Beschreibung

Die Unzufriedenheit vieler Eltern aus Dreisel über die nationalsozialistische Erziehung des Volksschullehrers Schweinheim führte 1935 dazu, dass diese einen Beschwerdebrief verfassten. In dem Schreiben an den Amtsbürgermeister forderten sie mit ausdrücklichem Bezug auf die Regelungen des Reichskonkordates und das Recht auf eine katholische Erziehung ihrer Kinder die Ersetzung Schweinheims durch einen katholischen Lehrer, andernfalls würden sie ihre Kinder vom Unterricht fernhalten. Nachdem das Schriftstück im Hause eines der Beteiligten beschlagnahmt worden war, erfolgte umgehend eine Anzeige wegen "Nötigung eines Beamten zur Vornahme einer Amtshandlung gegen den Lehrer Schweinheim". Es kam zu einer Verhandlung vor dem Schöffengericht in Siegburg. Neben den Unterzeichnern des Schriftstücks wurden auch Dechant Julius Menghius (1975-1947) und Vikar Ernst Moritz Roth (1902-1945) als Drahtzieher und Hauptverantwortliche angeklagt. Ihnen wurde vorgeworfen, die Eltern beraten und den Brief entworfen zu haben. Welche Rolle Roth und Menghius jedoch tatsächlich bei der Planung der Aktion und der Abfassung des Schreibens spielten, bleibt unklar. Zeugenaussagen nach zu urteilen, verweigerte Roth seine Mitarbeit an dem Beschwerdebrief, warnte die Eltern sogar davor, sich an staatliche Stellen zu wenden, und übernahm lediglich die Abfassung des Textes auf seiner Schreibmaschine. Da sich Vikar Roth jedoch bereits seit 1933 mehrfach öffentlich gegen das NS-Regime geäußert und die katholische Jugend über dessen Gefahren aufzuklären versucht hatte, galt er den staatlichen Stellen zumindest als Multiplikator, und so wurde er zusammen mit sechs weiteren Angeklagten am 7.2.1936 wegen erwiesener Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 RM, ersatzweise sechs Tagen Gefängnis, verurteilt. Zwölf weitere Angeklagte wurden zu zehn RM Geldstrafe verurteilt. Acht weitere Angeklagte, darunter auch Dechant Menghius, wurden freigesprochen. In der Folge wurde Roth zunächst nach Bonn, anschließend nach Schwarzrheindorf versetzt. Wahrscheinlich aufgrund einer drohenden Verhaftung durch die Geheime Staatspolizei, floh er Anfang März 1945 nach Dreisel, wo er sich im Hause seines Freundes Willi Weber versteckt hielt. Durch eine verirrte Fliegerbombe, die von einem alliierten Bomber am 12.3.1945 über Dreisel abgeworfen worden war, wurde das Haus, in dem sich Roth zu diesem Zeitpunkt aufhielt, getroffen. Roth kam dadurch ums Leben und wurde auf dem Dattenfelder Friedhof nahe der Kirche St. Laurentius beerdigt.

Literatur

Floer, Bernd, Kollektiver Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus dörflich-katholischem Milieu im Erzbistum Köln: Ein Fallbeispiel aus dem Jahre 1935, München 2008. Hundhausen, Emil, Ernst Moritz Roth als Vikar und Gegner des Dritten Reichs, Windeck 1979. Moll, Helmut (Hrsg.), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Paderborn 1999. Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung, bearb. von Ulrich von Hehl und Christoph Kösters, 4. durchgesehene und ergänzte Auflage, Paderborn u.a. 1998, S. 781. Siering Theo/ Hans Steger, Ernst Moritz Roth 1902-1945, Bonn 1978. Zimmermann, Rainer: Die Kunst der verschollenen Generation: deutsche Malerei des expressiven Realismus von 1925 bis 1975, Düsseldorf/Wien 1980.

Sicherheit: belegt