Wilhelm Schmidtbonn

Schriftsteller und Dramaturg (1876-1952)

Pia Heckes (Bonn)
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Die Wer­ke des Bon­ner Schrift­stel­lers Wil­helm Schmidtbonn ge­hör­ten zwi­schen 1900 und 1930 zu den häu­fig auf­ge­führ­ten Büh­nen­stü­cken in Deutsch­land. Er war in die­ser Zeit ei­ner der po­pu­lärs­ten Schrift­stel­ler Deutsch­lands. Wäh­rend der zeit­wei­se am Düs­sel­dor­fer Schau­spiel­haus wir­ken­de Schmidtbonn als Ver­fas­ser des Bu­ches „Der drei­ecki­ge Markt­plat­z“ und en­ger Freund Au­gust Ma­ckes in Bonn nach wie vor be­kannt ist, ge­riet er über Bonn hin­aus weit­ge­hend in Ver­ges­sen­heit. Schmidtbonns Rol­le in der NS-Zeit wird der­zeit de­bat­tiert.

Am 6.2.1876 wur­de Wil­helm Schmidt, der sich spä­ter Schmidtbonn nann­te, in Bonn am Markt­platz als zwei­tes Kind des Pelz- und Hu­t­händ­lers Jo­hann Mar­tin Schmidt (1830-1890) und des­sen Ehe­frau Wil­hel­mi­ne Char­lot­te, ge­bo­re­ne Pe­ters (1836-1911) ge­bo­ren. Sei­ne äl­te­re Schwes­ter war die Künst­le­rin Hen­ri­et­te Schmidt-Bonn (1873-1946). In ei­ner frü­hen Fas­sung ei­nes bio­gra­phi­schen Tex­tes schreibt er: Mei­ne Ge­burts­stadt er­schien mir in der Ju­gend als ei­ne der schöns­ten und be­deut­sams­ten Städ­te der Welt. Die­ses Ge­fühl hat sich bis in Al­ter bei mir be­wahrt, al­ler­dings war es durch man­che Um­stän­de be­grün­det. Und dann folgt ei­ne lie­be­vol­le Be­schrei­bung des al­ten Bonn. Die Ro­man­tik der rhei­ni­schen Land­schaft, die Welt der Sa­gen und Lie­der, die Welt des Ernst Mo­ritz Arndt, der Sim­rocksLud­wig van Beet­ho­vens - das sind die Wur­zeln, aus de­nen er sei­ne dich­te­ri­sche Kraft schöpf­te.

Nach dem Ab­bruch der Gym­na­si­al­aus­bil­dung und ei­ner nicht zu En­de ge­brach­ten klas­si­schen Mu­sik­aus­bil­dung am Köl­ner Kon­ser­va­to­ri­um ver­such­te sich der jun­ge Schmidtbonn auf Wunsch sei­ner El­tern 1896 als Lehr­ling in ei­ner Buch­hand­lung. Er brach die Leh­re je­doch ab, um zu schrei­ben, und fand in dem Bon­ner Ger­ma­nis­tik­pro­fes­sor Bert­hold Litz­mann (1857-1926), der mit Cla­ra Schu­mann be­kannt war, ei­nen Freund und För­de­rer. Zwi­schen 1897 und 1905 folg­ten Auf­ent­hal­te in Ber­lin, Göt­tin­gen und Inns­bruck.

Sein frü­hes Schau­spiel „Mut­ter Land­stras­se“ wur­de zu­erst 1901 in Dres­den un­ter Ernst Lewin­ger (1851-1937) ur­auf­ge­führt, 1904 in Ber­lin mit Max Rein­hardt (1873-1943), was Schmidtbonn da­zu ver­an­lass­te zu schrei­ben: Mein Le­ben war ein Mär­chen ge­wor­den. Ein Mär­chen, das Schmidtbonn sich auf sei­nen Wan­der­schaf­ten in den Ber­gen er­schaf­fen hat­te, ein Mär­chen vom aben­teu­er­lich ge­schei­ter­ten Sohn, der ins vä­ter­li­che Haus zu­rück­keh­ren will und dort nichts fin­det als Ab­leh­nung und die bit­te­re Kon­fron­ta­ti­on mit sei­nem wirt­schaft­li­chen Ab­stieg. Ein Va­ter-Sohn-Kon­flikt, wie er dra­ma­ti­scher kaum dar­zu­stel­len war, brach­te Schmidtbonn den ers­ten gro­ßen Thea­ter­er­folg. Das Pu­bli­kum er­leb­te Schmidtbonn, wie er schreibt, tief er­grif­fen und zu Trä­nen ge­rührt, wäh­rend die zeit­ge­nös­si­sche Kri­tik das Stück ver­riss.

