Aegidius

römischer Feldherr (gestorben 464)

Jennifer Striewski (Bonn)
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Ae­gi­di­us war ei­ner der letz­ten rö­mi­schen Feld­her­ren, die in Gal­li­en die Gren­ze ge­gen die her­an­rü­cken­den Ger­ma­nen ver­tei­dig­ten. Nach dem Zu­sam­men­bruch der Gren­ze und der Er­mor­dung des Kai­sers Maio­ri­an (Re­gie­rungs­zeit 457-461) durch den Heer­meis­ter Ri­ci­mer (405-472), er­rich­te­te Ae­gi­di­us ei­nen de fac­to un­ab­hän­gi­gen gal­lo-rö­mi­schen Herr­schafts­be­reich, der sich noch un­ter Ae­gi­di­us Sohn Syag­ri­us (ge­stor­ben 486) bis 486 ge­gen die Fran­ken be­haup­ten konn­te.

Ae­gi­di­us ent­stamm­te dem vor­neh­men gal­li­schen Ge­schlecht der Syag­rier, das sich auf den Kon­sul Fla­vi­us Af­ra­ni­us Syag­ri­us (350- nach 382) zu­rück­führ­te.

Mit der Er­mor­dung des west­rö­mi­schen Heer­meis­ters Ae­ti­us (390-454) im Jah­re 454 brach die rö­mi­sche Ab­wehr­li­nie am Rhein nach jah­re­lan­gen Kämp­fen end­gül­tig zu­sam­men. Nach dem To­de des Kai­sers Avi­tus (Re­gie­rungs­zeit 455-456) 456 wur­de Ae­gi­di­us als Feld­herr nach Nord­gal­li­en ent­sandt, wo er links­rhei­ni­sche Rö­mer­städ­te ge­gen ri­pua­ri­sche Fran­ken ver­tei­dig­te und mit sei­nen Trup­pen die nord­gal­li­sche Gren­ze zum rö­mi­schen Im­pe­ri­um si­cher­te. In Gal­li­en ge­lang es Ae­gi­di­us, die West­go­ten und Bur­gun­der in Schach zu hal­ten und so zum letz­ten Mal die rö­mi­sche Herr­schaft im gal­li­schen Raum zu sta­bi­li­sie­ren.

We­ni­ger er­folg­reich er­wies sich Ae­gi­di­us im Kampf ge­gen die Fran­ken und in sei­nem Be­mü­hen, die al­te Rhein­gren­ze wie­der­her­zu­stel­len. 456 grif­fen die ri­pua­ri­schen Fran­ken die von Ae­gi­di­us ver­tei­dig­te Stadt Köln an, die er aber ge­gen den an Zahl weit über­le­ge­nen Geg­ner nicht dau­er­haf­t hal­ten konn­te. Als die Fran­ken die Ober­hand ge­wan­nen und vie­le An­hän­ger des Ae­gi­di­us tö­te­ten, muss­te der Feld­herr die Flucht an­tre­ten und Köln auf­ge­ben. Im Som­mer 457 führ­te Ae­gi­di­us ei­ni­ge Feld­zü­ge ge­gen die ri­pua­ri­schen Fran­ken in Köln durch, doch ge­lang es ihm nicht mehr, die Stadt zu ent­set­zen. Köln, einst­mals Haupt­stadt der Pro­vinz Nie­der­ger­ma­ni­en, wur­de nun zum Vor­ort ei­nes frän­ki­schen Gau­es. Die Nie­der­la­ge des Ae­gi­di­us mar­kiert so­mit das end­gül­ti­ge En­de rö­mi­scher Herr­schafts­an­sprü­che im Rhein­land.

