Ernst Moritz Arndt

Schriftsteller und Revolutionär (1769-1860)

Björn Thomann (Suderburg)

Ernst Moritz Arndt, Porträt mit Signatur. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

Ernst Mo­ritz Arndt war ein ent­schie­de­ner Geg­ner Na­po­le­on Bo­na­par­tes (1769-1821) und stieg als sol­cher wäh­rend der Be­frei­ungs­krie­ge zu ei­nem der po­pu­lärs­ten Ver­fas­ser pa­trio­ti­scher Schrif­ten auf. Er gilt ne­ben Fried­rich Lud­wig Jahn (1778-1852) und Jo­hann Gott­lieb Fich­te (1762-1814) als ei­ner der geis­ti­gen Vä­ter der bur­schen­schaft­li­chen Be­we­gung im frü­hen 19. Jahr­hun­dert. Im Re­vo­lu­ti­ons­jahr 1848 war er Ab­ge­ord­ne­ter und Al­ters­prä­si­dent in der deut­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung. Sei­ne For­de­run­gen zur Schaf­fung ei­nes deut­schen Na­tio­nal­staa­tes ba­sier­ten ne­ben chau­vi­nis­ti­schen nicht zu­letzt auf ras­si­schen und an­ti­se­mi­ti­schen Ar­gu­men­ta­tio­nen, die sich auch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten zu ei­gen mach­ten. Der Wert sei­ner Ver­diens­te und Leis­tun­gen wird da­her heu­te kon­tro­vers dis­ku­tiert.

Sei­ne 1803 ver­öf­fent­lich­te Schrift „Ver­such ei­ner Ge­schich­te der Leib­ei­gen­schaft in Pom­mern und Rü­gen" trug ma­ß­geb­lich zur Auf­he­bung der in Schwe­disch-Pom­mern noch be­ste­hen­den Leib­ei­gen­schaft durch den schwe­di­schen Kö­nig Gus­tav IV. (1778-1837) im Jahr 1806 bei. Am 11.4.1806 wur­de Arndt zum au­ßer­or­dent­li­chen Pro­fes­sor er­nannt. Seit der Ver­öf­fent­li­chung sei­ner Flug­schrift „Geist der Zeit" im Jahr 1805, in der er die na­tio­nal­staat­li­che Ei­ni­gung der deut­schen Staa­ten ge­for­dert und die Ex­pan­si­ons­po­li­tik Frank­reichs an­ge­pran­gert hat­te, galt er als ei­ner der ve­he­men­tes­ten Kri­ti­ker Na­po­le­ons.

Aus Angst vor Ver­haf­tung durch die her­an­na­hen­den fran­zö­si­schen Trup­pen flüch­te­te Arndt im De­zem­ber 1806 nach Schwe­den. 1808 kehr­te er un­ter fal­schem Na­men nach Pom­mern zu­rück und do­zier­te nach dem Ab­zug der Fran­zo­sen von 1810 bis 1811 er­neut an der Greifs­wal­der Uni­ver­si­tät. Vor dem Russ­land­feld­zug Na­po­le­ons ent­zog sich Arndt dem Zu­griff der Fran­zo­sen wie­der­um durch Flucht. Er ge­lang­te auf Irr­we­gen nach St. Pe­ters­burg, wo er als Se­kre­tär in den Dienst des Reichs­frei­herrn Hein­rich Karl Fried­rich vom Stein (1757-1831) trat.

 

