Clara Grunwald

Reformpädagogin, Wegbereiterin der Montessori-Pädagogik in Deutschland (1877-1943)

Manfred Berger (Dillingen an der Donau)

Clara Grunwald (1877-1943), Zeichnung, 1937. (Ida-Seele-Archiv)

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Cla­ra Grun­wald war ei­ne Frau, die „Spek­ta­ku­lä­res ge­leis­tet [hat], oh­ne spek­ta­ku­lär zu sein“ (Axel Holtz). Als Mit­glied des 1919 in Ber­lin ge­grün­de­ten „Bun­des Ent­schie­de­ner Schul­re­for­mer“ hat sie die Montes­so­ri-Me­tho­de in die Schul- und Klein­kind­päd­ago­gik ein­ge­bracht. Sie un­ter­stütz­te die Grün­dung von Montes­so­ri-Kin­der­häu­sern und Montes­so­ri-Schu­len, in­iti­ier­te Montes­so­ri-Aus­bil­dungs­lehr­gän­ge, rief Montes­so­ri-Ver­ei­ne ins Le­ben und setz­te sich kri­tisch in Wort und Schrift mit der „neu­en Er­zie­hun­g“ aus Ita­li­en aus­ein­an­der. Als (Voll-)„Jü­din“ war sie be­reits An­fang 1933 vom Be­rufs­ver­bot be­trof­fen. Ih­re Le­bens­spur ver­liert sich im In­fer­no der Na­zi-Ge­walt­herr­schaft.

Cla­ra Grun­wald wur­de am 11.6.1877 als ers­tes von neun Kin­dern des Tex­til­kauf­manns Bern­hard Grun­wald (1848-1942) und sei­ner Frau Ro­sa­lie Grun­wald (1846-1928), ge­bo­re­ne Aber­le, in Rhe­ydt (heu­te Stadt Mön­chen­glad­bach) ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie ge­hör­te der jü­di­schen Ge­mein­de an. Den Va­ter dürf­te es we­gen der blü­hen­den Tex­til­in­dus­trie an den lin­ken Nie­der­rhein ver­schla­gen ha­ben. Da die Ge­schäf­te nicht so recht flo­rier­ten, zog die Fa­mi­lie mehr­mals um: nach Uer­din­gen (heu­te Stadt Kre­feld), Düs­sel­dorfMül­heim an der Ruhr und schlie­ß­lich 1884 nach Schö­ne­berg (heu­te Stadt Ber­lin).

Cla­ra Grun­wald ab­sol­vier­te ei­ne Leh­re­rin­nen­aus­bil­dung (Se­mi­narab­schluss 1896) und leg­te ver­mut­lich auch das Mit­tel­schul­leh­re­rin­nen­ex­amen ab, denn ab 1916 un­ter­rich­te­te sie an der neu er­öff­ne­ten „Loui­se-Ot­to Pe­ters-Schu­le“, ei­ner Mäd­chen­mit­tel­schu­le in Fried­richs­hain (heu­te Stadt Ber­lin). Das Leh­re­rin­nen­da­sein war für sie un­be­frie­di­gend, nicht der täg­li­che Um­gang mit den Kin­dern, son­dern die Tat­sa­che, dass schu­li­sche Bil­dung sich aus­schlie­ß­lich in der Ver­mitt­lung von Wis­sen aus Lehr­bü­chern ver­stand und das Kind nicht als Ein­heit von Geist, See­le und Kör­per be­trach­te­te und ak­zep­tier­te.

Im Jah­re 1912 hör­te Cla­ra Grun­wald durch ei­ne Pro­fes­so­rin für Che­mie an der Uni­ver­si­tät in Phil­adel­phia erst­mals von Ma­ria Montes­so­ri (1870-1952). Dar­auf­hin las sie in eng­li­scher Über­set­zung das Buch „Il me­to­do del­la pe­dago­gia sci­en­ti­fi­ca ap­p­li­ca­to all’edu­ca­zio­ne in­fan­ti­le nee­le ca­se die bam­bi­ni“, das 1913 un­ter dem Ti­tel „Selbst­tä­ti­ge Er­zie­hung im frü­hen Kin­des­al­ter“ (heu­te „Die Ent­de­ckung des Kin­des“) auf Deutsch pu­bli­ziert wur­de. Die­se „neue Er­zie­hun­g“ er­schien ihr als Mög­lich­keit für die Um­ge­stal­tung des au­to­ri­tär struk­tu­rier­ten öf­fent­li­chen Er­zie­hungs- und Bil­dungs­we­sens. Sie wand­te sich an den Ber­li­ner Stadt­schul­rat, um die Montes­so­ri-Me­tho­de zu­erst ein­mal in den Kin­der­gär­ten der Stadt, die mehr Auf­be­wahr­an­stal­ten gli­chen, zu er­pro­ben.

