Beschreibung

Der bekannte Sozialdemokrat Nikolaus Haas setzte auch nach der Gleichschaltung seine publizistische Tätigkeit aus dem nahen Ausland gegen das NS-Regime fort. In dem "Schmutz- und Hetzblatt" "Die Arbeit" Nr. 42 vom 19.10.35 brachte er unter der Überschrift "Aus dem braunen Korruptionssumpf der braunen Oberbonzen in Aachen" folgenden Artikel: "Wie oft schon haben wir uns an dieser Stelle mit dem Bonzensumpf der Nazis in unserer Nachbarstadt beschäftigt. Auch mit der Person des einstigen Brigadeführers Heinrich. Letzterer bekommt jetzt ein besonderes Gesicht, weshalb wir es für notwendig finden, uns noch einmal damit zu befassen. Über die Person des Henrich und die Vorgänge bei der Röhmaffaire liefen ja die tollsten Gerüchte seiner Zeit herum. Nun behauptete sogar, dass er bei dem allgemeinen Massenmord mit umgekommen sei. Aber uns interessieren nicht die Gerüchte. Tatsache war, dass der Brigadeführer Henrich zur Disposition gestellt wurde. Ein anderer übernahm das Kommando. Doch zum Leidwesen seiner Widersacher, dem jetzigen Bonzenklüngel à la Quirin Jansen und Schmeer paradierte er immer noch in der Uniform des Brigadeführers in Aachen auf dem Graben herum. Er machte dies demonstrativ und erzählte dabei Krete und Pleti, aber besonders seinem noch grossen Anhange, um was es sich eigentlich handelte. Wir wiesen schon vor einem Jahr darauf hin und brauchen dieses deshalb nur noch anzudeuten. Henrich wusste also so allerhand von den heutigen Oberbonzen der Stadt Aachen und hatte die Frechheit, daraus keinen Hehl zu machen. So unter anderem hatte er die Beweise in der Hand, was für Spitzbuben eigentlich heute die tonangebenden Männer im Aachener Bezirk sind. Da war eine unsaubere Geschichte betreffend Unterschlagungen des jetzigen Kreisleiters der NSDAP und jetzigen Beigeordneten der Stadt Aachen, Schmeer. Damit im Zusammenhang kam auch der jetzige Oberbürgermeister mit unter den Schlitten und eine Reihe anderer Persönlichkeiten. Zwecks Klarstellung dieser unsauberen Angelegenheit beantragte Henrich nun ein Verfahren gegen sich selbst. Die Angelegenheit läuft nun schon über anderthalb Jahr, eine Menge Zeugen wurden vernommen, Fahrten nach Berlin mussten gemacht werden, der Gestank wurde immer grösser, und wenn wir einmal darauf aufmerksam machten, dass wir gespannt sein würden, wer in diesem Tauziehen der braunen Oberbonzen als Sieger hervorgehen würde, so hatte das seine besonderen Gründe. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten. DAs muss auch Henrich jetzt erfahren. Die Korruptionsklique hat ihre Position gut aufgebaut; sie haben durch freigebige Postenverteilung an allerlei Subjekte ihrer Art sich einen starken rücken geschafft. Man denke nur an den jüngsten Bürgermeister von Brand, Herr Rong, den sie jetzt vor nicht langer Zeit noch in Amt und Würden gebracht haben. Er ist Fleisch von ihrem Fleische, eine stadtbekannte üble Persönlichkeit, die so übel beleumundet ist, dass selbst in Parteikreisen für die jüngste Schiebung der Jansen-Schmeer-Kamarilln ein grosser Spektakel anhub. Das will doch gewiss schon etwas heissen. Nun platzt die Bombe. Der einstige Brigadeführer ist flüchtig. Sämtliche Polizeistellen wurden von der Gestapo Aachen diesbezüglich benachrichtigt. Himmel und Hölle wurden in Bewegung gesetzt, um zu verhüten, dass dieser braune Oberbonze ins Ausland entkommt. Man kann die Schmerzen verstehen, denn, wenn dieser auspacken würde, könnte das recht verhängnisvoll werden. Das Interessanteste an dieser Sache ist jedoch der Grund, warum man jetzt plötzliche alles dransetzt, diesen Mann zu verhaften. Man verfolgt ihn wegen Röhmerei (§175). Es ist hier genau so wie seiner Zeit bei Röhm. Man tut so, als habe man das vorher nicht gewusst, obschon alles stadtbekannt war. Aber nicht erst in jüngster Zeit, sondern schon vor Jahren pffifen das die Spatzen von dem Dache, genau so wie im Falle Röhm. Solcher Dinge erinnert man sich im dritten Reiche erst, wenn man einen Gegner unter allen Umständen los werden muss, da er zu unbequem und den braunen Oberbonzen gefährlich werden könnte. Solange jemand hübsch brav und devot bleibt, sich nach dem Willen der Oberbonzen fügt und im gleichen Schritte und Tritt ausgerichtet mitmarschiert, sind alle Verbrechen erlaubt, auch noch viel schlimmere als wie diese, die man ihm jetzt vorwirft, aber wehe dem, der eine eigene Meinung versucht durchzusetzen, wehe dem, der Gaunerei der Oberbonzen Gaunerei nennt, wehe dem, der es wagt, diesem Bonzengeschmeiss einmal vorzuhalten, was aus ihren Versprechungen geworden ist. Es wird so lange weiter gehen, bis eines Tages das Volk dieses Verbrechergeschmeiss dahin bringt, wohin sie allesamt ohne Ausnahme gehören". Laut Gestapo-Bericht werde aus diesem "Hetzartikel" ersichtlich, dass Haas nach wie vor mit Aachener Volksgenossen in Verbindung stand und er von diesen laufend mit Nachrichten versehen wurde. Den Artikel hatte er mit "sh" unterzeichnet.

Quellen

LAV NRW R, Reg. Aachen, Präs. Büro, 1033, S. 31-36

Sicherheit: belegt