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Rudolf Hertz wurde am 3.4.1897 in Düsseldorf als Sohn des Kaufmanns Nathan Hirtz genannt Hertz (gestorben 1918) und dessen Frau Sophie geborene Gropp (gestorben 1903) geboren. Sein offizieller Geburtsname lautete Rudolf Hirtz. Obwohl er sich durch seinen wissenschaftlichen Schwerpunkt mit der Sprache des alten Irlands beschäftigte, blieb er doch dem Rheinland immer eng verbunden. Noch als Kind zog er mit seinen Eltern nach Bonn - in die Stadt, in der er bis an sein Lebensende wohnen sollte.
Seine Schulbildung genoss Hertz am Städtischen Gymnasium in Bonn, wo er im August 1914 sein Abitur ablegte. Unmittelbar danach meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst. Bis Kriegsende 1918 war er mit Unterbrechungen Soldat, zuletzt diente er als Leutnant der Reserve in der Nachrichtentruppe. Ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse wurde er im letzten Kriegsjahr verwundet. Noch während des Krieges, im Sommersemester 1915, begann Hertz mit dem Studium der Altphilologie, Sprachwissenschaft, Keltologie, alten Geschichte und Ethnologie an der Universität Bonn. Nach einem zweisemestrigen Studienaufenthalt in München kehrte er nach Bonn zurück und begann mit seiner Promotion bei Rudolf Thurneysen (1857-1940) über „Die Zeit- und Begründungskonjunktionen im Mittelirischen“. Neben Thurneysen zählten Ferdinand Sommer (1875-1962), Eduard Schwyzer (1874-1943), Fritz Gräbner (1877-1934) und Rudolf Meissner (1862-1948) zu seinen akademischen Lehrern. Prägend für Hertz war jedoch vor allem sein Doktorvater Thurneysen, unter dessen Führung er sich der Keltologie zuwandte. Am 2.3.1925 wurde Hertz in Bonn in diesem Fach promoviert. Seine Arbeit erschien unter dem Titel „Beiträge zur Syntax der irischen Begründungssätze“ in der „Zeitschrift für celtische Philologie“. Seine Habilitation erfolgte 1930 ebenfalls bei Rudolf Thurneysen mit einer Arbeit zur Formengebung und Geschichte des altirischen nasalierenden Relativsatzes. Seit seiner Habilitation lehrte Hertz als Privatdozent für keltische Philologie an der Universität Bonn.
Hertz engagierte sich in der Weimarer Zeit politisch, war Mitglied in der DVP, später in der DNVP. Zudem gehörte er dem Deutschen Offizier-Bund, der sich 1934 in Reichsvereinigung Deutscher Offiziere umbenannte und seit 1926 auch dem Stahlhelm an.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten galt Hertz, der evangelisch getauft war, nach dem Reichsbürgergesetz als ‚Mischling zweiten Grades’, da er ein jüdisches Großelternteil hatte. Als im selben Jahr allen jüdischen Dozenten die Lehrbefugnis entzogen wurde, musste auch Hertz seine Lehrtätigkeit einstellen. Am 24.1.1934 wurde das Lehrverbot jedoch aufgehoben, nachdem sein Dienst in einer Abhörstation im Ersten Weltkrieg als Fronteinsatz anerkannt wurde. Mit Verschärfung der Diskriminierung der Juden durch das 1937 erlassene Deutsche Beamtengesetz fiel Hertz nun der nächsten Entlassungswelle zum Opfer. Am 14.2.1938 wurde ihm endgültig von den Nationalsozialisten die Lehrbefugnis entzogen, obwohl sich der nationalsozialistische Dekan der Philosophischen Fakultät, Karl Justus Obenauer (1888-1973), schriftlich beim Rektor für Hertz verwandt hatte. Vermutlich verzichtete er nach dem Entzug der Lehrbefugnis auch auf seine Tätigkeit als Führer der Nachrichtenabteilung bei der Technischen Nothilfe in Bonn, die er ebenfalls 1938 einstellte.