Cla­ra Grun­wald en­ga­gier­te sich mit ih­ren Freun­din­nen El­sa Ochs und Her­lint von den Stei­nen (1893-1967) bei den Vor­be­rei­tun­gen für die "Deut­sche Werk­bund­aus­stel­lung" in Köln 1914. Dort soll­te un­ter an­de­rem auch für die „Montes­so­ri-Lehr­mit­tel“ ge­wor­ben wer­den. Die Aus­stel­lung wur­de am 15.5.1914 um 12 Uhr in An­we­sen­heit vie­ler preu­ßi­scher Po­li­ti­ker und Ho­no­ra­tio­ren der Stadt Köln er­­öf­f­­net, je­doch we­­gen des Kriegs­­aus­bruchs frü­her be­en­­det. Nach­dem Deutsch­land sich auch mit Ita­li­en im Krieg be­fand und al­les, was aus dem Fein­des­land kam, ei­ner stren­gen Zen­sur un­ter­lag, durf­te all­ge­mein nicht mehr für das Montes­so­ri-Re­form­kon­zept ge­wor­ben wer­den. Ihm wur­de un­ter­stellt, dem deut­schen Ge­müt so­wie der deut­schen See­le des Kin­des nicht zu ent­spre­chen.

So konn­te sich Cla­ra Grun­wald erst wie­der En­de No­vem­ber 1918 mit Schüt­zen­hil­fe des „Bun­des Ent­schie­de­ner Schul­re­for­mer“ für die „neue Er­zie­hun­g“ aus dem eins­ti­gen Fein­des­land ein­set­zen. Sie grün­de­te 1919 den ers­ten deut­schen Montes­so­ri-Ver­ein, ge­nannt „Montes­so­ri-Ko­mi­tee“, dem laut Sat­zung nur Fach­leu­te bei­tre­ten durf­ten. Die Ko­mi­tee-Vor­sit­zen­de sorg­te für die Er­rich­tung pri­va­ter und öf­fent­li­cher (Volks-)Kin­der­häu­ser, vor al­lem für die Be­treu­ung von Ar­bei­ter­kin­dern, und ent­fal­te­te da­für ei­ne re­ge pro­pa­gan­dis­ti­sche Tä­tig­keit. Au­ßer­dem bot sie Sprech­stun­den an, er­mög­lich­te Hos­pi­ta­tio­nen, hielt Vor­trä­ge und pu­bli­zier­te zahl­rei­che Wer­be­ar­ti­kel in di­ver­sen Ta­ges­zei­tun­gen.

 

Mit Un­ter­stüt­zung des so­zia­lis­ti­schen Bür­ger­meis­ters Ot­to Ost­row­ski (1883-1963) konn­te im Mai 1919 ein Montes­so­ri-Kin­der­haus in Lank­witz (heu­te Stadt Ber­lin) sei­ner Be­stim­mung über­ge­ben wer­den. Die Vor­schul­ein­rich­tung wur­de be­reits am 1.10.1922, trotz Pro­test­no­te des „Bun­des Ent­schie­de­ner Schul­re­for­mer“ ge­schlos­sen, an­geb­lich aus Geld­man­gel. Je­doch nur we­ni­ge Wo­chen spä­ter hat­ten An­hän­ger Fried­rich Frö­bels (1882-1852) an glei­cher Stel­le ein Kin­der­gar­ten er­öff­net. Um der Montes­so­ri-Be­we­gung mehr Nach­druck zu ver­lei­hen, grün­de­te Cla­ra Grun­wald An­fang 1921 die „Ge­sell­schaft der Freun­de und För­de­rer der Montes­so­ri-Me­tho­de in Deutsch­land e.V.“, die sich vor­ran­gig an Lai­en wand­te. Dar­aus ging 1925, be­grü­ßt und un­ter­stützt von Ma­ria Montes­so­ri, die „Deut­sche Montes­so­ri-Ge­sell­schaft e.V. (DMG)“ her­vor.