Am 29.3.1905 hei­ra­te­te er die Ti­ro­le­rin Lui­se Treu­er (ge­stor­ben 1967), der er sein Le­ben lang ver­bun­den blieb. Ab 1906 ar­bei­te­te er als Dra­ma­turg bei Loui­se Du­mont in Düs­sel­dorf und gab die Thea­ter­zeit­schrift „Mas­ken“ her­aus. Im glei­chen Jahr ent­stand der Ro­man „Der Heils­brin­ger“.

Von 1906 bis zum Tod Ma­ckes war die Be­zie­hung zwi­schen dem Dich­ter und dem Ma­ler sehr eng. Eli­sa­beth Erd­mann-Ma­cke (1888-1978) schil­dert zahl­rei­che Epi­so­den die­ser Freund­schaft in ih­rem Buch „Er­in­ne­run­gen an Au­gust Ma­cke“ (1962). Schmidtbonn wur­de in der Düs­sel­dor­fer Zeit zum vä­ter­li­chen Freund und wich­tigs­ten Be­ra­ter Au­gust Ma­ckes, wie Ma­cke selbst und Eli­sa­beth Erd­mann-Ma­cke mehr­fach deut­lich mach­ten. In die­se Zeit der in­ten­si­ven Aus­ein­an­der­set­zung mit dem jun­gen Ma­cke fällt auch Schmidtbonns grö­ß­ter Er­folg: Das Büh­nen­stück „Der Graf von Glei­chen“, ein Schau­spiel, das auf zahl­rei­chen Büh­nen in Deutsch­land auf­ge­führt wur­de und als Pu­bli­kums­er­folg Schmidtbonns Ruhm mehr­te.

Die Jah­re mit Au­gust Ma­cke und Max Rein­hardt wa­ren ei­ne aus­ge­las­se­ne, über­mü­ti­ge Zeit, die von schrift­stel­le­ri­schem Er­folg ge­prägt war. Hei­ter­keit und ei­ne Leich­tig­keit des Le­bens schei­nen die Zeit be­herrscht zu ha­ben. So schreibt Eli­sa­beth Erd­mann-Ma­cke über ei­ne Epi­so­de auf ei­ner Rei­se nach Bel­gi­en, die Schmidtbonn und Ma­cke ge­mein­sam ge­macht hat­ten: „Aus Au­gusts Er­zäh­lun­gen muss ich an­neh­men, dass es in dem Ho­tel recht lus­tig zu­ge­gan­gen ist. Es wohn­ten dort auch ver­schie­de­ne jun­ge wohl­be­kann­te Da­men aus Bonn, die durch ih­re mol­li­ge Kör­per­fül­le das Wohl­ge­fal­len der drei er­weck­ten, und Wil­helm Schmidtbonn konn­te es nicht las­sen, die jüngs­te von ih­nen beim Ba­den so ganz ver­se­hent­lich in die Wa­den zu knei­fen, dann un­ter Was­ser zu ver­schwin­den und die Schuld […] Au­gust zu­zu­schie­ben. Schmidtbonn stand den gan­zen Tag mit ei­nem fa­bel­haft ge­nau­en Feld­ste­cher am Da­men­bad und be­ob­ach­te­te.“

