Heinrich Joeppen

katholischer Militärseelsorger, letzter Feldpropst des preußischen Heeres und der deutschen Kriegsflotte (1853–1927)

Joachim Lilla (Krefeld)

Feldprobst Heinrich Joeppen im bischöflichen Ornat, undatiert.

Das Le­ben des in Hüls (heu­te Stadt Kre­feld) ge­bo­re­nen und ge­stor­be­nen Dr. theol. Hein­rich Jo­ep­pen, wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges Feld­propst der preu­ßi­schen Ar­mee, war Jahr­zehn­te nur durch hei­mat­kund­li­che Li­te­ra­tur do­ku­men­tiert. Der Re­spekt, den die Ver­fas­ser die­ser hei­mat­kund­li­chen Bei­trä­ge Jo­ep­pen ent­ge­gen­brach­ten, ver­bot die­sen, sich kri­tisch mit sei­ner Per­son und sei­nem Wir­ken, ins­be­son­de­re sei­ner be­ruf­li­chen Tä­tig­keit als Feld­propst des Hee­res, aus­ein­an­der­zu­set­zen. Neue­re wis­sen­schaft­li­che Ver­öf­fent­li­chun­gen und Ar­chiv­fun­de er­mög­li­chen in­des ei­ne kri­ti­sche­re Be­ur­tei­lung Jo­ep­pens.

Pe­ter Hein­rich Jo­ep­pen wur­de am 9.3.1853 als Sohn des Jo­hann Til­mann An­dre­as Jo­ep­pen und sei­ner Ehe­frau Ma­ria Mag­da­le­na ge­bo­re­ne Adams im el­ter­li­chen Hau­se, dem „Cleef­schen Haus“ an der Mo­er­ser Stra­ße ge­bo­ren. Kind­heit und Ju­gend ver­brach­te er in Hüls, be­such­te dort 1858-1863 die Ele­men­tar­schu­le und von Herbst 1863-1866 die kurz zu­vor er­rich­te­te Hö­he­re Kom­mu­nal­schu­le, die so­ge­nann­te Rek­to­rats­schu­le. Ab Herbst 1866 be­such­te er die bi­schöf­li­che An­stalt Col­le­gi­um Au­gus­ti­nia­num in Ga­es­donck bei Goch, die Rei­fe­prü­fung leg­te er am 5.7.1871 am Gym­na­si­um Pau­li­num in Müns­ter ab. Es folg­ten vom Win­ter­se­mes­ter 1871/1872 bis Som­mer­se­mes­ter 1874 das Stu­di­um der Theo­lo­gie und Phi­lo­so­phie an der theo­lo­gi­schen und phi­lo­so­phi­schen Aka­de­mie (der nach­ma­li­gen Uni­ver­si­tät) in Müns­ter und als Alum­nus des bi­schöf­li­chen Col­le­gi­um Bor­ro­ma­e­um. So­dann be­such­te er ab Herbst 1874 das dor­ti­ge bi­schöf­li­che Pries­ter­se­mi­nar bis zu des­sen Schlie­ßung im Rah­men des Kul­tur­kamp­fes An­fang Ju­ni 1876. Der im ka­tho­li­schen Mi­lieu all­ge­gen­wär­ti­ge Kul­tur­kampf wirk­te sich auch un­mit­tel­bar auf Jo­ep­pen aus: Am 10.8.1875 wur­de er mit päpst­li­cher Dis­pens - er hat­te das für die Wei­he er­for­der­li­che Min­dest­al­ter noch nicht er­reicht - in al­ler Heim­lich­keit im Dom zu Os­na­brück vom dor­ti­gen Bi­schof Jo­hann Hein­rich Beck­mann (Epis­ko­pat 1866–1878) zum Pries­ter ge­weiht. Sei­ne ers­te Mes­se las er ei­nen Tag spä­ter in der Lieb­frau­en­kir­che in Müns­ter-Über­was­ser, die Pri­miz fei­er­te er am 13.8.1875 in der Hül­ser Kon­vents­kir­che, we­gen des Kul­tur­kamp­fes hin­ter ver­schlos­se­nen Tü­ren, un­ter stren­ger Be­ob­ach­tung der ört­li­chen Ob­rig­keit. Jo­ep­pen ge­hör­te of­fen­sicht­lich zu den fünf Geist­li­chen, die sich zu Pri­vat­be­su­chen im Land­kreis Kem­pen auf­hiel­ten und we­gen ver­meint­li­cher geist­li­cher Amts­hand­lun­gen au­ßer­halb ih­res ge­setz­li­chen Wir­kungs­krei­ses an­ge­klagt (aber nicht ver­ur­teilt) wur­den. 

