sorge (1868-1954), der selbst Radsportler gewesen war und 1893 bei der ersten Austragung der 582 Kilometer langen Distanzfahrt Wien-Berlin Platz zwei belegt hatte. Mit der Förderung seines Chefs begann Günther ab 1902 als „Wertpreisfahrer“ (Amateur) Sprint-Rennen zu fahren. Bei der Kölner Meisterschaft im August 1902 schlug er seinen Lokalrivalen Willy Schmitter, mit dem er auch gemeinsam Tandemrennen fuhr. Im Frühjahr 1903 versuchte sich Günther erstmals als Steher und das so erfolgreich, dass er schon im Mai desselben Jahres in das Profilager wechselte, wiederum mit der Unterstützung seines Arbeitgebers: Heinrich Otto, der bei den Allright-Werken als Meister arbeitete, baute ihm ein Führungsmotorrad und wurde sein Schrittmacher.
Doch schon am 5.6.1903 kam es bei einem Rennen gegen einen schwarzen Franzosen aus Mauritius mit dem Künstlernamen „Vendredi“ (= Freitag) und den Deutschen Max Heiny vor heimischem Publikum auf der Radrennbahn in Köln-Riehl (diese befand sich an der Stelle des heutigen Zoos) zu einem Sturz, bei dem Günther so schwer verletzt wurde, dass die Ärzte um sein Leben bangten. Nach mehreren Monaten genas Günther zwar, fuhr jedoch im Verlaufe seiner weiteren Karriere Rennen oftmals nur unter Schmerzen zu Ende und benötigte einen speziell gebauten Sattel. Rennfahrer und Schrittmacher schworen zunächst, sich niemals mehr auf eine Rennbahn zu begeben, wurden jedoch im Frühjahr 1904 entgegen aller Vorsätze rückfällig. Im Laufe seiner weiteren Karriere stürzte Günther noch viele Male, mindestens zweimal sehr schwer. Auch startete er am 7.10.1913 bei einem Rennen in Köln, bei dem ein Rennfahrer und ein Schrittmacher ums Leben kamen, wohingegen er selbst unverletzt blieb. Ein weniger schwerer Unfall ereignete sich am 9.7.1904 beim „Großen Preis vom Rhein“, der dennoch Konsequenzen hatte: Günthers Freundschaft mit Schmitter war inzwischen einer Rivalität gewichen – die Fans teilten sich gar in eine „Schmitter-" und eine „Günther-Partei“. Die Schrittmacher der beiden Fahrer, die diese Gegnerschaft begeistert unterstützten und befeuerten, versuchten beim „Großen Preis vom Rhein“, sich gegenseitig abzudrängen. Fahrer und Schrittmacher stürzten, jedoch blieben alle Beteiligten unverletzt. Die „Schmitter-Partei“, die ohnehin in der Mehrzahl war, gab anschließend dem Schrittmacher von Günther die Schuld, was ihn in Köln für einige Zeit Sympathien kostete. Willy Schmitter verunglückte 1905 bei einem Rennen in Leipzig tödlich.
Dreimal – 1905, 1911 und 1912 - wurde Günther Deutscher Steher-Meister und 1914 Europameister. 59 Siege zwischen 1906 und 1910 machten ihn – gemessen am Preisgeld - zum dritterfolgreichsten deutschen Fahrer dieser Jahre. 1907 heiratete er seine Frau Wanda (1885-1963). Die Ehe blieb kinderlos.
Im Mai 1910 eröffnete er in der Kölner Bischofsgartenstraße 8 das „Café Günther“ (an der Stelle befindet sich heute das „Hotel Mondial“). 1911 errang er in Dresden den Titel eines „Weltmeisters“, der allerdings mit einem Makel behaftet war: Der deutsche Radsportverband war aus Protest gegen vermeintliche Fehlentscheidungen bei der Weltmeisterschaft im Jahr zuvor aus dem Weltradsportverband ausgetreten und hatte eine eigene Steher-Weltmeisterschaft ausgerichtet, an der allerdings neben 17 Deutschen nur zwei Ausländer teilnahmen, der US-Amerikaner Robert Walthour (1878-1949) und der Belgier Victor Linart (1889-1977). Das schmälerte jedoch keineswegs die Begeisterung der Kölner Radsportfans, die Günther mit einem Fackelzug am Hauptbahnhof empfingen, zum Viktoriasaal am Waidmarkt geleiteten und ihn dort als „Weltmeister“ feierten.