Schmidtbonn er­leb­te den Ers­ten Welt­krieg als Kriegs­be­richt­er­stat­ter in Frank­reich und Ser­bi­en. 1914 fiel sein Freund Ma­cke in Frank­reich. Ein li­te­ra­risch in­ter­es­san­tes Werk ge­lang ihm erst wie­der 1918/1919 mit dem ge­müt­vol­len Hun­de­buch „Die Flucht zu den Hilf­lo­sen“. Die­ses Buch bot für Ste­fan Zweig (1881-1942), der eben­falls ein Hun­de­lieb­ha­ber war, An­lass, Schmidtbonn die No­vel­le „Die Au­gen des ewi­gen Bru­der­s“ zu wid­men. Zu Zweig und sei­ner da­ma­li­gen Frau Frie­de­ri­ke von Win­ter­nitz (1882-1971) pfleg­te Schmidtbonn seit ei­nem Win­ter­auf­ent­halt in Ba­den bei Wien ei­ne freund­schaft­li­che Be­zie­hung, die Zweig viel be­deu­tet ha­ben muss und die wohl von be­son­de­rer In­ten­si­tät und ge­gen­sei­ti­ger Be­wun­de­rung ge­prägt war, wenn man die No­vel­le von 1923 da­für als Be­weis nimmt. Die Jah­re von et­wa 1909/1910 bis min­des­tens 1923 wa­ren von ei­nem en­gen künst­le­ri­schen wie freund­schaft­li­chen Kon­takt zu Zweig und des­sen in­tel­lek­tu­el­lem Um­kreis ge­prägt. Über den Dra­ma­tur­gen des Deut­schen Thea­ters in Ber­lin, Bert­hold Val­len­tin (1877-1933), der ge­mein­sam mit Fried­rich Wol­ters (1876-1930) den „Lich­ter­fel­der Ge­or­ge­kreis“ do­mi­nier­te, be­stand Kon­takt zum Kreis um Ste­fan Ge­or­ge (1868-1933).

Be­reits seit der Zeit nach dem Ers­ten Welt­krieg war Schmidtbonn in den Kreis der rhei­ni­schen Dich­ter, die sich um die Grün­dung ei­nes Dich­ter­bun­des be­müh­ten, ein­be­zo­gen, 1930 wur­de er Mit­glied im neu ge­grün­de­ten „Bund Rhei­ni­scher Dich­ter“, der 1926 von Adolf von Hatz­feld (1892-1957) und Al­fons Paquet ge­grün­det wor­den war, um den rhei­ni­schen Schrift­stel­lern ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Platt­form zu bie­ten und auf de­ren Wer­ke auf­merk­sam ma­chen zu kön­nen. 1933 muss­te sich der Bund un­ter dem Druck des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Re­gimes auf­lö­sen.

Im Jahr 1926 er­hielt Schmidtbonn den Preis der Ge­sell­schaft der Bü­cher­freun­de Chem­nitz. In die­sem Zu­sam­men­hang ent­stand ein buch­künst­le­risch aus­drucks­voll ge­stal­te­tes Buch „Ju­gend am Rhein“ in num­me­rier­ter und si­gnier­ter Auf­la­ge. Im No­vem­ber des glei­chen Jah­res wur­de er in die neu ge­grün­de­te Sek­ti­on Dich­tung der Preu­ßi­schen Aka­de­mie der Küns­te be­ru­fen, ein vor­läu­fi­ger Hö­he­punkt sei­nes Wir­kens.

1935 wur­de sein wohl ro­man­tischs­tes Werk, ge­prägt vom Heim­weh an den Rhein: „Der drei­ecki­ge Markt­plat­z“, ei­ne Lie­bes­er­klä­rung an sei­ne Hei­mat­stadt Bonn, ver­öf­fent­licht. Die­ses Buch über­sand­te er noch im glei­chen Jahr an den Staats­rat Hanns Johst (1890-1978), seit 1935 Prä­si­dent der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Reichs­schrift­tums­kam­mer, der ihn zur „Wo­che des deut­schen Bu­ches“ nach Wei­mar ein­ge­la­den hat­te. Mit Be­dau­ern we­gen sei­ner schwe­ren Herz­er­kran­kung sag­te Schmidtbonn ab. Im­mer wie­der litt Schmidtbonn un­ter schwe­ren Bron­chial­in­fek­ten und Asth­ma. Da­her hat er seit Be­ginn der 1920er Jah­re mit Un­ter­bre­chun­gen in den Ber­gen der Schweiz ge­lebt, da ihm die­ses Kli­ma be­kömm­lich war.

1936 folg­te in der Lis­te der Ver­öf­fent­li­chun­gen „An ei­nem Strom ge­bo­ren“, ei­ne Samm­lung von kür­ze­ren Tex­ten, die ganz in der Tra­di­ti­on sei­nes „Wun­der­bau­mes“ stan­den. Die bei­den Bü­cher be­grün­de­ten Schmidtbonns Ruhm als rhei­ni­scher Hei­mat­dich­ter, auch wenn die­ser Ruf ihm nicht ge­recht wur­de. Im­mer­hin brach­ten ihm die­se bei­den Ver­öf­fent­li­chun­gen gro­ße An­er­ken­nung ein; 1936 war ihm auf Be­trei­ben der Reichs­schrift­tums­kam­mer die Eh­ren­dok­tor­wür­de der Uni­ver­si­tät Bonn ver­lie­hen wor­den.