In den fol­gen­den Jah­ren er­lang­te er durch sei­ne pa­trio­ti­schen Schrif­ten und Kampf­lie­der ei­nen ho­hen Be­kannt­heits­grad. In sei­nen Tex­ten pre­dig­te er den Hass ge­gen die Fran­zo­sen, den er zur „Re­li­gi­on des deut­schen Vol­kes" er­klär­te, for­der­te den Zu­sam­men­schluss al­ler Deut­schen und rief auch zum Un­ge­hor­sam ge­gen die re­gie­ren­den Fürs­ten auf. Die­se In­hal­te ga­ben nicht zu­letzt der Ent­ste­hung der stu­den­ti­schen Bur­schen­schaf­ten ent­schei­den­de Im­pul­se. Die Je­nai­sche Bur­schen­schaft lei­te­te ih­re Ver­fas­sung des Jah­res 1815 mit der ers­ten Stro­phe sei­nes po­pu­lä­ren Lie­des „Des Deut­schen Va­ter­land" ein. 1818 wur­de Arndt als Pro­fes­sor an die in die­sem Jahr er­öff­ne­te preu­ßi­sche Uni­ver­si­tät Bonn be­ru­fen, zu de­ren Grün­dung er mit ei­ner 1815 ver­fass­ten Denk­schrift ma­ß­geb­lich bei­ge­tra­gen hat­te. Den ur­sprüng­lich vor­ge­se­he­nen Stand­ort Köln hat­te er auf­grund der ka­tho­li­schen Tra­di­ti­on der Rhein­me­tro­po­le ve­he­ment ab­ge­lehnt. Sei­ne Lehr­tä­tig­keit fand je­doch be­reits 1819 ein jä­hes En­de. Die nach den Karls­ba­der Be­schlüs­sen ein­set­zen­den Dem­ago­gen­ver­fol­gun­gen bo­ten der preu­ßi­schen Re­gie­rung die Ge­le­gen­heit, auch den po­pu­lä­ren, in Frie­dens­zei­ten aber un­be­que­men Arndt, aus­zu­schal­ten. Nach vor­über­ge­hen­der Ver­haf­tung und Haus­durch­su­chung wur­de er im No­vem­ber 1819 von sei­nem Amt sus­pen­diert und durf­te trotz er­wie­se­ner Un­schuld bis 1840 kei­ne Vor­le­sun­gen mehr ab­hal­ten. Da er zu­dem be­fürch­te­te aus Bonn ent­fernt zu wer­den, stell­te er auch sei­ne Ak­ti­vi­tä­ten als Schrift­stel­ler po­li­ti­scher Tex­te voll­stän­dig ein. Erst die In­sta­bi­li­tät der Ver­hält­nis­se in Frank­reich und Po­len ver­an­lass­ten ihn ab 1830 da­zu, sei­nen For­de­run­gen nach ei­ner Ei­ni­gung der deut­schen Staa­ten un­ter Preu­ßens Füh­rung wie­der öf­fent­lich Nach­druck zu ver­lei­hen.

In der Bon­ner Be­völ­ke­rung ge­noss Arndt ein ho­hes An­se­hen und galt als ein Op­fer staat­li­cher Will­kür. Die Nach­richt von sei­ner Re­ha­bi­li­tie­rung durch Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gie­rungs­zeit 1840-1858) am 2.7.1840 lös­te in Bonn da­her ei­ne Wel­le von Bei­falls­be­kun­dun­gen und Eh­run­gen aus. Vom Se­nat der Uni­ver­si­tät im Au­gust 1840 zum Rek­tor für das Amts­jahr 1840/1841 ge­wählt, konn­te Arndt sei­nen Pflich­ten nach ei­ner Un­ter­bre­chung von mehr als zwei Jahr­zehn­ten wie­der nach­kom­men.

Ob­wohl er wei­ter­hin als po­li­ti­scher Mär­ty­rer und Vor­kämp­fer des deut­schen Ein­heits­ge­dan­kens ge­fei­ert wur­de, er­wies sich Arndts Leh­rer- und For­scher­tä­tig­keit an der Uni­ver­si­tät bald von ge­rin­gem Wert. Sei­ne Me­tho­dik galt als ver­al­tet, und auch die von ihm ge­hal­te­nen Vor­le­sun­gen er­füll­ten die in sie ge­setz­ten Er­war­tun­gen nicht mehr.

In den fol­gen­den Jah­ren mehr­ten sich kri­ti­sche Stim­men. Der Stu­dent Na­po­le­on Os­mol­ski ver­spot­te­te Arndt als „wah­ren, aber be­schränk­ten deut­schen Mann" so­wie als „in­to­le­ran­ten Pro­tes­tan­ten" und „fa­na­ti­schen Fran­zo­sen-, Po­len- und Ka­tho­li­ken­fres­ser". Bei der Mehr­heit der Stu­den­ten war sei­ne Po­pu­la­ri­tät bei Aus­bruch der Re­vo­lu­ti­on 1848/1849 je­doch un­ge­bro­chen. Am Abend des 17.3.1848 wur­de er von der Stu­den­ten­schaft mit ei­nem Fa­ckel­zug ge­ehrt und noch im Al­ter von 85 Jah­ren zum Haupt­mann ei­ner Stu­den­ten­kom­pa­nie ge­wählt. Als Arndt sich je­doch ge­gen den po­li­ti­schen Ra­di­ka­lis­mus der de­mo­kra­ti­schen Be­we­gung wand­te und sich für die kon­sti­tu­tio­nel­le Mon­ar­chie aus­sprach, wur­de ihm „Zag­haf­tig­keit" vor­ge­wor­fen.

