Beschreibung

Der Kaufmann Ludwig Lude aus Stolberg bei Aachen wurde im Juni 1935 von der Dortmunder Gestapo festgenommen weil er sich für den Auslandswiderstand der SPD engagiert hatte. Lude war bis 1933 SPD-Mitglied und hatte Kontakt zu dem früheren Gewerkschaftssekretär Haas aus Aachen und wurde für ihn nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten tätig. Lude sagte aus, dass er Haas seit seiner Zeit beim Metallarbeiterverband 1921 kennen würde. Später wurde Lude Kaufmann und hatte auch Geschäftsbeziehungen nach Belgien und Holland. Bei einer Geschäftsreise nach Belgien anfang 1934 sei er wieder auf Haas getroffen. Haas forderte ihn damals auf, mit ihm im Sinne der SPD illegal zu arbeiten. Aus alter Anhänglichkeit, so Lude im Verhör, habe er zugesagt. Bereits im August 1934 habe er im Auftrag von Haas Funktionäre der SPD auf illegalem Wege von Deutschland aus über die Grenze nach Holland gebracht. Seinerzeit fand unter der Leitung des ehemaligen SPD-Reichtagsabgeordneten Gustav Ferrel im Gewerkschaftshaus in Maastricht eine Versammlung der SPB statt. Ferrel sprach hauptsächlich über den Aufbau der illegalen SPD und machte den Versammlungsteilnehmern sein Vorhaben schmackhaft. Ferner erklärte er, dass er in seiner Eigenschaft als Grenzsekretär der SPD den Transport illegaler Schriften von Belgien nach Deutschland selbst organisieren und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln durchführen würde. Über Einzelheiten, die auf der Versammlung besprochen worden sind, konnte sich Lude laut Gestapobericht nicht mehr entsinnen. Nach Ludes Angaben hatten an dieser Versammlung zwölf weitere Funktionäre aus Deutschland teilgenommen, die er aber nicht erkannt haben will. Bereits im Mai 1934 wurde der erste Transport der illegalen Schrift "Sozialistische Aktion" von Belgien nach Deutschland durchgeführt. Die Schriften wurden im Wald von Stolberg-Atsch versteckt. Dieser Transport und auch die folgenden wurden durch einen Berufsschmuggler (Sauerbier) durchgeführt. Insgesamt hatte Lude vier bis fünfmal je 400-500 Exemplare der "Sozialistischen Aktion" erhalten. Die Schriften wurden ihm von dem mitbeschuldigten Genossen Dietz in die Wohnung gebracht. Auch getarnte Broschüren "Die Kunst des Selbstrasierens", " Das Liebesmahl des Plato" und "Pflege Dein Haar" hat er von Dietz erhalten. Angeblich soll ihm die letzte Sendung im September 1934 zugestellt worden sein. Lude hatte die ihm zugestellten Schriften an verschiedene illegal tätige Kuriere des Bezirks Niederrhein - die ebenfalls durch die Staatspolizeistelle Dortmund festgenommen worden sind - weitergegeben. Ferner hat Lude im Jahr 1934 an Konferenzen der SPB die in der Zeit von August 1934 bis November 1934 in Brüssel, Lüttich und Amsterdam stattgefunden haben, teilgenommen. Die Einladung zu diesen Konferenzen erfolgte stets durch Haas. Auf den Konferenzen wurde immer von einer bevorstehenden Revolution, von den Aufbauarbeiten der SPD in Deutschland und von der Einfuhr illegaler Propagandaschriften gesprochen. In der Brüsseler Konferenz soll der frühere Reichstagsabgeordnete Otto Wels (1873-1939) als Redner aufgetreten sein. Lude wollte sich beim Verhör an Einzelheiten, die besprochen wurden, nicht mehr erinnern. Nach seinen Angaben, soll im Januar 1935 in Maastricht die letzte Konferenz stattgefunden haben. Da er die ganze illegale Arbeit der SPD als aussichtslos erkannt haben will, hatte er angeblich an dieser Konferenz nicht mehr teilgenommen. Lude war auch derjenige, der im Bereich der Staatspolizeistelle Aachen Nachrichten sammelte und diese durch Dietz dem Genossen Haas in Belgien zustellen ließ. Bei diesen Nachrichten handelte es sich hauptsächlich um Berichte über die Stimmung der Bevölkerung, über die