1941 er­hielt er für sein li­te­ra­ri­sches Le­bens­werk den Rhei­ni­schen Li­te­ra­tur­preis. Dies er­for­dert ei­ne dif­fe­ren­zier­te Be­trach­tung. Die Ver­lei­hung fand in Köln in An­we­sen­heit zahl­rei­cher Kul­tur­po­li­ti­ker, ho­her Of­fi­zie­re der Wehr­macht, Gau­amts­lei­ter und an­de­rer Ver­tre­ter der da­ma­li­gen Macht­ha­ber statt. Ei­ne be­deu­ten­de Eh­rung des Dich­ters, die auch zur Selbst­dar­stel­lung des Re­gimes ge­nutzt wur­de. Man sonn­te sich in Schmidtbonns li­te­ra­ri­schen Ver­diens­ten, und Schmidtbonn, der deutsch-na­tio­nal ein­ge­stellt war, setz­te gro­ße Hoff­nun­gen auf das Re­gime. Der NS­DAP hat­te er sich durch die Mit­glied­schaft seit dem 1.10.1937 in ei­ner Schwei­zer Aus­lands­grup­pe an­ge­schlos­sen. Zu­dem be­dien­te er sich nach 1933 auch an­ti­se­mi­ti­scher Zu­schrei­bun­gen. Über jü­di­sche Emi­gran­ten in die Schweiz be­schwer­te er sich et­wa wie folgt: In das frü­he­re klei­ne und ein­sa­me Dorf […] sind schon seit zwei Jah­ren zahl­rei­che jü­di­sche Mil­lio­nä­re ein­ge­bro­chen, die sich hier wah­re Schlös­ser ge­baut ha­ben von deut­schem Geld und den gan­zen Ort ver­dor­ben, ver­teu­ert und ekel­haft ge­macht.[1] Die In­dienst­nah­me durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ließ Schmidtbonn zu, im Be­wusst­sein des­sen, dass er zu den be­deu­ten­den Dich­tern des ehe­ma­li­gen "Bun­des Rhei­ni­scher Dich­ter" ge­hör­te. Er zoll­te sei­nen Tri­but an die an­we­sen­den NS­DAP-Grö­ßen mit ent­spre­chen­den Er­ge­ben­heits­for­meln an den „Füh­rer“. Er hat sich dem to­ta­li­tä­ren Re­gime, als es ihn eh­ren woll­te, op­por­tu­nis­tisch an­ge­passt, zu­mal er in ei­ner öko­no­mi­schen Zwangs­la­ge war.

We­gen sei­nes schlech­ten Ge­sund­heits­zu­stan­des war er auf Zu­wen­dun­gen der Preu­ßi­schen Aka­de­mie der Küns­te an­ge­wie­sen, um ei­nen be­schei­de­nen Le­bens­stan­dard hal­ten zu kön­nen. Die über­wie­gen­de Zahl sei­ner Bü­cher war aus der Mo­de ge­kom­men eben­so wie sei­ne ehe­mals sehr er­folg­rei­chen Büh­nen­stü­cke. Sei­ne Er­spar­nis­se wa­ren in der In­fla­ti­on der 1920er Jah­re da­hin ge­schmol­zen. Als er 1939 ins Rhein­land zu­rück­kehr­te, war er be­reits schwer herz­krank.

