Zu den Kapiteln
Katholischer Priester, Religionslehrer, Professor für Theologie, seit 1928 Päpstlicher Hausprälat und Ehrendomherr in Köln seit 1931, schließlich Reichs- und Landtagsabgeordneter und am Ende Partei- und Fraktionsvorsitzender der Zentrumspartei in Preußen – dies sind die wichtigsten Stationen des kirchlichen und politischen Aufstiegs Albert Lauschers, der aus heutiger Sicht im politischen Alltag undenkbar erscheint, doch waren die politischen Prälaten bis 1933 in den beiden katholischen Parteien Zentrum und Bayerische Volkspartei keine Seltenheit, gerade in den führenden Positionen.
Eine monographisch-biographische Würdigung Lauschers sucht man bislang vergebens. Über Leben und Lebensumstände dieses geistlichen Politikers, der am 18.2.1872 in Roetgen in der Nähe von Aachen als Sohn des Lehrers Hubert Lauscher und seiner Ehefrau Anna Catharina, geborene Schröder, zur Welt kam, ist weit weniger bekannt als über andere politisch tätige Zentrumsgeistliche wie etwa die Prälaten Heinrich Brauns, Ludwig Kaas oder Georg Schreiber (1882-1963).
In Aachen besuchte Lauscher von 1887 bis 1893 erfolgreich das renommierte Kaiser-Karls-Gymnasium, bevor er nach Bonn übersiedelte, um an der Katholisch-Theologischen Fakultät ein Theologiestudium zu beginnen. Drei Jahre später wechselte er 1896 in das Kölner Priesterseminar, um sich auf die Priesterweihe vorzubereiten, die der 25-Jährige am 10.8.1897 in Köln empfing und Kölner Diözesanpriester wurde.
Die ersten Etappen verliefen in den klassischen Bahnen eines jungen Klerikers. Dabei markierten zwei Metropolen im Westen des Reiches für 20 Jahre im Wechsel seine Wirkungsstätten: Köln und Essen. Zunächst wirkte er drei Jahre als Kaplan in St. Gertrud in der Ruhrmetropole, die damals zur Kölner Erzdiözese gehörte, anschließend von 1900 bis 1904 in Köln in der Pfarre St. Gereon. Zwischenzeitlich wurde er 1902 in Münster zum Dr. theol. promoviert. Seine Arbeit über den Kölner Erzbischof Bruno II. von Berg (Episkopat 1131-1137) erschien anschließend im Kölner J. P. Bachem-Verlag.
Seit 1904 unterrichtete er als Religionslehrer am städtischen Gymnasium in Borbeck (heute Stadt Essen), kehrte aber schon vier Jahre später wieder nach Köln zurück. Dort blieb er von 1908 bis 1917 als Oberlehrer am Königlichen Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, ehe er als ordentlicher Professor für Theologie (im Fachbereich Pastoraltheologie und Homiletik) an die Katholisch-Theologische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität nach Bonn berufen wurde. Seine praktisch-didaktischen Erfahrungen im Lehrerberuf sprachen für ihn, doch hinterließ er nicht viele Spuren als akademischer Lehrer an seiner alten Alma Mater.
Hervorgehoben werden sollten seine Darstellung der Geschichte der katholisch-theologischen Bonner Fakultät von 1818-1918, die 1920 erschien, sowie seine kurze Tätigkeit als Universitätsprediger nach dem frühen Tod seines Vorgängers Professor August Brandt (1866-1917).
Lauschers akademische Karriere endete rasch wieder, als er seine Lehrtätigkeit aus guten Gründen mit der aktiven Politik vertauschte. Die Republikanisierung und Demokratisierung des Deutschen Reiches im November 1918 bescherten der Deutschen Zentrumspartei neue Möglichkeiten der Einflussnahme auf der politischen Bühne. Generell konnte sie nach der Durchsetzung des republikanisch orientierten Flügels um Matthias Erzberger (1875-1921) endlich das Stigma der als außerhalb des Machtzentrums stehenden reichsfeindlichen Minderheitenpartei in Daueropposition abwerfen und durch die Rolle der Minderheit ersetzen, ohne die es aber keine Mehrheit mehr gab. Nicht nur auf der Reichsebene des neuen Weimarer Staates wuchs der Partei die nach allen Seiten integrierende parlamentarische Mittelposition zu, gerade im neu entstandenen Freistaat Preußen, dem mit Abstand größten Gliedstaat der Weimarer Republik, war sie der stabilisierende Faktor mit Scharnierfunktion zwischen den führenden Sozialdemokraten und den (rechts-)bürgerlich-liberalen Parteien.