Nach Schlie­ßung des Pries­ter­se­mi­nars in Müns­ter An­fang Ju­ni 1876 sah sich Jo­ep­pen oh­ne Be­schäf­ti­gung. Ab dem 19.6.1876 fand er je­doch als Er­zie­her der Söh­ne des Frei­herrn Ge­org Ar­bo­gast von und zu Francken­stein (1825–1890), Zen­trums­po­li­ti­ker, Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ter und Vi­ze­prä­si­dent des Reichs­tags, auch erb­li­ches Mit­glied der Kam­mer der Reichs­rä­te der Kro­ne Bay­erns, auf Schloss Ull­stadt in Un­ter­fran­ken ei­ne neue Be­tä­ti­gung. In die­ser Stel­lung blieb er bis zum 6.8.1886, zu­dem be­klei­de­te er in Ull­stadt die Stel­le ei­nes Haus­ka­plans. Von 1884 bis 1886 setz­te er ne­ben­bei sei­ne Stu­di­en an der Uni­ver­si­tät Mün­chen fort, wo er am 31.7.1886 mit ei­ner Dis­ser­ta­ti­on über „Die sitt­li­che Er­laubt­heit des Ei­des“ zum Dok­tor der Theo­lo­gie pro­mo­viert wur­de. Am 30.10.1886 über­wies ihn der Müns­te­ra­ner Bi­schof Jo­han­nes Bern­hard Brink­mann (Epis­ko­pat 1870–1889) der Lieb­frau­en­pfar­re in Müns­ter-Über­was­ser, und nur we­ni­ge Ta­ge spä­ter, am 4.11.1886, be­rief er ihn zum Re­pe­ten­ten in das wie­der er­öff­ne­te Pries­ter­se­mi­nar. Gleich­zei­tig über­nahm Jo­ep­pen die Re­dak­ti­on des Pas­to­ral­blat­tes für die Diö­ze­se Müns­ter, die er bis zu sei­nem Fort­gang aus West­fa­len im Jahr 1910 be­hielt. 

