Zu den Kapiteln
Carl Diem zählt zu den Pionieren der deutschen Sportbewegung, deren Entwicklung er über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren entscheidend prägte. Unter anderem stand er an der Spitze des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 1936 in Berlin und war 1947 Mitbegründer und erster Leiter der Deutschen Sporthochschule Köln. Aufgrund seiner widersprüchlichen Rolle im „Dritten Reich“ werden Persönlichkeit und Lebensleistung Diems gegenwärtig unterschiedlich beurteilt. Carl Diem wurde am 24.6.1882 in Würzburg als erster von zwei Söhnen des Kaufmanns Ferdinand Diem (1859-1914) und dessen Ehefrau Katharina Lintz (1859-1938) geboren. Hans Diem (1886-1910), der jüngere Bruder, verstarb früh. 1887 übersiedelte die Familie nach Berlin, lebte aber infolge der geschäftlichen Misserfolge des Vaters in ärmlichen Verhältnissen.
Diem besuchte zunächst das Französische Gymnasium und wechselte 1895 an das Friedrich-Werdersche Gymnasium, welches er im Jahr 1900 mit der Mittleren Reife verließ. Er begann eine kaufmännische Lehre bei den Vereinigten Metallwarenfabriken Brandholt & Co., wechselte aber im April 1901 zur Firma Frank & Josky, einem Hersteller von Damenkleiderstoffen. Von 1904-1905 absolvierte er seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim renommierten 2. Garderegiment zu Fuß in Berlin.
Seit seiner Jugend begeisterte sich Diem für um die Jahrhundertwende längst noch nicht gesellschaftsfähige Sportarten wie den Radsport und die Leichtathletik. Er selbst äußerte in seinen Erinnerungen, die sportliche Betätigung abseits des obligatorischen „veralteten“ Turnunterrichts an den Schulen sei auch ein Ausdruck der „Revolution“ gegenüber den Erwachsenen gewesen. Bereits 1896 gründete Diem gemeinsam mit dem späteren Sportjournalisten Eugen Wagener (1881-1965) einen ersten Sportverein unter dem Namen „Argo“, dem 1897 die „Sportvereinigung Möwe Berlin“ und 1899 der „Sport Club Marcomannia Berlin“ folgte.
Seit 1901 war Carl Diem als Autor und Redakteur für die Zeitschrift „Kraft und Gewandtheit“ tätig, in der er über Ereignisse aus der Berliner Sportszene berichtete. Mit seiner Wahl zum Schriftführer der Deutschen Sportbehörde für Athletik (DSBfA) am 31.3.1903 begann seine Karriere als Verbandsfunktionär. Im November 1904 zählte er, noch während seiner Militärzeit, zu den Gründungsmitgliedern des Verbandes Brandenburgischer Athletikvereine (VBAV), zu dessen Präsident er im darauffolgenden Jahr gewählt wurde. In dieser Anfangszeit der organisierten Leichtathletik nahm er eine Vielzahl von Funktionen wahr, erarbeitete einheitliche Regularien, koordinierte Wettkämpfe, fungierte aber auch als Kampfrichter und stand den von ihm betreuten Mannschaften notfalls auch als Ersatzmann zur Verfügung.
Beeindruckt zeigte sich Diem von den Idealen der olympischen Bewegung, die durch den französischen Sportfunktionär Baron Pierre de Coubertin (1863-1937) begründet worden war. Zu einem wegweisenden Erlebnis wurde für ihn dabei die Teilnahme als Mannschaftsbetreuer und Journalist an den Olympischen Spielen des Jahres 1906 in Athen. Als ebenso prägend erwies sich die erste Begegnung mit Coubertin anlässlich des Kongresses des Olympischen Komitees 1913 in Lausanne. Zeitlebens sah sich Diem in der Verantwortung, den olympischen Gedanken im Sinne Coubertins weiterzutragen.
Nachdem die Olympischen Spiele des Jahres 1916 nach Berlin vergeben worden waren, wurde Diem im Jahr 1913 die Organisationsleitung derselben übertragen. Allerdings setzte der Erste Weltkrieg diesen Bestrebungen ein jähes Ende. Diem meldete sich als Freiwilliger an die Front und erlebte die Kriegsjahre 1914 bis 1918 als Angehöriger des Königin-Elisabeth-Grenadierregiments, dem zahlreiche Sportler und Olympiateilnehmer angehörten.
