Hermann Schäfer

Bundesminister (1892-1966)

Jürgen Frölich (Gummersbach/Bonn)

Hermann Schäfer, Porträtfoto, Foto: Erna Wagner-Hehmke. (Haus der Geschichte Bonn)

Her­mann Schä­fer ge­hör­te in der Nach­kriegs­zeit und in den 1950er Jah­ren zu den füh­ren­den Po­li­ti­kern der „Frei­en De­mo­kra­ti­schen Par­tei" (FDP) und als Vi­ze­prä­si­dent des Par­la­men­ta­ri­schen Ra­tes 1949 zu den Mit­un­ter­zeich­nern des Grund­ge­set­zes für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land.

Her­mann Schä­fer wur­de am 6.4.1892 ge­bo­ren und ent­stamm­te ei­ner mit­tel­stän­di­schen Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie aus Rem­scheid. Nach dem Ab­itur am dor­ti­gen Re­al­gym­na­si­um stu­dier­te er in Leip­zig und Hei­del­berg Staats- und Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten und wur­de kurz vor dem Ers­ten Welt­krieg von dem re­nom­mier­ten Kul­tur­wis­sen­schaft­ler Eber­hard Go­thein (1853-1923) mit ei­ner Un­ter­su­chung zur Ar­bei­ter­pres­se pro­mo­viert. Bei Kriegs­aus­bruch mel­de­te sich Schä­fer frei­wil­lig; als Leut­nant der Re­ser­ve ge­riet er noch im Ok­to­ber 1918 in Kriegs­ge­fan­gen­schaft, aus der er erst an­dert­halb Jah­re spä­ter zu­rück­kehr­te.

Be­ruf­lich konn­te er zu­nächst als Re­dak­teur, dann als Ge­schäfts­füh­rer und schlie­ß­lich als Vor­stands­mit­glied ei­ner In­ter­es­sen­or­ga­ni­sa­ti­on der lei­ten­den An­ge­stell­ten mit Sitz in Köln Fuß fas­sen. Be­reits vor 1914 bei den „Jung­li­be­ra­len" ak­tiv, der Ju­gend­or­ga­ni­sa­ti­on der Na­tio­nal­li­be­ra­len Par­tei, schloss sich Schä­fer nach sei­ner Heim­kehr der links­li­be­ra­len „Deut­schen De­mo­kra­ti­schen Par­tei" (DDP) an. Für die­se Par­tei saß er ab 1925 in der Köl­ner Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung und im Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­tag; gleich­zei­tig lei­te­te Schä­fer den Köl­ner Stadt­ver­band und den Köln-Aa­che­ner Wahl­kreis­ver­band der DDP. Zwi­schen 1925 und 1932 ge­hör­te er auch dem Reichs­par­tei­aus­schuss sei­ner Par­tei an.

Der Be­ginn der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft be­deu­te­te nicht nur das En­de für al­le po­li­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten Schä­fers; er muss­te sich auch nach der Zwangs­auf­lö­sung des Ver­ban­des, für den er ge­ar­bei­tet hat­te, be­ruf­lich neu ori­en­tie­ren. Un­ter­schlupf fand er un­ter gra­vie­ren­den Ge­halts­ein­bus­sen als An­ge­stell­ter bei der Han­sea­ti­schen Er­satz­kas­se, für die er in Frank­furt, Bre­men und schlie­ß­lich Ham­burg tä­tig war, un­ter­bro­chen durch ei­ni­ge Jah­re Kriegs­ein­satz als Haupt­mann der Re­ser­ve in Ber­lin. Nach Kriegs­en­de stieg er zum Lei­ter die­ser Kran­ken­kas­se so­wie zum Vor­sit­zen­den des Ver­ban­des der An­ge­stell­ten­kran­ken­kas­sen auf.