Für das katholische Milieu gab es im neuen demokratischen Gefüge somit Chancen, aber auch genügend politische Konfliktstoffe, die bereits mit dem revolutionären Umsturz des politischen Systems 1918/1919 einhergingen. Wie schon während des untergegangenen preußisch-protestantisch geprägten Kaiserreiches sah der katholische Bevölkerungsteil seine Interessen zuerst in der Schul- und Kulturpolitik tangiert. Dieser wichtige Bereich wurde bald das politische Betätigungsfeld des Parlamentariers und Abgeordneten Albert Lauscher, als er hierfür innerhalb der preußischen Zentrumsfraktion die Verantwortung übernahm.
Schon 1919 war Lauscher zum Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung Preußen für den Wahlkreis 23 (Köln-Aachen) gewählt worden. Diesem Gremium gehörte er bis 1921 an und anschließend behielt er bis 1933 sein Abgeordnetenmandat im Preußischen Landtag. In der Legislaturperiode 1920-1924 gehörte Lauscher zeitgleich dem Reichstag für die Zentrumspartei an.
Besonders zwei Themenfelder im schul- und kulturpolitischen Bereich forderten die Zentrumspartei und Albert Lauscher in den Weimarer Jahren heraus: Gleich nach dem Umsturz vom 9.11.1918 forderte der neue preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Adolph Hoffmann (1858-1930) von der USPD, Mitte November die Abschaffung des Religionsunterrichts, um die Trennung von Staat und Kirche zu forcieren. Dieses antiklerikale Kulturprogramm löste rasch die alten Kulturkampfängste innerhalb der katholischen Bevölkerungskreise wieder aus und führte zu Mobilisierungserfolgen bei den anstehenden Wahlen für die katholischen Parteien. Deren erstarkte Stellung in Parlament und Regierungen im Reich und in Preußen ließen einerseits die katholische Bevölkerung weniger mit dem neuen Staatsgefüge fremdeln als viele andere gesellschaftliche Gruppen und andererseits führte der vernehmbare Widerstand gegen die Hoffmannsche Schulgesetzgebung zur Rücknahme der Gesetze Ende 1919.
Was auf der Reichsebene bei all den wechselnden Reichsregierungen immer wieder nicht gelang, konnte im größten Land des Reiches am 14.6.1929 zu einem guten Ende gebracht werden: die Unterzeichnung des Konkordats zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl, das letzte Reste noch vorhandener Kulturkampfgesetzgebungen beseitigte und die alte Vereinbarung Preußens mit dem Vatikan von 1821 ablöste. Bei der Ausarbeitung konnte der diplomatische Vertreter des Heiligen Stuhls in Berlin, Nuntius Eugenio Pacelli (1876-1958), der spätere Papst Pius XII. (Pontifikat 1939-1958), auf die Unterstützung des kulturpolitischen Experten der preußischen Zentrumsfraktion, Albert Lauscher, zurückgreifen.
Viele Jahre dominierte der Oberschlesier Felix Porsch (1853-1930) die Geschicke der preußischen Zentrumsfraktion, doch in den 1920er Jahren nahm sein Einfluss altersbedingt ab und sein Vertrauter, der Ahrweiler Abgeordnete Joseph Heß (1878-1932), lenkte als Vorstandsmitglied der Fraktion im Grunde die Geschicke der katholischen Parlamentarier im preußischen Landtag. Nach Porschs Tod übernahm er 1930 auch offiziell den Fraktionsvorsitz. Lauscher, der eher als der Rivale von Heß galt, zog sich in dieser Phase ganz auf seine Position als kulturpolitischer Sprecher zurück, rückte dann aber in der entscheidenden, kritischen Endphase der Weimarer Republik an die Spitze der Fraktion, nachdem Heß im Februar 1932 früh gestorben war.
Die Monate des Sommers 1932, die Lauscher, der zudem noch den Parteivorsitz des preußischen Zentrums übernahm, in die erste Reihe der Zentrumspolitiker vorrücken ließen, war überschattet vom „Preußenschlag“ des neuen Reichskanzlers Franz von Papen (1879-1969), der unmittelbar nach seiner Ernennung aus dem Zentrum ausgetreten war. Den deutsch-konservativen Strömungen war die langjährige Koalition von Zentrum und SPD besonders in Preußen ein Dorn im Auge. Dies galt auch für den Teil rechtskonservativ-aristokratisch angehauchter Kreise im katholischen Milieu, denen Papen zuzurechnen war.