Schmidtbonn hat dem Druck des bru­ta­len Re­gimes, das sich ger­ne mit den Bes­ten ih­res Fa­ches schmück­te, wie auch der Fall des Di­ri­gen­ten der Ber­li­ner Phil­har­mo­ni­ker Wil­helm Furt­wäng­ler (1886-1954) zeigt, der zum Staats­rat er­nannt wur­de, ein Stück weit nach­ge­ge­ben und op­por­tu­nis­tisch das an­ge­nom­men, was ihm ge­bo­ten wur­de. Er blieb Mit­glied (er war be­reits 1926 in die Aka­de­mie be­ru­fen wor­den) der Preu­ßi­schen Aka­de­mie der Küns­te, Sek­ti­on für Dicht­kunst, die un­ter Gott­fried Benn (1886-1956) ef­fi­zi­ent und kon­se­quent gleich­ge­schal­tet wur­de. Ihr ent­zog sich auch Schmidtbonn nicht, der am 18.3.1933 die ver­trau­lich von der Aka­de­mie an­ge­for­der­te Loya­li­täts­be­kun­dung in As­co­na un­ter­schrieb. Wer dies nicht tat, dem droh­te der Aus­schluss aus der Aka­de­mie. Jü­di­sche Schrift­stel­ler wur­den um­ge­hend ent­fernt. Wer das spä­ter eben­falls von Benn an­ge­sto­ße­ne und am 26./28.10.1933 ver­öf­fent­lich­te so­ge­nann­te „Ge­löb­nis treu­es­ter Ge­folg­schaf­t“ an Hit­ler liest, wird fest­stel­len, dass Schmidtbonn nicht zu den 88 Un­ter­zeich­nern zähl­te. Er war zu un­be­deu­tend und leb­te zu die­ser Zeit in der Schweiz. Vor­an­ge­gan­gen wa­ren die Bü­cher­ver­bren­nun­gen im Mai 1933. Benn hat sich spä­ter scharf und deut­lich von sei­nem po­li­ti­schen Irr­tum dis­tan­ziert. Man muss fest­hal­ten, dass Schmidtbonn zwar Ak­tio­nen wie den Aus­tritt aus dem Völ­ker­bund be­grü­ß­te, aber nicht zu den „Blut- und Bo­den-Dich­tern“ oder den NS-Kul­tur­funk­tio­nä­ren ge­hört hat. Er hat sei­ner Lie­be für das Rhein­land schrift­stel­le­risch Aus­druck ver­lie­hen, er ist dem „Bund Rhei­ni­scher Dich­ter“ in­so­fern treu ge­blie­ben.

Das NS-Re­gime nahm Ein­fluss bis in die letz­ten Win­kel der Kul­tur, auch im Rhein­land. Das Le­ben in Schmidtbonns Wahl­hei­mat Bad Go­des­berg war stark ge­prägt durch die häu­fi­gen Auf­ent­hal­te Hit­lers (Eh­ren­bür­ger Go­des­bergs seit Ju­ni 1933) im Rhein­ho­tel Dree­sen. Die po­li­ti­sche Eli­te Go­des­bergs war mehr­heit­lich stramm na­tio­nal­so­zia­lis­tisch ein­ge­stellt. Für den Bür­ger­meis­ter Hein­rich Alef (1897-1966) war die „Deut­sche Ge­mein­de­ord­nung vom 30.1.1935 das Grund­ge­setz des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Staa­tes“.

Schrift­stel­le­risch ist Schmidtbonn in den 1940er Jah­ren kaum mehr durch neue Ar­bei­ten in Er­schei­nung ge­tre­ten. 1942 wur­de ein schma­ler Band „Hei­ma­t“ mit Er­zäh­lun­gen her­aus­ge­ge­ben, die be­reits 1903 und 1904 er­schie­nen wa­ren. 1943 ver­öf­fent­lich­te er in Köln das phan­ta­sie­vol­le Mär­chen von den „Tap­fe­ren Hein­zel­männ­chen“, er er­wähnt un­ter an­de­rem, oh­ne den Na­men zu nen­nen, des Köl­ner Meis­ters Ste­fan Loch­ners Ge­mäl­de „Ma­don­na im Ro­sen­ha­g“, aus dem ein Mu­si­ken­gel her­vor steigt und nachts im Mu­se­um her­um wan­delt. Das Buch wirkt vor dem Hin­ter­grund des von Pro­pa­gan­da­mi­nis­ter Jo­seph Go­eb­bels (1897-1945) am 18.2.1943 im Ber­li­ner Sport­pa­last ge­for­der­ten „to­ta­len Krie­ge­s“ wie aus der Zeit ge­fal­len, fern je­der Zeit­ge­bun­den­heit wie aus ei­ner an­de­ren Welt. Schmidtbonn hat­te sich weit­ge­hend zu­rück­ge­zo­gen aus dem Kul­tur­be­trieb, er schuf sich schrei­bend ei­ne an­de­re, bes­se­re Mär­chen­welt und leb­te mit sei­ner Frau ein ru­hi­ges, un­po­li­ti­sches Le­ben in Bad Go­des­berg.

