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Der Arzt Dr. med. Wilhelm Klodt war 1933-1937 Stellvertreter des Kuratoriumsvorsitzenden der Universität zu Köln. Als Vertreter der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ fungierte er zudem als Beisitzer in Verfahren am Kölner Erbgesundheitsgericht. Seine „Karriere“ kann als idealtypisch dafür gelten, wie im „Dritten Reich“ aus politischen Gründen die Ideologie den Vorrang vor der Fachwissenschaft gewinnen konnte.
Wilhelm Klodt wurde am 1.5.1906 in Wiedenbrück (heute Stadt Rheda-Wiedenbrück) in die Familie eines Schneidermeisters katholischer Konfession geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Wiedenbrück besuchte er die dortige Rektoratsschule und legte im März 1925 sein Abitur am Realgymnasium in Ahlen ab.
Klodt entschied sich für ein Studium der Medizin, das er 1925–1931 an den Universitäten Münster, Wien und Berlin absolvierte. Das Staatsexamen bestand er im Januar 1931 in Münster. Dort war er auch Mitglied der katholischen Studentenverbindung AV Cheruscia (CV). Die ärztliche Approbation folgte im Januar 1932, im Mai wurde er mit einer 16-seitigen Dissertation zum Thema „Nagelpsoriasis unter dem Bilde einer chronischen Nagelbetteiterung“ zum Dr. med. promoviert. Zu diesem Zeitpunkt war er als Assistenzarzt am Clemens-Hospital in Münster beschäftigt.
Am 1.5.1933 trat Klodt mit der Mitgliedsnummer 2.168.315 in die NSDAP ein. Außerdem verlegte er seinen Wirkungskreis nach Köln, wo seine Wiedenbrücker Schulfreunde, Peter und Toni Winkelnkemper, in der Zwischenzeit eine steile Karriere innerhalb der Partei gemacht hatten: Peter Winkelnkemper als Gaupresseleiter und Chefredakteur des „Westdeutschen Beobachters“ und Toni Winkelnkemper (1905-1968) als Gaupropagandaleiter und nach 1937 Intendant des Reichssenders Köln. Hier konnte Klodt auf einflussreiche Protektion hoffen, und die Winkelnkemper-Brüder ließen sich nicht lange bitten.
Am 16.5.1933 wurde Klodt als Arzt beim Gesundheitsamt in Köln eingestellt, zuständig als Stadtarzt für Krankenhausangelegenheiten. Hier ließ er sich jedoch, kaum dass er sein Amt angetreten hatte, für zunächst drei Monate beurlauben, da sich ihm eine bessere Karriereoption eröffnete.
Peter Winkelnkemper war im März 1933 als Staatskommissar an der Universität zu Köln eingesetzt worden und legte diese Position Anfang November zugunsten der eines Geschäftsführenden Vorsitzenden des Kuratoriums der Universität nieder und berief Klodt zu seinem Stellvertreter. Obwohl dieser als Stellvertreter Winkelnkempers zunächst schlechter besoldet war als beim Gesundheitsamt, konnte die neue Position doch als Investition in die Zukunft gelten. Mit Peter Winkelnkemper verfügte er über einen Fürsprecher, der sogleich alle Hebel in Bewegung setzte, um Klodt in eine Karriere an der Universitätsklinik zu lancieren.
Und tatsächlich intervenierte Peter Winkelnkemper verschiedentlich zugunsten von Klodt, wenn es um Stellenbesetzungen oder Besoldungsangelegenheiten ging. So forderte er etwa gegenüber dem Kölner Oberbürgermeister Günter Riesen (1892-1951, Oberbürgermeister 1933-1936), Klodt finanziell dem Verwaltungsdirektor der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin gleichzustellen.
In seiner Eigenschaft als Stellvertretender Universitätskurator machte sich Klodt ans Werk, den seiner Ansicht nach nur unzureichend geübten Hitler-Gruß an der Universitätsklinik durchzusetzen. Außerdem plädierte er für die Beschränkung des Einsatzes katholischer Ordensschwestern in der Pflege auf das Allernotwendigste und ihre schrittweise Ersetzung durch linientreue Rot-Kreuz-Schwestern.
Währenddessen wandte sich Klodt der nationalsozialistischen „Rassehygiene“ zu. Zahlreiche Artikel zum Thema wie etwa „Sterilisation und völkische Aufartung“, in dem er dafür plädierte, durch kluge Zuchtauswahl die Fortpflanzung der Hochwertigen zu fördern und die Minderwertigen auszuscheiden, wurden im „Westdeutschen Beobachter“ publiziert. Außerdem bearbeitete Klodt die 1934 erschienene Publikation „Kleine Erb- und Rassenkunde“ in der Ausgabe für Westdeutschland.
