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Helena Curtens wurde 1738 im Alter von 16 Jahren zusammen mit ihrer Nachbarin Agnes Olmans als Hexe verbrannt. Der spektakuläre und gleichzeitig letzte Hexenprozess am Niederrhein hielt die Bevölkerung Düsseldorfs und der umliegenden Dörfer über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren in Atem.
Helene Mechthild Curtens wurde vermutlich im Mai 1722 als Tochter von Casparus Curtens und seiner Frau Elisabeth Jägers geboren. Die Taufe erfolgte am 18.5.1722 in Gerresheim (heute Stadt Düsseldorf). Nachdem ihre Mutter im Spätherbst 1729 nach der Geburt des siebten Kindes gestorben war, heiratete der Vater seine vierte Ehefrau Anna Margarethe Meisenburg. Das Verhältnis Helenas zur Stiefmutter sollte sich als schwierig erweisen. Aus den vier Ehen des Vaters gingen 18 Kinder hervor.
Von ihren Eltern und den Nachbarn wurde Helena als kluges und aufgewecktes, aber auch flatterhaftes Kind beschrieben. Sie war krankheitsanfällig und pilgerte, um Heilung zu finden, mehrfach, zuletzt im Herbst 1736, mit ihrem Vater nach Kevelaer, dem bedeutendsten Wallfahrtsort am Niederrhein. Nach ihrer Rückkehr verbreitete Helena Curtens bei den Mägden und den Nachbarinnen in der Stadt, sie habe Geistererscheinungen gehabt und einige Tücher als Beleg ihrer Genesung erhalten. Sie bezichtigte ihre Nachbarin Agnes Olmans der Hexerei und erzählte, sie werde seit der Wallfahrt regelmäßig von einem Mann besucht, der sich „der Schwarze" nenne.
Die Gerüchte über das gerade 14-jährige Mädchen verbreiteten sich schnell und gelangten auch an Johann Weyrich Sigismund Schwarz, den Richter des Amtes Mettmann, in dem Gerresheim lag. Da in Jülich-Berg Hexerei als ein Schwerverbrechen galt, ließ Schwarz Anfang 1737 Helena Curtens, Agnes Olmans und deren zwei Töchter inhaftieren.
Während der Voruntersuchungen in Gerresheim, die Schwarz leitete, bestätigte Curtens die Gerüchte, die über sie in Umlauf waren und wiederholte ihre Anschuldigungen gegen die 47-jährige Agnes Olmans und ihre beiden Töchter. Sie sagte aus, Geister hätten sie gedrängt, in Kevelaer der Gottesmutter ein Opfer darzubringen, um einige Geister zu erlösen. Als Dank dafür habe sie jedes Mal eines der Tücher erhalten, die sie von ihrer Krankheit heilen sollten. Eines der Tücher habe ihr der Teufel persönlich gegeben, die anderen Agnes Olmans, die ihr auch versichert habe, sie werde mit Hilfe des Teufels wieder gesund. Außerdem gab das Mädchen zu, etliche Male vom Teufel aufgesucht worden zu sein und mit ihm Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Sie habe Gegenstände durch die Luft fliegen lassen können und sei mit Hilfe des Teufels an verschiedenen Orten gleichzeitig gewesen, was von mehreren Zeugen bestätigt wurde.
Während des Prozesses in Gerresheim und Düsseldorf bestritt oder widerrief Curtens keine ihrer Aussagen, obwohl ihr von Seiten des Gerichts mehrfach vor Augen gehalten wurde, dass ihr bei einer Verurteilung als Hexe der Tod durch Verbrennen drohe. Trotzdem gab sie an, nach dem Teufelspakt noch viermal zur Heiligen Kommunion gegangen zu sein und auf Anraten von Agnes Olmans die Hostien an Schweine und Kühe verfüttert zu haben.
Schwarz berichtete mehrfach an den Düsseldorfer Hofrat und stellte fest, dass sich Helena Curtens und Agnes Olmans der Teufelsbuhlschaft, des Flugs durch die Luft, der Tierverwandlung und der Hostienschändung schuldig gemacht hätten. Der ungeklärte Tod der jüngsten Olmans-Tochter sorgte für weiteres Misstrauen.
Im Gegensatz zu Helena Curtens, die während der Verhöre alle Anschuldigungen bereitwillig bestätigte, leugnete Agnes Olmans beharrlich, eine Hexe zu sein. Die Behauptungen, sie habe Helena Curtens mit dem Teufel zusammen gebracht und ihre eigenen Töchter die Zauberei gelehrt, bestritt sie vehement. Zum Beweis ihrer Unschuld bot sie an, sich einer Wasserprobe zu unterziehen. Das lehnte Schwarz ab, da deren Anwendung laut der Bergischen Gerichtsordnung von 1555 als Mittel zur Wahrheitsfindung nicht gestattet war.
Im Mai 1737 ließ Schwarz die beiden Frauen einer Leibesvisitation unterziehen. Während die so genannte „Nadelprobe" bei Agnes Olmans negativ ausfiel, fand sich anscheinend bei Helena Curtens eine schmerzunempfindliche Stelle auf der Haut, die nicht blutete, als mit einer Nadel hinein gestochen wurde. Das galt als Indiz für ein „Teufelsmal".