Am 2.2.1894 wur­de Jo­ep­pen als Gar­ni­sons­pfar­rer in We­sel ein­ge­setzt (das Pa­tent sei­ner Er­nen­nung da­tier­te vom 30. Ja­nu­ar). Der ka­tho­li­sche Feld­propst Dr. Hein­rich Voll­mar (1839–1915) ur­teil­te spä­ter (zu­nächst nach Ak­ten­la­ge) über den Gar­ni­sons­pfar­rer Jo­ep­pen, er „ist auf al­len Ge­bie­ten der Mi­li­tär­seel­sor­ge [es folgt von Hand Voll­mars durch­ge­stri­chen: mit Aus­nah­me der schrift­stel­le­ri­schen Tä­tig­keit] un­ge­mein rüh­rig und scheint mit bes­tem Er­folg zu wir­ken.“ Mit die­ser gu­ten Con­du­i­te ließ ei­ne wei­te­re Be­för­de­rung nicht lan­ge auf sich war­ten: Zum 1.7.1908 wur­de Jo­ep­pen als Di­vi­si­ons­pfar­rer zur 13. Di­vi­si­on nach Müns­ter ver­setzt. Der dor­ti­ge Di­vi­sio­när, Ge­ne­ral­leut­nant Fried­rich Sixt von Ar­min (1851–1936), be­schei­nigt ihn zum 1.12.1909: „Di­vi­si­ons­pfar­rer Jöp­pen ist ei­ne schlan­ke, au­ßer­ge­wöhn­lich gro­ße Er­schei­nung. Takt­voll [,] von gu­ten For­men und hei­te­rem We­sen er­freut er sich all­ge­mei­ner Be­liebt­heit. Pflicht­treu und ge­wis­sen­haft in Aus­übung sei­nes Am­tes füllt er sei­ne Stel­le sehr gut aus, und ich hal­te ihn für durch­aus ge­eig­net zur Be­för­de­rung.“ In der Zwi­schen­zeit hat­te wohl Feld­propst Dr. Voll­mar Jo­ep­pen per­sön­lich ken­nen und schät­zen ge­lernt, denn er er­gänz­te die­se Qua­li­fi­ka­ti­on wie folgt: „Er be­sitzt ei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Bil­dung, re­di­giert seit vie­len Jah­ren das müns­ter­sche Pas­to­ral­blatt, ist in sei­nem Amt als Di­vi­si­ons­pfar­rer un­er­müd­lich tä­tig, in ge­sell­schaft­li­cher Be­zie­hung äu­ßerst an­ge­nehm. Er ver­dient die ra­sches­te Be­för­de­rung; er wür­de als Ober­pfar­rer nicht al­lein durch sei­ne kör­per­lich gro­ße Er­schei­nung, son­dern auch durch sei­ne geis­ti­ge Grö­ße den ihm un­ter­stell­ten Geist­li­chen in wohl­tu­ends­ter Wei­se im­po­nie­ren.“ Schon zum 1.11.1910 er­folg­te die wei­te­re Be­för­de­rung, zum Mi­li­tär-Ober­pfar­rer beim VI. Ar­mee­korps in Bres­lau, zu­gleich zu­stän­dig für das V. Ar­mee­korps in Po­sen. Zum 1.12.1911 liegt ei­ne letz­te Be­ur­tei­lung des mitt­ler­wei­le mit dem Ro­ten-Ad­ler-Or­den 4. Klas­se aus­ge­zeich­ne­ten Mi­li­tär-Ober­pfar­rers Jo­ep­pen vor, vom Kom­man­die­ren­den Ge­ne­ral des VI. Ar­mee­korps in Bres­lau, Ge­ne­ral der In­fan­te­rie Kurt von Prit­zel­witz (1854–1935): „Mi­li­tär-Ober­pfar­rer Dr. Jo­ep­pen ist ei­ne nach Er­schei­nung, Auf­tre­ten und Um­gangs­for­men durch­aus wür­di­ge Per­sön­lich­keit. Er fa­ßt die Pflich­ten sei­nes Am­tes rich­tig auf und ist mir in den die ka­tho­li­sche Mi­li­tär­seel­sor­ge be­tref­fen­den Fra­gen ein schät­zens­wer­ter Mit­ar­bei­ter. Sei­ne Kan­zel­re­den sind von er­zieh­li­cher Wir­kung, wenn­schon ih­re Dik­ti­on auf ein­fa­cher, nüch­ter­ner Grund­la­ge be­ruht. Sei­ne Stel­lung füllt er gut aus.“ In ei­nem er­gän­zen­den Vo­tum füg­te Feld­propst Dr. Voll­mar hin­zu, dass er Jo­ep­pen für den vor­ran­gi­gen Kan­di­da­ten bei ei­ner Neu­be­set­zung der Feld­props­tei hal­te.

Auf Vor­schlag der preu­ßi­schen Re­gie­rung er­nann­te Papst Pi­us X. (Pon­ti­fi­kat 1903-1914) am 27.10.1913 Jo­ep­pen um Ti­tu­lar­bi­schof von Ci­sa­mo (Kre­ta). Am glei­chen Tag wur­de ihm das Recht zu­ge­spro­chen, die Bi­schofs­wei­he „ex­tra ur­be­m“ (al­so au­ßer­halb Roms) vor­neh­men zu las­sen. Am 13.1.1914 be­stell­te Kai­ser Wil­helm II. (Re­gent­schaft 1888-1918) ihn zum Feld­propst der preu­ßi­schen Ar­mee und der deut­schen Kriegs­flot­te. Der ge­naue Ti­tel lau­te­te „Kath. Feld­propst der Ar­mee, be­auf­tragt mit der Wahr­neh­mung des Am­tes ei­nes Kath. Ma­ri­ne­props­tes und Kath. Feld­props­tes der Schutz­trup­pen“. Mit päpst­li­chem Bre­ve vom 6.12.1914 wur­de Jo­ep­pen auch kir­chen­recht­lich als Feld­propst be­stallt. 