Vom Reichssender Köln wurde er – vermutlich auf Druck der Gauleitung – als freier Autor ab dem Sommer 1933 mit Sendungen zum Thema „Einführung in die Rassenkunde“ oder „Volk und Rasse“ beschäftigt. 1937, nach Toni Winkelnkempers Aufstieg zum Intendanten des Senders, folgte eine Sendereihe unter dem Titel „Vom gesunden Leben“.
Ab 1934 fungierte Klodt zudem als Beisitzer bei dem im April eingerichteten Erbgesundheitsgericht, das dem Kölner Amtsgericht am Reichenspergerplatz angegliedert war. Hier wurden die Verfahren zu Zwangssterilisierungen auf der Basis des „Gesetzes zur Verhütung von erbkrankem Nachwuchs“ durchgeführt. Das Gericht setzte sich aus einem Vorsitzenden, einem Arzt im Beamtenverhältnis und einem weiteren approbierten Arzt zusammen, der mit der nationalsozialistischen Erbgesundheitslehre in besonderem Maße vertraut sein musste. Deren politische Zuverlässigkeit wurde durch die Gauleitung überprüft. Klodt war damit einer der insgesamt 38 Ärzte, die bis 1944 am Erbgesundheitsgericht Köln eingesetzt wurden.
Das Verfahren vor dem Erbgesundheitsgericht als „Ort biologischer Sonderjustiz“ war nach Nicola Wenige „trotz seiner vorgeblich rechtsstaatlichen Fassade eine Farce, in der Anzeigende, Gutachter und Richter nicht selten in Personalunion auftraten und politische Erwägungen die Diagnose- und Entscheidungsfindung beeinflussten. Durchgeführt wurden mindestens 2.096 Sterilisationen, wobei die Zahl der tatsächlichen Unfruchtbarmachungen wesentlich höher gelegen haben dürfte.“[1]
Im Frühjahr 1935 gelang es Peter Winkelnkemper, seinen Jugendfreund in eine vakante Assistentenstelle als Arzt im Beamtenverhältnis bei dem Internisten und Kardiologen Prof. Franz Külbs (1870-1964), Direktor der 1. Medizinischen Klinik an der Universität Köln, zu drängen. Anstelle der 400 RM beim Gesundheitsamt verdiente Klodt nun 945 RM plus Zulage.
Abgesehen davon gelang es Peter Winkelnkemper, Klodt zusätzlich die Leitung des Diätlabors zum 1.1.1936 zu beschaffen. Hier forschte Klodt nach eigenen Angaben mit dem Ziel der Habilitation auf dem Gebiet des Natriumstoffwechsels, des Antagonismus von Kochsalz und gonadotropem Hormon und dem Vitamin C-Stoffwechsel. Ein Jahr nach Beginn seiner Tätigkeit forderte Klodt mehr Geld. So klagte er, dass er durch die Leitung des Labors und seine Tätigkeit am Erbgesundheitsgericht daran gehindert sei, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Die Aussage war allerdings nicht korrekt, denn er erhielt zeitgleich eine Förderung der Johann-Hamspohn-Stiftung in Höhe von 3.300 RM sowie Honorare für seine Manuskripte beim Reichssender Köln. Der Antrag auf die Gewährung von Abteilungsleiterbezügen wurde von der Universität abgelehnt.
Im September 1937 wurde Klodt aus seiner Position als Stellvertretender Universitätskurators abberufen, nachdem er sich, wie Andreas Freitäger feststellt, „in jeder Hinsicht als unfähig [erwiesen hatte], so dass er wie sein Chef abgelöst werden musste.“[2] Denn Klodt hatte den Kölner Oberbürgermeister nur unzureichend informiert und auch durch ein anmaßendes Auftreten für Ärger gesorgt.
1937/1938, Peter Winkelnkemper konnte nicht mehr seine schützende Hand über ihn halten, lehnte die Medizinische Fakultät den Habilitationsversuch Klodts ab. Zum einen, da die Facharztprüfung fehlte, zum anderen wegen fachlicher Mängel.
Um sich ein Bild der Situation zu machen, holte Kurator Dr. Erwin Fassl (gestorben 1941) als Nachfolger Winkelnkempers Anfang 1938 ein vertrauliches Zweitgutachten bei Prof. Dr. Karl Hinsberg (1894-1982) von der Chemischen Abteilung des Pathologischen Instituts der Charité in Berlin ein, der Klodt zudem aus seiner Zeit in Köln persönlich kannte. Das Ergebnis war vernichtend. So hätten dessen „Forschungen“ nichts substanziell Neues erbracht, die Methodik der experimentellen Arbeiten wurde verrissen, und seine Kenntnisse zum Vitamin-C-Stoffwechsel ließen nur eine oberflächliche Kenntnis der Materie erkennen. Ja, Klodt verwechsele sogar Fachtermini. Das Fazit lautete, in seinen Arbeiten seien bemerkenswert wenig eigene Gedanken enthalten.