Im Jahr 1943 er­hielt Schmidtbonn die Beet­ho­ven­me­dail­le der Stadt Bonn, da war der Bom­ben­krieg noch nicht in das Be­wusst­sein ge­drun­gen. Man ver­such­te, an der „Hei­mat­fron­t“ mit der Pfle­ge kul­tu­rel­ler Fei­er­lich­kei­ten ei­ne ge­wis­se Nor­ma­li­tät vor­zu­gau­keln, die be­ru­hi­gend auf die ge­sell­schaft­li­che Eli­te wir­ken soll­te.

So­weit die Ge­sund­heit dies zu­ließ, ar­bei­te­te er an der „Al­ber­tus­le­gen­de“, um sich von der ihn sehr be­las­ten­den Kriegs­si­tua­ti­on und von der Ein­sicht in die ei­ge­ne Fehl­ein­schät­zung des Re­gimes so­wie den ent­täusch­ten Hoff­nun­gen ab­zu­len­ken. Schon 1936 hat­te Schmidtbonn mit sei­nem Al­ters­werk be­gon­nen. Der Ro­man über das Le­ben des gro­ßen Köl­ner Ge­lehr­ten Al­ber­tus Ma­gnus konn­te erst 1948 er­schei­nen und war ein li­te­ra­ri­sches Ver­mächt­nis, mit des­sen Hil­fe Schmidtbonn ver­such­te, die Wirr­nis­se und auch die per­sön­li­chen Irr­tü­mer der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit an­hand der Bio­gra­phie des be­deu­ten­den Theo­lo­gen, Na­tur­wis­sen­schaft­lers und Phi­lo­so­phen auf­zu­ar­bei­ten und ein geis­ti­ges Ge­gen­ge­wicht zu fal­schen Pro­phe­ti­en zu schaf­fen. Das Buch er­schien kurz vor der Wäh­rungs­re­form und fand des­halb nur ei­ne klei­ne Le­ser­schaft. Für Schmidtbonn war dies ei­ne bit­te­re Ent­täu­schung. Schmidtbonns gro­ße The­men wa­ren die Su­che nach Glück und das, was er den hef­ti­gen Wunsch nach der „Be­frei­ung von der Lü­ge“ nann­te.

Im­mer­hin schrieb der da­ma­li­ge „Kri­ti­ker­fürs­t“ des Rhein­lands Det­mar Hein­rich Sar­netz­ki (1878 - 1961) in der Deutsch­land­aus­ga­be der Köl­ni­schen Rund­schau vom 14.5.1948: Schmidtbonns Werk (Al­ber­tus-) „Le­gen­de“ vom His­to­ri­schen aus ge­se­hen, ist rea­les Ge­sche­hen in dich­te­ri­schem Sin­ne, und zwar in ei­ner so blü­hend ge­präg­ten Spra­che und so ge­run­de­ten Dar­stel­lung, daß sie zum Schöns­ten rhei­ni­scher Dich­tung ge­hört, das je er­schie­nen ist. Sar­netz­ki hat­te sich wäh­rend der NS-Zeit ge­wei­gert, sich von sei­ner jü­di­schen Ehe­frau zu tren­nen und war des­halb 1943 aus der Re­dak­ti­on der Köl­ni­schen Zei­tung ent­fernt und mit Schreib­ver­bot be­legt wor­den. Er hät­te Schmidtbonn ge­wiss nicht im Jah­re 1948 ei­ne sol­che Re­zen­si­on ge­schrie­ben, wenn er der An­sicht ge­we­sen wä­re, dass Schmidtbonn ein über­zeug­ter An­ti­se­mit ge­we­sen sei, zu­mal Sar­netz­ki noch als Au­gen­zeu­ge über die Ver­lei­hung des Rhei­ni­schen Li­te­ra­tur­prei­ses in der Köl­ni­schen Zei­tung am 8.12.1941 be­rich­tet hat­te. Auch Eli­sa­beth Erd­mann-Ma­cke hat Schmidtbonn nach dem Zwei­ten Welt­krieg in Bad Go­des­berg noch freund­schaft­lich auf­ge­sucht.

Schmidtbonn neig­te nicht zu ei­nem in­tel­lek­tu­ell ge­färb­ten Zy­nis­mus und lieb­te sei­ne Ru­he. Er sei hoch­sen­si­bel, warm­her­zig, skep­tisch und leicht ent­flamm­bar in je­der Hin­sicht, nei­disch und schwie­rig ge­we­sen, so die de­tail­lier­ten Schil­de­run­gen von Eli­sa­beth Erd­mann-Ma­cke.