Noch während des Krieges übernahm Diem im Jahr 1917 die Position des Generalsekretärs des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen (DRfL). In dieser Funktion war er federführend an den Vorbereitungen zur Gründung einer eigenständigen Institution zur Sportlehrerausbildung sowie für die sportwissenschaftliche Forschung beteiligt. Die Konstituierung der „Deutschen Hochschule für Leibesübungen“ (DHfL) mit Standort in Berlin-Steglitz, die erste Einrichtung ihrer Art weltweit, erfolgte am 15.5.1920 in der Aula der Berliner Universität. Carl Diem fungiert in ihr bis 1933 als stellvertretender Rektor und gewann dabei entscheidenden Einfluss auf die Berufungen sowie die Ausgestaltung der Lehrpläne. Auch auf internationaler Ebene avancierte Diem in den 1920er Jahren zu einem der wichtigsten Sportfunktionäre und stand bei den Olympischen Spielen der Jahre 1928 in Amsterdam und 1932 in Los Angeles jeweils an der Spitze der deutschen Delegation.
Im Jahr 1930 heiratete er die junge Sportpädagogin Liselott Bail, die bis 1927 die DHfL besucht und dort später auch als Dozentin eine Anstellung gefunden hatte. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor.
Im Mai 1933 sah sich Diem, der einer Vereinnahmung durch die neuen Machthaber und einem Eintritt in die NSDAP ablehnend gegenüberstand, zum Rücktritt von seinen Ämtern im Reichsausschuss und an der Hochschule gezwungen. Die Opposition gegen seine Person begründete er in seinen Erinnerungen nicht zuletzt mit den engen Kontakten, die er zu jüdischen Sportlern und Funktionären hielt. Zu diesen zählte auch der Kugelstoßer Curt Frank (1876-1946), der 1899 zu den Gründern der Marcomannia gehört hatte.
Ab 1931 trug Diem einen entscheidenden Anteil an der Vergabe, der Vorbereitung und der Durchführung der Olympischen Spiele in Berlin im August 1936. In seiner Funktion als Generalsekretär des Organisationskomitees entwickelte er unter anderem auf der Grundlage einer Denkschrift des mit ihm befreundeten jüdischen Archäologen Alfred Schiff (1863-1939) das Konzept des bis heute zum festen Zeremoniell der Olympischen Spiele gehörenden Fackellaufs.
Trotz der Vorbehalte, die Carl Diem gegenüber den Nationalsozialisten hegte, wusste er sich dennoch mit dem Regime zu arrangieren. 1938 wurde er Direktor des Internationalen Olympischen Instituts (IOI) in Berlin und stand ab 1939 an der Spitze der Auslandsabteilung des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen (NSRL). Seine Publikationen der Kriegsjahre zeigen, dass er sich auch der allgemeinen Begeisterung über die militärischen Erfolge des Deutschen Reiches nicht zu entziehen vermochte. In den Wirren der letzten Kriegsmonate meldete er sich freiwillig zum Volkssturm. In einer Ansprache vor einem Regiment der Hitlerjugend (HJ) rief er am 18.3.1945 auf dem Berliner Reichssportfeld zum fanatischen Widerstand gegen die Rote Armee auf.
Trotz der Vorbehalte, die Carl Diem gegenüber den Nationalsozialisten hegte, wusste er sich dennoch mit dem Regime zu arrangieren. 1938 wurde er Direktor des Internationalen Olympischen Instituts (IOI) in Berlin und stand ab 1939 an der Spitze der Auslandsabteilung des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen (NSRL). Seine Publikationen der Kriegsjahre zeigen, dass er sich auch der allgemeinen Begeisterung über die militärischen Erfolge des Deutschen Reiches nicht zu entziehen vermochte. In den Wirren der letzten Kriegsmonate meldete er sich freiwillig zum Volkssturm. In einer Ansprache vor einem Regiment der Hitlerjugend (HJ) rief er am 18.3.1945 auf dem Berliner Reichssportfeld zum fanatischen Widerstand gegen die Rote Armee auf.