Stets war Cla­ra Grun­wald auf der Su­che nach Spon­so­ren. Sol­che fand sie u.a. in den gro­ßen Ber­li­ner Wa­ren­häu­sern „Na­tan Is­ra­el“ und „A. Wert­heim“. Die­se ge­stat­te­ten, ne­ben gro­ßzü­gi­gen fi­nan­zi­el­len Un­ter­stüt­zun­gen, in ge­wis­sen Ab­stän­den in ih­ren Ver­kaufs­räu­men Aus­stel­lun­gen zur „Montes­so­ri-Er­zie­hung in Fa­mi­lie, Kin­der­haus und Schu­le“. Wäh­rend des Be­su­ches wur­den die Kin­der von ei­ner aus­ge­bil­de­ten Montes­so­ri-Päd­ago­gin in ei­nem ex­tra da­für ein­ge­rich­te­ten „Montes­so­ri-Be­triebs­kin­der­gar­ten“ be­treut. 

Um die Ge­dan­ken­welt Ma­ria Montes­so­ris bes­ser zu ver­ste­hen und wei­ter­ge­ben zu kön­nen ab­sol­vier­te Cla­ra Grun­wald den 10. In­ter­na­tio­na­len Montes­so­ri-Kurs vom 6.4.-21.7.1921 in Lon­don, der von der „Dot­tores­sa“, wie Ma­ria Montes­so­ri von ih­ren An­hän­ge­rin­nen ti­tu­liert wur­de, selbst ge­lei­tet wur­de. Fol­gend in­iti­ier­te sie in Ber­lin, in­zwi­schen Hoch­burg der deut­schen Montes­so­ri-Be­we­gung, Ver­su­che mit der „neu­en Er­zie­hun­g“, die na­tio­nal wie in­ter­na­tio­nal in päd­ago­gi­schen Krei­sen für Auf­merk­sam­keit sorg­ten.

In Ab­spra­che mit Ma­ria Montes­so­ri or­ga­ni­sier­te und lei­te­te Cla­ra Grun­wald zu­sam­men mit ih­rer Freun­din El­sa Ochs vom 11.4.-29.9.1923 ei­nen Montes­so­ri-Aus­bil­dungs­kurs im Ber­li­ner „Zen­tral­in­sti­tut für Er­zie­hung und Un­ter­rich­t“. Die­ser rich­te­te sich vor al­lem an aus­ge­bil­de­te Lehr­kräf­te, Ju­gend­lei­te­rin­nen und Kin­der­gärt­ne­rin­nen mit Lehr­be­fä­hi­gung. Auf dem Pro­gramm stan­den ne­ben Theo­rie und Pra­xis der Montes­so­ri-Me­tho­de, das Hos­pi­tie­ren im Montes­so­ri-Kin­der­haus, Kennt­nis des Kin­der­kör­pers, Hy­gie­ne des Kin­des, So­zia­le Hy­gie­ne, Zeich­nen nach der Montes­so­ri-Me­tho­de, Mu­si­ka­li­sche Er­zie­hung und rhyth­mi­sche Übun­gen. Den Kurs ab­sol­vier­te u.a. die Phy­si­ke­rin Dr. Kä­the Stern (1894-1973), wel­che spä­ter in ih­rem Kin­der­haus in Bres­lau ei­ne Syn­the­se der Montes­so­ri- und Frö­bel­päd­ago­gik, von bei­den das Bes­te, bei­der Ein­sei­tig­kei­ten über­win­dend, er­prob­te.