Wil­helm Schmidtbonn starb am 3.7.1952 in Bad Go­des­berg an ei­nem Herz­schlag und wur­de in ei­nem Eh­ren­grab der Stadt Bonn auf dem Al­ten Fried­hof bei­ge­setzt. In Bonn und Düs­sel­dorf wur­den Stra­ßen nach ihm be­nannt, in Düs­sel­dorf wur­de die Stra­ße 2024 um­be­nannt. Das Bon­ner Stadt­Mu­se­um und das Stadt­ar­chiv be­her­ber­gen ei­nen gro­ßen Teil sei­nes Nach­las­ses, den sei­ne Frau Lui­se nach ih­rem Tod im Jahr 1967 an die Stadt ver­füg­te. Der „Drei­ecki­ge Markt­plat­z“, sei­ne Lie­bes­er­klä­rung an sei­ne Hei­mat­stadt Bonn, ist in zahl­rei­chen Auf­la­gen im­mer wie­der in Bonn neu auf­ge­legt wor­den.

Quellen

Der Nach­lass Wil­helm Schmidtbonns be­fin­det sich im Stadt­Mu­se­um Bonn so­wie im Stadt­ar­chiv Bonn.
Bun­des­ar­chiv (BArch), R 9361-IX Kar­tei 38480125.
Lan­des­ar­chiv NRW, Ab­tei­lung Rhein­land (LAV NRW R), NW 1049, Nr. 18775.
Ar­chiv der Aka­de­mie der Küns­te (AAdK), PrAdK, Nrn. 807, 831, 1113, 1114. 

Werke (Auswahl)

Mut­ter Land­stra­ße, das En­de ei­ner Ju­gend, Bonn 1901.
Der Heils­brin­ger, Ber­lin 1906.
Der Graf von Glei­chen, Ber­lin 1908.
Der ver­lo­re­ne Sohn, Ber­lin 1912.
Der Wun­der­baum, Ber­lin 1913.
Die Stadt der Be­ses­se­nen, Ber­lin 1915
Die Flucht zu den Hilf­lo­sen, Leip­zig 1919.
Rhei­ni­sche Leu­te: Er­zäh­lun­gen, Ber­lin 1926.
Ju­gend am Rhein, Chem­nitz (1926) 1933.
Der drei­ecki­ge Markt­platz, Bonn 1935 [Neu­er­schei­nung Bonn 2004].
An ei­nem Strom ge­bo­ren, Frank­furt a. M. 1935.
Al­ber­tus­le­gen­de, Köln 1948 [Neu­er­schei­nung un­ter dem Ti­tel: Al­ber­tus Ma­gnus: Pil­ger des Her­zens, hg. von Pia He­ckes und Pe­ter Wein­mann, Frank­furt a. M. 2008]. 

Literatur

Cepl-Kauf­mann, Ger­tru­de, Wil­helm Schmidtbonn (1876-1952), in: Kort­län­der, Bernd (Hg.), Li­te­ra­tur von ne­ben­an. 60 Por­traits von Au­to­ren aus dem Ge­biet des heu­ti­gen Nord­rhein-West­fa­len, Bie­le­feld 1995, S. 311-317.
Erd­mann-Ma­cke, Eli­sa­beth, Er­in­ne­run­gen an Au­gust Ma­cke, Stutt­gart 1962.
He­ckes, Pia, „Von der Not­wen­dig­keit, die Welt so­zi­al zu er­neu­ern...“ Wil­helm Schmidtbonn und der ‚Ma­gi­er von Köln’ – die Al­ber­tus­le­gen­de, ein li­te­ra­ri­sches Ver­mächt­nis, in: Bon­ner Ge­schichts­blät­ter 55/56 (2006), S. 234–256.
Metz­ger, Paul (Hg.), Wil­helm Schmidtbonn und Au­gust Ma­cke. Die Fas­zi­na­ti­on des neu­en Thea­ters, Bonn 1994.
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Zitationshinweis

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Heckes, Pia, Wilhelm Schmidtbonn, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-schmidtbonn/DE-2086/lido/57c947a0747138.44617986 (abgerufen am 24.06.2025)

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 02.09.2016, zuletzt geändert am 02.05.2025