Für die Deutsche Zentrumspartei bestand die Priorität in der deutschen Innenpolitik nach den Reichstagswahlen vom Juli 1932 darin, wieder zu verfassungskonformen Verhältnissen zurückzukehren. Das betraf die Überwindung der Politik der Notverordnungen zugunsten des vom Volk gewählten Parlaments auf Reichsebene wie die Überwindung der Ausnahmesituation in Preußen nach der Unterstellung der Regierungsgewalt dort durch Papen am 20.7.1932.
Die Partei der Mitte, des Rechts und der Ordnung, wie sich das Zentrum selbst sah, hielt es für eine Vaterlandspflicht, in dieser Situation jede Möglichkeit auszunutzen, mit allen Parteien, die dazu bereit waren, Gespräche über eine sogenannte „Notgemeinschaft“ mit dem Ziel zu führen, eine arbeitsfähige Mehrheit im Reichstag, aber auch im preußischen Landtag zu schaffen, damit dort wieder ein Ministerpräsident aus eigener Kraft gewählt werden konnte.
Da die Zentrumsführung weder die Präsidialregierung von Papens mittragen konnte, noch eine einseitige Parteidiktatur der NSDAP mit Adolf Hitler (1889-1945) als Kanzler akzeptieren wollte, führte sie im Sommer 1932 erste Gespräche mit der NSDAP, um sie in die Disziplin und Verantwortung für das Staatsganze einzubinden. Diese Versuche waren als praktische Ausführung der seit längerem vertretenen „Sammlungs“-Parole des (Bundes-)Parteivorsitzenden Kaas anzusehen, der im Oktober 1932 bei einer Rede in Münster seinen nationalen „Sammlungsaufruf“ erneuerte und forderte, dass sich drei bis fünf Parteiführer zur Bildung einer zumindest befristeten „deutschen Not- und Mehrheitsgemeinschaft„ zusammenfinden sollten.
Auf der preußischen Ebene war unter anderem Albert Lauscher für die vorgesehenen Gespräche mit der NSDAP als Verhandlungspartner beauftragt, doch endeten die hilflosen Versuche bekanntermaßen ergebnislos. Der Ziellauf Adolf Hitlers am 30.1.1933 war nicht mehr aufzuhalten. Das letzte Gefecht der Zentrumspartei wie aller anderen demokratischen Parteien endete nach den ersten Monaten des „Dritten Reiches“ im Sommer 1933 mit der Auflösung der übrigen Parteien außer der NSDAP.
In der Zeitgeschichtsforschung herrscht ein langjähriger Disput über die Frage, ob die Zustimmung des Zentrums zum Ermächtigungsgesetz im März 1933 in irgendeiner Weise zusammenhing mit dem im Juli 1933 zügig abgeschlossenen Reichskonkordat mit dem Vatikan. Von diesem Junktim kann man heute nach Lage der Quellen nicht mehr ausgehen, doch waren die Verhaltensmuster im katholischen Zentrumsmilieu in der Anfangsphase der Hitler-Diktatur uneinheitlicher als oftmals angenommen.
Das Dilemma des deutschen Katholizismus war nach der Machtergreifung Hitlers zunächst seine Zerrissenheit, das heißt seine Spaltung in diejenigen, die das neue politische System strikt ablehnten und zum Kampf für den politischen Katholizismus bereit waren – hierzu zählte etwa der stark politisch ausgeprägte Katholizismus im Rheinland mit seinem Hauptblatt, der “Kölnischen Volkszeitung“. Im Gegensatz dazu entwickelten einige Zentrumskreise eine kooperative Linie zum neuen NS-Staat, in dem Bewusstsein, bei dieser Gelegenheit von Anfang an als national zuverlässige Reichsbürger zu gelten. Dies ließ manche Zentrumspolitiker, die schon immer einem ähnlich antiparlamentarischen und rechtskonservativen Kurs wie Franz von Papen anhingen, zu dem bislang im Zentrumsmilieu weitgehend abgelehnten Ex- und neuen Vizekanzler der Regierung Hitler eine Verbindung suchen, weil sie in ihm den einzigen starken Katholiken an den Schalthebeln der Macht sahen. Hierzu zählte etwa das ab 1933 ganz unter Papens Ägide stehende Berliner Zentrumsblatt „Germania“ mit dem Chefredakteur Emil Ritter (1881-1968) ebenso wie die mit Franz Xaver Münch (1883-1940) in Köln beheimatete Leitung des Katholischen Akademikerverbands. Im Frühjahr 1933 zählte aber auch Albert Lauscher zu dieser Richtung.