Um die rö­mi­sche Mi­li­tär­macht in Gal­li­en zu stär­ken, ar­bei­te­te Ae­gi­di­us auch mit dem sal­frän­ki­schen Kö­nig Chil­de­rich (ge­stor­ben 482), dem Va­ter Chlod­wigs (466-511), zu­sam­men. Mit dem neu­en durch den rö­mi­schen Heer­meis­ter Ri­ci­mer ein­ge­setz­ten Kai­ser Maio­ri­an ver­band Ae­gi­di­us ei­ne en­ge Freund­schaft, da bei­de zu­sam­men in der Ar­mee ge­dient hat­ten. Auf Be­fehl des Kai­sers und mit Un­ter­stüt­zung der frän­ki­schen Ver­bün­de­ten brach Ae­gi­di­us 458 nach Süd­gal­li­en auf und er­ober­te das zu­vor von den Bur­gun­dern be­setz­te Ly­on zu­rück. Au­ßer­dem ver­tei­dig­te er er­folg­reich Arles, den Sitz der gal­li­schen Prä­fek­tur, wo er je­doch von den west­go­ti­schen Trup­pen Theo­de­richs II. (ge­stor­ben 466) ein­ge­schlos­sen wur­de. Erst ein von Kai­ser Maio­ri­an ge­führ­tes Heer brach­te 459 den end­gül­ti­gen Sieg der rö­mi­schen Trup­pen, die West­go­ten muss­ten sich ge­schla­gen ge­ben und blie­ben Fö­de­ra­ten. Die Bur­gun­der durf­ten die von ih­nen er­ober­ten Ge­bie­te bis auf Ly­on al­ler­dings be­hal­ten.

Auf­grund sei­ner Er­fol­ge im Kampf ge­gen die West­go­ten und die Bur­gun­der er­hielt Ae­gi­di­us da­her 459 die Er­nen­nung zum ma­gis­ter ut­ri­us­que mi­li­tiae per Gal­li­as an­stel­le des bis­he­ri­gen gal­li­schen Heer­meis­ters Agrip­pi­nus. Er be­müh­te sich in Gal­li­en die rö­mi­sche Ober­ho­heit zu wah­ren, be­zie­hungs­wei­se wie­der her­zu­stel­len. Die Nie­der­la­ge Maio­ri­ans ge­gen den Van­da­len Gei­se­rich (389-477) 460, bei der die kai­ser­li­che Flot­te im Ha­fen von Car­ta­gena ver­nich­tend ge­schla­gen wur­de, un­ter­grub das An­se­hen des Kai­sers, ins­be­son­de­re, da sich Maio­ri­an im Frie­dens­ver­trag mit den Van­da­len gro­ße Ge­bie­te in Af­ri­ca ab­neh­men las­sen muss­te. 461 wur­de er bei sei­ner Rück­kehr nach Ita­li­en durch Ri­ci­mer ge­fan­gen ge­nom­men und schlie­ß­lich hin­ge­rich­tet. Grund hier­für war wohl die zu ei­gen­stän­di­ge Po­li­tik des Kai­sers, als Vor­wand dien­te die miss­lun­ge­ne Mi­li­tär­ope­ra­ti­on ge­gen die Van­da­len in Nord­afri­ka. Als neu­en Kai­ser setz­te Ri­ci­mer Li­bi­us Se­ver­us (Re­gie­rungs­zeit 461-465) ein, der als Schat­ten­kai­ser des Heer­meis­ters re­gier­te.

Nach der Er­mor­dung Maio­ri­ans stell­te sich Ae­gi­di­us of­fen ge­gen Ri­ci­mer, da er des­sen Jus­tiz­mord an sei­nem Freund nicht hin­neh­men woll­te. Den von Ri­ci­mer zum Herr­scher er­nann­ten Li­bi­us Se­ver­us er­kann­te Ae­gi­di­us nicht an und mach­te so­gar An­stal­ten, des­sen Re­gie­rung in Ita­li­en zu stür­zen. Ae­gi­di­us schloss er­neut ein Bünd­nis mit dem Me­ro­win­ger Chil­de­rich, dem Kö­nig der sa­li­schen Fran­ken, des­sen Krie­ger ihn nach Ita­li­en be­glei­ten soll­ten. Auch Gei­se­rich und die Van­da­len for­der­te er zum Krieg ge­gen Ri­ci­mer und Li­bi­us Se­ver­us auf. Sein Vor­ha­ben schei­ter­te je­doch, da die West­go­ten 462 Nar­bon­ne be­setz­ten und die Thron­fol­ge Li­bi­us Se­ver­us’ an­er­kann­ten. Mit Un­ter­stüt­zung Ri­ci­mers ge­lang es Theo­de­rich II. und den West­go­ten, Ae­gi­di­us aus Süd­gal­li­en zu ver­drän­gen, der bis zur Loire zu­rück wei­chen muss­te.