Gleich­zei­tig en­ga­gier­te sich Schä­fer auch wie­der po­li­tisch und wur­de kurz nach sei­nem Bei­tritt Mit­te 1946 zum stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den der Ham­bur­ger FDP und ein Jahr spä­ter mit glei­cher Funk­ti­on in den Vor­stand des li­be­ra­len Ver­ban­des für die bri­ti­sche Zo­ne ge­wählt. In Ham­burg hat­te Schä­fer ge­wich­ti­gen An­teil dar­an, dass die­ser FDP-Lan­des­ver­band – im Ge­gen­satz et­wa zu Nie­der­sach­sen und Nord­rhein-West­fa­len – ei­nen po­li­ti­schen Stand­ort in der Mit­te ein­nahm und da­durch wäh­rend der spä­te­ren in­ner­par­tei­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen den lin­ken Flü­gel der FDP stärk­te. Schä­fers po­li­ti­sches An­se­hen wuchs rasch, so dass der FDP-Lan­des­ver­band in Nie­der­sach­sen das ei­gent­lich ihm zu­ste­hen­de Man­dat im Par­la­men­ta­ri­schen Rat an Schä­fer ab­trat, der in Ham­burg aus po­li­ti­schen Pro­porz­grün­den nicht zum Zu­ge ge­kom­men wä­re. So­mit ver­trat Schä­fer of­fi­zi­ell Nie­der­sach­sen im Par­la­men­ta­ri­schen Rat und ge­hör­te da­mit zu­sam­men mit Theo­dor Heuss (1884-1963), Tho­mas Deh­ler (1897-1967) und Her­mann Höp­ker-Asch­off (1883-1954) der klei­nen, aber durch­aus ge­wich­ti­gen FDP-Frak­ti­on in dem Gre­mi­um an, das in Bonn ei­ne Ver­fas­sung für West­deutsch­land vor­be­rei­ten soll­te. Schä­fer nahm da­bei die Po­si­ti­on ei­nes zwei­ten Vi­ze­prä­si­den­ten ein, so dass die Ori­gi­nal­ur­kun­de des Bon­ner Grund­ge­set­zes auch sei­ne „prä­si­dia­le" Un­ter­schrift und so­mit die zwei­te ei­nes ge­bür­ti­gen Rhein­län­ders – ne­ben der Kon­rad Ade­nau­ers – trägt. Als drit­ter un­ter­zeich­ne­te der Ham­bur­ger So­zi­al­de­mo­krat Adolph Schön­fel­der (1875-1966).

Schä­fer ge­hör­te zu die­sem Zeit­punkt ein­deu­tig zum Spit­zen­per­so­nal der Frei­en De­mo­kra­ten, die ihn bei der Grün­dung ih­rer Bun­des­par­tei 1948 in den Vor­stand wähl­ten; von 1950 bis 1955 üb­te er die Funk­ti­on ei­nes stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den aus. Selbst­ver­ständ­lich war er Ham­bur­ger Spit­zen­kan­di­dat bei der ers­ten Bun­des­tags­wahl von 1949 und zog so über die Lan­des­lis­te ins Par­la­ment ein. In Bonn über­nahm er den Vor­sitz der F­DP-Frak­ti­on, am­tier­te aber zu­gleich in Fort­set­zung sei­ner frü­he­ren Funk­ti­on im Par­la­men­ta­ri­schen Rat als Bun­des­tags-Vi­ze­prä­si­dent. Ent­spre­chend sei­ner „alt­li­be­ra­len" Her­kunft aus der DDP un­ter­stütz­te er zu Be­ginn der 1950er Jah­re im in­ner­par­tei­li­chen Rich­tungs­streit den lin­ken Par­tei­flü­gel und hat­te ei­ni­gen An­teil an der For­mu­lie­rung ei­nes „Li­be­ra­len Ma­ni­fest", das als Ent­wurf für ein Par­tei­pro­gramm ge­dacht war. Es wur­de aber eben­so we­nig wie der na­tio­nal­li­be­ra­le Ge­gen­ent­wurf un­ter dem Ti­tel „Deut­sches Pro­gramm" von der FDP ver­ab­schie­det, die sich erst 1957 ein ei­ge­nes Grund­satz­pro­gramm gab. Mehr Er­folg hat­te Schä­fer bei sei­nem Ver­such, die weit­ge­hend markt­wirt­schaft­lich ori­en­tier­ten Frei­en De­mo­kra­ten auch auf so­zi­al­po­li­ti­sche Richt­li­ni­en fest­zu­le­gen; un­ter sei­ner Füh­rung gab sich die Par­tei 1952 so­gar ein „So­zi­al­pro­gramm".