Die Bi­schofs­wei­he er­hielt Dr. Jo­ep­pen am 22.3.1914 in der ka­tho­li­schen Gar­ni­son­kir­che in Ber­lin. Das preu­ßi­sche Heer war durch ei­ne De­le­ga­ti­on un­ter Füh­rung von Jo­ep­pens un­mit­tel­ba­rem mi­li­tä­ri­schen Dienst­vor­ge­setz­ten, dem preu­ßi­schen Kriegs­mi­nis­ter Erich von Fal­ken­hayn (1861–1922), die Reichs­ma­ri­ne durch ei­ne Ab­ord­nung von Ad­mi­ra­len in Ver­tre­tung des ver­hin­der­ten Staats­se­kre­tärs im Reichs­ma­ri­ne­amt, Gro­ßad­mi­ral Al­fred von Tir­pitz (1849–1930), zahl­rei­che sons­ti­ge Be­hör­den durch ih­re Re­prä­sen­tan­ten ver­tre­ten. Die Bi­schofs­wei­he nahm der Erz­bi­schof von Köln, Dr. Fe­lix von Hart­mann vor, as­sis­tiert von Jo­ep­pens Hei­mat­bi­schof, Dr. Jo­han­nes Pog­gen­burg (1862–1933), Bi­schof von Müns­ter (Epis­ko­pat 1913-1933), und Dr. Karl Au­gus­tin (1847–1919), Weih­bi­schof von Bres­lau (Epis­ko­pat 1910-1919), Jo­ep­pens letz­tem geist­li­chen Stand­ort.

Das Amt des ka­tho­li­schen Feld­propsts für das preu­ßi­sche Heer mit Sitz in Ber­lin wur­de nach ei­ner Ver­ein­ba­rung zwi­schen Preu­ßen und dem Hei­li­gen Stuhl durch päpst­li­ches Bre­ve vom 22.5.1868 ge­schaf­fen. Preu­ßen hielt es für prak­ti­scher, die ka­tho­li­sche Mi­li­tär­seel­sor­ge in der Hand ei­nes (haupt­amt­li­chen) Feld­props­tes oh­ne die Re­prä­sen­ta­ti­on ei­nes ne­ben­amt­li­chen Ar­mee­bi­schofs zu kon­zen­trie­ren, und auch der Hei­li­gen Stuhl hielt die Kon­struk­ti­on ei­ner selb­stän­di­gen, ex­em­ten Mi­li­tär­seel­sor­ge mit ei­nem Feld­propst im Bi­schofs­rang an der Spit­ze für güns­ti­ger. Es ist al­so nicht rich­tig, im Zu­sam­men­hang mit Feld­propst Jo­ep­pen von ei­nem „Ar­mee­bi­schof“ zu spre­chen, wie es oft ge­schieht. Der Feld­propst war die obers­te In­stanz der ka­tho­li­schen Mi­li­tär­seel­sor­ge für das preu­ßi­sche Heer und hat­te die geist­li­che Ju­ris­dik­ti­on über al­le ka­tho­li­schen An­ge­hö­ri­gen des preu­ßi­schen Hee­res so­wie al­le Ka­tho­li­ken, die nach den gel­ten­den Vor­schrif­ten zum preu­ßi­schen Heer ge­hör­ten, in­ne. Im Lau­fe der fol­gen­den Jah­re er­wei­ter­te sich – mit still­schwei­gen­der Dul­dung der be­trof­fe­nen Re­gie­run­gen und Diö­ze­san­bi­schö­fe – sein ört­li­cher Zu­stän­dig­keits­be­reich auch auf die Land­streit­kräf­te der deut­schen Bun­des­staa­ten (mit Aus­nah­me der drei Kö­nig­rei­che Bay­ern, Sach­sen, und Würt­tem­berg) und im Reichs­land El­sass-Loth­rin­gen. Spä­tes­tens seit 1911 war der ka­tho­li­sche Feld­propst auch „be­auf­tragt mit der Wahr­neh­mung des Amts ei­nes ka­tho­li­schen Ma­ri­ne­props­tes und Feld­props­tes der Schutz­trup­pen“ (was ent­spre­chend auch für sei­nen evan­ge­li­schen Amts­bru­der galt). In Preu­ßen war die ka­tho­li­sche Mi­li­tär­seel­sor­ge durch die ka­tho­li­sche Mi­li­tär­kirch­li­che Dienst­ord­nung vom 17.10.1902 fest­ge­legt. An ih­rer Spit­ze stand der nach Ver­ein­ba­rung mit dem Hei­li­gen Stuhl er­nann­te Feld­propst.   

