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Mutter Angela – so ihr Ordensname - wurde am 20.2.1813 in Frankfurt/Main geboren und wenige Tage später in der Liebfrauenkirche auf den Namen Auguste getauft. Ihre Eltern waren der Geheime Hof- und Regierungsrat des Fürsten Philipp von der Leyen (1766-1829) Peter Joseph von Cordier (um 1770-1817) und dessen aus Mainz stammenden Ehefrau Margareta Wilhelmine, geborene Freiin von Hertwich zu Esplingerode (1782-1846). Die Vorfahren väterlicherseits waren aus Frankreich geflüchtete Hugenotten. Gemeinsam mit den Brüdern Emil (geboren 1812) und Alfred (geboren 1815) wuchs Auguste in einem katholischen und gastfreundlichen Hause auf, in welchem die aristokratisch-protestantischen Familien der Stadt Frankfurt und ihrer Umgebung verkehrten. Nach dem frühen Tod des Vaters wurde die Mutter von ihren Verwandten und Freunden zwar aufgefordert, in ihre Heimatstadt überzusiedeln, doch sie blieb in Frankfurt.
Die Mutter legte nicht nur großen Wert auf eine gediegene Bildung ihrer Söhne, sondern auch ihrer einzigen Tochter, die sie selbst unterrichtete. Das überdurchschnittlich begabte Mädchen zeigte außergewöhnliche Talente, nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die schönen Künste, insbesondere für Malerei, Musik und Poesie. Die Malkunst wurde Auguste zu einer wahren Leidenschaft. Daneben erhielt sie Gesangsunterricht, da sie über eine formvollendete Singstimme verfügte. Frau von Cordier hatte ein ausgeprägtes soziales Gewissen und besuchte, meist in Begleitung ihrer Tochter, kranke, alte und arme Menschen. Somit lernte Auguste früh, welche Befriedigung in karitativem Wirken liegen kann. Die finanziell gut gestellte Geheimrätin unterhielt auf der Rheininsel Nonnenwerth in einem Teil des 1802 säkularisierten Benediktinerinnenklosters, das 1126 von Erzbischof Friedrich I. von Köln und Abt Kuno I. von Siegburg (um 1070-1132, Abt 1105-1126) gegründet worden war, einige Zimmer für ihren Privatgebrauch. Mit ihren Brüdern durchstreifte Auguste gern das in romantischer Verwilderung sich präsentierende Inselareal. Besonders die einsam gelegene Kapelle und die Gräber der Klosterfrauen in der Krypta hatten es ihr angetan.
1835 erwarb Frau von Cordier die Insel Nonnenwerth, auf der unter anderem Ernst Moritz Arndt, James Fenimore Cooper (1789-1851), Ferdinand Freiligrath und Karl Simrock (1802-1876) Gäste waren. Zu den berühmtesten Besuchern gehörte Franz Liszt (1811-1886), der mit seiner Lebensgefährtin, Gräfin Marie d’Agoult (1805-1876), hier die Sommermonate der Jahre 1841−1843 verbrachte. Der stets nach Oasen der Ruhe suchende Klaviervirtuose pflanzte anlässlich seines 30. Geburtstags eine Platane auf Nonnenwerth, die heute der höchste Baum der Insel ist. Außerdem komponierte er hier das der Gräfin Marie d’Agoult gewidmete Albumblatt „Die Zelle in Nonnenwerth“ und spielte ab und an auf dem Chor der Inselkirche, gesanglich begleitet von der jungen Tochter der Inselbesitzerin.
Vom 16. Lebensjahr an besuchte Auguste von Cordier für drei Jahre zur Vervollständigung ihrer Allgemeinbildung das unter der Großherzogin Louise, geborene Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1757-1830), stehende Großherzogliche Fräulein Institut in Mannheim zur Erziehung und Bildung der weiblichen Jugend höherer Stände. Diese im ehemaligen Klostergebäude der Karmeliterinnen untergebrachte und von zwei adeligen Damen geleitete Bildungsstätte wurde von Töchtern vornehmer Familien besucht.
Anschließend vertiefte Auguste ihre künstlerische Begabung an der Düsseldorfer Malerschule, die seinerzeit unter Leitung von Friedrich Wilhelm Schadow (1788-1862) stand. Einer der Künstler hielt um die Hand der jungen Adeligen an. Doch sie lehnte ab.