Im Ersten Weltkrieg wurde Günther zum Kraftfahrer-Bataillon in Köln einberufen, nach einiger Zeit jedoch beurlaubt, um bei den Kölner Cito-Werken in der Rüstungsproduktion zu arbeiten, so dass er weiter Rennen fahren konnte. Am 9.7.1917 schrieb Peter Günther einen Beitrag für die Rubrik „Mein schönstes Radrennen“ im „Sport-Album der Rad-Welt“. Er sei nie abergläubisch gewesen, aber an das der Zahl 7 anhängende Pech glaubte ich […], und ich habe es stets vermieden, am siebten Tage des Monats zu trainieren oder zu starten. Das Rennen um den „Goldpokal vom Rhein“ fand allerdings am 7.7.1917 statt, was Günther übersehen hatte: Ich hätte wer weiß was darum gegeben, hätte ich nicht fahren brauchen, aber in Cöln durfte ich mich nicht blamieren und so stieg ich denn in den Sattel. Er beschrieb, wie viel Angst er während des Rennens gehabt hatte, das er schließlich doch mit zwei Runden Vorsprung gewonnen hatte. Deshalb sei dieses Rennen jetzt dasjenige gewesen, welches seinen Ehrgeiz am meisten befriedigt habe, denn er habe nicht nur seine Gegner, sondern auch das „Gespenst des Aberglaubens" besiegt.
Rund ein Jahr später, am 6.10.1918, stürzte Günther erneut, und zwar auf der Radrennbahn in Düsseldorf-Oberkassel, und starb einen Tag später – am 7. (!) Oktober – im Alter von 36 Jahren. Zum Zeitpunkt seines Todes lebte er in der Severinstraße, wie der Todesanzeige im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu entnehmen ist. Die Zeitschrift „Rad-Welt“ schrieb „[…] der Altmeister der rheinischen Dauerfahrer“ sei „seinem Landsmanne Schmitter in jenes Reich gefolgt, aus dem kein Sterblicher wiederkehrt."
Ende November 1919 wurde über dem Grab von Peter Günther auf dem Kölner Südfriedhof feierlich ein Grabstein in Form eines Sarkophags enthüllt, das von dem Kölner Bildhauer Franz Brantzky (1871-1945) geschaffen worden war, auf dessen Deckel eine steinerne Sturzkappe liegt. Der Andrang zu der Enthüllung war so groß, dass viele Besucher anschließend zu Fuß zurück in die Innenstadt zurück gehen mussten, obwohl zusätzliche Straßenbahnwagen eingesetzt worden waren. Die Feierlichkeiten schlossen mit einem Requiem in der Kirche St. Aposteln, auch zu Ehren von Schmitter, an dessen Grab auf dem Mülheimer Friedhof Kränze niedergelegt worden waren. Günthers Witwe Wanda, die ihren Mann um fast 50 Jahre überlebte, ruht inzwischen auch in diesem Grab, auf dem noch immer der Sarkophag zu sehen ist (Weg zwischen Flur 15 und Flur 28).
In Köln-Müngersdorf erinnert am Radstadion Köln der Peter-Günther-Weg an ihn, in seinem Geburtsort Betzdorf eine Straße. Zudem tragen die Radsportvereine RRC „Günther 1921“ e.V. Köln-Longerich 21 und der „RSC 1984 e.V. Peter Günther Betzdorf“ seinen Namen. Der Verein „RV Komet Delia 09“, zu dessen Mitbegründern Günther gehörte, veranstaltete viele Jahre lang das „Peter-Günther-Gedächtnisrennen“.
Literatur
Budzinski, Fredy, Peter Günther. Biographien berühmter Rennfahrer, Band 8, Berlin 1906.
Sport-Album der Rad-Welt. Ein radsportliches Jahrbuch, 18. Jahrgang, Berlin 1921.
Online
Lindlein, Peter, Peter Günther – Radrennfahrer. Ein „Weltmeister“ aus Betzdorf. [Online]
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Franz, Renate, Peter Günther, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-guenther/DE-2086/lido/57c6d99228e9a9.88410577 (abgerufen am 03.12.2024)