Nahrungsmittelknappheit, Kirchenstreit, Verhaftungen , die in Aachen und Umgebung durchgeführt wurden usw. Über die SA und SS, Polizei und Wehrmacht will er keine Berichte gefertigt haben. Desgleichen will er auch keine Greuelnachrichten an Haas übermittelt haben. Angeblich hatte er vier bis fünf solcher Berichte verfasst. Haas hatte einen Teil der ihm von Lude übersandten Berichte für sich behalten und die Nachrichten in völlig entstellter Form in der belgischen Zeitung "Die Arbeit" unter dem Titel "Masken herunter" veröffentlicht. Ein weiterer Teil der Berichte soll auch in der Prager Zeitung veröffentlicht worden sein. Der festgenommene Dietz war von Beruf Arbeiter und seit dem Jahr 1931 erwerbslos. 1931 trat er dem Reichsbanner, Ortsgruppe Aachen bei und war Gruppenführer. Gelegentlich eines Besuchs in Altenberg (Belgien) will er von Haas zur illegalen Mitarbeit aufgefordert worden sein. Er erklärte sich bereit und tätigte in der Hauptsache Kurierdienste zwischen Haas und Lude. Durch die Kurierdienste wurde Dietz mit Lude bekannt. Im Auftrag von Haas sollte er einen jungen Mann für Kurierdienste ausfindig machen, speziell für die Einfuhr illegaler Schriften in das Reich. Das Ansinnen Haas' soll er abgelehnt haben. Bei einem Treffen, dass im Grenzgebiet mit Ferrel, Haas und Lude stattfand wurde ihm von Ferrel ein junger Mann vorgestellt, der Transporteur der Schriften war. Dietz hatte nun, bevor die Transporte begannen, ein Versteck im Wald von Stolberg-Atsch ausfindig zu machen und dem Transporteur zu zeigen sowie durch eine größere weiße Blechdose kenntlich zu machen. Die Tätigkeit von Dietz bestand aber auch in der Verteilung der Schriften, die er an Lude überbracht hatte sowie in der Aushändigung der Stimmungsberichte. Außerdem hatte er im November 1934 im Auftrag von Haas drei Funktionäre der illegalen SPD am Aachener Hauptbahnhof abgeholt und bei Rötgen über die Grenze nach Belgien gebracht. Die Funktionäre, die angeblich aus dem Ruhrgebiet stammten haben als Kennzeichen an der linken Rockseite eine weiße Stecknadel getragen. Nach Aussage von Dietz hatten die drei Funktionäre an einer Konferenz in Eupen teilgenommen. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehörte das ehemalige SPD-Vorstandsmitglied von Stolberg Leonhard Schaub. Bis zur Machtübernahme war Schaub Vorsitzender des Reichsbanners. Schaub war laut Bericht der Gestapo an die Bezirksregierung Aachen bei seiner Vernehmung äußerst verstockt und hartnäckig und legte erst nach mehrmaliger Gegenüberstellung ein Geständnis ab. Er war derjenige, der mit Dietz die Verstecke im Stolberger Wald ausfindig machte und an Funktionäre Schriften verteilte. Im November 1934 brachte er zwei SPD-Funktionäre über den Stolberger Bahnhof nach Belgien. Der Transporteur der Flugschriften war Ferdinant Sauerbier aus Röttgen. Haas hatte ihn 1934 als Leonhard Hamm in Altenberg kennen gelernt. Da Sauerbier an dem Schriftenschmuggel verdienen konnte, ließ er sich von Haas einspannen. Insgesamt hatte Sauerbier sechs Transporte durchgeführt und die Schriften an die von Dietz gezeigte Stelle im Wald deponiert. Dafür zahlten im Haas und Ferrel insegsamt 900 belgische Franken. Der letzte Transport machte er im März 1934. Auch Sauerbier transportierte wie die beiden anderen im Herbst 1934 zwei Funktionäre aus Westfalen illegal nach Belgien. Die Gestapo vermutete in allen Mitgliedern dieser Gruppe führende Leute der illegalen SPD die diese auch organisatorisch aufgebaut haben sollen. Kopf der Gruppe war Haas, der vom Matteeti-Fond finanziert wurde und so gezwungen war, illegal tätig zu sein, so die Gestapo. Alle wurde von der Gestapo festgenommen und dem Untersuchungsrichter vorgeführt.

Quellen

LAV NRW R, Reg. Aachen Präs. Büro, Nr. 1029, p. 26-36

Sicherheit: belegt