Nach Hause zurückgekehrt suchte Auguste von Cordier nach einer sinnvollen Beschäftigung. Als sogenannte höhere Tochter kam ihr der Gedanke an eine Berufswahl nicht in den Sinn. Doch sie wollte mehr als nur auf einen gutsituierten Ehemann warten, wie das in besseren Kreisen damals üblich war. Im Mai 1847 nahm sie das Angebot an, als Lehrerin und Erzieherin, obwohl unausgebildet, an der Erziehungs- und Bildungsstätte der Ursulinen in Dorsten auszuhelfen. Dort blieb sie bis Frühjahr 1848 und bildete mit ihrer frischen jugendlichen Fröhlichkeit bald den Mittelpunkt der Verehrung unter den Pensionärinnen. Diese erfüllende Tätigkeit war für Auguste von Cordier die Triebfeder, ein ähnliches Institut unter der Trägerschaft einer weiblichen Ordensgenossenschaft zu errichten, und zwar auf ihrer geliebten Insel Nonnenwerth. Dafür erhielt sie ideelle und finanzielle Unterstützung von guten und zuverlässigen Freundinnen. Des Weiteren wurde sie in ihrem Vorhaben von Bischof Wilhelm Arnoldi von Trier (1798-1864, Episkopat 1842-1864), Weihbischof Godehard Braun (1798-1861) und dem Kölner Erzbischof Johannes von Geissel bestärkt. Anfänglich hatte die schlichte Einrichtung den Charakter eines „weltlichen Klosters“. Die frommen Frauen teilten ihre Zeit zwischen Arbeit, Gebet und Lesung, wobei man besonders den Schriften des heiligen Bernard von Clairvaux (um 1090-1153) zugetan war. Dem Kreis der Frauen hatte sich auch die Konvertitin Luise Hensel (1798-1876) angeschlossen, die jedoch wenig Neigung zeigte, in die Ordensgemeinschaft einzutreten. Auch Pauline von Mallinckrodt (1817-1881) wollte mitwirken, gründete aber 1849 eine eigene Kongregation, die der Schwestern der Christlichen Liebe. Schließlich trat Auguste von Cordier in Kontakt mit dem seit 1712 in Würzburg angesiedelten Ursulinenkonvent und bat, Schwestern zur Gründung eines Ursulinenklosters und eines Pensionats für Mädchen nach Nonnenwerth zu entsenden. Am 16.6.1850 trafen die ersten zwei Ursulinen in Begleitung des Domkapitulars Gottlieb Flatz (1802-1865) auf der Rheininsel ein. Die Klostergründerin unterstellte sich der Schwesternschaft der Ursulinen und trat am 8.12.1850 in das Noviziat ein. Ihre Einkleidung war begleitet von einem fulminanten Fest. Auguste von Cordier war nun Mutter Angela, benannt nach der Stifterin der Ursulinen, der heiligen Angela von Merici (1474-1540).
Bald zeigte sich, dass weder die Bildungs- und Erziehungsziele noch die Art des Klosterlebens dem entsprachen, was Mutter Angela als zeitgemäß ansah. Um das geplante Werk nicht scheitern zu sehen, löste sie das Verhältnis mit den Würzburger Ursulinen. Durch den Franziskanerpater Xaverius Kaufmann (1824-1888), der in Königswinter eine kleine Franziskusgemeinde des Dritten Ordens gegründet hatte, erfuhr Mutter Angela, dass in den Niederlanden, in der Nähe von Roermond eine neue weibliche franziskanische Genossenschaft gegründet worden war, die in Westfalen bereits Fuß gefasst hatte. Daraufhin reiste sie nach Heythuysen, um das dortige Mutterhaus der Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe und vor allem die Stifterin kennen zu lernen. Die Begegnung mit der Oberin Magdalena Damen (1787-1858) beeindruckte sie zutiefst und sie entschloss sich, in die franziskanische Genossenschaft von Heythuysen einzutreten. Zugleich siedelten zwei Klosterfrauen vom holländischen Mutterhaus auf die Rheininsel über. Aus Heythuysen kamen nach und nach weitere Klosterfrauen nach Nonnenwerth, so dass die junge Ordensgemeinschaft bald auf 19 Mitglieder anwuchs. Am 8.8.1854 wurde in Gegenwart des Trierer Weihbischofs Godehard Braun der offizielle Anschluss an die Franziskanerinnen von Heythuysen feierlich vollzogen, verbunden mit der Einkleidung von vier Postulantinnen. Auch Mutter Angela begann ihr Noviziat, blieb aber zugleich Oberin des Klosters und des Pensionats. Seitdem ist Nonnenwerth gewissermaßen das deutsche Mutterhaus der Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe. Am 14.4.1855 legte Mutter Angela die ewigen Gelübde ab. Wenige Wochen später konnte die Insel samt Kloster für die Genossenschaft käuflich erworben werden. Im Jahre 1859 wurde die Nonnenwerther Oberin von der Generaloberin Mutter Aloysia Lenders (1832-1883) zu ihrer Stellvertreterin ernannt. In dieser Funktion kümmerte sie sich besonders um die klösterlichen Einrichtungen in Linz am Rhein (Kloster zur schmerzhaften Mutter) und Trier (Kloster St. Elisabeth).
