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Konrad Adenauer war von 1917 bis 1933 Oberbürgermeister von Köln und von 1949 bis 1963 erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Als Bundeskanzler setzte er die Westbindung der Bundesrepublik durch, mit seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard die Soziale Marktwirtschaft und war mit Giuseppe di Gasperi und Robert Schuman Wegbereiter der europäischen Integration. Als Präsident des Parlamentarischen Rates war er maßgeblich an der Erarbeitung des Grundgesetzes beteiligt. Zudem war er einer der Gründungsväter der CDU und ihr langjähriger Bundesvorsitzender.
Der am 5.1.1876 in Köln geborene Adenauer wuchs in einem bescheidenen Beamtenhaushalt mit drei Geschwistern in seiner Heimatstadt auf. Nach dem Abitur 1894 studierte er Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft in Freiburg, München und Bonn. Nach den Examina arbeitete er als Rechtsanwalt und Richter in seiner Heimatstadt. Durch seine Heirat 1904 mit Emma Weyer (1870-1916) kam er in Verbindung mit dem gesellschaftlich und politisch Ton angebenden rheinischen Großbürgertum. Herkunft und Erziehung führten den Katholiken Adenauer in das Zentrum, die Partei des politischen Katholizismus. 1906 wurde er zum Beigeordneten von Köln gewählt, 1917 zum Oberbürgermeister. 1916 starb seine Frau, mit der er drei Kinder hatte. 1919 heiratete er Auguste Zinsser (1895-1948). Dieser Ehe entstammten vier weitere Kinder.
In der ersten deutschen Republik zählte Adenauer zu den stärksten politischen Persönlichkeiten. 16 Jahre lang bestimmte er die Geschicke Kölns und baute es durch die Neugründung der im späten 18. Jahrhundert geschlossenen Universität (1919), die Wiederbelebung der Kölner Messe und die Ansiedlung von Industriebetrieben, unter anderem der Ford-Werke, zur Metropole im Westen Deutschlands aus. Nach dem Ersten Weltkrieg trat er dafür ein, das Rheinland aus Preußen, nicht aber vom Deutschen Reich zu lösen, was ihm in nationalistischen Kreisen den ungerechtfertigten Vorwurf einbrachte, ein Separatist zu sein. Er erstrebte eine Verflechtung der westdeutschen Schwerindustrie mit den Nachbarstaaten, um deren Bedürfnis nach Sicherheit vor dem Deutschen Reich Rechnung zu tragen. Von 1921 bis 1933 gehörte der Zentrumspolitiker dem Preußischen Staatsrat an, der Vertretung der Städte und Provinzen Preußens, als dessen Präsident er jedes Jahr wieder gewählt wurde. Wiederholt war er für das Reichskanzleramt im Gespräch. Als Präsident des Münchner Katholikentags 1922 befürwortete er eine Zusammenarbeit der Konfessionen, lange bevor die Gründung einer interkonfessionellen Partei auf der Tagesordnung stand.
Als Gegner des Nationalsozialismus wurde er am 12.3.1933 als Oberbürgermeister von Köln abgesetzt und aus seiner Heimatstadt verbannt. Während der Jahre des „Dritten Reichs" blieb er geächtet, bedroht und überwacht und überlebte mit seiner Familie in seinem Haus in Rhöndorf bei Bonn. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler wurde er am 26.8.1944 für mehrere Monate in Gestapohaft genommen.
Am 4.5.1945 wurde Adenauer als unbelasteter Politiker von der amerikanischen Militärregierung wieder zum Oberbürgermeister von Köln ernannt und ging mit großer Tatkraft an den Aufbau der in Trümmern liegenden Stadt. Die britische Militärregierung entließ ihn allerdings am 6. Oktober und verbot ihm jegliche politische Betätigung, nachdem er ihre Besatzungspolitik kritisiert hatte. Nach Aufhebung des Verbots konzentrierte er sich auf den Aufbau der 1945 neu gegründeten CDU. In kürzester Zeit übernahm er sämtliche Führungsämter der CDU in Nordrhein-Westfalen und der britischen Besatzungszone. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 wurde er Vorsitzender der CDU (1950) und wurde bis 1966 stets mit überwältigender Mehrheit wieder gewählt. Mit seiner Wahl zum Präsidenten des Parlamentarischen Rats 1948, der das Grundgesetz für den neuen Staat auszuarbeiten hatte, rückte Adenauer in eine überregionale Schlüsselrolle. Nach den ersten Bundestagswahlen wurde er am 15.9.1949 zum Bundeskanzler gewählt. Nachdem er in Köln, seinem ersten politischen Lebensmittelpunkt, bis 1933 zur rheinischen Berühmtheit aufgestiegen war, wurde nun Bonn zu seiner Wirkungsstätte, von wo aus er weltweite Reputation erlangte.
