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In der schwierigen Zeit der Umbrüche um 1800 beschränkte sich Anton von Belderbusch nicht darauf, ein ungewöhnlich großes Erbe im Bereich des vormaligen Kurstaates Köln zu verwalten und zu sichern, sondern übernahm in der Zeit der französischen Besetzung der Rheinlande 1795 und späterhin die Aufgaben eines Maire in Bonn, um schließlich auch als preußischer Landrat politisch zu wirken.
Anton Maria Carl von Belderbusch wurde am 1.7.1758 auf dem Familienbesitz Burg Terworm (bei Heerlen in den Niederlanden) als jüngster Sohn Maximilian Wilhelms Freiherrn von der Heyden genannt Belderbusch (1717-1776) und der Maria Johanna Ambrosina Franzisca Gräfin von Satzenhoven (gestorben 1759) geboren. Die Familie war im Herzogtum Limburg sesshaft. Anton Maria Carl erhielt seine Schulbildung am Tricoronatum, dem Kölner Jesuitengymnasium. Dank der Protektion seines Onkels, des kurkölnischen Ersten Ministers Caspar Anton von Belderbusch wird er schon 1770 im Hofkalender als Amtmann von Altenahr und kurkölnischer Hauptmann geführt. 1772 erhielt er zudem den Titel eines kurfürstlichen Kämmerers.
Nach dem Bruch seines ältesten Bruders Carl Leopold mit dem Onkel zu Beginn des Jahres 1779 betrachtete dieser, der als Deutschordensritter zur Ehelosigkeit verpflichtet war, ihn endgültig als seinen Haupterben. Die 1781 mit Anna Maria Freiin von Wambold zu Umstadt (geboren 1764) geschlossene Ehe fand daher den Beifall seines Onkels, da somit der Fortbestand der Linie Belderbusch gesichert schien – eine Hoffnung, die sich nicht erfüllen sollte.
Mit dem Tode des Ministers im Jahre 1784, der dafür Sorge getragen hatte, dass der ihm 1782 vom Kaiser verliehene Titel eines Reichsgrafen auch seinen drei Neffen zuerkannt wurde, übernahm Anton das umfangreiche Erbe des Onkels. Dass ihm dieses in der Rechtsform des Fideikommisses übertragen wurde, war im Adel durchaus üblich, da somit der Familienbesitz über Generationen hinweg ungeschmälert erhalten bleiben konnte. Neben einem nicht unbeträchtlichen Kapital bestand das Erbe des Onkels vor allem aus Gütern und Grundbesitz: unter anderem dem Rittersitz Duisdorf (heute Stadt Bonn), dem kurkölnischen Lehen Bullingrath, dem Honerhof bei Dünstekoven, Gütern in Heimerzheim, dem Jülicher Rittersitz Ludendorf, dem Ollheimer Hof, der Herrlichkeit Fliesteden, dem Turmhof in Friesdorf (Bonn), dem kurkölnischen Rittersitz Arloff, dem Rittergut Horcherbach bei Düren.
Hinzu kam das Vermögen seiner Tante Caroline von Satzenhoven (1728-1785), der Äbtissin des adligen Damenstifts Vilich bei Bonn und langjährigen Lebensgefährtin seines Onkels, die 1785 verstarb. Die Forderungen, die weitere im Testament Caspar Antons benannte „Fideicommiss-Interessenten" erhoben, führten allerdings über ein Jahrzehnt lang zu endlosen Auseinandersetzungen um das Erbe.
Nach dem Einmarsch der Franzosen in das Rheinland im Jahre 1794 war auch das gräfliche Paar zunächst emigriert. Anton kehrte jedoch 1795 nach Bonn zurück, um die angedrohte Konfiszierung seiner Güter durch die Besatzung zu verhindern. Seine Frau aber, die er im noch nicht französisch besetzten Ausland zurückgelassen hatte, ging ein Verhältnis mit Karl August von Liechtenstein (1767-1845) ein, den sie später auch heiratete. Dabei wirkte sich das nunmehr im Rheinland geltende revolutionär-französische Scheidungsrecht für Anton positiv aus, so dass er sich 1802 offiziell scheiden lassen und eine „bürgerliche" Ehe eingehen konnte.
Während der Besatzungszeit engagierte sich Anton erstmalig auch politisch. Er versuchte sowohl als Bürger der Stadt Bonn, der er aufgrund des Belderbuscher Hofs war, wie im Auftrag der Landstände in Verhandlungen mit der französischen Besatzungsmacht deren finanzielle Forderungen zu reduzieren. Der Staatsstreich Napoleon Bonapartes (Regierungszeit 1799-1814) vom 9.11.1799 sollte auch für ihn persönlich die Wende bringen, da die neue Ordnung des Korsen nunmehr (entgegen den früheren revolutionären Bestimmungen) Recht und Besitz sicherte. Als hervorragendes Mitglied des im Mai 1801 in Bonn zusammengetretenen Arrondissement- wie des Munizipalrates erfüllte er zugleich auch repräsentative Verpflichtungen der Stadt, so etwa bei dem feierlichen Empfang Napoleons und seiner Gemahlin Joséphine (1763-1814) im September 1804, der in dem ihnen zur Verfügung gestellten Belderbuscher Hof stattfand.
