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Als Rabbiner und Historiker war Adolf Kober die Verkörperung eines deutsch-jüdischen Ideals: des akademisch gebildeten „Rabbiner-Doktors“. Seine Studien zur jüdischen Geschichte in Deutschland, insbesondere in Köln und dem Rheinland, werden bis heute rezipiert; doch auch sein Wirken als Rabbiner und sein kulturelles und karitatives Engagement sollten in Erinnerung bleiben.
Adolf Kober wurde am 3.9.1879 als Sohn des Kaufmanns Emanuel Kober und seiner Frau Cäcilie geborene Wischnitz in Beuthen/Oberschlesien geboren; er hatte eine Schwester und drei Brüder. 1890 zog die Familie nach Breslau, wo Adolf Kober 1898 am städtischen Elisabethgymnasium das Abitur ablegte. Er studierte Geschichte, Philosophie und orientalische Sprachen an der Universität Breslau und besuchte gleichzeitig das dortige Jüdisch-Theologische Seminar (Fraenckel’sche Stiftung). 1903 wurde er mit einer Arbeit über die mittelalterliche Geschichte der Juden in Köln promoviert; 1907 legte er das Rabbinerexamen ab. Adolf Kober war mit Hanna (Johanna) Samoje (Ratibor 1894 – 1983 New York) verheiratet, die wie er aus Oberschlesien stammte. Die beiden hatten zwei Kinder, William (Wilhelm, geboren 1921) und Eva (1924–1991).
Von 1906 bis 1908 war Adolf Kober als Hilfsrabbiner und Religionslehrer in der Kölner Synagogengemeinde tätig; danach amtierte er von 1908 bis 1918 als Stadt- und Bezirksrabbiner in Wiesbaden. 1918 kehrte er nach Köln zurück. Als Nachfolger von Rabbiner Dr. Abraham Frank (1839-1917) amtierte er bis zu seiner Emigration 1939 in der Synagoge Roonstraße, der zweiten, gemäßigt liberalen Hauptsynagoge der Gemeinde neben der Synagoge Glockengasse, für die Gemeinderabbiner Dr. Ludwig Rosenthal (1870–1938) zuständig war.
In seiner Kölner Zeit engagierte sich Adolf Kober in zahlreichen wissenschaftlichen und wohltätigen Vereinigungen. So war er seit 1920 Mitglied der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Während der Inflation 1922 richtete er einen „Notstandsfonds für verschämte Arme“ ein. 1925–1939 war er Delegierter des „Preußischen Landesverbands jüdischer Gemeinden“, außerdem war er Mitglied im Allgemeinen Deutschen und im Rheinisch-Westfälischen Rabbinerverband. Er war zudem in der internationalen jüdischen Wohltätigkeitsorganisation „United Order of B’nai Brith“ aktiv und gehörte zu den Mitgründern der Moriah-Loge in Köln und der Leo Baeck-Loge in New York. Die vielleicht bedeutendste Institution, die er 1929 gemeinsam mit dem Kardiologen Dr. Bruno Kisch (1890-1966) gründete, war die „Vereinigung Jüdisches Lehrhaus“, die in Köln bis zum Novemberpogrom 1938 ein vielfältiges (Fort-) Bildungsprogramm anbot.
Neben seiner Arbeit als Rabbiner verfasste Adolf Kober zahlreiche historische Studien zur Geschichte der Juden in Deutschland, vor allem in Köln und im Rheinland – „ein Gebiet, auf dem er sich als der profundeste Sachkenner und als äußerst produktiver Autor profilierte“ (Falk Wiesemann). 1920 erschien das „Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135–1425“, bis heute das grundlegende Werk zur Geschichte und Topographie des mittelalterlichen jüdischen Viertels. In englischer Sprache wurde 1940 seine Geschichte der jüdischen Gemeinde Köln unter dem Titel „Cologne“ als Teil der „Jewish Communities Series“ der „Jewish Publication Society of America“ publiziert (übersetzt von Solomon Grayzel). Kober arbeitete an zahlreichen Lexika und Handbüchern mit (unter anderem Jüdisches Lexikon, Encyclopaedia Judaica, Universal Jewish Encyclopedia, Germania Judaica); in den 1930er Jahren war er Mitherausgeber der „Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland“.
