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Der Theologe, Kunsthistoriker und Dichter Johann Gottfried Kinkel zählt zu den bedeutenden Persönlichkeiten der Revolution 1848/1849 im Rheinland. Obwohl er nach seiner Verhaftung und seiner Flucht aus dem Gefängnis in Spandau zu einer Symbolgestalt der demokratischen Bewegung erhoben wurde, blieb ihm eine Verwirklichung seiner politischen Visionen zeitlebens versagt.
Gottfried Kinkel wurde am 11.8.1815 in Oberkassel bei Bonn als Sohn des gleichnamigen Pfarrers Kinkel und dessen Frau Sibylla Maria Beckmann geboren. Ab 1825 besuchte er das Bonner Gymnasium, an dem er 1831 die Reifeprüfung ablegte. Dem Vorbild des Vaters folgend, immatrikulierte er sich noch im gleichen Jahr an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. Ein zweisemestriger Studienaufenthalt in Berlin zwischen 1834 und 1835 förderte aber auch sein Interesse für Kunst und Literatur. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums fand Kinkel 1837, im Alter von nur 22 Jahren, eine Anstellung als Dozent für Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.
Die Bekanntschaft mit der Pianistin Johanna Mockel gab Kinkels Leben ab 1839 eine entscheidende Wendung. Zunächst nur freundschaftlich verbunden, gründeten sie am 29.6.1840 gemeinsam den „Maikäferbund". Diesem literarischen Zirkel zum Vortrag und zur Besprechung von Lyrik und Prosa gehörten bedeutende Vertreter der jüngeren Rheinromantik an. Zu den wichtigsten Mitgliedern zählten Karl Simrock, Wolfgang Müller von Königswinter und Nikolaus Becker. Der bis 1847 bestehenden Maikäferbund mit seiner Zeitschrift „Der Maikäfer: eine Zeitschrift für Nicht-Philister" gilt als einer der wichtigsten Dichterkreise des Vormärz.
Kinkels Heirat mit der in erster Ehe geschiedenen Johanna im Mai 1843 stellte einen gesellschaftlichen Skandal dar. Als Dozent der von ihm ohnehin ungeliebten Theologie war Kinkel damit nicht länger tragbar. Stattdessen trat er zur philosophischen Fakultät über, wurde 1845 promoviert und 1846 zum Professor für Kunst- und Literaturgeschichte ernannt. Seine politische Karriere begann mit dem Ausbruch der Revolution im Frühjahr 1848. Am 20.3.1848 bildete er, eine schwarz-rot-goldene Fahne tragend, neben Ernst Moritz Arndt und Friedrich Christoph Dahlmann die Spitze eines Festzuges zum Bonner Rathaus. Kinkel, der zunächst noch ein Befürworter der Monarchie war, stieg schnell zu einer Leitfigur der demokratisch-republikanischen Bewegung auf. Er forderte die Gründung eines deutschen Nationalstaates, Volkssouveränität und die Beseitigung der Fürstenherrschaft. Die Umsetzung dieser Ziele glaubte er durch schrittweise Reformen erreichen zu können. Damit stand er in starkem Widerspruch zu dem in Köln agierenden Kommunisten Karl Marx. Neben seiner Frau Johanna avancierte der Geschichtsstudent Carl Schurz zu Kinkels wichtigstem Berater und Mitarbeiter.
Kinkel verstand es, die republikanischen Strömungen Bonns in dem von ihm gegründeten „demokratischen Verein" zu bündeln. Als Redakteur der „Bonner Zeitung", die ab 1849 unter dem Namen „Neue Bonner Zeitung" erschien, stand er außerdem an der Spitze eines der wichtigsten demokratischen Blätter der Revolution. Kinkels Beliebtheit gründete sich jedoch nicht allein auf seine Qualitäten als politischer Redner und Publizist. Er galt auch als volksnah und besaß „in hohem Maße die heitere Ungebundenheit des Rheinländers", neigte jedoch dabei zu Selbstgefälligkeit und übertriebenem Ehrgeiz. Als Politiker mangelte es ihm an taktischem Kalkül sowie an der Fähigkeit zur sachlichen Analyse des politisch Machbaren.
Am 5.2.1849 wurde Kinkel als Abgeordneter in die zweite Kammer der preußischen Nationalversammlung in Berlin gewählt. Er setzte sich dabei mit 236:214 Stimmen gegen den Juristen Johann Brauerband (1800-1878) durch. Die Wahl stellte Kinkels größten politischen Erfolg dar. In seiner kurzen Zeit als Parlamentarier im Lager der Linken überzeugte er erneut als politischer Redner. Nach der Auflösung der Nationalversammlung im April 1849 kehrte er nach Bonn zurück und rief zum bewaffneten Widerstand gegen die preußische Regierung auf. In einem Artikel in der Neuen Bonner Zeitung schrieb er am 6.5.1849: „Nur vor uns liegt Land, liegt eine Rettung, und sie heißt Republik. Wir werden nicht mehr gefragt, was wir wollen oder wünschen, nur um ein Müssen handelt es sich, und dies Müssen lautet: Untergehen oder Durchschwimmen, Knute oder Freiheitsmütze, Bürgerkrieg oder Einheit."
