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Carl Vorwerk war wie sein Bruder Adolf ein bedeutender Unternehmer der Stadt Barmen (heute Stadt Wuppertal). Innovativ war seine Erfindung des gewebten Orientteppichs.
Die Gründung der „Barmer Teppich-Fabrik Vorwerk & Comp“ im April 1883 war kein risikoreiches finanzielles Wagnis, sondern eine von kühl kalkulierten Gewinnerwartungen bestimmte Handlung. Mit seinem Bruder Adolf Vorwerk war er schon Inhaber des florierenden Handelsgeschäftes „Vorwerk & Sohn“, das bereits 1827 in den Akten erscheint und vom Großvater Johann Peter Vorwerk (1760-1842) und seinem gleichnamigen Sohn betrieben wurde, mit seinen Wurzeln aber weit ins 18. Jahrhundert zurückreicht. „Vorwerk & Sohn“ verkaufte in ganz Europa die so genannten „Barmer Artikel“, also Bänder, Kordeln, Schnüre und Litzen, die von den vielen, im Tal der Wupper ansässigen Hausbandwebern hergestellt wurden. Seit 1873 hatte man begonnen, diese Artikel nicht nur zu vertreiben, sondern sie auch selbst herzustellen. Zu diesem Zweck war im Zentrum Barmens eine Fabrik mit Bandwebstühlen aufgestellt worden, die von einer Dampfmaschine angetrieben wurden.
Der Absatz der Barmer Artikel war nicht nur von konjunkturellen Schwankungen, sondern vor allem von den Launen der Mode abhängig. Deshalb hatte „Vorwerk & Sohn“ nach einem Produkt gesucht, um von den Modeschwankungen weniger abhängig zu sein. Seit etwa 1880 hatte das Unternehmen angefangen, Teppiche zu weben. Diese Teppichherstellung war in den wenigen Jahren seither so umfangreich geworden, dass sie jetzt in einer eigenen Firma „ausgelagert“ wurde.
Die Initiative zur Fabrikation von Teppichen war von dem älteren Bruder Carl Vorwerk ausgegangen. Als junger Mann hatte er längere Zeit in Bradford in England gelebt und gearbeitet. Bradford im westlichen Yorkshire war seit Jahrhunderten ein Zentrum des englischen Wollgewerbes, hier wurden die Garne produziert, die an anderer Stelle des Königreiches zu Teppichen verarbeitet wurden. Wollteppiche, im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit in adligen Häusern als Wandbehang und Bodenbelag benutzt, fanden seit dem 18. Jahrhundert zunehmend auch in den Wohnräumen des Bürgertums Verwendung. Die große Nachfrage nach Teppichen war die Ursache dafür, dass man ihr langwieriges Knüpfen aufgegeben hatte und sie - zuerst in England – maschinell webte und auf einem Markt vertrieb.
Die technischen Probleme des Teppichwebens waren allerdings erheblich. Deshalb gab es nur wenige deutsche Textilunternehmen, die den Schritt in die industrielle Teppichherstellung wagten. Dank der Verbindungen nach England, die Carl Vorwerk geknüpft hatte, gelang es ihm, englische Webstühle zu erwerben und englische Weber für einige Zeit nach Barmen zu holen, die den örtlichen Webern die notwendigen Kenntnisse vermittelten. Später wurden noch einmal Barmer Weber zur Fortbildung nach England gesandt. Neben Carl war auch sein jüngerer Bruder, allerdings nur zu einem Drittel, an dem neuen Unternehmen beteiligt. Aber die beiden Brüder waren sehr verschieden und kamen nicht gut miteinander aus. Sie hatten auch unterschiedliche Vorstellungen über die Führung der Geschäfte. Carl nahm gleich seine Frau Cäcilie – eine Nichte von Friedrich Engels – als Prokuristin mit in das Unternehmen und gewann dadurch auch personell ein Übergewicht. So war es nur vernünftig, dass sich die Brüder noch im November des Gründungsjahres trennten. Carl Vorwerk übernahm die neue Teppichweberei „Vorwerk & Co“, die auch die Produktion von Möbelstoffen für Sofas und Sessel begann. Adolf Vorwerk wurde alleiniger Eigentümer der alten Handelsfirma und der Bänder-Produktion „Vorwerk & Sohn“.
Das neue Unternehmen startete glänzend. Mit rund 70 Beschäftigten lag „Vorwerk & Co“ deutlich über dem Durchschnitt von 26 Arbeitern in den insgesamt 546 Textilbetrieben der Stadt Barmen. Im benachbarten Elberfeld (heute Stadt Wuppertal) wurden dagegen bereits durchschnittlich 70 Arbeiter pro Textilfirma beschäftigt; dort war der Konsolidierungsprozeß in der textilen Unternehmenslandschaft schon weiter vorangeschritten.
Trotz des stetig wachsenden Umsatzes blieb Carl Vorwerk vorsichtig. Als ein Hamburger Großhändler anregte, den Vertrieb der Teppiche auch in der Hansestadt und für den Export aufzunehmen, antwortete er, er müsse „eine größere Ausdehnung so lange verschieben“, bis er die Produktion erhöhen könne. Die nötigen Maschinen könne man kaufen, aber „das Anlernen der Arbeiter ist außerordentlich schwierig“.