In seiner 14-jährigen Kanzlerzeit, die vom Ost/West-Gegensatz und dem Kalten Krieg geprägt war, wurden die Grundlagen für den erfolgreichen Aufbau der zweiten Republik gelegt. 1949 lag die oberste Gewalt über die neue Demokratie bei den drei Hohen Kommissaren der westlichen Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich. In der großenteils zerstörten, von Flucht und Vertreibung geprägten, demokratisch noch ungefestigten Bundesrepublik gelang ihm innerhalb weniger Jahre die Wiederherstellung des deutschen politischen und moralischen Kredits. Sein Ziel war es, das ganze freie Deutschland im Kreis der westlichen Demokraten zu verankern. Er strebte nicht die Wiedervereinigung des geteilten Landes um ihrer selbst willen an: Vorrang vor einer Einheit hatte für ihn die Wahrung der Freiheit; ihrer Sicherung sollte der militärische Verteidigungsbeitrag dienen. Das Ansehen, das er mit dieser Politik erwarb, eröffnete der jungen Bundesrepublik sukzessive größere Handlungsspielräume und führte 1955 mit der Unterzeichnung der Pariser Verträge zur Erringung der staatlichen Souveränität.
Stets plädierte er – in ständiger Sorge vor der Expansionspolitik der Sowjetunion und aufgrund seines in freiheitlich-christlichen Überzeugungen wurzelnden Antikommunismus – für die Einbindung der Bundesrepublik in die Gemeinschaft der westlichen Demokratien, die er als ideelle Einheit begriff. In diesem Sinn betrieb er auch den Aufbau eigener Streitkräfte zum Schutz vor der Roten Armee der Sowjetunion und die militärische Integration in die Verteidigungsorganisationen des Westens. Zu dieser Orientierung gehörte auch die europäische Einigungsbewegung, die seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 in Rom ihr vertragliches Fundament erhielt. Ihr Kern war die Aussöhnung mit Frankreich, die 1963 mit der Unterzeichnung des deutsch-französischen Vertrags ihren Höhepunkt fand.
Innenpolitisch konsolidierte und stabilisierte er die anfangs noch recht labile Demokratie, deren Situation von Pauperisierung und Entwurzelung, durch die Zerstörung der Städte und der Infrastruktur sowie katastrophale Wohnungsnot und von hoher Arbeitslosigkeit sowie sozialer Not bestimmt war, durch die Eingliederung der Millionen von Vertriebenen und Flüchtlingen und – gemeinsam mit seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard (1897-1977) – durch den Ausbau der Sozialen Marktwirtschaft, die als neuartige Wirtschaftsordnung die Förderung des freien Wettbewerbs mit sozialer Absicherung und mit Ausgleichsmaßnahmen verbindet. Binnen kurzem entstand in dem besiegten und zerstörten Land die leistungsfähigste europäische Volkswirtschaft, das „deutsche Wirtschaftswunder". Das mit diesen epochalen innen- und außenpolitischen Weichenstellungen während seiner Kanzlerschaft von 1949 bis 1963 erreichte Ansehen als Modernisierer spiegelte sich in großen Wahlerfolgen wider: Schon bei der Bundestagswahl 1953 erreichte die CDU/CSU mit Adenauer die absolute Mandatszahl im Parlament, 1957 gar die absolute Mehrheit der Stimmen (50,1 Prozent). Unter seinem Vorsitz, den er 1966 abgab, avancierte die CDU mit ihrer bayerischen Schwesterpartei, der CSU, zur stärksten politischen Kraft in Deutschland. Sie war ausgeprägt christlich, westlich orientiert und sowohl in ihren innen- wie außenpolitischen Zielen für die Bundesrepublik wegweisend und modern.