Er­neut setz­te auf deut­schem Bo­den, ver­bun­den mit öf­fent­li­chen Auf­ru­fen und Wer­be­kam­pa­gnen für die Montes­so­ri-Päd­ago­gik, ei­ne Grün­dungs­wel­le von Montes­so­ri-Kin­der­häu­sern und -Schu­len in ganz Deutsch­land ein. Au­ßer in Ber­lin wur­den bei­spiels­wei­se Vor­schul­ein­rich­tun­gen in Aa­chen, Bres­lau, Bunz­lau, Frei­burg, Düs­sel­dorf, Hel­lerau bei Dres­den, Je­na, Köln, Mün­chen und Nürn­berg ins Le­ben ge­ru­fen. Mit der Grün­dung von Montes­so­ri-Ein­rich­tun­gen stieg der Be­darf an aus­ge­bil­de­ten Montes­so­ri-Päd­ago­gen, so­dass ein wei­te­rer Montes­so­ri-Kurs von­nö­ten war. Die­sen woll­te Cla­ra Grun­wald im Som­mer­halb­jahr 1925 ab­hal­ten. Aber die „Dot­tores­sa“ er­teil­te nicht ih­re Au­to­ri­sa­ti­on, aus wel­chen Grün­den auch im­mer. Trotz­dem wur­de der Lehr­gang vom 16.4.-26.9.1925 durch­ge­führt. Er­bost über die­sen Al­lein­gang, un­ter­sag­te Ma­ria Montes­so­ri die An­er­ken­nung der Zeug­nis­se. Es ge­lang Cla­ra Grun­wald, die mitt­ler­wei­le zu ei­ner ei­gen­wil­li­gen, über­heb­li­chen und eit­len „Di­va“ ge­wor­de­ne „Dot­tores­sa“ für ei­nen un­ter ih­rer Ägi­de ste­hen­den Aus­bil­dungs­kurs zu ge­win­nen. Ma­ria Montes­so­ri führ­te die­sen dann im Win­ter 1926/1927 un­ter Her­an­zie­hung ih­rer Schü­le­rin­nen Cla­ra Grun­wald und El­sa Ochs durch. Gast­hö­re­rin war He­le­ne Hel­ming (1888-1977), die die Montes­so­ri-Päd­ago­gik nach 1945 ent­schei­dend prä­gen soll­te. Der Aus­bil­dungs­kurs en­de­te in ei­nem Eklat. Ma­ria Montes­so­ri pran­ger­te des­sen „so­zia­lis­ti­sche Un­ter­wan­de­run­g“ an, be­män­gel­te die feh­len­de tie­fe Re­li­gio­si­tät der Kurs­teil­neh­mer und die ih­rer Mei­nung nach fal­sche rhyth­mi­sche Gym­nas­tik. Au­ßer­dem fand sich die „Dot­tores­sa“ nicht aus­rei­chend ho­fiert. Sie reis­te un­ver­se­hens ab und ver­wei­ger­te ih­re Un­ter­schrift für die Montes­so­ri-Di­plo­me. Erst als Cla­ra Grun­wald mit recht­li­chen Schrit­ten droh­te, un­ter­schrieb Ma­ria Montes­so­ri 1929 von Bar­ce­lo­na aus die Do­ku­men­te, ver­sag­te aber der DMG ih­re Au­to­ri­sa­ti­on. Ob­wohl Cla­ra Grun­wald von Ma­ria Montes­so­ri mensch-lich ent­täuscht war, ließ sie sich nicht von ih­rem En­ga­ge­ment für die „Montes­so­ri-Sa­che“ ab­hal­ten.

