Zu den Kapiteln
Franz Kremer war einer der Hauptinitiatoren bei der Fusion der Fußballvereine Kölner Ballspiel-Club (KBC) und Spielvereinigung Sülz 07 zum 1. FC Köln. Von 1948 bis 1967 war er dessen erster Vorsitzender; Kremer war außerdem federführend an der Gründung der Fußball-Bundesliga im Jahre 1963 beteiligt.
Der am 30.7.1905 in Köln geborene Franz Kremer wuchs als viertes Kind eines Lokomotivführers auf. Schon in früher Jugend zeigte er reges Interesse am Fußballsport und trat 1919 in den KBC ein, dem er bis zur Auflösung des Clubs im Zuge der Fusion die Treue hielt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem er als Soldat dem Sonderkommando „Seelöwe“ unterstellt war, schaffte es der gelernte Kaufmann mit einem Werbeartikelunternehmen, sich innerhalb kürzester Zeit einen gewissen Wohlstand zu erarbeiten. Zeitgleich engagierte er sich als Vorstandsmitglied bei der Reorganisation des KBC. Am 24.7.1944 heiratete Kremer seine Frau Liselotte (geboren 1918), eine gebürtige Bremerin, die er 1942 in Paris kennen gelernt hatte.
Ab 1947 lief der deutsche Fußballbetrieb wieder an, allerdings ohne einen schlagfertigen Kölner Großclub, der im Kampf um die Deutsche Meisterschaft hätte konkurrenzfähig sein können. In der damals höchsten Spielklasse, der Oberliga West, gingen zwar mit dem VfR Köln und Preußen Dellbrück zwei Kölner Teams ins Rennen, fanden sich jedoch recht schnell in den Niederungen der Tabelle wieder. Nach Abschluss der Runde mussten beide Vereine in die Bezirksliga absteigen. Genau in dieses Vakuum wollte Franz Kremer, der am 8.2.1947 zum Vorsitzenden des KBC gewählt worden war, vorstoßen. Ziel war die dauerhafte Etablierung eines Kölner Vereins im Fußball-Oberhaus, der nicht nur innerhalb der Stadtgrenzen den Ton angeben, sondern auf mittelfristige Sicht auch um die Deutsche Meisterschaft mitspielen sollte. Kremer gab sich jedoch keinen Illusionen hin und war sich von Anfang an bewusst, dass das nur dann zu realisieren war, wenn sich sein Hausverein KBC mit einem weiteren Club zusammentat. Verhandlungen mit dem SV Union Köln führten zu keinem Ergebnis. Erst allmählich rückte in dieser Frage der benachbarte Traditionsverein Sülz 07 ins Blickfeld, ein nicht ganz gewöhnlicher Partner, denn die Mitglieder des Sülzer Vereins entstammten vorwiegend dem Arbeitermilieu, während der KBC eher bürgerlich geprägt war; zudem pflegten beide Vereine eine traditionelle Rivalität. Franz Kremer seinerseits warb mit der mittlerweile legendären Frage „Wollt ihr mit mir Deutscher Meister werden?“ um Unterstützung für sein ehrgeiziges Projekt und vermochte es tatsächlich, die meisten Vorbehalte und Widerstände sowohl auf Sülzer als auch auf Klettenberger Seite abzubauen. Am 13.2.1948 war es so weit: In der Sülzer Kneipe „Roggendorf“ wurde der 1. FC Köln gegründet – und Franz Kremer einstimmig zu dessen erstem Präsidenten gewählt. Die Unmutsbekundungen über die Eins im Namen des neuen Großclubs ließen nicht lange auf sich warten. So vertrat vor allem der 1899 gegründete VfL Köln den Anspruch, als ältester Verein der Stadt das alleinige Vorrecht zu besitzen, als „erster“ Fußballclub in Erscheinung treten zu dürfen. Doch Franz Kremer hatte viel mehr im Sinn, durch die Namensgebung seinem Anspruchsdenken Ausdruck zu verleihen, die Nummer 1 auf dem Spielfeld zu sein.
Die Spieler des neuen Clubs ließen diese Diskussion dann auch bald durch sportliche Leistungen verstummen. Nachdem man den Platz von Sülz 07 in der Rheinbezirksliga übernehmen durfte, schaffte der FC bereits im zweiten Jahr nach seiner Gründung den ersehnten Aufstieg in die Oberliga West. Und es sollte nicht lange dauern, ehe die Geißböcke – diese Bezeichnung setzte sich bald durch, nachdem der Kölner Zirkusdirektor Harry Williams dem Verein im Rahmen einer Karnevalssitzung ein solches Tier als Maskottchen gestiftet hatte – auch dort für Furore sorgten. Angetrieben von dem kongenialen Duo Hans Schäfer (geboren 1927) und Josef „Jupp“ Röhrig (geboren 1925) wurde der Verein bereits 1954 erstmalig westdeutscher Meister und konnte ins DFB-Pokalfinale einziehen, welches allerdings gegen den VfB Stuttgart in der Verlängerung mit 0:1 verloren ging.
