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Ernst Moritz Arndt war ein entschiedener Gegner Napoleon Bonapartes (1769-1821) und stieg als solcher während der Befreiungskriege zu einem der populärsten Verfasser patriotischer Schriften auf. Er gilt neben Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) und Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) als einer der geistigen Väter der burschenschaftlichen Bewegung im frühen 19. Jahrhundert. Im Revolutionsjahr 1848 war er Abgeordneter und Alterspräsident in der deutschen Nationalversammlung. Seine Forderungen zur Schaffung eines deutschen Nationalstaates basierten neben chauvinistischen nicht zuletzt auf rassischen und antisemitischen Argumentationen, die sich auch die Nationalsozialisten zu eigen machten. Der Wert seiner Verdienste und Leistungen wird daher heute kontrovers diskutiert.
Seine 1803 veröffentlichte Schrift „Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen" trug maßgeblich zur Aufhebung der in Schwedisch-Pommern noch bestehenden Leibeigenschaft durch den schwedischen König Gustav IV. (1778-1837) im Jahr 1806 bei. Am 11.4.1806 wurde Arndt zum außerordentlichen Professor ernannt. Seit der Veröffentlichung seiner Flugschrift „Geist der Zeit" im Jahr 1805, in der er die nationalstaatliche Einigung der deutschen Staaten gefordert und die Expansionspolitik Frankreichs angeprangert hatte, galt er als einer der vehementesten Kritiker Napoleons.
Aus Angst vor Verhaftung durch die herannahenden französischen Truppen flüchtete Arndt im Dezember 1806 nach Schweden. 1808 kehrte er unter falschem Namen nach Pommern zurück und dozierte nach dem Abzug der Franzosen von 1810 bis 1811 erneut an der Greifswalder Universität. Vor dem Russlandfeldzug Napoleons entzog sich Arndt dem Zugriff der Franzosen wiederum durch Flucht. Er gelangte auf Irrwegen nach St. Petersburg, wo er als Sekretär in den Dienst des Reichsfreiherrn Heinrich Karl Friedrich vom Stein (1757-1831) trat.
In den folgenden Jahren erlangte er durch seine patriotischen Schriften und Kampflieder einen hohen Bekanntheitsgrad. In seinen Texten predigte er den Hass gegen die Franzosen, den er zur „Religion des deutschen Volkes" erklärte, forderte den Zusammenschluss aller Deutschen und rief auch zum Ungehorsam gegen die regierenden Fürsten auf. Diese Inhalte gaben nicht zuletzt der Entstehung der studentischen Burschenschaften entscheidende Impulse. Die Jenaische Burschenschaft leitete ihre Verfassung des Jahres 1815 mit der ersten Strophe seines populären Liedes „Des Deutschen Vaterland" ein. 1818 wurde Arndt als Professor an die in diesem Jahr eröffnete preußische Universität Bonn berufen, zu deren Gründung er mit einer 1815 verfassten Denkschrift maßgeblich beigetragen hatte. Den ursprünglich vorgesehenen Standort Köln hatte er aufgrund der katholischen Tradition der Rheinmetropole vehement abgelehnt. Seine Lehrtätigkeit fand jedoch bereits 1819 ein jähes Ende. Die nach den Karlsbader Beschlüssen einsetzenden Demagogenverfolgungen boten der preußischen Regierung die Gelegenheit, auch den populären, in Friedenszeiten aber unbequemen Arndt, auszuschalten. Nach vorübergehender Verhaftung und Hausdurchsuchung wurde er im November 1819 von seinem Amt suspendiert und durfte trotz erwiesener Unschuld bis 1840 keine Vorlesungen mehr abhalten. Da er zudem befürchtete aus Bonn entfernt zu werden, stellte er auch seine Aktivitäten als Schriftsteller politischer Texte vollständig ein. Erst die Instabilität der Verhältnisse in Frankreich und Polen veranlassten ihn ab 1830 dazu, seinen Forderungen nach einer Einigung der deutschen Staaten unter Preußens Führung wieder öffentlich Nachdruck zu verleihen.