Un­mit­tel­bar nach die­sen un­schö­nen Vor­komm­nis­sen ver­öf­fent­lich­te Cla­ra Grun­wald zu­sam­men mit El­sa Ochs die Schrift „Montes­so­ri-Er­zie­hung in Fa­mi­lie, Kin­der­haus und Schu­le. Ein Buch für El­tern und Kin­der­freun­de mit vie­len Bil­dern“. Der Ti­tel drückt aus, dass sich Er­zie­hung nicht in ei­ner Montes­so­ri-Ein­rich­tung al­lein be­wäh­ren kann. Viel­mehr müs­sen al­le drei ge­nann­ten In­stan­zen der kind­li­chen So­zia­li­sa­ti­on und En­kul­tu­ra­ti­on so nah wie nur mög­lich auf­ein­an­der be­zo­gen sein. Oben­drein bot Cla­ra Grun­wald in Ber­lin ei­nen „Lehr­gang zur Aus­bil­dung deut­scher Lehr­kräf­te in der Montes­so­ri-Me­tho­de“ (An­fang Ok­to­ber bis En­de März 1929) an, der nicht auf Zu­stim­mung der „wah­ren“ Montes­so­ria­ner“ stieß. Dar­auf­hin folg­ten wei­te­re si­cher­lich für Cla­ra Grun­wald schmerz­vol­le Er­eig­nis­se. 1930 grün­de­ten Ver­tre­ter und Ver­tre­te­rin­nen der „rei­nen Montes­so­ri-Me­tho­de“ den „Ver­ein Montes­so­ri-Päd­ago­gik Deutsch­lands e.V.“. Hin­zu kam der Ver­such, Cla­ra Grun­wald zu des­avou­ie­ren. Ehe­ma­li­ge von ihr aus­ge­bil­de­te Schü­le­rin­nen, die an­schlie­ßend in Rom ei­nen Kurs bei der „Dot­tores­sa“ ab­sol­vier­ten, be­klag­ten sich in ei­nem Brief im April 1931 an das Pro­vin­zi­al-Schul­kol­le­gi­um der Pro­vinz Bran­den­burg über ih­re Eig­nung für die Montes­so­ri-Päd­ago­gik. Ob­wohl der De­nun­zia­ti­ons­ver­such er­folg­los blieb, zog sich die nach wie vor über­zeug­te Montes­so­ria­ne­rin von al­len Äm­tern zu­rück, un­ter­rich­te­te aber wei­ter­hin auf pri­va­ter Ba­sis in ih­rer Woh­nung klei­ne Grup­pen von Kin­dern nach der Montes­so­ri-Me­tho­de, hielt fer­ner Sprech­stun­den für El­tern, Leh­rer und Leh­re­rin­nen, Kin­der­gärt­ne­rin­nen und an­de­re so­zia­le Be­rufs­grup­pen ab.

Die Macht­er­grei­fung der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­rei­te­te Cla­ra Grun­walds päd­ago­gi­schem En­ga­ge­ment ein ab­rup­tes En­de. Als ei­ne der ers­ten jü­di­schen Leh­re­rin­nen er­hielt sie Be­rufs­ver­bot. Ei­ne be­schei­de­ne un­ter­richt­li­che Tä­tig­keit konn­te ihr für kur­ze Zeit Nel­ly Wolff­heim (1879-1965) bie­ten. Die psy­cho­ana­ly­tisch ori­en­tier­te Kin­der­gärt­ne­rin lei­te­te in Ber­lin ein klei­nes pri­va­tes Kin­der­gärt­ne­rin­nen­se­mi­nar. Dort führ­te Cla­ra Grun­wald die jun­gen Mäd­chen und Frau­en in die Ge­dan­ken­welt Ma­ria Montes­so­ris ein. Da­ne­ben wid­me­te sie sich der Ver­sor­gung und Be­treu­ung jü­di­scher Mit­bür­ger, ver­steck­te il­le­gal in Ber­lin le­ben­de Per­so­nen in ih­rer Woh­nung und un­ter­rich­te­te de­ren Kin­der, ver­mit­tel­te Le­bens­mit­tel­kar­ten, wech­seln­de Un­ter­künf­te und Ver­bin­dun­gen ins ret­ten­de Aus­land.

En­de 1941 über­sie­del­te Cla­ra Grun­wald nach Neu­en­dorf bei Fürs­ten­wal­de, wo ur­sprüng­lich ein Um­schu­lungs­gut für Ju­den, die nach Pa­läs­ti­na aus­wan­dern woll­ten, ein­ge­rich­tet war. 1942/1943 wur­de dar­aus ein Zwangs­ar­beits­la­ger. Da dort die ihr an­ver­trau­te klei­ne Grup­pe von Kin­dern of­fi­zi­ell nicht un­ter­rich­tet wer­den durf­te, lehr­te die Päd­ago­gin sie, mit ei­nem Stock Wor­te in den Sand zu schrei­ben und zu le­sen. An­fang April 1943 wur­de Cla­ra Grun­wald mit an­de­ren Lei­dens­ge­nos­sen nach Ber­lin in das jü­di­sche Sam­mel­la­ger Gro­ße Ham­bur­ger Stra­ße 26 ge­bracht und von dort mit dem 37. „Ost­trans­por­t“ in das KZ Ausch­witz ver­schleppt.