Zu­sam­men mit den frän­ki­schen Ver­bün­de­ten und sei­nen ei­ge­nen Sol­da­ten führ­te Ae­gi­di­us Krieg ge­gen die Go­ten und sieg­te schlie­ß­lich 463 bei Or­léans, wor­auf­hin sich die West­go­ten zu­rück­zie­hen muss­ten. Un­ter­des­sen ent­sand­ten Li­bi­us Se­ver­us und Ri­ci­mer den frü­he­ren gal­li­schen Heer­meis­ter Agrip­pi­nus, als Ae­gi­di­us Nach­fol­ger nach Gal­li­en und ent­ho­ben die­sen sei­nes Am­tes. Ae­gi­di­us wei­ger­te sich je­doch zu­rück zu tre­ten und zog sich nach Nord­gal­li­en zu­rück, wo es ihm mit Hil­fe der sa­li­schen Fran­ken ge­lang, in der Re­gi­on um Sois­sons ei­ne gal­lo-rö­mi­sche Herr­schaft zu er­rich­ten, zu­mal er auch wei­ter­hin die Be­fehls­ge­walt über gro­ße Tei­le des ver­blie­be­nen rö­mi­schen Hee­res in Gal­li­en aus­üb­te.

Ein Vier­tel­jahr­hun­dert ge­lang es Ae­gi­di­us und sei­nem Sohn Syag­ri­us sich mit Fran­ken, Bre­to­nen so­wie Sach­sen und Ala­nen an der Loire zu ar­ran­gie­ren. Ae­gi­di­us hat­te nach dem west­rö­mi­schen Thron­wech­sel von 461 zwar mit Ra­ven­na, wo Ri­ci­mer das Re­gi­ment führ­te, ge­bro­chen, doch usur­pier­te er, im Ge­gen­satz zu frü­he­ren Ge­ne­ra­tio­nen, nicht den Kai­ser­ti­tel. Spä­te­re Ge­ne­ra­tio­nen sa­hen in Ae­gi­di­us und sei­nem Sohn Syag­ri­us Kö­ni­ge der Rö­mer. Gre­gor von Tours (538-594) be­rich­tet so­gar, Ae­gi­di­us ha­be ei­ne zeit­lang als Fran­ken­kö­nig re­giert.

Um Ri­ci­mer end­gül­tig aus Ita­li­en zu ver­trei­ben, be­ab­sich­tig­te Ae­gi­di­us die Hil­fe der Van­da­len in An­spruch zu neh­men und nahm im Früh­jahr 464 er­neut Ver­bin­dung zu Gei­se­rich auf. Sei­ne Plä­ne konn­te er je­doch nicht mehr ver­wirk­li­chen, da er im Herbst 464 plötz­lich ver­starb. Er hin­ter­ließ das Ge­biet nörd­lich der Sei­ne mit der Haupt­stadt Sois­sons sei­nem Sohn Syag­ri­us als de fac­to ei­ge­ne Herr­schaft. Noch bis 486 soll­te es Syag­ri­us ge­lin­gen, sei­nen Herr­schafts­be­reich ge­gen die Ex­pan­si­ons­po­li­tik der Fran­ken un­ter Chlod­wig zu si­chern.

Literatur

Mac­Ge­or­ge, Pen­ny, La­te Ro­man War­lords, Ox­ford 2002.
Mar­tin, Jo­chen, Spät­an­ti­ke und Völ­ker­wan­de­rung, Mün­chen 2001.
Pohl, Wal­ter, Die Völ­ker­wan­de­rung. Er­obe­rung und In­te­gra­ti­on, Stutt­gart / Ber­lin / Köln 2005.
Ro­sen, Klaus, Die Völ­ker­wan­de­rung, Mün­chen 2003.

 
Zitationshinweis

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Striewski, Jennifer, Aegidius, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/aegidius/DE-2086/lido/57a9c044db7649.95429733 (abgerufen am 07.10.2024)