Ungeachtet eigener Zweifel nahm Kinkel am 10.5.1849 an der geplanten Erstürmung der Rüstkammer des Siegburger Zeughaus teil. Nach dem Scheitern des schon im Vorfeld der Stadt aufgehaltenen Angriffs begab sich Kinkel mit Schurz nach Süddeutschland und nahm am badischen Aufstand als Angehöriger der Freischärlerkompanie Besançon teil. Nach einer am 29.6.1849 an der Murg erlittenen Verwundung geriet er in preußische Gefangenschaft und wurde im August 1849 in Rastatt zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt.
Als ihm im Frühjahr 1850 in Köln der Prozess wegen seiner Beteiligung am Zug nach Siegburg gemacht wurde, stellte er seine rhetorischen Qualitäten abermals unter Beweis. Seine Verteidigungsrede gilt als rhetorisches Meisterstück. Der Prozess endete mit seinem Freispruch, das Urteil von Rastatt blieb davon jedoch unberührt.
In der Nacht vom 6.11. auf den 7.11.1850 wurde Kinkel durch Carl Schurz aus der Festung Spandau befreit. Schurz war es gelungen, einen Wärter zu bestechen, mit deren Hilfe sich Kinkel vom Dach des Gefängnisses abseilen konnte. Beiden gelang die Flucht nach England, von wo sich Kinkel zunächst um eine Fortführung der Revolution bemühte. Es gelang ihm jedoch nicht, die zerstrittenen Gruppierungen politischer Emigranten zu einen. Nach einer sechsmonatigen Reise durch Amerika, wo er vergeblich um Geldanleihen zur Aufstellung eines Invasionsheeres geworben hatte, gab er seine politischen Aktivitäten auf und ließ sich mit seiner Familie in London nieder. In den folgenden, von Existenznöten und schweren Schicksalsschlägen geprägten Jahren arbeitete Kinkel zunächst als Lehrer. Johanna Kinkel, die zuvor mehrere Herzinfarkte erlitten hatte, starb am 15.11.1858 bei einem Sturz aus dem Fenster ihres Schlafzimmers. Nach ihrem Tod heiratete Kinkel 1860 die Königsbergerin Minna Werner (1829-1907) und trat 1863 in den Dienst der Londoner Universität.
1866 übernahm Kinkel eine Professur für Kunst- und Literaturgeschichte am Polytechnikum in Zürich. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er als wohlhabender und angesehener Bürger in der Schweiz. Gottfried Kinkel starb am 13.11.1882 in seinem Haus in Unterstraß bei Zürich an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde in einem Ehrengrab auf dem Züricher Zentralfriedhof beigesetzt.
Quellen
Klaus, Monica, Liebe treue Johanna! Liebster Gottit! Der Briefwechsel zwischen Gottfried und Johanna Kinkel 1840-1858, 3 Bände, Bonn 2008.
Werke (Auswahl)
Die Ahr (1846).
Gedichte (1852).
Doktor Ypocras (1877).
Der Grobschmied von Antwerpen (1842).
König und Dichter (1851).
Das Mosaik in der Kunstgeschichte (1876).
Otto der Schütz. Eine rheinische Geschichte in zwölf Abenteuern (1846).
Vom Rhein (1847).
Literatur
Böhm, Roland, Artikel „Kinkel, Gottfried", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 3 (1992), Sp. 1499-1503.
Ennen, Edith, Gottfried Kinkel (1815-1882), in: Rheinische Lebensbilder 1 (1961), S. 168-188.
Kersken, Hans, Stadt und Universität Bonn in den Revolutionsjahren (1848/49), Bonn 1931.
Niesen, Josef, Artikel "Kinkel, Gottfried", in: Josef Niesen, Bonner Personenlexikon, Bonn 2007, S. 163-165.
Schmidt, Klaus, Gerechtigkeit – das Brot des Volkes. Johanna und Gottfried Kinkel. Eine Biographie, Stuttgart 1996
Schnelling-Reinicke, Ingeborg, Gottfried Kinkel (1815-1882), in: Schnelling-Reinicke, Ingeborg/Dascher, Ottfried (Hg.), Petitionen und Barrikaden. Rheinische Revolutionen 1848/49, Münster i.W. 1998, S. 288-290.
Online
Brandt-Schwarze, Ulrike (Bearb.), Nachlass Gottfried und Johanna Kinkel: Findbuch, Bonn 2001 (Umfassende Information auf der Homepage der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn). [Online]
Ennen, Edith, "Kinkel, Gottfried", in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 623-624. [Online]
Klaus, Monica, Johanna und Gottfried Kinkel (Biographische und bibliographische Information auf der Homepage des Stadtmuseums Bonn). [Online]
Nachlass von Gottfried und Johanna Kinkel in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. [Online]
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Thomann, Björn, Gottfried Kinkel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gottfried-kinkel-/DE-2086/lido/57c9346d84d030.44827723 (abgerufen am 12.10.2024)