Der Aus­bruch des Welt­krie­ges im Au­gust 1914 stell­te den noch re­la­tiv kurz im Amt be­find­li­chen Feld­propst vor er­heb­li­che or­ga­ni­sa­to­ri­sche Pro­ble­me, die ihn par­ti­ell über­for­der­ten. Auf ihn ka­men or­ga­ni­sa­to­ri­sche An­for­de­run­gen mit ei­ner Ge­schwin­dig­keit und ei­nem Aus­maß zu, dass er nur all­mäh­lich und un­ter gro­ßen Mü­hen die Mi­li­tär­seel­sor­ge auf die Ge­ge­ben­hei­ten um­stel­len konn­te. Die Kirch­li­che Mi­li­tä­ri­sche Dienst­ord­nung von 1902 sah den Mo­bil­ma­chungs­fall nicht vor, Seel­sor­ge­kon­fe­ren­zen hat­ten sich mit ihm nicht be­fasst, um­fas­sen­de Re­ge­lun­gen des Kriegs­mi­nis­te­ri­ums oder ei­ne Dienst­ord­nung für Feld­geist­li­che wur­de nach 1914 nicht er­las­sen. Die Zahl der (über­wie­gend mit der Ma­te­rie noch un­ver­trau­ten) Feld­seel­sor­ger stieg rasch auf et­wa 1.200 an, die kei­ne Ori­en­tie­rungs­hil­fen hat­ten. Ein wei­te­rer or­ga­ni­sa­to­ri­scher Man­gel, der von vie­len Be­trof­fe­nen als Är­ger­nis emp­fun­den wur­de, war die Ein­stel­lung des mi­li­tä­ri­schen „Pas­to­ral-Blat­tes“ zu Kriegs­be­ginn, wo­durch ein prak­ti­ka­bler Mul­ti­pli­ka­tor fort­fiel. Es dau­er­te bis zum 15.4.1916, bis Jo­ep­pen ei­ne längst über­fäl­li­ge „Zu­sam­men­stel­lung der im Lau­fe des Krie­ges von den geist­li­chen und welt­li­chen Be­hör­den für die mit der Mi­li­tär­seel­sor­ge be­trau­ten Geist­li­chen er­las­se­nen Ver­fü­gun­gen, Ent­schei­dun­gen usw.“ her­aus­ge­ben konn­te. Hier­in er­teil­te der Feld­propst ei­ner­seits den Mi­li­tär­geist­li­chen „zu­guns­ten der zum Hee­re Ein­be­ru­fe­nen die zur Aus­übung der Mi­li­tär­seel­sor­ge er­for­der­li­che Ju­ris­dik­ti­on nebst den not­wen­di­gen Voll­mach­ten“, bei­spiels­wei­se Not- und Kriegs­trau­un­gen oh­ne die vor­ge­schrie­be­nen Fris­ten und For­men, auch bei Misch­ehen, vor­zu­neh­men. Zum zwei­ten lis­te­te er al­le die von ihm er­las­se­nen grund­le­gen­den Ent­schei­dun­gen und Ver­fü­gun­gen auf, die von den Mi­li­tär­geist­li­chen zu be­ach­ten wa­ren, dar­un­ter so grund­le­gen­de Din­ge, wel­che For­meln in Ge­be­te ein­zu­flech­ten sind, aber auch, dass En­de 1914 „der Herr hoch­wür­digs­te Herr Feld­bi­schof des ös­ter­rei­chisch-un­ga­ri­schen Hee­res sämt­li­chen Feld­geist­li­chen des preu­ßi­schen bzw. deut­schen Hee­res zur Aus­übung der Seel­sor­ge für die An­ge­hö­ri­gen des ös­ter­rei­chisch-un­ga­ri­schen Hee­res die Ju­ris­dik­ti­on er­teilt ha­t“. Kon­tak­te zwi­schen den Feld­geist­li­chen und dem Feld­propst schei­nen fast aus­schlie­ß­lich schrift­lich statt­ge­fun­den zu ha­ben – durch An­ord­nun­gen des Feld­propsts be­zie­hungs­wei­se durch die re­gel­mä­ßig, in der Re­gel mo­nat­lich er­stat­te­ten Be­rich­te der Geist­li­chen im Fel­de. Kon­fe­ren­zen des Feld­propsts mit den Feld­geist­li­chen fan­den, so­weit be­kannt, nur neun­mal wäh­rend des ge­sam­ten Krie­ges statt: fünf im Jah­re 1916 an der Ost­front, vier im Herbst 1918 an der West­front – im Rah­men sei­ner bei­den Auf­ent­hal­te auf dem öst­li­chen Kriegs­schau­platz (15.-26.9.1916) und an der West­front (16.-27.1918).

