Zu den Kapiteln
Dem Trierer Erzbischof und Kurfürsten aus dem Hause Habsburg war nur eine kurze Amtszeit beschieden, in der er sich als verantwortungsbewusster und fähiger Verwalter seiner Bistümer erwies.
Karl Joseph Ignaz von Lothringen wurde am 24.11.1680 als zweiter Sohn Herzog Karls V. von Lothringen (1643-1690) und der Erzherzogin Eleonora Maria von Habsburg (1653-1697) in Wien geboren. Als nachgeborener Sohn wurde Karl von Lothringen für die kirchliche Laufbahn bestimmt. Über sein Studium ist nichts bekannt. 1687 wurde er Domizellar und später Domherr in Köln. Es folgten weitere Domkanonikate in Osnabrück (1691), Trient (1692) und Olmütz (1692), dann auch in Trier (1702), Münster (1703) und Lüttich (1715). Eine standesgemäße finanzielle Versorgung war dadurch sichergestellt; darüber hinaus war die Mitgliedschaft in möglichst vielen Domkapiteln eine wichtige Voraussetzung für eine Karriere in der Reichskirche. Nach der habsburgischen Bistumspolitik waren die Lothringer als Gegengewicht zu den Kandidaten des konkurrierenden Hauses Wittelsbach in einem Hochstift vorgesehen. Es lag daher in habsburgischem Interesse, möglichst viele Bischofsämter mit einem Angehörigen ihrer Dynastie zu besetzen.
Olmütz, das erste Bistum, das Karl von Lothringen 1695 übernahm, war von geringer Bedeutung für eine Karriere in der Reichskirche. 1698 gelang es dem Wiener Hof, ihn mittels Wahlbestechung zum Bischof von Osnabrück wählen zu lassen. Die Bestätigung durch Papst Innozenz XII. (Pontifikat 1691-1700) erlaubte es Karl Joseph, Olmütz beizubehalten, obwohl eine Kumulation von Bistümern nicht statthaft war. In den nächsten Jahren musste er hingegen auf das päpstliche Entgegenkommen verzichten, was vor allem mit der lothringischen Kirchenpolitik seines Bruders zusammenhing. So verweigerte Papst Clemens XI (Pontifikat 1700-1721) 1701 die Bestätigung der Wahl Karl Josephs zum Koadjutor des Fürstabtes von Stablo und Malmedy. Auch bei der Neubesetzung des Bistums Münster kam Karl nicht zum Zuge, weil der Papst zugunsten des mehrheitlich gewählten Franz Arnold von Wolff-Metternich zur Gracht (1658-1718) entschied.
Doch auch ohne die vollständige Versöhnung des Hauses Lothringen mit der römischen Kurie hatte Karl Joseph bald wieder mehr Erfolg. Nachdem die Hoffnung auf das Bistum Münster zerschlagen war, rückte Trier in das Blickfeld der Lothringer. 1710 gelang es der Familie, ihn zur Wahl zum Koadjutor des Trierer Erzbischofs aufstellen zu lassen. Hohe Geldsummen und vermutlich auch die lothringische neutrale Haltung während des Spanischen Erbfolgekriegs spielten bei der Entscheidung des Trierer Domkapitels zugunsten Karl Josephs eine Rolle. Sein Einzug in die von den Franzosen besetzte Stadt Trier erfolgte am 20.11.1710. Als Erzbischof Johann Hugo von Orsbeck bereits ein Jahr später starb, trat der Lothringer die Nachfolge an. Als Erzbischof von Trier war er nun zugleich Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches. Das einträgliche Bistum Olmütz musste er aufgeben, da der Papst die Kumulation von drei Hochstiften nicht zuließ und die Aufgabe des Bistums Osnabrück dessen Auslieferung an die Protestanten bedeutet hätte. In der Folgezeit hielt sich Karl Joseph abwechselnd in Osnabrück, Lunéville, Wien und Trier auf. Aufgrund der französischen Besatzung war es ihm zunächst nicht möglich, dauerhaft in Trier zu residieren. So verlegte er 1713 seine Residenz nach Ehrenbreitstein (heute Stadt Koblenz). In Trier konnte er erst im Dezember 1714 nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekriegs und dem Abzug der französischen Besatzung einziehen.
Seine Aufgaben als Kurfürst konnte er bereits kurze Zeit nach seiner Amtsübernahme wahrnehmen, als Kaiser Joseph I. (Regierungszeit 1705-1711) am 17.4.1711 starb und Karl VI. (Regierungszeit 1711-1740) zum Nachfolger gewählt wurde. Auch an den Krönungsfeierlichkeiten im Herbst desselben Jahres in Frankfurt nahm Karl Joseph teil.
Für die Stadt Trier erließ er mehrere Verordnungen zum Schutze des einheimischen Handwerks; 1713 veröffentlichte er die von seinem Vorgänger überarbeitete Fassung des kurtrierischen Landrechts. 1714 kam es zur Einigung zwischen den geistlichen und weltlichen Ständen des Erzstifts über die jeweiligen Anteile an den Landessteuern. Seine kirchlichen Disziplinarmaßnahmen zeigen, dass er die Aufgaben als Verwalter seiner Bistümer pflichtbewusst wahrnahm. So erschien 1712 für das Erzbistum Trier eine Kirchen- und Schulordnung. 1713 verpflichtete er die Geistlichen zum Besuch der Dekanatskapitel, untersagte die Auswüchse bei Kirchweihfesten und verlegte die Jahrmärkte auf Wochentage. 1714 führte er im Erzbistum Trier den Katechismus des Volksmissionars und Jesuiten Philippe de Scouville (1622-1701) ein.
Karl Joseph von Lothringen starb am 4.12.1715 – vermutlich an den Pocken – in Wien und wurde dort in der Kapuzinergruft beigesetzt.
Literatur
Hersche, Peter, Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, 3 Bände, Bern 1984.
Seibrich, Wolfgang, Karl Joseph Ignaz von Lothringen, in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1803. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1990, S. 218-220.
Schneider, Bernhard, Die Trierer Erzbischöfe im 17. und 18. Jahrhundert, in: Schneider, Bernhard (Hg.), Kirchenreform und Konfessionsstaat 1500-1801 (Geschichte des Bistums Trier 3), Trier 2010, S. 88-90.
Wolf, Hubert, Die Reichskirchenpolitik des Hauses Lothringen (1680-1715). Eine Habsburger Sekundogenitur im Reich?, Stuttgart 1993.
Online
Conrad, Joachim, Lothringen Karl III. Joseph von, in: Saarländische Biografien Online. [Online ]
Endrulat, Bernhard, Artikel „Karl Joseph von Lothringen", in: Allgemeine Deutsche Biographie 15 (1882), S. 365-366. [Online ]
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Bokeloh, Vera, Karl von Lothringen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-von-lothringen/DE-2086/lido/57c9329776ffd6.37490056 (abgerufen am 06.12.2024)