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Johann Joseph Couven bestimmte als erster Stadtarchitekt der Freien Reichsstadt Aachen das Baugeschehen zwischen Rhein und Maas zur Zeit des Barock. Mit seinen sorgfältig ausgearbeiteten Planvorlagen und einer an Frankreich orientierten Architektursprache markiert Couven einen Scheidepunkt vom handwerklich organisierten Baumeister zum akademisch ausgebildeten Architekten. Sein überlieferter Plannachlass von etwa 700 Zeichnungen, größtenteils erhalten in seinem privaten Archiv (heute im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen) sowie in den Archiven verschiedener Auftraggeber, ist ein eindrucksvoller Beleg für die Kunst der Architekturzeichnung im 18. Jahrhundert.
Johann Joseph Couven wurde an 10.11.1701 in Aachen als Sohn des angesehenen reichstädtischen Hauptsekretärs, Notars und Gerichtsprokurators Johann Jakob Couven (1656-1740) und seiner zweiten Frau Maria Agnes von Baexen geboren. Über seine Ausbildung ist wenig bekannt. Wie sein Vater vor ihm besuchte er das Aachener Jesuitengymnasium, das er um 1719 absolviert haben dürfte. Über ein Studium und eine Bildungsreise liegen keine Nachrichten vor. Im Winter 1724/1725 ist seine Tätigkeit in Aachen erstmals bezeugt. Am 15.8.1731 heiratete er Maria Dorothea Gertrudis Mesters (1705-1788) aus Maastricht. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, von denen Sohn Jakob im Baubüro des Vaters den Beruf des Architekten erlernte und ihm 1760 im Amt des Stadtsekretärs nachfolgte.
Als Berufsanfänger gestaltete Johann Joseph Couven 1727 die Aachener Rathausfassade. Ziel war eine Neugliederung, indem die unregelmäßigen gotischen Fensteröffnungen in ein ausgewogenes Raster überführt wurden und eine großzügige Freitreppe das Zentrum einer symmetrischen Ausrichtung der Fassade bildete. 1739 bewarb sich Johann Joseph Couven erfolgreich um die prestigeträchtige Position des ersten Stadtarchitekten der Freien Reichsstadt Aachen. Die neu eingerichtete Stellung band ihn – der höfischen Bauorganisation vergleichbar – in die städtische Verwaltung ein, so dass er sich weitere Aufträge erschließen konnte. 1742 übernahm er das Amt des Stadtsekretärs.
Das größte Auftragsvolumen erzielte er durch ein erstarkendes Bürgertum, indem er seine Modernisierungstendenzen durch Konkurrenzentwürfe einer lokalen Bautradition entgegen stellte und damit dem Wunsch seiner Auftraggeber nach einer repräsentativen Wohnsituation entsprach. Progressive Architekturkonzepte konnte Couven französischen Vorlagewerken entnehmen, deren Standardisierungsbestrebungen Eingang in seine Grundrisse und Entwürfe zur Fassadengestaltung fanden. Seiner Entwurfsarbeit maß Couven eine große Bedeutung bei, wenn er in seinem Anstellungsgesuch um die Position des Stadtarchitekten betonte, dass er sich fast von Jugend auff in der Zeichnungskunst, Architectur, und Mathematique dermaßen geübet und entlich qualificirt habe […], daß in kurtzen Jahren durch mein Angeben und Direction viele ansehenliche, so wohl publique alß private Gebäw zu mercklichem Lustre dieser Statt hingesetzet worden. Welche Bedeutung er einer theoretischen Auseinandersetzung mit der Baukunst beimaß, wird in seiner Abhandlung über die „Säulen-Ordnung“ deutlich (Manuskript in der Technischen Informationsbibliothek Hannover).
Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sich Aachen zu einem florierenden Handelszentrum und einer der bedeutendsten Gewerbelandschaften Europas entwickelt. Eine relativ breite Schicht vermögender Bürger profitierte von der Tuchindustrie als wichtigem Motor städtischen Wohlstands. Sie gaben repräsentative Neu- und Umbauten ihrer innerstädtischen Wohnhäuser in Auftrag, für die Couven die Entwurfsvorlagen lieferte, wie für die Fabrikanten Mantels (1737), Oliva (1744) und Thimus (1754). Nicht jede Planfolge fand eine so beeindruckende Umsetzung wie das mondäne Patrizierhaus der Familie von Wespien (1737), das Couven mit barocker Fassade, zentraler Treppenanlage und reicher Innenausstattung zu realisieren vermochte. Auch außerhalb Aachens lieferte er für wohlhabende Fabrikanten Entwurfsvorlagen, etwa für Familie Willems in Lüttich (1738) und Familie Goertz in Eupen (1748). Neben konkreten Bauprojekten erarbeite er in verschiedenen Zeichnungen Mustervorlagen, um die Typologie des Drei-, Fünf- und Siebenfensterhauses systematisch vorzubilden. Als Stadtarchitekt verbesserte Couven die kommunale Infrastruktur als wichtige Voraussetzung für die Ausrichtung des Aachener Friedenskongresses im Jahr 1748. Die Kongressteilnehmer gaben Anlass zur Errichtung des deutschlandweit ersten bürgerlichen Theaters. Bei seiner Planung orientierte sich Couven typologisch an zeitgenössischen Residenztheatern und griff zugleich die spezifischen reichsstädtischen Bedürfnisse auf. Das Theater war am Katschhof zwischen den karolingischen Monumentalbauten Rathaus und Münster gelegen. Couven sah sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, eine mittelalterliche Tuchhalle umzubauen und vermochte die schwierige Erschließungssituation durch eine grandiose Entwurfsidee zu bewältigen, die auch den Neubau eines Gerichtshauses integrierte. Sein weitsichtiger Umgang mit städtebaulichen Aufgaben wird auch anhand seiner Planungen zu Kuranlagen am Markt (1745) und in der Komphausbadstraße (1750) dokumentiert. Das natürliche Vorkommen von schwefelhaltigem Quellwasser erwies sich im 18. Jahrhundert als zentraler Standortvorteil, als Aachen zu einem beliebten Modebad und Treffpunkt des hohen Adels avancierte.
Mancher Kurgast ließ sich von Schlossentwürfen überzeugen, so dass Couven in verschiedenen Planserien Umbaumaßnahmen oder Neubauten projektierte. Die Wohnansprüche orientierten sich an den in Frankreich kodifizierten Bauformen „Hôtel“ und „Maison de plaisance“, die Couven geschickt auch in bestehende Bausubstanz zu integrieren vermochte. Die Umsetzung der persönlichen Anforderungen der Bauherren im Hinblick auf ihre mittelalterlichen Residenzen dokumentieren die Planungen etwa zu Schloss Neubourg bei Maastricht in Zusammenarbeit mit Johann Conrad Schlaun (1734), Struthers Castle in der Grafschaft Fife/Schottland (1747) und Gut Kalkofen in Aachen (1751). Dagegen boten zwei Neuanlagen in Düsseldorf (1748) und Maaseick (1752) im Auftrag der Wittelsbacher die Möglichkeit, aktuelle Architekturkonzepte mit einem differenzierten Raumprogramm in Neubauten zu verwirklichen.
Zeitlich parallel laufende Projekte wahrzunehmen, obgleich sie mehrere Tagesreisen voneinander entfernt lagen, wurde durch das Erstellen detaillierter Planvorlagen möglich, während die Bauaufsicht lokalen Fachkräften oblag, etwa wenn Couven die Hochaltäre für St. Andreas in Düsseldorf (1739) und St. Nikolaus in Eupen (1739) entwarf. Sakrale Neubauten errichtete er in Burtscheid/Aachen, indem er zunächst für die Abteikirche St. Johann den Westturm (1735), dann das Kirchenschiff (1748) entwarf und ebenso wie bei der benachbarten Pfarrkirche St. Michael (1748) der besonderen Hanglage Rechnung trug, indem er die Nordseite zur Schaufassade ausbildete. Zeitgleich entstand die Ungarnkapelle am Aachener Münster (1748), die aufgrund statischer Schwierigkeiten jedoch niedergelegt werden musste. Auch der kuppelgewölbte Mittelbau von St. Johann in Burtscheid bedurfte nachträglicher statischer Korrekturen, ein Aspekt, der auf ein mögliches Ausbildungsdefizit Couvens hinweist.
