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Adolf Raskin war ein aus Köln stammender Musikwissenschaftler, Journalist, Intendant des Reichssenders Saarbrücken und Kommissarischer Intendant des Deutschen Kurzwellensenders.
Adolf Raskin wurde am 17.11.1900 in Köln-Ehrenfeld in eine katholische Familie kleinbürgerlichen Zuschnitts geboren. Er war der älteste Sohn von fünf Kindern des Postschaffners Bernhard Raskin (1871-1925) und der Köchin Johanna Raskin, geborene Giesen (1874-1961). Raskins 1902 geborener Bruder Heinrich (gestorben 1990) arbeitete als promovierter Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler 1930-1936 in der Kölner Stadtverwaltung und war 1949-1963 Oberbürgermeister der Stadt Trier. Die 1909 geborene Schwester Luise erhielt eine Ausbildung zur Erzieherin und war in dieser Eigenschaft zeitweise im Haus des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer beschäftigt.
Von 1906 bis 1918 besuchte Raskin Volksschule und Realgymnasium in Köln. Seine Schulzeit wurde von Juni bis November 1918 durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Richtkanonier in einem Feldartillerieregiment unterbrochen. Ende 1918 legte er das Notabitur in Köln ab und studierte ab 1919 Musik- und Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie (Psychologie) an den Universitäten Köln und Bonn 1923 promovierte er im Fach Musikgeschichte zum Thema „Johann Joachim Quantz, sein Leben und Werk – eine stilkritische Untersuchung“.
Durch familiäre Kontakte erhielt Raskin eine Lehrstelle an der Röchlingbank in Saarbrücken. Parallel dazu etablierte sich Raskin, dem der Brotberuf eines Bankangestellten nicht behagte, als Theaterkritiker der „Saarbrücker Zeitung“. Im Jahre 1924 heiratete er Maria Dunsche (1896-1960), ihr Sohn Karl-Bernd wurde 1927 geboren (gestorben 1968). 1929 wechselte Raskin als Feuilletonjournalist zur „Rheinisch-Westfälischen Zeitung“ nach Essen. Als Korrespondent und Rezensent arbeitete er unter anderem für die „Deutsche Allgemeine Zeitung“, für die Musikzeitschrift „Melos“ und den neusachlichen „Scheinwerfer“, die Theaterzeitschrift der Essener Bühne, und ergriff wiederholt Partei für Komponisten und Interpreten zeitgenössischer Musik wie etwa Ernst Krenek, Alban Berg oder Rudolf Schulz-Dornburg.
Im Jahre 1933 stand ein weiterer Karrieresprung an. Auf Empfehlung der Essener NS-Gauleitung wurde Raskin, der bereits während der „Systemzeit“ Kontakte zum Kampfbund für deutsche Kultur geknüpft hatte, zum 1.5.1933 Leiter des Musikressorts bei der Westdeutschen Rundfunk GmbH in Köln. Vor der Übernahme dieser Position trat er im April 1933 in die NSDAP ein. Heinrich Glasmeier, der Intendant des Reichssenders Köln (1933-1937) und spätere Reichsrundfunkintendant (1937-1945), und Reichspropagandaminister Joseph Goebbels erkannten in Raskin eine „einmalige rundfunkpropagandistische Begabung“. In der Person Raskins verbanden sich absolute Fachkenntnis mit widersprüchlichen Tendenzen wie opportunistisches Karrierestreben bei gleichzeitiger Ablehnung des NS-Systems und der Reklamation persönlicher Freiräume.
Anfang 1934 wechselte Raskin nach Frankfurt, wo er die Leitung des „Westdeutschen Gemeinschaftsdienstes“ übernahm, der die Rundfunkaktivitäten im Vorfeld des Saar-Referendums vom Januar 1935 koordinierte. Am 4.12.1935 übernahm er offiziell die Intendanz des neugegründeten Reichssenders Saarbrücken. Doch zuvor galt es, Karriereturbulenzen des Jahres 1935 zu überstehen. Die Personalie Raskin war im Gau Saarpfalz nicht unumstritten, da er sich zum Beispiel über die Zäsur von 1933 hinaus für „Kulturbolschewisten“ wie den Bildhauer Christoph Voll (1897-1939) eingesetzt hatte. Und im Jahre 1934/1935 erschütterte eine Korruptionsaffäre den Reichssender Köln, bei der der Leiter des Ressorts für Kammermusik in seiner Eigenschaft als Redakteur für die „Bunten Abende“ zugunsten des Winterhilfswerkes ab 1933 Gelder der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt unterschlagen hatte. Raskin vermochte sich als (nun nicht mehr amtierender) aber zum Zeitpunkt der Unterschlagungen formal zuständiger Abteilungsleiter jedoch dem Sog der Affäre zu entziehen, während Intendant Glasmeier für zehn Monate von seinem Amt suspendiert wurde. Raskins offene Parteinahme in der Affäre und zugunsten Glasmeiers und auch Reichssendeleiter Eugen Hadamovkys (1904-1945) legten den Grundstein für seine weitere Protektion innerhalb der Führungsspitze des deutschen Rundfunks und für seinen steilen Aufstieg innerhalb des Systems.