In der Zeit seiner erzwungenen Abwesenheit von der Universität intensivierte Hertz seine wissenschaftliche Arbeit und bearbeitete die Buchstaben M-P von Hans Hessens irischem Lexikon. Gleichzeitig bemühte er sich um eine Anstellung im Ausland und nahm Kontakte zu Kollegen in Spanien und Irland auf. Als diese Bemühungen ergebnislos verliefen, beschloss er, trotz der durch die Nationalsozialisten erfahrenen Diskriminierungen, in Bonn zu bleiben. Eine Flucht aus Deutschland zog er offenbar nicht in Erwägung. Mehrfach reiste er zu Kongressen ins Ausland, unter anderem nach Frankreich, Spanien, Belgien, Dänemark, Schweden und in die Schweiz, kehrte aber immer wieder nach Bonn zurück. In der letzten Kriegsphase wurde Hertz zu Zwangseinsätzen als Hilfsarbeiter herangezogen. Er arbeitete anfangs in der Bonner Lackfabrik, später für die Organisation Todt. Mitte September 1944 entzog er sich der Zwangsverpflichtung und tauchte bis Kriegsende im Bonner Raum unter.
Nach dem Krieg wurde Hertz schnell rehabilitiert. Die Stadt Bonn übertrug ihm die Leitung des Amtes für die aus Gründen der Rasse und Politik Geschädigten und Verfolgten (später Amt für Rasseschäden). Im Auftrag der Stadt reiste er dabei nach Theresienstadt, um die nach dort verschleppten Bonner Juden zurückzuholen. Mit ihm kehrte unter anderem der Geograph Alfred Philippson nach Bonn zurück. Nachdem Hertz mit der Bemerkung, alle Deutschen trügen Schuld an dem Unrecht der Zeit des Nationalsozialismus, große Empörung in Bonn hervorgerufen hatte, legte er sein Amt als Leiter des Amtes für Rasseschäden nieder.
Auch an der Universität fasste Hertz schnell wieder Fuß. Die britische Militärregierung brachte ihm großes Vertrauen entgegen. Er sei einer der wenigen Professoren, die nicht zur Führungsgruppe um Rektor Heinrich M. Konen gehörten und dennoch über Einfluss an der Bonner Universität verfügten. Zudem sei er einer der wenigen radikalen Linken unter den Professoren, heißt es in einem Bericht der Militärregierung über die politische Einstellung der Professoren. Bereits im Dezember 1945 wurde ihm gemeinsam mit dem Juristen Dr. Heinrich Vogt (1910-1990) die politische Überprüfung der Studienbewerber übertragen. Diese Funktion übte er auch in dem 1946 eingerichteten Unterausschuss für die Überprüfung der Studenten aus, der dem städtischen Entnazifizierungshauptausschuss unterstand. Bis zum Ende der Entnazifizierung war Hertz einer der Hauptverantwortlichen für die politische Überprüfung und damit für die Zulassung der Studenten.
Nach der Eröffnung der Universität zum Wintersemester 1945/1946 nahm Hertz seine Lehrtätigkeit wieder auf und wurde im Januar 1946 zum außerplanmäßigen Professor ernannt. In den ersten Nachkriegssemestern war er neben seiner Bonner Tätigkeit Gastprofessor an der neubegründeten Universität in Mainz. Besonders in den Semestern nach dem frühen Tod des Mainzer Lehrstuhlinhabers Franz Specht (1888-1949) bis zur Berufung seines Nachfolgers Ernst Risch (1911-1988) war es Hertz und anderen Lehrbeauftragten zu verdanken, dass der Lehrbetrieb aufrecht erhalten werden konnte. 1951 war er als Gastdozent am University College in Dublin tätig.