In­ner­halb des deut­schen Epis­ko­pats sah sich Jo­ep­pen wäh­rend des Kriegs Kri­tik aus­ge­setzt: Ein­mal wur­de sei­ne man­geln­de Un­ter­stüt­zung bei der Ma­te­ri­al­samm­lung des Frei­bur­ger Kir­chen­his­to­ri­kers Ge­org Pfeil­schif­ter (1870–1936) für sei­ne pro­pa­gan­dis­ti­sche Ab­wehr­schrift „La Gu­er­re al­le­man­de et le Ca­tho­li­cis­me“ un­güns­tig ver­merkt. Diö­ze­san­bi­schö­fe sa­hen sich des Wei­te­ren ver­an­lasst, beim Vor­sit­zen­den der Ful­da­er Bi­schofs­kon­fe­renz, Kar­di­nal von Hart­mann, über ei­ne schlech­te Per­so­nal­po­li­tik Jo­ep­pens hin­sicht­lich der Aus­wahl ein­zel­ner Mi­li­tär­geist­li­cher zu be­schwe­ren. Schwer­ge­wich­tig war ei­ne Kon­tro­ver­se zwi­schen Jo­ep­pen und dem Bres­lau­er Fürst­bi­schof Adolf Ber­tram (1859–1945, Fürst­bi­schof von Bres­lau 1914-1945) im Jahr 1918, in die auch die Mün­che­ner Nun­tia­tur ein­ge­schal­tet wur­de. Der Nun­ti­us hat­te En­de 1917 an­ge­ord­net, dass je­der Mi­li­tär­geist­li­che sei­nem Hei­mat­bi­schof al­le drei Mo­na­te über sei­ne Ar­beit Be­richt er­stat­ten soll­te. Jo­ep­pen wies dar­auf hin die Mi­li­tär­geist­li­chen an, dass die­se Be­rich­te an die Mi­li­tär­o­ber­pfar­rer ge­schickt wer­den soll­ten, wo sie zu sam­meln und an die Orts­or­di­na­ri­en wei­ter­zu­lei­ten sei­en. Ber­tram be­zwei­fel­te, ob die­se Re­ge­lung im Sin­ne des Hei­li­gen Stuhls sei, weil hier­durch das en­ge Ver­hält­nis zwi­schen dem Hei­mat­bi­schof und dem je­wei­li­gen Kle­ri­ker be­ein­träch­tigt wür­de. Die Nun­tia­tur fa­vo­ri­sier­te je­doch Jo­ep­pens Re­ge­lung, weil die­se den Vor­teil ha­be, dass die Be­rich­te nicht der Kon­trol­le der Mi­li­tär­be­hör­de un­ter­lie­gen wür­den. Aus­drück­lich un­ter­stützt wur­de er durch das En­ga­ge­ment des Bi­schofs von Spey­er (ab 1917 Erz­bi­schof von Mün­chen und Frei­sing) und Feld­propst der baye­ri­schen Ar­mee, den spä­te­ren Kar­di­nal Mi­cha­el von Faul­ha­ber (1869–1952), in der Mi­li­tär­seel­sor­ge.

Die Amts­füh­rung Jo­ep­pens als Feld­propst wird auch in der Li­te­ra­tur über­wie­gend kri­tisch be­ur­teilt, na­ment­lich sei­ne ge­rin­ge per­sön­li­che Er­fah­rung in der Seel­sor­ge wird her­aus­ge­stellt. Die Schwie­rig­kei­ten der Amts­füh­rung Jo­ep­pens wäh­rend des Krie­ges dür­fen ihm je­doch nicht nur per­sön­lich an­ge­las­tet wer­den. Sei­ne Tä­tig­keit fand ih­re Gren­zen durch den ge­rin­gen Spiel­raum in ei­nem en­gen mi­li­tär­dienst­li­chen Rah­men, wo­mög­lich auch amt­li­cher­seits nicht im­mer die er­for­der­li­che Un­ter­stüt­zung. An­ge­sichts der un­vor­her­seh­ba­ren (und un­vor­her­ge­se­he­nen) Fül­le der Pro­ble­me wä­re aber auch ei­ne dy­na­mi­sche­re und cha­ris­ma­ti­sche­re Per­sön­lich­keit als Jo­ep­pen letzt­lich über­for­dert ge­we­sen.