In den 1920er Jahren war Adolf Kober an zwei großen Ausstellungen in Köln beteiligt, die die Bedeutung des Judentums und seine Verbundenheit mit der deutschen und europäischen Kultur zum Thema hatten: 1925 war er Leiter der jüdischen Abteilung der Jahrtausendausstellung, die in der Kölner Messe gezeigt wurde. Zusammen mit der Kunsthistorikerin Dr. Elisabeth Moses (1894-1957) - damals Assistentin am Kölner Kunstgewerbemuseum - richtete er eine vielbeachtete Ausstellung ein, in der erstmals jüdische Dokumente, Objekte und Kultgegenstände aus dem Rheinland in einem übergreifenden landesgeschichtlichen und implizit nationalgeschichtlichen Rahmen präsentiert wurden. In der Zeitschrift des „Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz“ erschienen 1931 zwei umfangreiche Artikel von Kober und Moses zur Geschichte und Kultur der Juden im Rheinland, die sich an ein breites kulturhistorisch interessiertes Publikum richteten. 1928 gestaltete Kober die historische Abteilung der Jüdischen Sonderschau (ISOP) auf der internationalen Presseausstellung „Pressa“. Vor 1933 war er auch als Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln und der Kölner Volkshochschule tätig und hielt Vorträge im Radio zu jüdischen Themen.
Im Sommer 1939, nur wenige Wochen vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, emigrierte Adolf Kober mit seiner Frau und Tochter zunächst nach England und von dort Ende 1939 in die USA; der Sohn William, der schon seit 1936 eine Schule in England besucht hatte, folgte 1940. Kober ließ sich in New York nieder, wo er – inzwischen 60-jährig – persönlich und beruflich neu Fuß fassen musste. Er fungierte als Rabbiner der Einwanderergemeinde „Kehillath Jawne“, in der Emigranten aus Köln und dem Rheinland zum Gottesdienst zusammenkamen. Nach seinem Tod löste sich die Gemeinde auf.
Vor allem setzte Adolf Kober seine wissenschaftliche Tätigkeit fort, ab 1943 als Research Fellow der „American Academy for Jewish Research“. Schon 1941 skizzierte er einen Plan zur Gründung eines historischen Forschungsinstituts, das durch seine Arbeit Widerstand gegen die pseudowissenschaftliche NS-Forschungen zur „Judenfrage“ leisten sollte; später setzte er sich für die Einrichtung einer Bibliothek zum deutschen Judentum ein. Seit der Gründung des Leo Baeck Institute im Jahr 1955 war er Mitglied von dessen Board.
Auch in New York war Adolf Kober in vielen Gremien, wohltätigen und wissenschaftlichen Vereinigungen tätig. So gehörte er dem „New York Board of Rabbis“, dem Vorstand der „American Federation of Jews from Central Europe“ und dem Advisory Board der New Yorker Wochenzeitung „Aufbau“ an. Für dieses wichtigste Blatt der deutsch-jüdischen Emigration schrieb er auch religiöse Betrachtungen.
Adolf Kober besuchte Köln nach dem Holocaust zweimal in den Jahren 1953 und 1957. Während seiner Aufenthalte hielt er öffentliche Vorträge. 1953 sprach er auch auf einer Gedenkstunde am Ehrenmal für die Kölner jüdischen NS-Opfer auf dem jüdischen Friedhof in Bocklemünd.