Auch nach dem Krieg setzte Hertz sein politisches Engagement fort. Er fand Anschluss an die im Mai 1945 gegründete Kreisgruppe der Deutschen Demokratischen Bewegung, aus der 1946 die Kreisgruppe der FDP entstand. Er wurde zum 1. Vorsitzenden des Kreisverbandes gewählt und war damit zugleich Mitglied des Landesvorstands. 1946/1947 gehört er außerdem dem ersten Nordrhein-Westfälischen Landtag an.
1951 stieß Hertz in einem Antrag die Debatte um weitere Wiedergutmachung an, in dem er die nicht unbegründete Vermutung äußerte, dass er nach dem Tode Thurneysens 1940 zu dessen Nachfolger berufen worden wäre, wenn nicht die politischen Zeitumstände dagegen gesprochen hätten. Dieser Auffassung schlossen sich der Rektor und das Kultusministerium an und beriefen Hertz am 23.4.1953 zum persönlichen Ordinarius für Keltologie.
1953 begründete Hertz in Bonn die Deutsch-Irische Gesellschaft neu und setzte sich damit nachhaltig für die deutsch-irischen Beziehungen in der Nachkriegszeit ein. Im selben Jahr wurde er Mitherausgeber der „Zeitschrift für celtische Philologie“. Nach seiner Berufung zum Ordinarius verlief sein Leben in ruhigen Bahnen. 1959 heiratete er die 22 Jahre jüngere Irin Caitriona Ní Chríocháin (1919-2002). Diese ehelichte nach Hertz‘ Tod den ehemaligen Leiter der Landeskanzlei und Bonner Ehrenbürger Hermann Wandersleb.
Obwohl Hertz als einer der profiliertesten Vertreter der Keltologie galt und zu den wenigen wirklichen Spezialisten für das Alt- und Mittelirische gehörte, ist sein wissenschaftliches Werk überschaubar. Seinen Schülern ist er jedoch als ausgezeichneter und anregender Lehrer mit geistreichem Humor in Erinnerung. Am 22.6.1965 verstarb Rudolf Hertz in Bonn.
Werke
Die Zeit- und Begründungskonjunktionen des Irischen, Halle 1929, zugl. Univ. Diss. Bonn 1929.
Beiträge zur Formengebung und Geschichte des altirischen nasalierenden Relativsatzes, Habil. Schrift, Bonn 1930.
Buchstabe M, N, O und P, in: Hessen, Hans (Hg.), Irisches Lexikon Kurzgefaßtes Wörterbuch der alt- und mittelirischen Sprache, Halle 1933-1940.
Laut, Wort und Inhalt, in: Lexis. Studien zur Sprachphilosophie, Sprachgeschichte und Begriffsforschung 4,1 (1955), S. 62-69.
Literatur
Crass, Joachim: Geschichte des Instituts für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Mainz von 1946-2000, in: Schmidt, Maria Gabriela (Hg.), Philologica et Linguistica. Historia, Pluralitas,Universitas. Festschrift für Helmut Humbach zum 80. Geburtstag, Trier 2001, S. 1-18.
Henning, Friedrich, Die Entstehung der FDP im Bonner Raum, in: Bonner Geschichtsblätter 43/44 (1993/94), S. 507-509.
Höpfner, Hans Paul, Die vertriebenen Hochschullehrer der Universität Bonn 1933-1945, in: Bonner Geschichtsblätter 43/44 (1993/94), S. 447-487.
Lerchenmüller, Joachim, Keltischer Sprengstoff. Eine wissenschaftliche Studie über die deutsche Keltologie von 1900 bis 1945, Tübingen 1997, bes. S. 425-429.
Pokorny, Julius, Rudolf Hertz + (1897-1965), in: Zeitschrift für celtische Philologie (ZcP), 30 (1967), Heft 1, S. 362-363.
Professor Rudolf Hertz, in: Chronik der Universität Bonn für das akademische Jahr 1964/65, Bonn 1965, S. 38-39.
Online
Abteilung Keltologie der Universität Bonn, Institutsgeschichte.
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George, Christian, Rudolf Hertz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/rudolf-hertz/DE-2086/lido/57c82e55977a12.60152440 (abgerufen am 05.12.2024)