Über Jo­ep­pens per­sön­li­che Ein­schät­zung des mi­li­tä­ri­schen Zu­sam­men­bruchs und des En­des der Mon­ar­chie im No­vem­ber 1918 ist nichts be­kannt. Er blieb im Amt mit einst­wei­len un­ver­än­der­ten Zu­stän­dig­kei­ten, wenn­gleich nach Kriegs­en­de der bis­he­ri­ge or­ga­ni­sa­to­ri­sche Un­ter­bau des ka­tho­li­schen Feld­props­tes we­gen der deut­schen Ab­rüs­tung nicht mal mehr im vor­kriegs­mä­ßi­gen Um­fang fort­be­stand. Nach­dem die Wehr­an­ge­le­gen­hei­ten auf das Reich über­ge­gan­gen wa­ren, un­ter­stand der Feld­propst dem Reichs­wehr­mi­nis­ter, sein obers­ter Dienst­herr war der Reichs­prä­si­dent. Die Neu­ord­nung des Heer­we­sens brach­te aber auch Un­si­cher­hei­ten be­züg­lich des Ju­ris­dik­ti­ons­be­reichs des ehe­mals preu­ßi­schen Feld­props­tes mit sich. Die­ser war zwar jetzt reichs­recht­lich Vor­ge­setz­ter al­ler deut­schen Mi­li­tär­geist­li­chen, auch der aus den Län­dern mit vor­mals ei­ge­ner Mi­li­tär­seel­sor­ge, kir­chen­recht­lich stand ihm aber nur die Ju­ris­dik­ti­on im bis­he­ri­gen Um­fang zu, al­so für die bis­lang preu­ßi­schen Trup­pen­tei­le, mög­li­cher­wei­se auch noch über die au­ßer­preu­ßi­schen Trup­pen­tei­le, die er mehr oder we­ni­ger still­schwei­gend mit be­treut hat­te. Die grund­le­gen­de Re­ge­lung die­ser Fra­gen er­folg­te je­doch erst nach der Ver­set­zung Jo­ep­pens in den Ru­he­stand zum 1.5.1920 und der Neu­be­set­zung des Amts des Feld­propsts.   

 

Seit Ju­ni 1920 leb­te Jo­ep­pen wie­der dau­ernd in Hüls, das er zu­vor be­rufs­be­dingt nur ge­le­gent­lich be­sucht hat­te. „In Stil­le und Zu­rück­ge­zo­gen­heit hat er sei­ne letz­ten Le­bens­jah­re in sei­nem Hei­mat­ort ver­bracht. Nur bei be­son­de­ren An­läs­sen, bei kirch­li­chen und va­ter­län­di­schen Fes­ten, wie bei der Vik­tor­stracht in Xan­ten, er­schien er noch, um die­sen Ver­an­stal­tun­gen durch sei­ne Ge­gen­wart ein be­son­de­res Ge­prän­ge zu ge­ben.“ Für ei­ne Auf­ga­be war Jo­ep­pen durch sei­nen be­ruf­li­chen Le­bens­weg ge­ra­de­zu prä­des­ti­niert: für die Wei­he von Denk­mä­lern für die Ge­fal­le­nen des Ers­ten Welt­krie­ges. Die­se Auf­ga­be hat er an­schei­nend gern und auch öf­ter wahr­ge­nom­men. Hö­he­punkt der letz­ten Jah­re Jo­ep­pens wa­ren un­be­streit­bar die Fei­er­lich­kei­ten an­läss­lich sei­nes Gol­de­nen Pries­ter­ju­bi­lä­ums am 16.8.1925.

Ausschnitt des zum goldenen Priesterjubiläums Joeppens im Jahr 1925 gestifteten Fensters in der Pfarrkirche Hüls, 2007.