Die unmittelbare Folge dieser Begegnung war seine Einsetzung als Maire von Bonn, in welches Amt er am 19.1.1805 eingeführt wurde. Diese Ernennung blieb nicht die einzige Verbindung zum französischen Kaiserhaus: Der 1802 geschlossenen Ehe Antons mit der aus einfachen Verhältnissen stammenden Bonner Bürgertochter Anna Barbara (Babette) Koch (1771-1807), die als Jugendfreundin Ludwig van Beethovens bekannt geworden ist, entstammte eine am 30.9.1804 geborene Tochter, für welche mit Einverständnis Napoleons die Kaiserin Joséphine die Patenschaft übernahm. Jedoch stand Babette, von deren Attraktivität, Geist und Charakter die Zeitgenossen schwärmten, nicht allzu lange dem Hauswesen im Belderbuscher Hof in Bonn vor. Nach der glücklich verlaufenden Geburt eines Sohnes Carl Anton, der ihr allerdings schon 1812 nachfolgte, starb sie am 25.11.1807 in ihrem vierten Kindbett.
Trotz seiner wiederholt geäußerten Verehrung für Napoléon fand sich Anton in den Folgejahren nicht bereit, allen Wünschen der französischen Verwaltung nachzukommen, wenn sie zu ihm unvertretbar erscheinenden Belastungen für die Bevölkerung führen mochten. Seine erfolgreich vermittelnden Tätigkeit wurde Anfang des Jahres 1810 mit dem Kreuz der Ehrenlegion belohnt.
Auch unter der preußischen Administration ab 1815 behielt er sein Amt als Bürgermeister der Stadt Bonn. In den Wirren der Übergangszeit kam es jedoch für Anton wiederholt zu unangenehmen, sogar gefährlichen Situationen, so beispielsweise in den letzten Tagen der französischen Herrschaft, als ein General mit seiner Erschießung drohte oder der Befehlshaber der 1813 einrückenden russischen Truppen, General Friedrich Karl von Tettenborn (1778-1845), eine Schwadron Kosaken in den Belderbuscher Hof in Bonn zu legen beabsichtigte, weil Anton dort einst Napoléon empfangen hatte. Die Verleihung des russischen St. Anna-Ordens konnte dafür kaum ein Äquivalent bieten. Dessen ungeachtet führte Anton seine Geschäfte als Bürgermeister fort, bis er - 1816 kommissarisch und ab Mai 1818 offiziell - zum preußischen Landrat des Kreises Bonn ernannt wurde.
Krankheitsgründe zwangen ihn allerdings, zum 1.2.1820 diesen Posten aufzugeben. Noch im selben Jahr, am 28. September, starb Anton, der auch noch den preußischen Roten Adlerorden erhalten hatte, auf seiner Burg Heimerzheim (heute Gemeinde Swisttal). Damit ging ein Leben zu Ende, das unter vier Systemen und Regierungen von dem Bestreben nach der Bewahrung des Familienbesitzes, zugleich aber auch in der französischen Besatzungszeit wie unter der preußischen Herrschaft von einem kommunal und regional orientierten, kontinuierlichen politischen Engagement bestimmt war.
Durch die Heirat seiner Tochter Joséphine (gestorben 11.10.1834) mit Karl Freiherrn von Boeselager (1782-1857) gelangte das Erbe der Belderbuschs an den Angehörigen eines westfälischen Adelsgeschlechts, das dadurch auch im Rheinland sesshaft wurde. Der am Rhein gelegene Belderbuscher oder Boeselager-Hof in Bonn wurde im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs zerstört. An ihn erinnert die Straße „Am Boeselager Hof".
Literatur
Braubach, Max, Der Minister Belderbusch und seine Neffen, in: Kurköln, Gestalten und Ereignisse aus zwei Jahrhunderten rheinischer Geschichte, Münster 1949, S. 321-400.
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, 3., verbesserte und erweiterte Auflage, Bonn, S. 43-44.
Penning, Wolf D., Caspar Anton von Belderbusch, seine Neffen und ihr Bonner Stadtpalais. Zur Geschichte des Belderbuscher (Boeselager) Hofs , in: Bonner Geschichtsblätter 57/ 58 (2008), S. 147-184.
Penning, Wolf D., Vom Pagen am kurkölnischen Hof zum Komtur des Deutschen Ordens. Zur Jugend- und Familiengeschichte Caspar Antons von Belderbusch, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 211 (2008), S. 103-155.
Penning, Wolf D., „Pour enrichir sa famille" (I). Das Testament des Landkomturs des Deutschen Ordens und kurkölnischen Staatsministers Caspar Anton von Belderbusch von 1781, vorgesehen für Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 212 (2009).
Online
Braubach, Max, Artikel "Belderbusch, Freiherren v.", in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 28. [Online]
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Penning, Wolf D., Anton Reichsgraf von Belderbusch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/anton-reichsgraf-von-belderbusch-/DE-2086/lido/57c579cc6989a0.51989416 (abgerufen am 09.10.2024)