Angesichts der ungewöhnlich günstigen Überlieferungslage von Couvens privatem Planarchiv fällt sein gebautes Werk heute bescheiden aus. Widrige Umstände standen vor allem seinen ambitionierten Schlossprojekten entgegen, die oftmals gar nicht oder nur reduziert zur Umsetzung kamen. Doch auch seine kommunalen Bauprojekte und privaten Wohnpalais fielen den Zeitläufen zum Opfer: Ein Großteil der von Couven errichteten Bauten wurde im Zweiten Weltkrieg und durch die anschließenden Sanierungsmaßnahmen vernichtet. Zeugnisse seiner Architektur sind vor allem in Burtscheid, Düsseldorf und im Niederländisch-Belgischen Grenzgebiet erhalten.
Johann Joseph Couven starb am 12.9.1763 in Aachen.
Werke (Auswahl)
Städtische Aufträge
Rathausfassade am Markt 1727 (zerstört)
Komödienhaus am Katschhof 1748 (zerstört)
Gerichtshaus am Katschhof 1748 (zerstört)
Wohnhäuser
Haus zum Großen Pfau, Aachen, Umbau 1727 (zerstört)
Haus Wespien, Aachen 1734 (zerstört)
Haus Mantels, Aachen 1737 (nicht realisiert)
Haus Willems, Lüttich, Umbau 1738
Haus Oliva 1739, Aachen, Umbau 1739 (zerstört)
Haus Zum Papagei, Aachen, Umbau 1747 (zerstört)
Haus Zum Elefant, Aachen, Umbau 1748 (zerstört)
Haus Fettweiß, Eupen 1748
Haus Vercken, Eupen 1752
Haus Zum Blinden Esel, Aachen 1754 (zerstört)
Schlossanlagen
Schloss Amstenrade, Niederländisch-Limburg, Umbau 1732 (nicht realisiert)
Schloss Neubourg, Gulpen bei Maastricht, Umbau 1734
Schloss Schleiden, Eifel 1744 (nicht realisiert)
Struthers Castle, Fife/Schottland, Umbau 1747 (nicht realisiert)
Schloss Jägerhof, Düsseldorf 1748 (wieder aufgebaut)
Gut Kalkofen, Aachen, Umbau 1751 (wieder aufgebaut)
Schloss Maaseik, Belgien 1751 (zerstört)
Schloss Breill, Geilenkirchen, Umbau 1754 (teilweise zerstört)
Sakralbauten
Turm von St. Johann, Burtscheid/Aachen 1735
Ursulinenkloster, Aachen, Umbau 1745 (zerstört)
Kapelle Fettweiß, Eupen 1748
St. Johann, Burtscheid/Aachen 1748
St. Michael, Burtscheid/Aachen 1748
Ungarnkapelle, Aachen 1748 (nicht realisiert)
Priorat Sinnich, Belgien 1753
Abteigebäude, Münsterbilsen 1757 (zerstört)
Sakraler Innenraum, Hauptaltar
Lutherische Kirche, Vaals 1735
St. Marienberg, Neuss 1736 (zerstört)
St. Andreas, Düsseldorf 1739 (zerstört)
St. Nikolaus, Eupen 1739
Theresienkirche, Aachen 1748 (zerstört)
Kappelle Fettweiß, Eupen 1748
St. Michael, Burtscheid/Aachen 1748 (zerstört)
Ungarnkapelle 1748 (nicht realisiert)
Quellen (Auswahl)
Couven, Johann Joseph und Jakob: privates Planarchiv im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen.
Couven, Johann Joseph, Theorie über die Säulenordnung, Manuskript in der Technischen Informationsbibliothek Hannover, Sammlung Haupt 254.
Literatur
Arnold, Eduard Ph., Das Altaachener Wohnhaus, Aachen 1930.
Buchkremer, Josef, Die Architekten Johann Joseph und Jakob Couven, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 17 (1896), S. 89-206.
Kappler, Anke, Johann Joseph Couven (1701-1763). Architekturentwürfe für Stadt, Adel und Kirche, Worms 2009.
Pohle, Frank/Preising, Dagmar (Hg.), [Tagungsband anlässlich des 200. Geburtstages Johann Joseph Couvens mit Beiträgen verschiedener Autoren], in: Aachener Kunstblätter 63 (2003-2005), S. 14-209.
Schoenen, Paul, Johann Joseph Couven, Düsseldorf 1964.
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Kappler, Anke, Johann Joseph Couven, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-joseph-couven/DE-2086/lido/57c68e5a4460c8.90523744 (abgerufen am 05.12.2024)