Am 30.12.1958 starb Adolf Kober in New York an Herzversagen. In seinem Nachruf charakterisierte der Herausgeber des Aufbau, Manfred George, seine Persönlichkeit und Ausstrahlungskraft: „Adolf Kober war einer der großen deutschen Rabbiner, die immer spärlicher werden, deren grosse innerliche religiöse Überzeugungskraft sich mit einer bilderreichen Sprache und einer alle Register machtvoll ziehenden Kunst des Vortrags verband. Niemand sah ihm auch das hohe Alter an, das er, immer in neue schriftstellerische Forschungsarbeit vergraben und einen historischen Aufsatz über die verschiedensten Aspekte deutsch-jüdischer Vergangenheit nach dem anderen in wissenschaftlichen Blättern veröffentlichend, erreicht hatte. Hier war ein innerlich leidenschaftlich und jung gebliebener Mann am Werk, das Erbe der Vergangenheit seiner Gemeinde Köln und des deutschen religiösen Judentums überhaupt mit zu verwalten.“ (Aufbau, 2.1.1959)
Nachlass
Der wissenschaftliche Nachlass von Adolf Kober befindet sich im Leo Baeck Institute New York (http-blank://findingaids.cjh.org/?pID=431040). Seit kurzem kann er digitalisiert im Internet eingesehen werden (http-blank://archive.org/details/adolfkober).
Werke (Auswahl)
Eine Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen Kobers wurde 1990 von Alwin Müller-Jerina zusammengestellt.
Studien zur mittelalterlichen Geschichte der Juden in Köln am Rhein, insbesondere ihres Grundbesitzes, Breslau 1903.
Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135–1425. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Topographie, Rechtsgeschichte und Statistik der Stadt Köln, Bonn 1920, Nachdruck Düsseldorf 2000.
Aus der Geschichte der Juden im Rheinland, in: Wiesemann, Falk, Zur Geschichte und Kultur der Juden (s. u. Literatur), S. 11–98 [Cologne, Philadelphia 1940].
Jewish Monuments of the Middle Ages in Germany. One Hundred and Ten Tombstone Inscriptions from Speyer, Cologne, Nuremberg and Worms (1085–c. 1428), in: Proceedings of the American Academy for Jewish Research 14 (1944), S. 149–220; 15 (1945), S. 1–91.
Literatur (Auswahl)
Arand, Tobias, Die jüdische Abteilung der Kölner ‚Jahrtausend-Ausstellung der Rheinlande’ 1925. Planung, Struktur und öffentlich-zeitgenössische Wahrnehmung, in: Grübel, Monika/Mölich, Georg (Hg.), Jüdisches Leben im Rheinland. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 194–213.
Asaria, Zvi (Hg.), Die Juden in Köln. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Köln 1959.
Brocke, Michael/Carlebach, Julius (Hg.), Biographisches Handbuch der Rabbiner, Teil 2: Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871–1945, bearb. v. Katrin Nele Jansen, Band 1, München 2009, S. 336–339.
Hoffmann, Christhard (Hg.), Preserving the Legacy of German Jewry. A History of the Leo Baeck Institute 1955–2005, Tübingen 2005.
Kisch, Bruno, Wanderungen und Wandlungen. Die Geschichte eines Arztes im 20. Jahrhundert, Köln 1966.
Müller-Jerina, Alwin, Adolf Kober (1879–1958). Versuch einer Bio-Bibliographie anläßlich seines 30. Todestages, in: Menora 1 (1990), S. 278–296.
Nattermann, Ruth, Deutsch-jüdische Geschichtsschreibung nach der Shoah. Die Gründungs- und Frühgeschichte des Leo Baeck Institute, Essen 2004.
Röder, Werner/Strauss, Herbert A. (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Band 1, München [u.a.] 1980, S. 375-376.
Schwarz, Johannes Valentin, Die jüdische Sonderschau auf der Internationalen Presseausstellung „Pressa“ in Köln 1928. Zur Präsentation und Erforschung deutsch-jüdischer Periodika des 18.–20. Jahrhunderts, in: Menora 12 (2001), S. 137–169.
Vogts, Hans, Zum Gedächtnis an Adolf Kober, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 34/35 (1959–60), S. 208–210.
Wiesemann, Falk (Hg.), Zur Geschichte und Kultur der Juden im Rheinland. Mit Beiträgen von Adolf Kober, Elisabeth Moses und Friedrich Wilhelm Bredt, Düsseldorf 1985.
Wilhelm, Cornelia, German Refugee Rabbis in the United States, in: European Judaism 45/2 (2012), S. 78–89.
Online
Webauftritt des Leo Baeck Institute – New York | Berlin [Online]
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Reuter, Ursula, Adolf Kober, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolf-kober-/DE-2086/lido/57c936666a8146.07984133 (abgerufen am 07.09.2024)