Möglich gemacht wurden diese wie auch weitere Erfolge durch den Perfektionisten Franz Kremer. In den folgenden Jahren arbeitete er ungeachtet von Rückschlägen systematisch an der Mannschaft und den Vereinsstrukturen, was er mit einem Aufwand und einer Akribie betrieb, wie es für diese Zeit im Fußball-Sport gänzlich untypisch war. Von morgens bis abends war der „Boss“ – wie ihn Spieler und Fans ehrfürchtig nannten – auf den Beinen, um die Vorgänge in und um den Club in immer professionellere Bahnen zu lenken. Dabei trat er einerseits als strenger Patriarch auf, der sich niemals kritischer Kommentare enthielt und keinen Widerspruch duldete, andereseits war er sehr auf das Wohl seiner Spieler bedacht. Den Status des Profifußballers gab es noch nicht. Kremer verschaffte seinen Kickern eine wirtschaftliche Absicherung für die Zeit nach der sportlichen Karriere, meist in Form eigener Tankstellen und Tabakläden. Außerdem wachte er persönlich darüber, dass die Spieler sorgfältig und sparsam mit ihrem Geld umgingen; er beriet sie beim Abschluss von Bausparverträgen und dem Kauf eigener Grundstücke und Häuser.
Was seinen Führungsstil betrifft, so pflegte Kremer sich selbst als einen „demokratischen Diktator“ zu bezeichnen. Dass ihm der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer als Vorbild galt, mag wenig überraschen. Kein anderer deutscher Fußball-Club konnte zu dieser Zeit mit vergleichbaren Infrastrukturen aufwarten. Inmitten des Grüngürtels war in nur rund drei Jahren nach der Vereinsgründung auf Kremers Initiative mit dem Bau einer hochmodernen Trainingsanlage begonnen worden. Herzstück war das am 12.9.1953 eingeweihte Clubhaus, das „Geißbockheim“, das für die seinerzeit stattliche Summe von 250.000 DM errichtet wurde und Vorbildcharakter für in- und ausländische Vereine hatte. Vor dem Hintergrund der heutigen Fußball-Ökonomie mag das alles nicht sonderlich spektakulär anmuten, doch gemessen an den damaligen Verhältnissen war Kremer mit seinen Management-Methoden seiner Zeit weit voraus, so dass heute rückblickend einstimmig vom 1. FC Köln als erstem deutschen Profi-Club gesprochen wird.
1962 sollte Franz Kremer sein großes sportliches Ziel endlich erreichen: Unter dem neuen Trainer Zlatko „Tschik“ Čajkovski (1923-1998) wurde der 1. FC Köln erstmalig gesamtdeutscher Meister. Dabei wurde der favorisierte Club aus Nürnberg in einem einseitigen Endspiel mit 4:0 regelrecht überrollt. Und so geizte auch die Fachpresse nicht mit Lob: "Der 1. FC Köln erkämpfte, erspielte seine erste Deutsche Meisterschaft mit den Waffen des modernen Fußballs. Er ließ sich als einer der überlegensten Meister der 60jährigen deutschen Fußballgeschichte krönen", vermeldete der „Kicker“. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung, als das Team vom Austragungsort Berlin in die Domstadt zurückkehrte. Mehr als 200.000 Menschen bereiteten den Spielern einen triumphalen Empfang. Mit diesem Erfolg betrat der 1. FC Köln in der kommenden Saison erstmals internationales Terrain. Doch im Europapokal der Landesmeister folgte das böse Erwachen auf dem Fuße. Gegen den schottischen Vertreter aus Dundee ging man im Hinspiel sang- und klanglos mit 1:8 unter – die höchste Niederlage, die ein deutscher Verein bis heute in einem europäischen Wettbewerb erleiden musste. Damit war das erste Kapitel Europapokal frühzeitig beendet, der spätere Erfolg im Rückspiel lediglich Ergebniskosmetik. Bei allem Unmut über das frühzeitige Ausscheiden ließ sich der Präsident jedoch nicht von seinem Weg abbringen und arbeitete nun umso emsiger auf die nächste deutsche Meisterschaft seines Clubs hin.