Nach Auflösung seiner Kompanie erlebte Diem den Einmarsch der Russen und das Kriegsende im Kreise seiner Familie. Nachdem er für die Dauer von zwei Jahren die Leitung des Berliner Instituts für Körpererziehung und Schulhygiene übernommen hatte, verlagerte sich sein Wirkungsfeld im April 1947 in das von den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges besonders betroffene Rheinland. Im Auftrage des Zonenerziehungsrates der amerikanischen und britischen Besatzungsmächte richtete er in Köln nach dem Vorbild der Berliner DHfL eine Sporthochschule ein, die bereits am 4.7.1947 mit zunächst 95 Studenten ihren Lehrbetrieb aufnehmen konnte. In den folgenden 15 Jahren betrieb er mit Nachdruck den Ausbau der Einrichtung, die in dieser Zeit noch als stadtkölnische Einrichtung firmierte und erst am 8.2.1962 per Staatsvertrag vom Land NRW übernommen wurde. Abgesehen von seiner Tätigkeit beim Aufbau der Hochschule lehrte Diem seit 1948 auch als Professor an der Philosophischen Fakultät der Universität Köln.
Neben seinen publizistischen Arbeiten gehörte er unter anderem am 24.9.1949 in Bonn zu den Gründungsmitgliedern des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), in dem er bis 1952 das Amt des Schriftführers ausübte. Zwischen 1949 und 1953 fungierte er als Sportreferent im Bundesinnenministerium sowie als Vorsitzender des Rheinischen Turnerbundes. 1953 erhielt er das Bundesverdienstkreuz und 1956 den Olympischen Orden verliehen.
Carl Diem starb am 17.12.1962 hochgeehrt an seiner letzten Wirkungsstätte in Köln. Posthum stand er Pate für die Benennung zahlreicher öffentlicher Institutionen und Straßen. Anlässlich der Olympischen Spiele des Jahres 1968 widmete ihm die Deutsche Post eine Briefmarke.
Die Nachhaltigkeit seines Wirkens für den Breitensport lässt sich an zwei prägnanten Beispielen festmachen. Im Jahr 1912 hatte er nach schwedischem Vorbild die Einführung eines „Reichsportabzeichens“ durchgesetzt, das als „Deutsches Sportabzeichen“ auch im 21. Jahrhundert ungebrochene Popularität genießt. Diem ist auch als Urheber der heutigen Bundesjugendspiele zu führen, die auf seine Initiative hin erstmals 1920 unter dem Namen „Reichsjugendspiele“ durchgeführt worden waren.
Die Debatte um seine Person hat in den zurückliegenden Jahren eine Umbenennungswelle von Schulen, Straßen und Sportstätten in Gang gesetzt. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit wurde 2008 auch der nahe der Deutschen Sporthochschule in Köln gelegene „Carl-Diem-Weg“ in „Am Sportpark Müngersdorf“ umbenannt.
Werke
Olympische Flamme, 3 Bände, Berlin 1936.
Wesen und Lehre des Sports, Berlin/Frankfurt a.M. 1949.
Weltgeschichte des Sports und der Leibeserziehung, Köln 1960.
Ein Leben für den Sport, Düsseldorf 1974.
Literatur
Becker, Frank, Den Sport gestalten. Carl Diems Leben (1882–1962), 3 Bände, Duisburg 2009.
Körbs, Werner/ Mies, Heinz/ Wildt, Klemens C., Carl Diem. Festschrift zur Vollendung seines 80. Lebensjahres am 24. Juni 1962, Frankfurt a.M. 1962.
Krüger, Michael (Hg.), Erinnerungen an Carl Diem, Berlin 2009.
Priebst, Maria, Der „politische Sturm" um Carl Diem als Leiter der Sporthochschule Köln, Norderstedt 2005.
Online
Chronik der Deutschen Sporthochschule Köln (Homepage der Deutschen Sporthochschule Köln). [Online]
Karl und Liselott Diem Archiv (Homepage mit Informationsangebot über Biographie, Publikationen und Archivalien). [Online]
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Thomann, Björn, Carl Diem, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-diem-/DE-2086/lido/57c6939be81bb6.92997100 (abgerufen am 09.12.2024)