1891 übernahm Carl Vorwerk auch ein kommunalpolitisches Mandat in der Stadt Barmen. In der Stadtverordneten-Versammlung trat er als konsequenter Vertreter einer ausgeglichenen, nicht nchuldenfinanzierten kommunalen Finanzpolitik hervor. Zwei Jahre vor dem Ende seines sechsjährigen Mandats trat er allerdings von seinem Amt zurück, weil seine Firma ihn wieder vermehrt forderte. Er hatte einen Vertrag mit dem englischen Unternehmen Brintons Limited, dem führenden Hersteller von „Greifer-Webstühlen“ geschlossen. Das waren Webstühle, bei denen der Schussfaden in der Mitte des Gewebes von einer gegenüberliegenden Vorrichtung „gegriffen“ und viel genauer durch das Gewebe weitergeführt werden konnte, als wenn man ihn „schießen“ würde. Carl Vorwerk erwarb einige dieser Stühle und entwickelte sie weiter. Der Unternehmer war ein Tüftler, von jeher an der komplizierten Technik gerade auch des maschinellen Webens interessiert. Er verbesserte den englischen Webstuhl und meldete 1898 ein Patent darauf an.
In der Vorwerkschen Webstuhl-Werkstatt lag der Keim der späteren Maschinen- und Elektrofabrik, die in der Weltwirtschaftskrise 1929 einen Hand-Staubsauger, den berühmten „Kobold“, konstruierte und ihn bis heute produziert. Zahlreiche Maschinenbaufirmen gerade im Wuppertaler Raum haben sich aus ähnlicher Wurzel entwickelt.
In der Familien-Überlieferung hält sich hartnäckig die Geschichte, dass Carl Vorwerk den „durchgewebten Teppich“ erfand. Auf einem seiner regelmäßigen Rundgänge durch seine Fabrik bemerkte er den Fehler eines Arbeiters, wodurch die Schlinge des Schussfadens auf dem Rücken des Teppichs sichtbar wurde. Er erkannte sofort die ökonomische Verwertbarkeit dieses Fehlers und wies alle Arbeiter an, in Zukunft nur noch „fehlerhaft“ zu arbeiten. Der neue Teppich, der von einem Orientteppich kaum mehr zu unterscheiden war, wurde 1901 patentiert und eine Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs der Firma.
Seinen Arbeitern gegenüber trat Carl Vorwerk patriarchalisch-autoritär auf. Schon 1883 richtete er eine „Fabrik-Krankenkasse“ ein, aber die Forderungen seiner Arbeiter nach einem zehnstündigen Arbeitstag und besseren Löhnen wies er zurück. Als im Jahre 1900 ein Streik seine Firma lahm legte, zeigte er sich unnachgiebig und gründete mit anderen Unternehmern einen „Verband von Arbeitgebern im bergischen Industriebezirk“, einen Vorläufer des heutigen Arbeitgeberverbandes.
1903 erlitt Carl Vorwerk einen Schlaganfall, von dem er sich nie mehr völlig erholte. Damit stellte sich das Problem der Nachfolge im Unternehmen. Vorgesehen war, dass der einzige Sohn Carl (1877-1904), damals gerade erst 26 Jahre alt, sein Nachfolger werden sollte. Doch Carl Vorwerk junior starb früh. August Mittelsten Scheid (1871-1955), der Schwiegersohn, hatte 1899 Mathilde Vorwerk geheiratet, trat 1904 als geschäftsführender Gesellschafter in die „Barmer Teppich-Fabrik“ ein und führte nach dem Tode seines Schwiegervaters 1907 das Unternehmen mit außerordentlichem Erfolg bis 1955. In seine Zeit fällt die Einführung des „Direktvertriebs“, der das Unternehmen bis heute prägt. Augusts Söhne Werner (1904-1953) und Erich (1907-1993) sollten ihn beerben, ein dritter Sohn war im Zweiten Weltkrieg gefallen, ein vierter als Kind gestorben. Werner allerdings starb vor dem Vater, so dass die Last der Nachfolge auf Erich Mittelsten Scheid fiel. Auf ihn folgte Werners ältester Sohn Jörg Mittelsten Scheid (geboren 1936), der Urenkel Carl Vorwerks, der erst 2005 aus der Geschäftsführung ausschied und sie familienfremden persönlich haftenden Gesellschaftern überließ.
Vorwerk & Co. KG ist inzwischen ein weltweit agierendes, immer noch im Familienbesitz befindliches Unternehmen geworden, das neben Teppichen und Staubsaugern vor allem Küchengeräte wie den Thermomix und seit kurzem auch Kosmetika herstellt und seine Produkte mit Hilfe von 25 Landesgesellschaften und 35 Distributoren „direkt“ bei seinen Kunden vertreibt. Mit „Gebäudediensten“ und einer hauseigenen Bank hat das Unternehmen inzwischen auch andere Geschäftsfelder erfolgreich entwickelt.
Literatur
Pross, Helge, Der Geist der Unternehmer. 100 Jahre Vorwerk & Co. Düsseldorf 1983.
Wittmütz, Volkmar, Teppiche, Staubsauger, Kosmetika – Vor 125 Jahren wurde die Firma Vorwerk & Co. gegründet, in: Romerike Berge 58 (2008), Heft 2, S. 30-39.
Online
Vorwerk & Co. (Homepage des Unternehmens). [Online]
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Wittmütz, Volkmar, Carl Vorwerk, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-vorwerk/DE-2086/lido/57c93905a640f1.20162972 (abgerufen am 05.12.2024)