1938 kam es dann zu einem Aufstand an der Universitätsklinik gegen die Weiterbeschäftigung von Klodt als Stationsarzt, die über den Kopf von Prof. Külbs hinweg verfügt worden war. Nachdem sich dieser wie auch seine Mitarbeiter in einem Krisengespräch mit Fassl Anfang April hartnäckig geweigert hatten, mit Klodt zusammenzuarbeiten, wurde dieser zum 1. Juni auf eine Assistentenstelle an das Städtische Krankenhaus in Köln-Deutz weggelobt. Hier sollte er seine Facharztausbildung zum Internisten absolvieren. Doch auch in Deutz wurde Klodt nur zähneknirschend akzeptiert. Prof. Gerhard Wüllenweber (1894-1942), Chefarzt des Städtischen Krankenhauses Deutz, Direktor der Medizinischen Universitäts-Poliklinik und der Medizinischen Klinik Bürgerhospital, stellte gegenüber der Universitätsverwaltung unverzüglich klar, dass er Klodt gegen seinen Willen aufnehme und dass dieser kein Anrecht auf eine Weiterbeschäftigung nach der Facharztprüfung beanspruchen könne.
Wenige Tage vor seinem Dienstantritt im Krankenhaus in Deutz fand sodann ein Krisengespräch mit Fassl statt, in dem dieser Klodt bedeutete, Deutz sei seine unwiderruflich letzte Chance und ihm empfahl, an seiner anmaßenden und refraktären, das heißt widerspenstigen Haltung zu arbeiten und seinen Hang zum weiblichen Geschlecht zu zügeln.
Die Karriere von Wilhelm Klodt kann idealtypisch den Fällen zugerechnet werden, in denen im „Dritten Reich“, wie Michael H. Kater feststellt, „aus politisch-karrieristischen Gründen das Prinzip der wissenschaftlichen Qualität in der Medizin verletzt wurde […] Die betroffenen Wissenschaftler zeichneten sich durch mehr oder weniger ausgeprägte Inkompetenz in dem von ihnen gewählten Fach aus.“[3] Klodts Personalakte zeigt, dass seine Karriere mangels Expertise mit dem Einfluss Peter Winkelnkempers stand und fiel.
Im Städtischen Krankenhaus sollte Klodt nur noch für kurze Zeit tätig sein; hier starb er überraschend am 5.11.1938 an den Folgen einer Sepsis, ohne je die Facharztprüfung abgelegt zu haben. Er wurde am 9. November in Wiedenbrück bestattet. Die Trauerrede hielt Toni Winkelnkemper.
Schriften
Kleine Erb- und Rassenpflege. Ausgabe für Westdeutschland, Breslau 1933.
[zusammen mit] Meyer, Erich/Dittrich, Werner, Kleine Erb- und Rassenkunde. Ausgabe für Westdeutschland, Breslau 1934.
Die erbkranke Familie, in: Die Schule im neuen Staat 4 (1933), H. 34, S. 5-7.
Quellen
Universitätsarchiv Köln, Zug. 17/2895. Personalakte Wilhelm Klodt.
Literatur
Endres, Sonja, Zwangssterilisation in Köln 1934–1945, Köln 2009.
Freitäger, Andreas, „K. und K. op kölsch“ – Vom Geschäftsführenden Vorsitzenden des Kuratoriums zum Kanzler der Universität, in: Hanau, Peter [u.a.], Engagierte Verwaltung für die Wissenschaft. Festschrift für Johannes Neyses Kanzler der Universität zu Köln zum 60. Geburtstag, Köln 2007, S. 81-102.
Kater, Michael H., Ärzte als Hitlers Helfer, Hamburg/Wien 2000.
Wenge, Nicola, Kölner Kliniken im Nationalsozialismus. Zur tödlichen Dynamik im lokalen Gesundheitswesen 1933-1945, in: Frank, Monika/Moll, Fritz (Hg.), Kölner Krankenhaus-Geschichten. Am Anfang war Napoleon. Festschrift zum 200-jährigen Gründungsjubiläum der Kliniken der Stadt Köln, Köln 2006, S. 545-569.
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Bernard, Birgit, Wilhelm Klodt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-klodt/DE-2086/lido/63fc88ee1b7d52.02099598 (abgerufen am 27.04.2024)