Die zusätzliche Aufgabe entfernte Mutter Angela häufig von ihrem Wirkungskreis. Durch die gelebte Symbiose von religiöser Überzeugung und gesellschaftlichem Engagement erfreute sich die Ordensgemeinschaft eines regen Zuspruchs. Die Zahl der Nonnenwerther Franziskanerinnen, wie sie im deutschen Raum bis heute genannt werden, war bis 1863 auf 35 angewachsen, während in dem von der Schwesternschaft unterhaltenen Mädchenpensionat rund 100 Schülerinnen lebten und lernten. Die Oberin selbst unterrichtete, doch eignete sie sich mehr zur Erzieherin als zur Lehrerin.
Bedingt durch das Anwachsen des Ordens und der Bildungs- und Erziehungseinrichtung, waren Um- und Neubauten nötig. So wurden die Speicherräume zu Schlafsälen und Garderoben umgebaut 1811 und die Ostseite erhielt den ersten kleinen Anbau. Bedingt durch die wachsende Schwesterngemeinschaft plante Mutter Angela eine neue Niederlassung der Nonnenwerther Franziskanerinnen auf dem Gelände des alten Fronhofs in Remagen, der im Zuge der Säkularisation 1811 von der Abtei Deutz in Privatbesitz übergegangen war, um dort ein Haushaltungspensionat für Töchter höherer Stände − das erste in Deutschland überhaupt − zu errichten. Im März 1864 wurde in Köln der Kaufvertrag unterschrieben. Das Areal ging für 8.000 Taler in den Besitz des Klosters Nonnenwerth über. Doch Mutter Angela war es nicht mehr vergönnt, die Entwicklung der Remagener Niederlassung zu erleben. Auf der Rückreise von der Domstadt auf die Rheininsel erkältete sie sich so schwer, dass sie am 19.3.1864 im Alter von 51 Jahren an einer Lungenentzündung starb. Vier Tage später wurde sie auf dem Inselfriedhof beigesetzt.
Am 27.1.2003 riefen die Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe die Angela von Cordier-Stiftung ins Leben. Unter deren Dach befinden sich zurzeit fünf caritative Einrichtungen, in denen mehr als 1.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf der Grundlage der Franziskanischen Leitlinien in sozialen und pädagogischen Bereichen mit Menschen arbeiten. Zum 1.8.2020 hat die Insel Nonnenwerth einen neuen Eigentümer sowie das G8-Franziskus Gymnasium, mit Ganztagsbetrieb, einen neuen Gesellschafter: Die Gesellschaftsanteile an der Nonnenwerther Schul-GmbH wurden von der International School on the Rhine (ISR) gemeinnützige GmbH übernommen. Die wenigen Nonnenwerther Franziskanerinnen erhielten ein lebenslanges Wohnrecht. Des Weiteren sind auf Nonnenwerth der Sitz der Verwaltungen des Ordens und der Angela von Cordier-Stiftung ansässig.
Quellen
Cordier, Auguste von, Aus reicher Tiefe: aus Briefen Augustens von Cordier (Mutter Angela) der Stifterin des Klosters und Pensionates Nonnenwerth an Amalia von Faber, Anna von Proff-Imich, Franziska Helff, Luise Hensel, Pauline von Mallinckrodt, eine Ungenannte, Verschiedene, Nonnenwerth 1929.
Literatur (Auswahl)
Cools, Angelita/Wijnpersse, Hildegard van de, Sein Werk – nicht das meine. Mutter Magdalena Damen und ihre Kongregation der Franziskanerinnen von Heythuysen im neunzehnten Jahrhundert, Aachen/Kevelaer 1992, S. 151-163.
Franziskanerinnen von Nonnenwerth (Hg.), Liebfraueninsel Nonnenwerth. Festschrift, Nonnenwerth 1954.
Schwester M. Paula, Geschichte der Insel Nonnenwerth, 3. Auflage, Regensburg 1924.
Schwester M. Paula Münster, Geschichte der Kongregation der Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe (Heythuizen-Nonnenwerth), Freiburg 1910.
Schwester M. Paula [Münster], Mutter Angela geborene Auguste von Cordier. Leben und Briefe, Regensburg [1907], 2. Auflage, Regensburg 1926.
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Berger, Manfred, Angela von Cordier, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/angela-von-cordier/DE-2086/lido/5f438df714f9f4.00841320 (abgerufen am 14.11.2024)