Es ist Cla­ra Grun­walds gro­ßer Mit­ver­dienst, dass die Montes­so­ri-Päd­ago­gik sich heu­te in Deutsch­land gro­ßer Be­liebt­heit er­freu­en kann. Es gibt weit über 1.000 Montes­so­ri-Ein­rich­tun­gen, die in Ber­lin, Frei­burg im Breis­gau, Ham­burg und Mün­chen-Un­ter­schlei­ßheim tra­gen ih­ren Na­men. In Ber­lin, Mön­chen­glad­bach und Ol­den­burg er­in­nern Stra­ßen an sie. Au­ßer­dem wur­den in Ber­lin, in Fürs­ten­wal­de und Neu­en­dorf an ver­schie­de­nen Ge­bäu­den Ge­denk­ta­feln an die Weg­be­rei­te­rin der deut­schen Montes­so­ri-Be­we­gung an­ge­bracht und vor ih­rem Wohn­haus in Ber­lin, Klopstock­stra­ße 19, ein Stol­per­stein ein­ge­las­sen.

Schriften (Auswahl)

Über die Me­tho­de der wis­sen­schaft­li­chen Päd­ago­gik der Ärz­tin und Psy­cho­lo­gin Dr. Ma­ria Montes­so­ri, in: Die Neue Er­zie­hung 1920, S. 421-426.
Bil­der vom Montes­so­ri-Kurs in Lon­don, in: Freie Welt. Il­lus­trier­te Wo­chen­zeit­schrift der un­ab­hän­gi­gen So­zi­al­de­mo­kra­tie Deutsch­lands, 1921, S. 309-311.
Er­zie­hung und Un­ter­richt im Diens­te der na­tür­li­chen Ent­wick­lung des Kin­des. Die Montes­so­ri-Me­tho­de, in: Montes­so­ri, Ma­ria, Die Selbst­er­zie­hung des Kin­des, Ber­lin 1923, S. 13-33.
Er­zie­hung des Klein­kin­des nach den Ge­dan­ken der Ma­ria Montes­so­ri, in: Oe-streich, Paul (Hg.), Bau­stei­ne zur neu­en Schu­le, Mün­chen 1923, S. 37-47.
Montes­so­ri-Er­zie­hung in Fa­mi­lie, Kin­der­haus und Schu­le, Ber­lin o. J.
Holtz, Axel (Hg.), Cla­ra Grund­wald – Das Kind ist der Mit­tel­punkt, Ulm 1995, S. 77-156. 

Quellen

Lar­sen, Egon (Hg.), „Und doch ge­fällt mir das Le­ben“. Die Brie­fe der Cla­ra Grun­wald 1941 bis 1943, Mann­heim 1985, Neu­aus­ga­be Ber­lin 2015.

Literatur (Auswahl)