In diese gespaltene Stimmungslage hinein geriet etwa der römische Zentrumskorrespondent Edmund Raitz von Frentz, als er Anfang März 1933 in Köln mit den Verfechtern dieser letzteren Richtung, unter anderem mit Lauscher und Münch, in persönlichen Kontakt trat und Empfehlungen mit nach Rom nahm, jetzt die Hand zur Versöhnung Richtung Papen zu reichen und Brücken zur neuen Reichsregierung zu bauen, da die bisherige “Sammlungsstrategie“ des Zentrums gescheitert war. Diese Linie vertrat er im diplomatischen Milieu in Rom.
Aus diesem Umfeld heraus öffneten sich in den hohen kirchlichen Kreisen Roms vor Ostern 1933 die Türen für Papen, der die Zerrissenheit des deutschen Zentrumsmilieus überführen wollte in eine geschlossene Zustimmung der deutschen Katholiken für das neue NS-Regime, und hierfür eigens den Bund “Kreuz und Adler“ gegründet hatte. Hatte im März die Zentrumsfraktion nach langer Beratung bereits dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt und hatten die Bischöfe ihre Bedenken gegenüber dem Nationalsozialismus entgegen früherer Verlautbarungen aufgehoben – dies alles ohne erkennbaren Druck aus Rom – so wollte Papen mit dem von ihm seit dem 30.1.1933 vehement verfolgten Plan eines Reichskonkordats die deutschen Katholiken mit dem “Dritten Reich“ aussöhnen und sich selbst – mittlerweile in einem Machtkampf mit Hermann Göring (1893-1946) um die Vorherrschaft in Preußen stehend – unentbehrlich machen.
Weder der Vatikan noch insbesondere Kardinalstaatssekretär Pacelli wünschten beziehungsweise verlangten im Jahr 1933 so kurz nach der Machtgewinnung Hitlers das Reichskonkordat in der Form und in der Schnelligkeit des bekannten Verlaufs. Hitler hatte sehr wohl ein Interesse an diesem Abschluss – wegen eines sicheren Prestigegewinns für seine Regierung und weil er durch Papen apodiktisch die Forderung der Aufgabe der politischen Mandatsfähigkeit für die Geistlichen (Artikel 32) lancieren ließ.
Nach der Auflösung des Zentrums Anfang Juli und der Unterzeichnung des Reichskonkordats Mitte Juli 1933 wurde Albert Lauscher ein prominentes Opfer dieser Entwicklung, die schließlich noch mit seiner Zwangsemeritierung durch die Nationalsozialisten an der Bonner Universität 1934 ihre Vollendung fand. Zurückgezogen starb Albert Lauscher am 23.5.1944 in Bonn.
Werke (Auswahl)
Erzbischof Bruno II. von Köln. Ein Beitrag zur Geschichte des Erzbistums Köln, Köln 1903.
Friedrich Nietzsche. Kritische Studien, Essen 1908.
Die katholisch-theologische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Bonn (1818-1918), Düsseldorf 1920.
Literatur
Burtscheidt, Andreas, Edmund Freiherr Raitz von Frentz. Rom-Korrespondent der deutschsprachigen katholischen Presse 1924–1964, Paderborn [u.a.] 2008.
Haunfelder, Bernd, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei 1871–1933. Biographisches Handbuch und historische Photographien, Düsseldorf 1999, S. 334-335.
Hömig, Herbert, Das preußische Zentrum in der Weimarer Republik, Mainz 1979.
Hömig, Herbert, Brüning. Politiker ohne Auftrag. Zwischen Weimarer und Bonner Republik, Paderborn [u.a.] 2005.
May, Georg, Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz, 3 Bände, Amsterdam 1981-1982.
Morsey, Rudolf, Die Deutsche Zentrumspartei, in: Matthias, Erich/Morsey, Rudolf (Hg.), Das Ende der Parteien 1933, Düsseldorf 1960, S. 281-453.
Morsey, Rudolf, Der Untergang des politischen Katholizismus. Die Zentrumspartei zwischen christlichem Selbstverständnis und ›Nationaler Erhebung‹ 1932/1933, Stuttgart/Zürich 1977.
Schumacher, Martin (Hg.), M.d.R., die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945.
Eine biographische Dokumentation, 3. Auflage, Düsseldorf 1994, S. 278.
Online
Informationen über Albert Lauscher auf der Seite der Konrad-Adenauer-Stiftung. [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Burtscheidt, Andreas, Albert Lauscher, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/albert-lauscher/DE-2086/lido/57c93e34712ce2.51747437 (abgerufen am 09.12.2024)