Am 29.6.1737 übersandte Schwarz alle Verhörprotokolle und Beweismittel an den Düsseldorfer Hofrat Eckhardt und überstellte die inhaftierten Frauen dem Düsseldorfer Hauptgericht, wo das Hauptverfahren eingeleitet wurde. Die bereits in Gerresheim vernommenen Zeugen wurden erneut vorgeladen und mussten ihre Aussagen wiederholen und bestätigen.
Auch in den erneuten Verhöre war Helena Curtens geständig. So gab sie an, dass sie der Teufel auch während der Haft in Düsseldorf aufsuche und ihr mit dem Tod gedroht habe, wenn sie ihm nicht gehorche. Offenbar versuchte sie in dieser Zeit, sich mehrfach zu erwürgen und litt unter starken Tobsuchtsanfällen. Eine medizinische Untersuchung schloss körperliche Ursachen aus. Auch nach vier Tagen Dunkelhaft und einem anschließenden Exorzismus verringerten sich die Anfälle nicht.
Agnes Olmans hingegen war auch in Düsseldorf nicht geständig und leugnete die ihr zur Last gelegten Taten. Als sie einer peinlichen Befragung und der Folter unterzogen wurde, gab sie allerdings alles zu. Sie gestand, seit Ende Oktober 1736 mit dem Teufel im Bunde gewesen zu sein und sich diesem für sechs Jahre verschrieben zu haben. Außerdem habe sie den Teufel gebeten, Helena Curtens mit einer Krankheit zu strafen, da diese sich über den Tod ihrer jüngsten Tochter lustig gemacht habe.
Zwei von Hofrat Eckharth erarbeitete Gutachten wurden dem Düsseldorfer Hauptgericht und dem Jülich-Bergischen Hofrat im Sommer 1737 zur Urteilsfindung vorgelegt. Dabei stützte er sich meist auf Rechtsautoritäten, die als Befürworter der Hexenverfolgungen galten. Neben Größen wie Augustinus (354-430) oder Thomas von Aquin (1225-1274) berief er sich vor allem auf Martin Delrio (1551-1606), Benedikt Carpzow (1595-1666), Peter Binsfeld, Jean Bodin (1530-1596) und Diederich Graminaeus (1550-1610). Die Stimmen der Kritiker, wie die von Friedrich Spee oder Johann Weyer, wurden bei den juristischen Gutachten weitgehend ignoriert. Insgesamt wurden 30 führende Dämonologen und Juristen angeführt.
Die Hauptschuld trug nach Aussagen von Helena Curtens und nach Ansicht des Gerichts Agnes Olmans. Sie wurde für schuldig befunden, Helena zum Bund mit dem Teufel verführt und die Angst vor „dem Schwarzen" genommen zu haben. Außerdem sollte sie ihr eine Hexensalbe gegen ihre Schmerzen gegeben haben. Nicht nur Helena und die Nachbarn sagten gegen Agnes Olmans aus, sondern sogar ihr eigener Mann Heinrich Olmans erinnerte sich daran, dass bereits Agnes’ Mutter als „Hexen-Gret" im Dorf bekannt gewesen und die jüngste Tochter Catharine Gertrud unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen war. Weitere Zeugen wollten von den unheimlichen Fähigkeiten der Olmans-Töchter und dem schlechten Leumund der Agnes Olmans wissen.
Am 24.7.1738 empfahl Hofrat Eckarth, Helena Curtens und Agnes Olmans wegen erwiesener Teufelsbuhlschaft und Gotteslästerung zum Tod auf dem Scheiterhaufen zu verurteilen. Das Urteil wurde zwischen dem 24.7. und dem 15.8.1738 gesprochen und durch den Landesherrn Karl Philipp von Pfalz-Neuburg (1661-1742) bestätigt. Die Verbrennung sollte laut Schwarz als wirksame Abschreckung und pädagogisches Exempel dienen, verbunden mit der eindringlichen Ermahnung, auch bei Kindern die Möglichkeit eines Teufelspaktes in Betracht zu ziehen.
Helena Mechthild Curtens und Agnes Olmans wurden nach Gerresheim überführt und am 19.8.1738 öffentlich verbrannt. An ihr Schicksal erinnert heute der „Gerresheimer Hexenstein" in Düsseldorf-Gerresheim.
Literatur
Becker-Willhardt, Hannelore, „…allen Zeiten zur Warnung!" Der Hexenprozess gegen die Gerresheimerinnen Helene Mechthild Curtens und Agnes Olmans (1737/38), in: Neuhaus-Koch, Ariane (Hg.), Der eigene Blick. Frauen-Geschichte und –Kultur in Düsseldorf, S. 13-26.
Böskens, Clemens Peter, Hexenprozess Gerresheim 1737/38. Die letzte Hexenverbrennung im Rheinland, Düsseldorf 1996.
Münster-Schröer, Erika, Ein vorgetäuschtes Wunder, ein Hexenprozess und eine Wallfahrt. Gerresheim und Düsseldorf, Kevelaer und Neviges, in: Walz, Rainer (Hg.), Anfechtungen der Vernunft. Wunder und Wunderglaube in der Neuzeit, Essen 2006, S. 97-115.
Online
Münster-Schröer, Erika, Hexenverfolgungen in Düsseldorf, In: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, hg. von Gudrun Gersmann, Katrin Moeller und Jürgen-Michael Schmidt, in: historicum.net. [Online]
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Striewski, Jennifer, Helena Curtens, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/helena-curtens-/DE-2086/lido/57c68eec2fac60.82356669 (abgerufen am 14.12.2024)