Unterm Strich erarbeitete sich Raskin in den Jahren bis zu seinem Tod im Jahre 1940 eine Sonderstellung als rechte Hand des Reichsrundfunkintendanten Glasmeier und dessen engster Berater in Fragen des Musikprogramms.
Beim „Anschluss“ Österreichs im März 1938 fungierte Raskin als Sonderbeauftragter der Reichsrundfunkintendanten zur Liquidierung der österreichischen Rundfunkgesellschaft RAVAG und die Überführung des Senders Wien in den späteren Reichssender; kurzfristig amtierte er in Wien auch als interimistischer Intendant. Nach Berlin zurückbeordert, übertrug ihm Glasmeier die Leitung der Abteilung Zeitgeschehen innerhalb der Reichssendeleitung der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Abgesehen davon war Raskin Beauftragter des Reichsintendanten in Fernsehfragen und regierte als Graue Eminenz in die Geschäfte des neu gegründeten Fernsehsenders hinein, unter anderem in Fragen der Personalpolitik. So vermochte es Raskin, ehemalige Mitarbeiter oder Weggefährten beim Fernsehen unterzubringen, das nicht im Focus von Goebbels’ Interesse stand, beziehungsweise beim Kurzwellensender (KWS), in dessen Programmen für das Ausland weiterhin Sendungen mit kulturkonservativem Zuschnitt ausgestrahlt wurden.
1939/1940 stand Raskin auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Am 7.3.1940 wurde er zum kommissarischen Intendanten des KWS und Direktor der Auslandsabteilung der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft bestellt. Der KWS war zu dem Zeitpunkt sowohl in Hinsicht auf das Programmvolumen als auch die Anzahl der Fremdsprachdienste weltweit führend. Die Position wurde nur interimistisch vergeben, da sich der Stelleninhaber, Kurt von Boeckmann (er pflegte mutmaßlich Kontakte zu Carl von Goerdeler) der Amtsausübung durch fortgesetzte ärztliche Atteste entzog. Als kommissarischer Stelleninhaber war Raskin nun in Personalunion ebenfalls zuständig für die Leitung der deutschen Geheimsender. Diese dienten der psychologischen Kriegführung, zum Beispiel durch Maßnahmen der „Schwarzen Propaganda“ wie gezielter Desinformation beziehungsweise getarnten Sendern. So gab der Geheimsender „Radio Humanité“ vor, von französischen Kommunisten im Untergrund betrieben zu werden, während sich „Radio Voix de la Paix“ den Anstrich gab, ein Sprachrohr bürgerlicher Patrioten zu sein. Die Wirksamkeit der Propagandamaßnahmen wurde sowohl von Goebbels als auch in Geheimakten des französischen Postministeriums als hoch eingeschätzt.
Nach Beendigung des Frankreichfeldzuges arbeitete Raskin dann an der antibritischen Propaganda und einem ganzen, „Radio Concordia“ genannten, Set an Geheimsendern.
Adolf Raskin starb am 8.11.1940 bei einem Flugzeugabsturz bei Kamenz in der Nähe von Dresden anlässlich einer Dienstreise auf den Balkan. Die Trauerfeier fand zwei Tage später im Großen Sendesaal des Berliner Funkhauses statt. Raskins Leichnam wurde nach Köln überführt und im Familiengrab in Bocklemünd bestattet. Nachfolger wurde der Intendant des Reichssenders Köln, Dr. Toni Winkelnkemper.
Werke
Johann Joachim Quantz, sein Leben und Werk – eine stilkritische Untersuchung, Diss. 1923.
Literatur
Bernard, Birgit, „Raskin, Adolf“, in: Bautz Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. XXXI, 2010.
Bernard, Birgit, „Eine einmalige rundfunkpropagandistische Begabung“. Adolf Raskin (1900-1940), in: Musikwissenschaft im Rheinland um 1930. Hg. von Klaus Pietschmann und Robert von Zahn, Kassel 2012, S. 137-193.
Bernard, Birgit, Korruption im NS-Rundfunk. Die Affäre um die „Bunten Abende“ des Reichssenders Köln, in: Geschichte im Westen 23 (2008), S. 173-203.
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Bernard, Birgit, Adolf Raskin, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolf-raskin/DE-2086/lido/57c95bd9318396.94499419 (abgerufen am 05.12.2024)