Das sollte bereits 1963/1964 wieder gelingen, allerdings in gänzlich anderem Rahmen. Denn ab dieser Saison wurde der Deutsche Meister erstmals in einer bundesweiten, eingleisigen Runde ausgespielt: der Fußball-Bundesliga. Damit ging für Franz Kremer ein lang ersehnter Traum in Erfüllung. Bereits seit Mitte der 1950er-Jahre hatte er gemeinsam mit dem späteren DFB-Präsidenten Hermann Neuberger (1919-1992) energisch auf die Durchsetzung des neuen Austragungsmodus hingewirkt. Doch beide Männer waren erst 1962 mit einem entsprechenden Antrag erfolgreich gewesen. Nicht selten wird der Kölner Präsident in der Literatur gerade vor diesem Hintergrund als Visionär gepriesen, was jedoch zu viel der Ehre ist. Gewiss ist Franz Kremer einer der „Väter der Bundesliga“, doch keineswegs der Erfinder der eingleisigen Fußballrunde. Auch war der Spielbetrieb in verschiedenen europäischen Ländern längst in ähnlicher Form organisiert. Das Konzept war also keineswegs neu, doch Kremer konnte bei der Umsetzung seine kaufmännischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. So wurde die Bundesliga mit wahrer Begeisterung aufgenommen – knapp 25.000 Zuschauer strömten im Schnitt zu den Spielen – und wurde somit zu einem echten Kassenschlager. Der 1. FC Köln dominierte die neue Spielklasse vom ersten Anpfiff an, verlor im gesamten Saisonverlauf nur zwei Spiele und errang mit sechs Punkten Vorsprung souverän seinen zweiten deutschen Meistertitel. Ein weiteres Dundee blieb dem Verein erspart. Die Kölner drangen in der Saison 1964/1965 bis ins Viertelfinale des Europapokals vor, wo sie sich nach drei packenden Duellen mit dem FC Liverpool erst nach Münzwurfentscheidung geschlagen geben mussten. Der FC hatte sich somit endgültig auch als internationales Spitzenteam etabliert.
Am 11.11.1967 trat der FC zu einem Meisterschaftsspiel bei der Frankfurter Eintracht an. Dass Franz Kremer nicht im Stadion war, verwunderte niemanden. Der Präsident hatte aus gesundheitlichen Gründen schon seit Monaten kaum noch Auswärtsspiele besucht. Doch wie schlimm es um den „Boss“ tatsächlich stand, wussten nur wenige Vertraute. Umso härter traf Spieler, Verantwortliche und Fans nach der Partie die Nachricht, dass Franz Kremer, während er die Live-Übertragung im Radio verfolgt hatte, einem plötzlichen Herztod erlegen war, im Alter von nur 62 Jahren. Dass er für viele Spieler nicht bloß der „Vereinspatriarch“, sondern ein väterlicher, echter Freund (so Hans Schäfer) gewesen war, zeigte sich bei seiner Beerdigung am 16.11.1967 auf dem Kölner Südfriedhof, von der der langjährige Kremer-Vertraute Hans-Gerhard König zu berichten weiß, dass er selten so viele Männer habe weinen sehen wie an diesem Tag.
Franz Kremer ist der wohl bekannteste Präsident in der Geschichte des 1. FC-Köln. Sein Name steht stellvertretend für die erfolgreichste Ära des Clubs, in der die Geißböcke innerhalb der deutschen Fußballlandschaft eine unbestrittene Vormachtstellung einnahmen. Heute tragen sowohl das clubeigene Amateurstadion als auch die Zufahrtsstraße zum Vereinsgelände Kremers Namen und erinnern an einen Mann, ohne dessen Engagement und Weitsicht der 1. FC Köln wohl niemals zu einem der erfolgreichsten und populärsten Fußballvereine Deutschlands aufgestiegen wäre.
Literatur
Annas, Max/Wigand, Elmar ([Hg.)], Die Geißböcke. Glanz und Elend des 1. FC Köln, Köln 1998.
König, Hans-Gerhard, 1. FC Köln. Vom Vorstadtverein zum Weltclub, Düsseldorf 1975.
Sabel, Rolf D., Titel, Träume, Turbulenzen. Eine Insider-Chronik des 1. FC Köln, Köln 2000.
Unschuld, Dirk/Hardt, Thomas, Im Zeichen des Geißbocks. Die Geschichte des 1. FC Köln, Göttingen 2008.
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Kley, Marius, Franz Kremer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-kremer/DE-2086/lido/57c9399d10ec35.46625923 (abgerufen am 09.12.2024)