1953 ge­lang­te er mit ei­nem Di­rekt­man­dat des vier­ten Ham­bur­ger Wahl­krei­ses wie­der­um in den Bun­des­tag; an­schlie­ßend nahm ihn Kon­rad Ade­nau­er als ei­nen von vier „Bun­des­mi­nis­tern für be­son­de­re Auf­ga­ben" in sein Ka­bi­nett auf. Die­se Po­si­ti­on er­wies sich aber schnell als Da­na­er­ge­schenk, da mit Ihr prak­tisch kei­ne mi­nis­te­ri­el­len Funk­tio­nen ver­bun­den wa­ren. Da­für ge­riet Schä­fer bald in die Kon­flikt­li­nie zwi­schen Bun­des­ka­bi­nett und FDP-Frak­ti­on, de­ren Kom­mu­ni­ka­ti­on un­ter­ein­an­der er ei­gent­lich als „Son­der­mi­nis­ter" ver­bes­sern soll­te. Ähn­lich wie sein li­be­ra­ler Ka­bi­netts­kol­le­ge Franz Blü­cher ent­wi­ckel­te auch Schä­fer all­mäh­lich ei­ne grö­ße­re Loya­li­tät zum Kanz­ler als zu sei­ner ei­ge­nen Par­tei und gab der ­Re­gie­rungs­li­nie Vor­rang vor Par­tei­be­schlüs­sen. Eben­so wie Vi­ze­kanz­ler Blü­cher und die zwei üb­ri­gen FDP-Mi­nis­ter ver­ließ er im Fe­bru­ar 1956 zu­nächst die FDP-Frak­ti­on und als­bald auch die Par­tei, als die Re­gie­rungs­ko­ali­ti­on über Wahl­rechts- und lan­des­po­li­ti­sche Fra­gen zer­brach.

Die­ser Schritt be­deu­tet fak­tisch das En­de von Schä­fers po­li­ti­scher Kar­rie­re, da er noch im glei­chen Jahr aus dem Bun­des­ka­bi­nett aus­schied, ob­wohl sich Bun­des­prä­si­dent Heuss für ihn ein­setz­te. Ver­su­che, mit Hil­fe ei­ner neu ge­grün­de­ten „Frei­en Volks­par­tei" (FVP) in den Bun­des­tag zu­rück­zu­keh­ren, stell­ten sich im Fol­ge­jahr als aus­sichts­los her­aus. Sein letz­tes Le­bens­jahr­zehnt brach­te ihm zwar noch die Mit­glied­schaft in ei­ni­gen Be­ra­tungs­gre­mi­en der So­zi­al- und Ge­sund­heits­po­li­tik ein. Den gro­ßen po­li­ti­schen Ein­fluss, den er bis 1956 hat­te, konn­te er auch nach sei­nem Wie­der­ein­tritt in die FDP im Jahr 1961 nicht wie­der er­lan­gen.

Her­mann Schä­fer starb am 26.5.1966 in Bad Go­des­berg (heu­te Stadt Bonn). 

Literatur

Stub­be-da Luz, Hel­mut, Drei Ham­bur­ger im Par­la­men­ta­ri­schen Rat - Adolph Schön­fel­der, Paul de Cha­peau­rouge, Her­mann Schä­fer, Ham­burg 1999.
Hen­ning, Fried­rich, Her­mann Schä­fer (1892-1966), in: Ge­schich­te im Wes­ten 15 (2000), S. 114-124.
Merz, Hans Ge­org, Schä­fer, Her­mann, in: Kempf, Udo/Merz, Hans-Ge­org (Hg.), Kanz­ler und Mi­nis­ter 1949-1998, Wies­ba­den 2001, S. 562-568.

Online

Lan­ge, Er­hard, Her­mann Schä­fer (FDP) (Kurz­bio­gra­phie auf der Web­site der Bun­des­zen­tra­le für po­li­ti­sche Bil­dung). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Frölich, Jürgen, Hermann Schäfer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hermann-schaefer/DE-2086/lido/57c943143651c7.67260516 (abgerufen am 07.10.2024)