Dass Adenauer der Sicherung der Freiheit und der Einbindung der Bundesrepublik in die westliche Staatengemeinschaft Priorität vor der Wiedervereinigungspolitik einräumte, ist vielfach kritisiert worden. Faktisch hat er dabei die deutsche Einheit nie aus den Augen verloren. Die Westintegration sollte die Wiedervereinigung ohne Verzicht auf Freiheit und Frieden in Europa ermöglichen. Die Wiederherstellung der deutschen Einheit konnte er sich nur vorstellen im Zusammenhang mit dem Ende des Ost-West-Antagonismus und einer Wiedervereinigung des europäischen Kontinents. Sein Ziel war, „daß Europa einmal ein großes, gemeinsames Haus für alle Europäer wird, ein Haus der Freiheit". Dieses Ziel erreichte er aufgrund der weltpolitischen Konstellation nicht, was er ein Jahr vor seinem Tod als „sehr schmerzlich" bezeichnete. Am 19.4.1967 ist er im Alter von 91 Jahren in seinem Haus in Rhöndorf gestorben. Die letzte Ruhestätte fand er auf dem Waldfriedhof in Rhöndorf.
Quellen
Konrad Adenauer, Erinnerungen 4 Bände, Stuttgart 1965-1968.
Briefe 1945-1947, 1947-1949, 1949-1951, 1951-1953, 1953-1955, 1955-1957, 1957-1959, 1959-1961, 1961-1963, 9 Bände, bearb. von Hans Peter Mensing, hg. von Rudolf Morsey, Hans-Peter Schwarz, Berlin / Paderborn 1983-2006.
Teegespräche 1950-1954, 1955-1958, 1959-1961, 1961-1963, 4 Bände, Band 1-3 bearb. von Hanns Jürgen Küsters, Band 4 bearb. von Hans Peter Mensing, hg. von Rudolf Morsey, Hans-Peter Schwarz, Berlin 1984-1992.
Konrad Adenauer – Theodor Heuss, Unter vier Augen. Gespräche aus den Gründerjahren 1949-1959, bearb. von Hans Peter Mensing, hg. von Rudolf Morsey, Hans-Peter Schwarz, Berlin 1997.
Heuss – Adenauer, Unserem Vaterland zugute. Der Briefwechsel 1948-1963, bearb. von Hans Peter Mensing, hg. von Rudolf Morsey, Hans-Peter Schwarz, Berlin 1989.
Adenauer im Dritten Reich, bearb. von Hans Peter Mensing, hg. von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz, Berlin 1991.
Konrad Adenauer 1919-1933. Dokumente aus den Kölner Jahren, bearb. von Simon Ebert und Bettina Hinterthür, hg. von Günther Schulz, Köln 2007.
Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands: 1990-1953: Adenauer: „Es mußte alles neu gemacht werden", 1953-1957: Adenauer: „Wir haben wirklich etwas geschaffen", 1957-1961: Adenauer: „… um den Frieden zu gewinnen", 1961-1965: Adenauer „Stetigkeit in der Politik", bearb. von Günter Buchstab, hg. von Günter Buchstab u.a., Stuttgart/ Düsseldorf 1986-1998.
Literatur
Buchstab, Günter, Konrad Adenauer – Vater aller Grundsatzentscheidungen der Nachkriegszeit, in: Geschichtspolitik und demokratische Kultur, hg. von Beatrix Bouvier, Michael Schneider, Bonn 2008, S. 113-121.
Köhler, Henning, Adenauer. Eine politische Biographie, Berlin 1994.
Morsey, Rudolf/Schwarz, Hans-Peter, Konrad Adenauer, in: Lexikon der Christlichen Demokratie in Deutschland, hg. von Winfried Becker, Günter Buchstab u.a., Paderborn 2002, S. 169-176.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, Düsseldorf, S. 329-330.
Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Aufstieg 1876-1952. Der Staatsmann 1952-1967, 2 Bände, Stuttgart 1986-1991.
Zum 125. Geburtstag von Konrad Adenauer, in: Die Politische Meinung, 45. Jg. 373 (Dezember 2000).
Online
Konrad Adenauer 1876-1967 (Biographische Informationen auf der Homepage der Konrad Adenauer Stiftung). [Online]
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Buchstab, Günter, Konrad Adenauer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/konrad-adenauer/DE-2086/lido/57a8b68a965706.30243558 (abgerufen am 07.10.2024)