 

Jo­ep­pen starb am 22.2.1927 in Hüls, die Be­er­di­gung fand vier Ta­ge spä­ter in der Gruft der Pries­ter­gruft auf dem Hül­ser Fried­hof statt. In der Zwi­schen­zeit war die Lei­che im vol­len Or­nat in der Kon­vents­kir­che auf­ge­bahrt ge­we­sen. Im Ju­li 1931 konn­te sein Leich­nam – nach lan­gem bü­ro­kra­ti­schen Hin und Her – in die Hül­ser Pfarr­kir­che über­führt und dort in ei­ner Sei­ten­ka­pel­le bei­ge­setzt wer­den. Für die Aus­ge­stal­tung der Ka­pel­le stif­te­ten ehe­ma­li­ge Sol­da­ten ein Glas­fens­ter, das den Feld­propst zeigt, wie er an Sol­da­ten die hei­li­ge Kom­mu­ni­on aus­teilt. In der Ka­pel­le sind des Wei­te­ren die Na­men von 349 Hül­sern ver­ewigt, die wäh­rend des Welt­krie­ges ge­fal­len sind.

Quellen

Bun­des­ar­chiv-Mi­li­tär­ar­chiv, PH 32/341 (Qua­li­fi­ka­ti­ons­lis­ten)
Pfar­rei Hüls, Pfar­rar­chiv Hüls Nr. 268 (Ur­kun­den zu Jo­ep­pen) und 268a (u.a. Bei­set­zung in der Pfarr­kir­che) 

Werke

Die sitt­li­che Er­laubt­heit des Ei­des, Diss. theol., Mün­chen 1887.
Hir­ten­wor­te an die Sol­da­ten im Fel­de, 3 Bän­de, Ber­lin 1915-1917. 

Literatur

[Berg, Lud­wig], Pro fi­de et Pa­tria!". Die Kriegs­ta­ge­bü­cher von Lud­wig Berg 1914/18. Ka­tho­li­scher Feld­geist­li­cher im gro­ßen Haupt­quar­tier Kai­ser Wil­helms II. Im Auf­trag des Bi­schöf­li­chen Diö­ze­san­ar­chivs Aa­chen ein­ge­lei­tet u. hg. von Frank Bet­ker u. Al­mut Krie­le, Köln [u.a.] 1998.
Brandt, Hans-Jür­gen, Hein­rich Jo­ep­pen, in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe der deutsch­spra­chi­gen Län­der 1785/1803–1945. Ein bio­gra­phi­sches Le­xi­kon, Ber­lin 1983, S. 352.
Güs­gen, Jo­han­nes, Die ka­tho­li­sche Mi­li­tär­seel­sor­ge in Deutsch­land zwi­schen 1920 und 1945. Ih­re Pra­xis und Ent­wick­lung in der Reichs­wehr der Wei­ma­rer Re­pu­blik und der Wehr­macht des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­lands un­ter be­son­de­rer Be­rück­sich­ti­gung ih­rer Rol­le bei den Reichs­kon­kor­dats­ver­hand­lun­gen, Köln [u.a.] 1989.
Hand­buch über den Kö­nig­lich Preu­ßi­schen Hof und Staat 1914, 1918.
Lil­la, Joa­chim, Feld­propst Dr. theol. Hein­rich Jo­ep­pen (1853–1927) – Ei­ne bio­gra­phi­sche An­nä­he­rung, in: Hei­mat­buch des Krei­ses Vier­sen 52 (2001), S. 53–78.
Scheid­gen, Her­mann Jo­sef, Deut­sche Bi­schö­fe im Ers­ten Welt­krieg. Die Mit­glie­der der deut­schen Bi­schofs­kon­fe­renz und ih­re Or­di­na­ria­te 1914–1918, Köln [u.a.] 1991.
Vogt, Ar­nold, Re­li­gi­on im Mi­li­tär. Seel­sor­ge zwi­schen Kriegs­ver­herr­li­chung und Hu­ma­ni­tät. Ei­ne mi­li­tär­ge­schicht­li­che Stu­die, Frank­furt a.M. [u.a.] 1987. 

Heinrich Joeppen aufgebahrt in der Hülser Konventskirche, 1927.

 
Zitationshinweis

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Lilla, Joachim, Heinrich Joeppen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-joeppen/DE-2086/lido/5d3702ce79bc92.52593856 (abgerufen am 06.12.2024)