Ber­ger, Man­fred, Cla­ra Grun­wald. Ei­ne Weg­be­rei­te­rin der Er­leb­nis­päd­ago­gik?, Lü­ne­burg 1994.
Ber­ger, Man­fred, Cla­ra Grun­wald – Ihr Le­ben und Wir­ken für die Montes­so­ri-Päd­ago­gik, in: Das Kind (Son­der­heft) 1995, S. 20-33.
Ber­ger, Man­fred, Le­ben und Wir­ken der Cla­ra Grun­wald – Nes­to­rin der Montes­so­ri-Päd­ago­gik in Deutsch­land, in: Holtz, Axel (Hg.), Cla­ra Grun­wald. Das Kind ist der Mit­tel­punkt, Ulm 1995, S. 45-76.
Ber­ger, Man­fred, Cla­ra Grun­wald – Re­form­päd­ago­gin und Nes­to­rin der Montes­so­ri-Be­we­gung in Deutsch­land. Ei­ne Spu­ren­su­che, in: Zeit­schrift für Er­leb­nis­päd­ago­gik 2001/H. 4, S. 45-67.
Ber­ger, Man­fred, Cla­ra Grun­wald. Weg­be­rei­te­rin der Montes­so­ri-Päd­ago­gik, Frank­furt 2000.
Ber­ger, Man­fred, Frau­en in der Ge­schich­te des Kin­der­gar­tens. Ein Hand­buch, Frank­furt/Main 1995, S. 64-69.
Ber­ger, Man­fred, Frau­en in so­zia­ler Ver­ant­wor­tung: Cla­ra Grun­wald, in: Un­se­re Ju­gend 2015, S. 274–278.
Ber­ger, Man­fred, Grun­wald, Cla­ra, in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon (BBKL), Nord­hau­sen 2003, Sp. 573–585.
Ber­ger, Man­fred, Pio­nie­re der Früh- und Hort­päd­ago­gik: Cla­ra Grun­wald (1877-1943), in: Burt­scher, Irm­gard M. (Hg.), Hand­buch für Er­zie­he­rIn­nen in Krip­pe, Kin­der­gar­ten, Ki­ta und Hort, Lands­berg 2014, Aus­ga­be 78, S. 1-20.
Han­sen-Scha­berg, In­ge, Cla­ra Grun­wald – ein Le­ben für die Montes­so­ri-Päd­ago­gik im Kon­text der Ber­li­ner Schul­re­form­be­we­gung in der Zeit der Wei­ma­rer Re­pu­blik, in: Han­sen-Scha­berg, In­ge/Rit­zi, Chris­ti­an (Hg.), We­ge von Päd­ago­gin­nen vor und nach 1933, Ho­hen­geh­ren 2004, S. 55-92.
Harth-Pe­ter, Wal­traud, Cla­ra Grun­wald und Ma­ria Montes­so­ri, in: „Kin­der sind an­der­s“. Ma­ria Montes­so­ris Bild vom Kin­de auf dem Prüf­stand, Würz­burg 1996, S. 67-84.
Holtz, Axel, Grun­wald, Cla­ra, in: Steen­berg, Ul­rich (Hg.), Hand­le­xi­kon zur Montes­so­ri-Päd­ago­gik, Ulm 1997, S. 104-108.
Kocha­vi-Ne­hab, The Son Who Didn’t Know His Mo­ther. The Sto­ry of the Childhood and Ado­lescn­ce of Haim Ge­ron, Tel Aviv 2015, S. 45-48.
Köp­cke-Dut­tler, Ar­nold, Cla­ra Grun­wald (1877-1943), in: Buch­ka, Ma­xi­mi­li­an/Grimm, Rü­di­ger/Klein, Fer­di­nand (Hg.), Le­bens­bil­der be­deu­ten­der Heil­päd­ago­gin­nen und Heil­päd­ago­gen im 20. Jahr­hun­dert, 2. Auf­la­ge, Mün­chen 2002, S. 82-96.
Kru­sen, Sa­bi­ne, Fa­mi­lie und Freun­de Cla­ra Grun­walds, in: Han­sen-Scha­berg, In­ge/Rit­zi, Chris­ti­an (Hg.), We­ge von Päd­ago­gin­nen vor und nach 1933, Ho­hen­geh-ren 2004, S. 99-112.
Schü­rings, Hans, Cla­ra Grun­walds Weg von Rhe­ydt nach Ausch­witz, in: Rhe­ydter Jahr­buch 24 (1998), S. 69-78.
Stil­ler, Dia­na, Cla­ra Grun­wald und Ma­ria Montes­so­ri. Die Ent­wick­lung der Montes­so­ri-Päd­ago­gik in Ber­lin, Ham­burg 2008.
Ter­voo­ren, Hel­ga, Montes­so­ri-Päd­ago­gik und rhyth­misch-mu­si­ka­li­sche Er­zie­hung im Kon­text re­form­päd­ago­gi­scher Mo­del­le, Es­sen 1999.
Wald­schmidt, In­ge­borg, Schaut auf das Kind! Zu den An­fän­gen der Montes­so­ri-Päd­ago­gik und ih­re Ver­wirk­li­chung in Ber­lin, in: Mül­ler, Tho­mas/Schnei­der, Ro­ma­na, Montes­so­ri. Lehr­ma­te­ria­li­en 1913-1935. Mö­bel und Ar­chi­tek­tur, Mün­chen [u.a.] 2002, S. 27-39.

Clara Grunwald bei der Arbeit mit Kindern, undatiert. (Ida-Seele-Archiv)

 
Zitationshinweis

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Berger, Manfred, Clara Grunwald, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/clara-grunwald/DE-2086/lido/5d91ef5112a642.40976816 (abgerufen am 06.12.2024)