Arndt wur­de als Ab­ge­ord­ne­ter der Stadt So­lin­gen ne­ben wei­te­ren sechs Pro­fes­so­ren der Uni­ver­si­tät Bonn in die Na­tio­nal­ver­samm­lung in der Frank­fur­ter Pauls­kir­che ge­wählt. Sei­ne Tä­tig­keit als Par­la­men­ta­ri­er blieb al­ler­dings oh­ne nach­hal­ti­ge Wir­kung. Die Neue Rhei­ni­sche Zei­tung ver­spot­te­te ihn als „lie­bens­wür­di­gen Schwät­zer", der „durch die Er­zäh­lung kind­li­cher An­ek­do­ten und Schnur­ren nur der Un­ter­hal­tung die­ne." Nach der Ab­leh­nung der Kai­ser­wür­de durch Fried­rich Wil­helm IV. (1849) trat Ernst Mo­ritz Arndt ent­täuscht von sei­nen po­li­ti­schen Äm­tern zu­rück. Er kehr­te nach Bonn zu­rück, wo er am 29.1.1860 an den Fol­gen ei­ner Lun­gen­ent­zün­dung starb. Sein Grab be­fin­det sich auf dem Al­ten Fried­hof in Bonn.

Die Dis­kus­si­on über die Be­deu­tung und das Ver­mächt­nis des Pa­trio­ten Ernst Mo­ritz Arndt setz­te be­reits zu sei­nen Leb­zei­ten ein und dau­ert bis heu­te an. Im Kai­ser­reich zum Na­tio­nal­hel­den sti­li­siert, wur­den sei­ne Wer­ke nach dem Ers­ten Welt­krieg durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ideo­lo­gisch ver­ein­nahmt. Seit 1945 wird Arndt ei­ner zu­neh­mend kri­ti­sche­ren Be­trach­tung un­ter­zo­gen. Es wür­de der Viel­schich­tig­keit sei­nes Wir­kens je­doch nicht ge­recht, Arndt le­dig­lich zu ei­nem Vor­kämp­fer der ras­sis­ti­schen Ide­en­welt des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus zu de­gra­die­ren. Auch wenn sei­ne Wer­ke in vie­len Pas­sa­gen heu­te als über­holt gel­ten, blei­ben sein un­ei­gen­nüt­zi­ger Ein­satz ge­gen die na­po­leo­ni­sche Fremd­herr­schaft und den preu­ßi­schen Po­li­zei­staat da­von un­be­rührt. Sei­ne For­de­run­gen nach ei­ner geis­ti­gen und po­li­ti­schen Über­win­dung deut­scher Klein­staa­te­rei, an de­ren Stel­le ein Na­tio­nal­staat mo­der­ner Prä­gung ent­ste­hen soll­te, ma­chen ihn trotz al­ler Schwä­chen zu ei­nem wich­ti­gen Vi­sio­när und Im­puls­ge­ber der deut­schen Ein­heits­be­we­gung.

Literatur

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Ge­ppert, Do­mi­nik, Ernst Mo­ritz Arndt (1769-1860). Zwi­schen deut­schem Na­tio­na­lis­mus, re­gio­na­ler Ver­wur­ze­lung und eu­ro­päi­scher Zi­vi­li­sa­ti­on, in: In­sti­tut für Ge­schichts­wis­sen­schaft (Hg.), 150 Jah­re His­to­ri­sches Se­mi­nar. Pro­fi­le der Bon­ner Ge­schichts­wis­sen­schaft. Er­trä­ge ei­ner Ring­vor­le­sung, Sieg­burg 2013, S. 31-49.
Nie­sen, Jo­sef, Bon­ner Per­so­nen­le­xi­kon, 3., er­wei­ter­te und ver­bes­ser­te Auf­la­ge, Bonn 2011, S. 26-27.
Ot­te, Wieb­ke, Arndt und ein Eu­ro­pa der Fein­de? Eu­ro­pa­ge­dan­ke und Na­tio­na­lis­mus in den Schrif­ten Ernst Mo­ritz Arndts, Mar­burg 2007.
Tietz, Karl-Ewald /  Wi­chert, Sven  (Hg.), Ernst Mo­ritz Arndt wei­ter­hin im Wi­der­streit der Mei­nun­gen. Neue Ma­te­ria­li­en zu ei­ner al­ten Dis­kus­si­on, Greifs­wald 2003.

Online

Rö­ß­ler, Hell­muth, Ar­ti­kel "Arndt, Ernst Mo­ritz", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 1 (1953), S. 358-360. [On­line]
Web­site der „Ernst-Mo­ritz-Arndt-Ge­sell­schaft e.V. [On­line]

Ernst Moritz Arndt, Porträt. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

 
Zitationshinweis

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Thomann, Björn, Ernst Moritz Arndt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-moritz-arndt-/DE-2086/lido/57adb145be6ca9.09940164 (abgerufen am 14.11.2024)