Beschreibung

Mit vier Mitstreitern gründete der zur Promotion bei Fritz Kern aus Hamburg nach Bonn gewechselte Historiker Walter Markov Anfang Mai 1934 in einem zum Keltologischen Institut der Universität gehörenden Turmzimmer die "Gruppe Universität der KPD". Die jungen Leute verpflichteten sich zu einem Monatsbeitrag von 2 Reichsmark, um eine "Kriegskasse" aufzubauen. Es gelang Markov, die Fünfer-Treffen im Turmzimmer als Russisch-Kurs zu deklarieren und er erhielt dafür im Sommersemester 1934 einmalig 500 Reichsmark. An Kontakten nach außen mangelte es zunächst, auch zu den verfolgten Bonner Kommunisten des Unterbezirks und den Studenten der verbotenen Kommunistischen Studenten-Fraktion (Kostufra). So kam man unter dem Einfluss des Gruppenmitglieds Anthony Toynbee (1910-1975), der älteste Sohn des Geschichtsphilosophen Arnold J. Toynbee (1889-1975), auf die Idee, zunächst englischsprachige Touristen über den Charakter des NS-Regimes aufklären zu wollen. Entsprechende Flugblätter wurden verfasst. Eine Grundlage für diese Propagandaarbeit bot das Material, das der reiselustige Markov unter anderem am Rande des WM-Qualifikationsspiels der deutschen Fußballnationalmannschaft in Luxemburg am 11.3.1934 organisierte. Hatte er diese Fahrt mit dem Bus unternommen, fuhr er Pfingsten 1934 mit Toynbee sowie den Gruppenmitgliedern Günter Meschke (geboren 1907) und Hans Schadow (geboren 1908) per Fahrrad und Motorrad ins Saargebiet. In Saarbrücken sprach man bei der KP-Leitung vor, erhielt aber dort anders als erhofft keine Kontaktadressen. Markov richtete zudem für alle Fälle ein Konto bei einer französischen Bank ein. In Bonn plante die Gruppe weitere Aktionen und erwog im Vorfeld eines Besuchs von Hermann Göring ein Attentat vom Museum Alexander Koenig aus und konnte weitere Mitstreiter gewinnen. Endlich gelang auch ein Kontakt zur KPD. Diesen stellte das Gruppenmitglied Hannes Schmidt (1909-1989) her, der mit einer "Halbjüdin" verlobt war und als Schlagzeuger und Ringelnatz-Fan zu einer Art linken "Bohème" zählte. Er konnte über den Apotheker Charlie Fromme (1908-1958) und den Buchhändler Karl Limbach (1911-1972) im Oktober 1934 die lange erhoffte Verbindung zur Unterbezirksleitung der KPD herstellen. Zu diesem Zeitpunkt war Markov bereits den NS-Behörden aufgefallen. Auf Markovs Doktorfeier Ende Juli hatte man ein Referat des Spitzenkommunisten Wilhelm Pieck (1876-1960) diskutiert, was eine der Anwesenden nicht für sich behalten wollte. Einstweilen aber blieb die Gruppe unbehelligt, da man sie offenbar nicht allzu ernst nahm. Im Wintersemester 1934 aber wurde der Kontakt zur Unterbezirksleitung der KPD enger und Markov zeichnete mit "CH" (Carl und Hugo waren weitere Vornamen Walter Markovs) seine Artikel in der Widerstandszeitung "Sozialistische Republik", für die er selbst den Titel vorgeschlagen hatte und die er zeitweise ganz allein füllte. Markovs Posteingang fiel auf und wurde so offen kontrolliert, dass er es später für möglich hielt, die zunächst noch wenig nationalsozialistische, eher katholisch geprägte Bonner Polizei habe ihn warnen wollen. Zum Verhängnis wurde Markov, dass er im Dezember 1934 in dem ihm von früher bekannten Eifelort Roggendorf Kontakt mit allerdings untereinander verfeindeten Kommunisten aufnahm. Einige von ihnen dienten als Kuriere für illegale Post. Am 8.2.1935 kam es hier zum Verrat. Noch am Abend wurde Schadow festgenommen, am Tag darauf Markov im Direktorenzimmer des 1939 emigrierten Orientalisten Paul Kahle. Zuvor hatte Markov noch Prüfungen abgenommen. Er war nach einer Nacht in Köln bewusst nach Bonn zurückgekehrt, um nicht als Drückeberger zu gelten. In der Tat hätte Markov, der immer noch einen jugoslawischen Pass besaß, gute Fluchtchancen gehabt. So aber wurde er zunächst zur Polizeiwache im Rathaushof gebracht, dann in Gefängnisse in Bonn, Essen und Berlin. Dort verurteilte ihn am 4.5.1936 der Volksgerichtshof zu zwölf Jahren Zuchthaus, während Meschke mit einem halben Jahr und Schadow mit einem Jahr Gefängnis davonkamen. Anthonys berühmter Vater Arnold Toynbee, der nach Berlin zu Minister Hans Kerrl gereist war, hatte das harte Urteil auch deshalb nicht verhindern können, weil Markov im Prozess an seiner Weltanschauung kompromisslos festhielt. Bis 1945 und damit bis zu seinem 36. Lebensjahr saß Markov nun im Siegburger Gefängnis ein. Trotz vieler Rückschläge - die Fleckfieberepidemie unter den Gefangenen, die Verlegung von Mitverschworenen, die Erschießung von drei Luxemburger Mitgefangenen als Vergeltung für ein Attentat, die völlige Überbelegung des Gefängnisses unter anderem nach Aufgabe der Rheinbacher Anstalt - verfocht Markov die Idee eines Aufstands gegen die Gefängnisleitung. Tatsächlich gelang es ihm mit einigen Gefährten kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in den Siegburger Norden, die Gefängnisleitung zu überwältigen. Die amerikanischen Besatzer übertrugen Markov und anderen politischen Gefangenen die Gefängnisleitung, da eine sofortige Freilassung wegen des noch immer grassierenden Fleckfiebers nicht sinnvoll erschien. Von der Mehrheit der Gefängnisinsassen wurde Markov aber bald entmachtet, da man den Kommunismus ablehnte. Später wurde Markov einer der renommiertesten Historiker der DDR. Am 3.7.1993 starb er in Summt am See nördlich von Berlin.

Literatur

Forsbach, Ralf, Walter Markov (1909-1993), NS-Widerstandskämpfer und Historiker (http:"www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/M/Seiten/WalterMarkov.aspx). Heitkamp, Sven, Walter Markov. Ein Leipziger Historiker zwischen Parteilichkeit und Professionalität, in: Die Hochschule 1/2002, S. 148-158 (Text als PDF-Datei auf der Website des Instituts für Hochschulforschung Wittenberg). Markov, Walter, Wie viele Leben lebt der Mensch. Eine Autobiographie aus dem Nachlass, o. O. [Leipzig] 2009 (Niederschrift aus der ersten Hälfte der achtziger Jahre; Publikation von der Witwe Irene Markov veranlasst). Matzerath, Josef (Hg.), Bonn. 54 Kapitel Stadtgeschichte, Bonn 1989 (mit Beiträgen über und von Walter Markov). Neuhaus, Manfred/Seidel, Helmut (Hg.), "Wenn jemand seinen Kopf bewußt hinhielt…" Beiträge zu Werk und Wirken von Walter Markov, 2. durchgesehene Auflage, Leipzig 1998 (unkritische Gedenkschrift zahlreicher Weggefährten und Kollegen).

Sicherheit: belegt