In der Bonner Bevölkerung genoss Arndt ein hohes Ansehen und galt als ein Opfer staatlicher Willkür. Die Nachricht von seiner Rehabilitierung durch König Friedrich Wilhelm IV. (Regierungszeit 1840-1858) am 2.7.1840 löste in Bonn daher eine Welle von Beifallsbekundungen und Ehrungen aus. Vom Senat der Universität im August 1840 zum Rektor für das Amtsjahr 1840/1841 gewählt, konnte Arndt seinen Pflichten nach einer Unterbrechung von mehr als zwei Jahrzehnten wieder nachkommen.
Obwohl er weiterhin als politischer Märtyrer und Vorkämpfer des deutschen Einheitsgedankens gefeiert wurde, erwies sich Arndts Lehrer- und Forschertätigkeit an der Universität bald von geringem Wert. Seine Methodik galt als veraltet, und auch die von ihm gehaltenen Vorlesungen erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen nicht mehr.
In den folgenden Jahren mehrten sich kritische Stimmen. Der Student Napoleon Osmolski verspottete Arndt als „wahren, aber beschränkten deutschen Mann" sowie als „intoleranten Protestanten" und „fanatischen Franzosen-, Polen- und Katholikenfresser". Bei der Mehrheit der Studenten war seine Popularität bei Ausbruch der Revolution 1848/1849 jedoch ungebrochen. Am Abend des 17.3.1848 wurde er von der Studentenschaft mit einem Fackelzug geehrt und noch im Alter von 85 Jahren zum Hauptmann einer Studentenkompanie gewählt. Als Arndt sich jedoch gegen den politischen Radikalismus der demokratischen Bewegung wandte und sich für die konstitutionelle Monarchie aussprach, wurde ihm „Zaghaftigkeit" vorgeworfen.
Arndt wurde als Abgeordneter der Stadt Solingen neben weiteren sechs Professoren der Universität Bonn in die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche gewählt. Seine Tätigkeit als Parlamentarier blieb allerdings ohne nachhaltige Wirkung. Die Neue Rheinische Zeitung verspottete ihn als „liebenswürdigen Schwätzer", der „durch die Erzählung kindlicher Anekdoten und Schnurren nur der Unterhaltung diene." Nach der Ablehnung der Kaiserwürde durch Friedrich Wilhelm IV. (1849) trat Ernst Moritz Arndt enttäuscht von seinen politischen Ämtern zurück. Er kehrte nach Bonn zurück, wo er am 29.1.1860 an den Folgen einer Lungenentzündung starb. Sein Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof in Bonn.
Die Diskussion über die Bedeutung und das Vermächtnis des Patrioten Ernst Moritz Arndt setzte bereits zu seinen Lebzeiten ein und dauert bis heute an. Im Kaiserreich zum Nationalhelden stilisiert, wurden seine Werke nach dem Ersten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten ideologisch vereinnahmt. Seit 1945 wird Arndt einer zunehmend kritischeren Betrachtung unterzogen. Es würde der Vielschichtigkeit seines Wirkens jedoch nicht gerecht, Arndt lediglich zu einem Vorkämpfer der rassistischen Ideenwelt des Nationalsozialismus zu degradieren. Auch wenn seine Werke in vielen Passagen heute als überholt gelten, bleiben sein uneigennütziger Einsatz gegen die napoleonische Fremdherrschaft und den preußischen Polizeistaat davon unberührt. Seine Forderungen nach einer geistigen und politischen Überwindung deutscher Kleinstaaterei, an deren Stelle ein Nationalstaat moderner Prägung entstehen sollte, machen ihn trotz aller Schwächen zu einem wichtigen Visionär und Impulsgeber der deutschen Einheitsbewegung.
Literatur
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Otte, Wiebke, Arndt und ein Europa der Feinde? Europagedanke und Nationalismus in den Schriften Ernst Moritz Arndts, Marburg 2007.
Tietz, Karl-Ewald / Wichert, Sven (Hg.), Ernst Moritz Arndt weiterhin im Widerstreit der Meinungen. Neue Materialien zu einer alten Diskussion, Greifswald 2003.
Online
Rößler, Hellmuth, Artikel "Arndt, Ernst Moritz", in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 358-360. [Online]
Website der „Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft e.V. [Online]
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Thomann, Björn, Ernst Moritz Arndt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-moritz-arndt-/DE-2086/lido/57adb145be6ca9.09940164 (abgerufen am 14.11.2024)